T 1271/06 15-04-2008
Download und weitere Informationen:
Verfahren zum Steuern eines Schweissgerätes und Steuervorrichtung hierfür
Carl Cloos Schweißtechnik GmbH
Esab AB
EWM Hightec Welding GmbH
I. Mit der Entscheidung vom 19. Juni 2006 hat die Einspruchsabteilung das auf die europäische Patentanmeldung Nr. 99 920 451.4 erteilte europäische Patent Nr. 1 098 729 in geänderter Form aufrecht erhalten.
II. Die Einsprechende II als alleinige Beschwerdeführerin hat gegen diese Entscheidung am 16. August 2006 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 18. Oktober 2006 eingegangen.
III. In ihrer Mitteilung vom 1. Februar 2008 ist die Kammer auf die von der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) im Einspruchsverfahren erhobene und im Beschwerdeverfahren aufrecht erhaltene Frage der Zulässigkeit des Einspruchs der Einsprechenden II eingegangen. Die Kammer nahm auch zu den Fragen der Ausführbarkeit und der erfinderischen Tätigkeit Stellung.
IV. Mit Schreiben von 31. März 2008 hat die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zur Frage der Zulässigkeit ihres Einspruchs eingereicht und mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.
V. Am 15. April 2008 hat die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden, in der nur die Beschwerdegegnerin vertreten war. Die Beschwerdeführerin und die weiteren Verfahrensbeteiligten (die Einsprechenden I und II) haben an der mündlichen Verhandlung, wie schriftlich angekündigt, nicht teilgenommen. Gemäß Regel 115 (2) EPÜ wurde die Verhandlung ohne sie fortgesetzt.
Die Beschwerdeführerin beantragte schriftsätzlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Basis eines der Hilfsanträge 1-3, eingereicht mit Schreiben vom 7. Mai 2007.
Die weiteren Verfahrensbeteiligte haben im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt.
VI. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente zur Frage der Zulässigkeit ihres Einspruchs lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Im Einspruchsschriftsatz wurde auf drei Dokumente Bezug genommen, nämlich:
A1 : "Schweißen & Schneiden", Oktober 1997, Seiten 776 und 777;
A2 : "Welding Review International", August 1997, Seiten 7 und 24;
A3 : Programmierhandbuch Aristo 320/450, Seiten 6-11, 14-21, 26-29, 46-49, 66, 67.
A1 enthalte Werbung für ein Schweißgerät Aristo 2000 und A2 offenbare, dass ein solches Schweißgerät auf der Messe Schweißen & Schneiden vom 10.-16. September 1997 im Essen augestellt worden sei. Aus der Zusammenschau von A1 und A2 ergebe sich, dass das Schweißgerät Aristo 2000 vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents auf dem Markt war. Darüber hinaus sei dieses Schweißgerät auf der Messe der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Hierzu sei Herr Per Åberg als Zeuge benannt worden. Mit A1 und A2 in Verbindung mit der Veröffentlichung während der Messe, welche von Herrn Per Åberg bestätigt werden könne, sei im Einspruchsschriftsatz eine komplette Beschreibung einer offenkundigen Vorbenutzung geliefert worden, welche die Erfordernisse der Regel 55 c) EPÜ 1973 erfülle. Ferner beziehe sich A3 auf das System Aristo 450, welches im Schweißgerät Aristo 2000 enthalten sei. A3 gehöre somit eindeutig auch zum Stand der Technik.
VII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Obwohl im Formblatt EPA 2300.2 der Einspruchsgrund mangelnder Neuheit angekreuzt wurde, sei in der Einspruchsbegründung nicht dargelegt worden, dass durch eine der genannten Entgegenhaltungen alle Merkmale der erteilten Patentansprüche vorweggenommen seien. Dort werde nur die erfinderische Tätigkeit angesprochen. Im Einspruchsschriftsatz seien keinesfalls die für eine ausreichende Substantiierung der offenkundigen Vorbenutzung erforderlichen Angaben gemacht worden, nämlich was der Öffentlichkeit, wann, wie und durch wen zugänglich gemacht worden sei. Insbesondere sei völlig unklar, was genau auf der Messe offenbart wurde. Es sei auch unklar, welchen Sachverhalt der Zeuge bezeugen hätte sollen. Bezüglich des Programmierhandbuchs A3, dessen Status als vorveröffentlichtes Dokument völlig offen sei, sei in dem Einspruchsschriftsatz lediglich eine Zitatstelle angegeben. Dies reiche insbesondere auch angesichts des Umfangs der A3 nicht aus, den Standpunkt und das Vorbringen der Einsprechenden so deutlich darzulegen, dass sowohl die Patentinhaberin als auch die Einspruchsabteilung feststellen können, worauf sich die Einsprechende im einzelnen stützt.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist das Erfordernis der Angabe der zur Begründung des Einspruchs vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel (Regel 55 (c) EPÜ 1973) nur dann erfüllt, wenn die relevanten Tatsachen und Beweismittel so ausreichend angegeben sind, dass die angeführten Einspruchsgründe und ihre Stichhaltigkeit von der Einspruchsabteilung und vom Patentinhaber ohne weitere Ermittlungen richtig verstanden werden können und sie in der Lage versetzt werden hierzu Stellung zu nehmen (vgl. z.B. T 2/89 und T 328/87).
3. Im Einspruchsschriftsatz hat die Einsprechende II (alleinige Beschwerdeführerin) vorgetragen:
a) ein Schweißgerät ARISTO 2000, umfassend eine Schweißquelle Aristo 450, eine Drahtvorschubeinrichtung und eine Steuerung PUA1, sei auf der Messe vom 10-16. September in Essen ausgestellt worden, wobei die Besucher die Maschine sehen und benutzen konnten;
b) für dieses Schweißgerät sei in "Schweißen & Schneiden" (A1) und in "Welding Review International" (A2) Werbung gemacht worden;
c) in A1 und A2 werde angegeben, dass das Schweißgerät mit "Synergiekennlinien" arbeite;
d) im Programmierhandbuch PUA1 Aristo 320/450, veröffentlicht am 10. November 1997, werde erklärt, was unter "synergischem Schweißen" zu verstehen sei;
e) die Synergiekennlinien entsprächen den Minimum- und Maximumkurven des Streitpatents;
f) es sei in A3 implizit offenbart, dass die Werte zwischen den Kurven über ein Interpolationsberechnungsverfahren ermittelt werden sollten;
g) der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche des Streitpatents sei allein durch A3 nahegelegt;
h) Herr Per Åberg werde als Zeuge bezüglich der Veröffentlichung auf der Messe angeboten.
4. Nach den Angaben der Einsprechende II selbst (Punkt b oben) wurde für das Schweißgerät Aristo 2000 in A1 und A2 (nur) Werbung gemacht. Tatsächlich sind in A1 und A2 lediglich allgemeine Angaben über dieses Schweißgerät zu finden. Daraus ist zu folgern, dass A1 und A2 wohl nicht als Entgegenhaltungen, sondern als Beweismittel für die offenkundige Vorbenutzung des Schweißgeräts Aristo 2000 dienen sollen.
Folglich wird also die öffentliche Vorbenutzung eines Schweißgeräts geltend gemacht, welches eine Stromquelle, eine Drahtvorschubeinrichtung und eine Steuerung umfasst, wobei in der Steuerung Synergiekennlinien vorprogrammiert sind. Der Einspruchsschriftsatz lässt aber völlig offen, ob auch die Synergiekennlinien und deren technische Bedeutung, die ja (siehe Punkt e oben) den Merkmalen des kennzeichnenden Teils der unabhängigen Ansprüche des Streitpatents entsprechen sollen, während der Messe der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.
Es fehlt auch ein Beleg für die behauptete Neuheitschädlichkeit der offenkundigen Vorbenutzung, die dem Streitpatent entgegenstehen soll:
Das bloße Ankreuzen des Kästchens für die Geltendmachung fehlender Neuheit im Formblatt 2300 spezifiziert nicht, auf welcher Entgegenhaltung dieser Einspruchsgrund basiert. Hinzu kommt, dass die offenkundige Vorbenutzung nicht die einzige, im Einspruchsschriftsatz genannte Entgegenhaltung ist (vgl. hierzu Punkt g oben).
Die Angaben im Einspruchsschriftsatz zur offenkundigen Vorbenutzung des Schweißgeräts Aristo 2000 sind demzufolge so vage, dass sie nicht ausreichen, um den Gegenstand der offenkundige Vorbenutzung ohne weitere Ermittlungen mit dem Gegenstand des angefochtenen Patents zu vergleichen.
Der angebotene Zeugenbeweis (siehe Punkt h oben) kann nicht erhoben werden, weil der Zeuge nur zur Bestätigung konkreter Behauptungen vernommen werden darf und nicht um Merkmale der Offenbarung erstmals darzulegen (siehe z.B. T 297/00, Punkt 3.1).
5. Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, aus der Zusammenschau der A1 und A2 ergebe sich, dass das Schweißgerät Aristo 2000 vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents auf dem Markt war. Dies wird durch den weiteren Vortrag jedoch nicht belegt. So ist aus dem Einspruchsschriftsatz nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Einsprechende auch behaupteten will, dass das Schweißgerät bereits lieferbar oder gar schon an Kunden ausgeliefert war, mit der Folge, dass ein fachkundiger Käufer die Merkmale des Geräts, die nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin mit denen der kennzeichnenden Teile der unabhängigen Ansprüche des Streitpatents übereinstimmen sollen, hätte erkennen können.
6. Im Einspruchsschriftsatz wird weiterhin auf das Programmierhandbuch A3 Bezug genommen. Wie bereits von der Kammer in der Mitteilung vom 1. Februar 2008 ausgeführt, handelt es sich dabei um ein Dokument der Einsprechenden II selbst, das in der Regel mit einer Patentschrift nicht vergleichbar ist, bei der das Veröffentlichungsdatum auf der ersten Seite steht. Daher ist die Angabe im Einspruchsschriftsatz, dass die A3 am 10. November 1997 veröffentlicht worden sei, als bloße Behauptung anzusehen, für die die Angabe eines Beweismittels fehlt (vgl. hierzu T 511/02).
Ob die Angabe "97.11.10" auf der ersten Seite der A3 tatsächlich ein Veröffentlichungsdatum ist, ist zweifelhaft. Ein derartiges Dokument, das ausschließlich für die Erwerber des Schweißgeräts Aristo 2000 bestimmt ist, trägt in der Regel kein Veröffentlichungsdatum, sondern ein verschlüsseltes oder unverschlüsseltes Versions- oder Druckdatum (vgl. T 511/02). Deshalb ist der von der Beschwerdeführerin verwendete Ausdruck "Veröffentlichungsdatum" zumindest zweifelhaft.
Das Veröffentlichungsdatum ist entscheidend für die Feststellung, ob A3 zum Stand der Technik gehört und dem Patent entgegengehalten werden kann. Zu diesem fehlt jedoch ein ausreichender Vortrag von Tatsachen und Beweismitteln, so dass die Beschwerdegegnerin und die Kammer ohne weitere Ermittlungen nicht feststellen konnten, wie die Einsprechende II ihre Behauptung untermauern wollte, die Angabe "97.11.10" sei das Datum, an dem die A3 der Öffentlichkeit zugänglich war, zumal der Hinweis auf das Veröffentlichungsdatum, wie oben dargelegt, wohl unzutreffend ist.
7. Aus diesen Gründen sind die Zulässigkeitserfordernisse für den Einspruch der Einsprechenden II nach Artikel 99 (1) und Regel 55 c) EPÜ 1973 nicht erfüllt. Damit ist der Einspruch der Einsprechenden II, der einzigen Beschwerdeführerin, unzulässig und die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.