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T 0330/07 20-01-2009
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Einspritzventil mit Mitteln zur Kompensation der thermischen Längenänderung eines Piezoaktors
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 27. Februar 2007 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 27. Dezember 2006 den Einspruch zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet, und am 27. April 2007 die Beschwerde schriftlich begründet.
II. Der Einspruch wurde auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 (fehlende Neuheit und erfinderische Tätigkeit) gestützt.
III. Folgende Druckschriften haben in diesem Verfahren eine Rolle gespielt:
D6: JP-A-62 199 960 mit Übersetzung in die deutsche Sprache
D7: DE-A-43 08 297
D8: Artikel "Aktoren mit Formgedächtnis-Legierungen" von P. Schmidt-Mende, Technische Akademie Esslingen, Expert Verlag; 1995.
IV. Am 20. Januar 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Sie hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
D6 stelle den nächstkommenden Stand der Technik dar. Von dieser Druckschrift ausgehend, bestehe die Aufgabe darin, die thermische Längenänderung des Aktors besser auszugleichen und eine kompaktere Bauweise zu erzielen. Ein Fachmann kenne die Eigenschaften der Memory-Metalle wie durch D8 belegt. Es sei daher für ihn offensichtlich, die Ausgleichsscheibe aus D6 aus einem Memory-Metall herzustellen. Ferner seien Ausgleichsscheiben für Stromventile, die sich auch als Einspritzventile eignen, aus D6 bekannt. D6 offenbare auch, Ausgleichsscheiben aus verschiedenen Legierungen vorzusehen, damit die Volumenänderung in verschiedenen sich anschließenden Temperaturintervallen stattfinde.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat dem widersprochen und im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Von D6 ausgehend, bestehe die Aufgabe darin, eine kompaktere Bauweise vorzuschlagen. Memory-Metalle seien zwar bekannt, jedoch zeige D8, dass diese zuvor nur zur Herstellung von Federelementen benutzt wurden. Ein solches Material für eine Ausgleichsscheibe zu verwenden sei neu. D7 offenbare kein Einspritzventil und beschäftige sich auch nicht mit der besagten Aufgabe. D7 lehre temperaturabhängig den wirksamen Querschnitt eines Stromventils einzustellen. Ein Fachmann würde daher diese Druckschrift nicht berücksichtigen, um ein kompakteres Einspritzventil zu bauen. Selbst falls er versucht hätte, die aus D7 bekannte Bauweise zu übertragen, hätte er die Ausgleichsscheiben wie in D7 gezeigt in die Einspritznadel eingebaut und wäre daher nicht zur Erfindung gelangt.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen, bzw. das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten, hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent gemäß dem mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2008 eingereichten Hilfsantrag, aufrechtzuerhalten.
V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"1. Einspritzventil mit einem steuerbaren Aktor (2),
- der in einem Aktorgehäuse (8) eingebracht ist, das fest mit einem Ventilgehäuse (19) verbunden ist,
- der in Wirkverbindung mit der Einspritznadel (4) steht und die Einspritznadel (4) zum Einspritzen von Kraftstoff steuert, dadurch gekennzeichnet,
- daß der Aktor (2) über ein Stellglied (3,23) auf die Einspritznadel (4) zur Steuerung eines Einspritzvorganges einwirkt, daß das Stellglied (3,23) über den piezoelektrischen Aktor (2) und über eine Ausgleichsscheibe (15) mit dem Aktorgehäuse (8) in Verbindung steht, und daß die Ausgleichsscheibe (15) einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten aufweist, der eine thermische Längenänderung des piezoelektrischen Aktors (2) ausgleicht, wobei die Ausgleichsscheibe (15) mindestens teilweise aus einem Memory-Metall besteht, und wobei das Memory-Metall bei einem vorgegebenen Temperaturbereich das Volumen ändert."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet wie folgt:
"1. Einspritzventil mit einem steuerbaren Aktor (2),
- der in einem Aktorgehäuse (8) eingebracht ist, das fest mit einem Ventilgehäuse (19) verbunden ist,
- der in Wirkverbindung mit der Einspritznadel (4) steht und die Einspritznadel (4) zum Einspritzen von Kraftstoff steuert, dadurch gekennzeichnet,
- daß der Aktor (2) über ein Stellglied (3,23) auf die Einspritznadel (4) zur Steuerung eines Einspritzvorganges einwirkt, daß das Stellglied (3,23) über den piezoelektrischen Aktor (2) und über eine Ausgleichsscheibe (15) mit dem Aktorgehäuse (8) in Verbindung steht, und daß die Ausgleichsscheibe (15) einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten aufweist, der eine thermische Längenänderung des piezoelektrischen Aktors (2) ausgleicht, wobei die Ausgleichsscheibe (15) mindestens teilweise aus einem Memory-Metall besteht, und wobei das Memory-Metall bei einem vorgegebenen Temperaturbereich das Volumen ändert, daß mehrere Ausgleichsscheiben (15) vorgesehen sind, die aus unterschiedlichen Legierungen bestehen, deren Temperaturbereiche, bei denen eine Volumenänderung auftritt, derart gewählt sind, daß eine thermische Längenänderung des Aktors (2) ausgeglichen wird, so daß die gesamte Länge, die sich aus der Länge des Aktors (2) und der Dicke der Ausgleichsscheiben (15) ergibt, im wesentlichen konstant bleibt."
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit:
2.1 In Einklang mit den Parteien hält die Kammer D6 für den nächstkommenden Stand der Technik.
2.2 Das Einspritzventil gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von dem aus D6 bekannten Einspritzventil dadurch, dass die Ausgleichsscheibe mindestens teilweise aus einem Memory-Metall besteht, wobei das Memory-Metall bei einem vorgegebenen Temperaturbereich das Volumen ändert.
Dass sich ein Memory-Metall in einem vorgegebenen Temperaturbereich verformt, ist allen Memory-Metallen inhärent.
2.3 In D6 wird eine Ausgleichsscheibe vorgeschlagen, deren thermischer Ausdehnungskoeffizient eine thermische Längenänderung des piezoelektrischen Aktors ausgleicht.
2.4 Die in der Patentschrift angegebene Aufgabe, "eine thermische Längenänderung des einen Aktors ohne eine Dämpfungskammer auszugleichen" wird somit bereits durch den nächstkommenden Stand der Technik D6 gelöst.
Ausgehend von D6 als nächstkommendem Stand der Technik, kann die dem angefochtenen Patent zugrunde liegende Aufgabe darin gesehen werden, ein Einspritzventil mit einem kompakteren Aufbau bereitzustellen. Der kompakte Aufbau wird durch Verwendung einer Ausgleichsscheibe erreicht, die mindestens teilweise aus einem Memory-Metall besteht. Die Memory-Metalle weisen eine große Volumenleistung pro Volumeneinheit auf. Somit reicht eine relativ dünne Ausgleichsscheibe aus, um eine relativ große Volumenleistung in Bezug auf eine Längenänderung zu erreichen. Infolgedessen wird insgesamt ein Einspritzventil mit einem kompakteren Aufbau hergestellt.
2.5 Memory-Metalle gehörten jedoch am Prioritätsdatum bereits zum allgemeinen Fachwissen des auf dem Gebiet der Ventile, insb. der Einspritzventile tätigen Fachmanns. D8 bestätigt in diesem Zusammenhang, dass Memory-Metalle sich durch folgende Besonderheiten auszeichnen (Seite 350, letzter Absatz):
- Große Arbeitsleistung pro Volumeneinheit
- Vollständige Arbeitsverrichtung in einem kleinen Temperaturintervall (ca. 10K)
- Möglichkeit zur Durchführung verschiedener Bewegungsarten (z.B. Druck)
- Weitgehende Freiheit der Gestaltung des Memory-Bauelements.
Memory-Metalle besitzen somit die Eigenschaft, eine große Längenänderung bei geringer Eigenlänge in einem kleinen Temperaturintervall vornehmen zu können.
2.6 Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Verwendung eines bekannten Materials auf Grund seiner bekannten Eigenschaften und in an sich bekannter Weise, um eine bekannte Wirkung im Rahmen einer neuen Kombination zu erzielen, normalerweise nicht erfinderisch ("analoger Einsatz"). Ausnahmen hierzu können in besonderen Fällen gelten, wie z.B. bei unerwarteten Vorteilen einer Auswahl, bei der Überwindung einer ablehnenden Haltung der Fachwelt oder bei unvorhergesehenen Schwierigkeiten, etwa wenn es notwendig ist, eine andere Komponente zu ändern (Siehe u.a. T 130/89; EPA ABl. 1991, 514; T 1216/05).
Im vorliegenden Fall konnten weder eine ablehnende Haltung der Fachwelt, noch unerwartete Vorteile nachgewiesen werden. Der Einsatz einer Ausgleichsscheibe aus einem Memory-Metall macht es auch nicht notwendig, eine andere Komponente des Einspritzventils zu ändern.
2.7 Die Beschwerdegegnerin hat vorgebracht, dass aus D8 hervorgehe, dass Memory-Bauelemente lediglich als Federelemente verwendet würden. Dem kann nicht zugestimmt werden. Wie im Abschnitt 2.5 oben angegeben, weist diese Veröffentlichung auf Seite 350 auf die "Freiheit der Gestaltung des Memory-Bauelements", und auf dessen Verwendung zur Durchführung einer "Druckbewegung", dass heißt unter anderen einer Linearbewegung hin.
Des Weiteren werden auf Seite 357 unter "Bauform" auch Ausgestaltungen als Rohr oder Ring gezeigt.
Die Beschwerdegegnerin hat weiter vorgetragen, dass es für einen Fachmann ungewiss sei, ob Memory-Metalle die geeignete Festigkeit hätten, und er daher von einer Verwendung dieses Materials abgesehen hätte.
Auch dem kann nicht gefolgt werden. Wie aus Seite 350 von D8 hervorgeht, können Memory-Metalle aus einer Nickel-Titan Legierung bestehen, die eine dem Stahl ähnliche Festigkeit aufweist. Ferner ist im Anspruch 1 des angefochtenen Patents keine Einschränkung bezüglich bestimmter Legierungen vorhanden.
2.8 Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Verwendung von Ausgleichsscheiben aus Memory-Metall in einem Stromventil, das für Einspritzungen bei Diesel- und Ottomotoren verwendet werden kann, bereits aus D7 bekannt ist (siehe Zusammenfassung).
2.9 Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3. Hilfsantrag - erfinderische Tätigkeit:
3.1 Anspruch 1 dieses Antrages beinhaltet folgende zusätzliche Merkmale:
Es sind mehrere Ausgleichsscheiben vorgesehen, die aus unterschiedlichen Legierungen bestehen, deren Temperaturbereiche, bei denen eine Volumenänderung auftritt, derart gewählt sind, daß eine thermische Längenänderung des Aktors ausgeglichen wird, so daß die gesamte Länge, die sich aus der Länge des Aktors und der Dicke der Ausgleichsscheiben ergibt, im wesentlichen konstant bleibt.
3.2 Memory-Metalle untergehen einer Formänderung in einem relativ kleinen Temperaturbereich, der viel kleiner ist, als die effektiven Betriebstemperaturschwankungen.
Die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 1 lösen somit die zusätzliche Aufgabe, den Längenausgleich über einen größeren Temperaturbereich zu gewährleisten.
3.3 In D7 wird ebenfalls ein Längenausgleich mit Ausgleichsscheiben aus Memory-Metallen durchgeführt. Dieselbe Problematik stellt sich also auch bei einem Stromventil gemäß D7; auch in diesem Fall ist der auszugleichende Temperaturbereich größer als der des jeweiligen Umwandlungstemperaturintervalls einer Ausgleichsscheibe. Diese Problematik wird in dieser Druckschrift dadurch gelöst, dass eine Anzahl von Memory-Elementen (Ausgleichsscheiben) aus Metalllegierungen mit verschiedenen Umwandlungstemperaturen verwendet werden, so dass die Umwandlungstemperaturintervalle zweier unterschiedlicher Memory-Elemente aneinander anschließen oder einen Abstand voneinander haben.
3.4 Es war daher für einen Fachmann naheliegend, um die gestellte Aufgabe zu lösen, mehrere Ausgleichsscheiben, die aus unterschiedlichen Legierungen mit verschiedenen Umwandlungstemperaturintervallen, wie in D7 beschrieben, auch in D6 zu verwenden, und somit zu den zusätzlichen Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag zu gelangen.
3.5 Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.