T 0457/10 07-02-2014
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WINDENERGIEANLAGE MIT SCHATTENWURFREGELUNG
NORDEX ENERGY GmbH
GE Wind Energy GmbH
Mita-Teknik a/s
Beschwerdegegenstand und Zulässigkeit der Beschwerde
Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs 1 (nein)
Änderungen - Hauptantrag
Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 13. Januar 2010, zur Post gegeben am 8. Februar 2010, das Europäische Patent Nr. 1 194 690 gemäß Hauptantrag (wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung) und den Hilfsanträgen I bis IV (wie eingereicht am 13. November 2009) wegen unzulässiger Erweiterung des Gegenstandes des Anspruchs 1 nach Artikel 101(3)b) EPÜ zu widerrufen.
II. Die Einsprechende 2 hatte am 15. Dezember 2008 ihren Einspruch zurückgezogen und ist daher keine Verfahrensbeteiligte.
III. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hatte am 25. Februar 2010 Beschwerde eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung war am 18. Juni 2010 eingegangen.
IV. In einer Mitteilung vom 31. Oktober 2013 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung in einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK mit.
Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 7. Februar 2014 statt. Für die ordnungsgemäß geladene Beschwerdegegnerin Einsprechende 4 war niemand anwesend. Alle ansonsten am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien waren anwesend.
V. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents im Umfang des Hauptantrags wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, hilfsweise im Umfang eines der Hilfsanträge I bis IV wie eingereicht am 13. November 2009, oder hilfsweise im Umfang eines der Hilfsanträge V bis IX wie eingereicht mit der Beschwerdebegründung.
Die Beschwerdegegnerinnen Einsprechende 1 und Einsprechende 3 beantragen die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Einsprechende 4 als Beschwerdegegnerin hat keine Anträge gestellt.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zum Betrieb einer Windenergieanlage, welche bei einem vorbestimmten Sonnenstand abschaltet, wenn an einem Immissionspunkt die Lichtintensität der direkten Sonneneinstrahlung über einem vorbestimmten Wert (Abschalt-Intensität) liegt, dadurch gekennzeichnet, dass dann, wenn die Lichtintensität der direkten Sonneneinstrahlung unter dem vorbestimmten Wert liegt, also ein Schattenwurf am Immissionspunkt nicht mehr gegeben ist, die Windenergieanlage nicht sofort wieder anschaltet, sondern eine gewisse Zeit, nämlich mehr als 2 Minuten, gewartet wird und erst dann eine Anschaltung und ein Anlaufen der Windenergieanlage erfolgt, wenn innerhalb dieser gewissen Zeit die Lichtintensität am Immissionspunkt unterhalb der Abschalt-Intensität liegt."
VII. Der Beschwerdeführer hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:
Die angefochtene Entscheidung beruhe auf dem Einwand der unzulässigen Erweiterung. Eine Stellungnahme etwa zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit sei für eine zulässig begründete Beschwerde daher nicht vonnöten.
Aus der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen folge, dass die Abschaltung der Windenergieanlage zwei Kriterien unterliege, nämlich erstens ein ganz bestimmter Sonnenstand (Schattenwurf oder kein Schattenwurf), und zweitens, dass am Immissionspunkt die Lichtintensität über einem bestimmten Wert liege (Frage der Verdunkelung durch Wolke). Hierbei eröffne der Sonnenstand (Tages- u. Jahreszeit) als notwendiges Kriterium überhaupt erst das Zeitfenster für ein Ab- oder Anschalten der Anlage. Dies sei aus Anspruch 1 selbst, aber auch z.B. aus Absatz 0018 des Patents für den Fachmann entnehmbar. Die am Ende des Absatzes 0008 im Patent angegebene Anschaltung, wenn aufgrund des Sonnenstandes keine Beeinträchtigungen durch Schattenwurf mehr vorlägen, würde vom Fachmann beim Betrieb der Anlage nach Anspruch 1 daher implizit mitgelesen. Dieser Umstand gelte auch für die Anschaltung in Absatz 0025 des Patents. Da dieses "Sonnenstandkriterium" im Kennzeichen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag also nicht entfiel, stelle sich auch nicht die Frage einer Zwischenverallgemeinerung. Und schließlich entspreche der Wortlaut am Ende des Kennzeichens des Anspruchs 1 einer Wartezeit, während der wie in Absatz 0008 die Abschalt-Intensität dauernd unterschritten werde. Eine Mittelwertbildung der Lichtintensität "innerhalb dieser Zeit" sei dem Patent (bzw. der Anmeldung) nirgends zu entnehmen, vgl. auch letzter Absatz des Absatzes 0025 und Anspruch 6 des Patents. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei daher nicht unzulässig erweitert worden.
VIII. Die Beschwerdegegnerinnen Einsprechenden 1 und 3 haben im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 3) wendet ein, dass ein Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents "in vollem Umfang" nicht Gegenstand der Einspruchsentscheidung sei. Die Beschwerde sei folglich unzulässig, da sie sich auf einen Gegenstand richte, hinsichtlich dessen der Beschwerdeführer nicht beschwert sei. Darüber hinaus sei die Beschwerde auch nicht zulässig, weil sie nur Ausführungen zur unzulässigen Erweiterung enthalte und daher unzureichend begründet sei. Zudem sei die Beschwerde zur Zulässigkeit der neuen Hilfsanträge V bis IX unvollständig.
Beide Beschwerdegegnerinnen argumentieren, dass Absatz 0008 des Patents im Kontext zwei untrennbare Bedingungen zum Anschalten der Windenergieanlage offenbare. Die explizit genannte zweite Anschaltbedingung am Ende des Absatzes 0008, nämlich das "Sonnenstandkriterium" (kein Schattenwurf mehr), entfiel jedoch in Anspruch 1 des Hauptantrags. Auch aus dem "vorbestimmten Sonnenstand" (Schattenwurf tritt ein) beim Abschalten der Anlage in Anspruch 1 wie erteilt bzw. in Absatz 0018 des Patents ergebe sich nicht zwingend im Umkehrschluss ein Zeitfenster des Sonnenstandes zum Anschalten der Anlage. Ein implizit notwendiges "Sonnenstandkriterium" (kein Schattenwurf mehr) bei dem das Anschalten der Anlage in jedem Fall erfolge, sei für den Fachmann aus der Anmeldung daher nicht entnehmbar. So seien zahlreiche anderer Kriterien denkbar um die Anlage wieder einzuschalten, z.B. die Netzauslastung. Das im Kennzeichen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beanspruchte Verfahren sei daher eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung der Beschreibung aus Absatz 0008 des Patents. Absatz 0025 des Patents beziehe sich auf ein anderes Ausführungsbeispiel für eine anlaufende Windenergieanlage als Absatz 0008. Dort spiele die Berücksichtigung des Sonnenstandes zwar keine Rolle, die Wideranschaltverzögerung sei jedoch im Gegensatz zu Absatz 0008 nur für beispielsweise 5 bis 10 Minuten offenbart. Und schließlich sei am Ende des Anspruchs 1 nun im Hauptantrag ein Mittelwert der Lichtintensität innerhalb der Wartezeit gefordert, der dann unterhalb der Abschalt-Intensität liege. Diese Mittelwertbildung sei ursprünglich nur in Absatz 0025 (bzw. Anspruch 6), jedoch nicht in Zusammenhang mit der Mindestwartezeit von 2 Minuten in Absatz 0008 offenbart, wo die Lichtintensität während der Dauer der Wartezeit nicht gemittelt werde und ständig unterhalb der Abschalt-Intensität liegen müsse. Anspruch 1 enthalte somit auch aus diesem Grund eine ursprünglich nicht offenbarte Kombination von Merkmalen verschiedener Ausführungsbeispiele der Absätze 0008 und 0025 des Patents. Durch die Änderungen in Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber seiner erteilten Fassung sei sein Gegenstand daher erweitert worden.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Beschwer und Beschwerdegegenstand
Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin Einsprechende 3 erstreckt sich der Beschwerdegegenstand nach Regel 99(1)c EPÜ nicht auf den Antrag, in welcher, gegebenenfalls geänderten Form das Patent aufrechtzuerhalten ist. Der Beschwerdegegenstand ergibt sich vielmehr aus der Rechtswirkung der Entscheidung, so wie in der Entscheidungsformel formuliert. Im vorliegenden Fall wurde das Patent widerrufen. Aufgrund der einheitlichen Rechtswirkung eines Widerrufs ist nur die vollständige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung möglich (siehe T 407/02, Nr. 1.1 und 1.2 der Entscheidungsgründe, siehe auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA (RdBK), 7. Auflage 2013, Kapitel IV.E.2.5.2(c)). Dass der Beschwerdeführer durch diese Rechtswirkung beschwert ist (Artikel 107 EPÜ), bedarf keiner weiteren Erklärung. Er hat durch seinen Antrag in der Beschwerdeschrift, "den angegriffenen Beschluss aufzuheben", den Beschwerdegegenstand auch unmissverständlich festgelegt und somit das Erfordernis der Regel 99(1)(c) erfüllt (zur Auslegung des Begriffs "Beschwerdegegenstand" siehe T 358/08, Orientierungssatz, auch zitiert in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, siehe oben). Die weitere Angabe, "das Patent unter Zurückweisung des Einspruchs in vollem Umfang aufrecht zu erhalten", ist dabei unerheblich.
1.2 Begründung der Beschwerde
1.2.1 Die genaue Antragslage soll erst aus der Beschwerdebegründung durch die Angabe, warum die Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang die Entscheidung abzuändern sei (Regel 99(2) EPÜ), hervorgehen. Ein Antrag soll somit begründet sein. Erst anhand eines begründeten Antrags kann durch die Kammer überprüft werden, ob etwa das Fehlen einer materiellrechtlichen Beschwer, und damit möglicherweise eine unzulässige Beschwerde vorliegt. Hierbei hat die Kammer zu untersuchen, inwieweit sich der Beschwerdeführer mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt, die im vorliegenden Fall ausschließlich Einwände nach Artikel 100 c) bzw. Artikel 123(2) EPÜ aufgrund von unzulässigen Änderungen betreffen.
1.2.2 Die vorliegende Beschwerdebegründung gibt sowohl die rechtlichen Gründe, also Artikel 100 c) bzw. Artikel 123(2) EPÜ, als auch die faktischen Gründe an aus denen sich nach Ansicht des Beschwerdeführers die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergibt, d.h. einen substantiierten Tatsachenvortrag, weshalb jedenfalls Anspruch 1 des Hauptantrags nicht gegen Artikel 100 c) bzw. Artikel 123(2) EPÜ verstößt. Es ist daher unerheblich, dass sich der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung zu den weiteren erhobenen Einspruchsgründen nicht äußert, insbesondere auch weil diese weiteren Gründe nicht in der angegriffenen Entscheidung angesprochen wurden.
1.3 Die Beschwerde ist deshalb zulässig.
1.4 Ob darüber hinaus auch der Vortrag zu den Hilfsanträgen I bis IV substantiiert, also hinreichend begründet zu Artikel 123(2) EPÜ erfolgte, oder nicht, ist für die Zulässigkeit der Beschwerde im vorliegenden Fall daher ohne Belang. Die Frage der Zulassung der neuen Hilfsanträge V bis IX ins Verfahren, Artikel 12(4) VOBK, ist für die Zulässigkeit der Beschwerde auch irrelevant.
2. Änderungen - Hauptantrag
2.1 Das Verfahren zum Betrieb einer Windenergieanlage in Anspruch 1 wie erteilt basiert auf dem ursprünglichen Anspruch 1 der Anmeldung. Außerdem wurde die im Anspruch geforderte Lichtintensität zur Abschaltung der Anlage geändert in "Lichtintensität der direkten Sonneneinstrahlung". Dieses Merkmal geht ursprünglich aus Seite 2, zweiter Absatz, der Anmeldung (wie veröffentlicht) hervor (vgl. Absatz 0003 des Patents), wo eine "direkte" Sonneneinstrahlung in Zusammenhang mit dem Sonnenstand und der Lichtintensität beschrieben wird. Zur ursprünglichen Offenbarung des Anspruchs 1 wie erteilt wurden in der Verhandlung vor der Kammer auch keine Einwände mehr vorgetragen.
2.2 Die im erteilten Anspruch 1 ermittelte Lichtintensität der direkten Sonneneinstrahlung zur Abschaltung der Anlage wurde in Anspruch 1 des Hauptantrags im Oberbegriff noch dahingehend spezifiziert, dass von der Lichtintensität "an einem Immissionspunkt" die Rede ist. Diese Änderung basiert unbestritten auf Seite 2, zweiter und letzter Absatz; und Seite 4, letzter Absatz bis Seite 5, erster Absatz, der Anmeldung (wie veröffentlicht), vgl. Absatz 0003, 0005 und 0018 des Patents.
2.3 Darüber hinaus ist der erteilte Anspruch 1 im Hauptantrag durch folgende Merkmale eingeschränkt worden:
"... dadurch gekennzeichnet, dass dann, wenn die Lichtintensität der direkten Sonneneinstrahlung unter dem vorbestimmten Wert liegt, also ein Schattenwurf am Immissionspunkt nicht mehr gegeben ist, die Windenergieanlage nicht sofort wieder anschaltet, sondern eine gewisse Zeit, nämlich mehr als 2 Minuten, gewartet wird und erst dann eine Anschaltung und ein Anlaufen der Windenergieanlage erfolgt, wenn innerhalb dieser gewissen Zeit die Lichtintensität am Immissionspunkt unterhalb der Abschalt-Intensität liegt."
In Übereinstimmung mit den Parteien ist die Grundlage für diese als kennzeichnendes Merkmal hinzugefügte Anschaltbedingung in Absatz 0008 des Patents zu finden. Der Absatz ist identisch zum vorletzten Absatz auf Seite 3 der Anmeldung (wie veröffentlicht).
2.4 Dieser Absatz nennt zwei Bedingungen zum Anschalten der Windenergieanlage:
Die Anlage startet erstens wieder, wenn die Abschalt-Lichtintensität für eine Dauer von mehr als 2 Minuten unterschritten wird, d.h. ein Schattenwurf am Immissionspunkt für länger als 2 Minuten nicht mehr gegeben ist. Ein solcher Fall kann beispielsweise bei Bewölkung auftreten, vgl. Anmeldung (wie veröffentlicht), Seite 5, 2. Absatz (Patentschrift, Absatz 0019).
Zweitens startet die Anlage aufs Neue, wenn der Schatten soweit gewandert ist, dass keine Beeinträchtigungen durch Schattenwurf am Immissionspunkt mehr vorliegen. Dieser Fall tritt immer dann auf, wenn aufgrund des Sonnenstands (Uhrzeit) bzw. der Sonnenbahn (Jahreszeit) erst gar kein Schattenwurf möglich ist, vgl. Seite 2 der Anmeldung (wie veröffentlicht), 2. Absatz (Patentschrift, Absatz 0003).
2.5 Es ist unstreitig, dass die ersten und zweiten Anschaltbedingungen, die durch das Wort "oder" im vorletzten Absatz auf Seite 3 der Anmeldung getrennt werden, keine alternativen Ausführungsformen für das automatische Startverfahren nach diesem Absatz betreffen: im Kontext entnimmt der Fachmann dieser Passage der Anmeldung vielmehr, dass ein Anschalten der Anlage sowohl dann, wenn geringe Lichtintensität mehr als 2 Minuten vorherrscht (dunkle Wolke), als auch dann erfolgt, wenn wegen der Veränderung des Sonnenstandes kein Schattenwurf mehr entsteht.
2.6 Da die zweite Anschaltbedingung, also das "Sonnenstandkriterium", aus dem vorletzten Absatz auf Seite 3 der Anmeldung aber nicht in das Kennzeichen des Anspruchs 1 des Hauptantrags mit aufgenommen wurde, ist für die Kammer daher zu entscheiden, ob die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht hierfür eine Grundlage bietet, oder nicht.
2.7 Der ursprüngliche Anspruch 1 ist auf ein Verfahren "zum Betrieb" einer Windenergieanlage gerichtet, welche bei einem "vorbestimmten Sonnenstand" abschaltet. Wie vom Beschwerdeführer argumentiert, kann das Verfahren in Anspruch 1 daher aus der Sicht des Fachmanns technisch sinnvoll nur eine betriebsmäßige Abschaltung einer Anlage betreffen, die unter Berücksichtigung des Sonnenstandes ansonsten betrieben wird, also läuft. Dieses allgemeine Verständnis des Anspruchs 1 gilt nach Ansicht der Kammer unbeschadet anderer Aus- und Einschaltkriterien, wie z.B. der von den Beschwerdegegnerinnen genannten Netzauslastung.
2.8 Die Berücksichtigung des Sonnenstandes über die Zeit, also das "Sonnenstandkriterium", stellt für den Betrieb in Anspruch 1, und damit auch für die Einschaltung der Anlage, folglich eine notwendige Bedingung dar: die Anlage läuft im Normalfall immer dann, wenn aufgrund des berechneten Sonnenstandes am Immissionspunkt zur Zeit (Tageszeit, Jahreszeit) keine Beeinträchtigungen durch Schattenwurf auftreten können. Wie vom Beschwerdeführer dargelegt, ergibt sich dieser Umstand indirekt auch unmittelbar aus der Anmeldung (wie veröffentlicht), beispielsweise aus Seite 4, letzter Absatz bis Seite 5, erster Absatz; und Seite 5, vorletzter Absatz (vgl. Patentschrift, Absätze 0018 und 0022).
2.9 Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerinnen (und der Einspruchsabteilung unter Punkt 2.1 der angefochtenen Entscheidung) wird somit das "Sonnenstandskriterium", nämlich das zweite im vorletzten Absatz auf Seite 3 der Anmeldung geforderte Anschaltkriterium der Windenergieanlage vom Fachmann aus der ursprünglichen Anmeldung implizit für ein Betriebsverfahren nach Anspruch 1 mitgelesen. Das Vorliegen einer Zwischenverallgemeinerung im Kennzeichen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag muss seitens der Kammer daher verneint werden.
2.10 Die im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Hauptantrags geforderte Abschaltung der im Betrieb befindlichen Windenergieanlage erfolgt für den Fachmann vorrangig ebenso nur in einem Zeitfenster, nämlich dann, wenn ein Schattenwurf durch den in Anspruch 1 ermittelten "vorbestimmten Sonnenstand" auch tatsächlich auftreten kann.
2.11 Zum Verständnis am Ende des zweiten Absatzes auf Seite 6 der Anmeldung (Absatz 0025 der Patentschrift) stellt die Kammer abschließend fest, dass durch den Wortlaut "..., wenn innerhalb dieser Zeit die Lichtintensität unterhalb der Abschalt-Intensität lag" für den Fachmann lediglich eine Zeitspanne der Messung zum Ausdruck gebracht wird. Eine Mittelwertbildung der Lichtintensität "innerhalb dieser Zeit", wie von den Beschwerdegegnerinnen argumentiert, ist der Anmeldung nirgends entnehmbar, auch nicht in Zusammenhang mit der Abschaltung aus Anspruch 6 wie eingereicht. Mit anderen Worten wird in dem 2. Absatz der Anmeldungsseite 6 während z.B. 5 bis 10 Minuten die Lichtintensität durch Messung ermittelt und mit der Abschalt-Intensität verglichen, eben genau so wie im vorletzten Absatz der Anmeldungsseite 3, wo ein solcher Vergleich während mindestens 2 Minuten erfolgt.
2.12 Während dieser Zeitabschnitte muss sowohl im 2. Absatz der Seite 6 als auch im vorletzten Absatz auf Seite 3 der Anmeldung die gemessene Lichtintensität andauernd unterhalb der Abschalt-Intensität liegen. Der Wortlaut am Ende des Kennzeichens des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, der dem Ende des 2. Absatzes auf Seite 6 entspricht, basiert in Zusammenhang mit dem "mehr als 2 Minuten" Anschaltkriterium aus dem vorletzten Absatz der Seite 3 somit auf der Offenbarung der ursprünglichen Anmeldung. Ein Verfahren zum Betrieb einer Windenergieanlage bei einem vorbestimmten Sonnenstand vorausgesetzt, würde der Fachmann schließlich das "Sonnenstandkriterium" beim Anschalten der Windenergieanlage nach dem 2. Absatz der Seite 6 ebenso berücksichtigen wie im vorletzten Absatz der Seite 3, vgl. vorstehende Punkte 2.7 und 2.8 dieser Entscheidung.
2.13 Zusammenfassend gehen die Änderungen des Anspruchs 1 gegenüber seiner erteilten Fassung nicht über den Inhalt der eingereichten Anmeldung hinaus.
2.14 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag die Erfordernisse der Artikel 100 c), 123(2) EPÜ erfüllt. Da gegenüber dem erteilten Anspruch 1 nur Merkmale hinzugefügt worden, sind auch die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ erfüllt.
3. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
3.1 Das Patent wurde wegen unzulässiger Erweiterung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag widerrufen, wohingegen die Anfangs erhobenen Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit, die auch gegen das nach dem Hauptantrag geänderte Patent, aufrechterhalten wurden, nicht geprüft wurden. In einem solchen Fall und wenn keine besondere Umstände dagegensprechen, halten es die Beschwerdekammern in der Regel für angemessen (obwohl kein absoluter Anspruch darauf besteht), die Sache zurückzuverweisen, um eine Prüfung durch zwei Rechtsinstanzen zu gewähren, vgl. RdBK, Kapitel IV.E.7.6. Da sich auch keine der beiden Beschwerdegegnerinnen Einsprechenden 1 und 3 gegen die Zurückverweisung aussprechen (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 7. Februar 2014) und sonst keine besonderen Umstände vorliegen oder geltend gemacht werden, hält es die Kammer daher für geboten, die Angelegenheit zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens, basierend auf Anspruch 1 des Hauptantrags wie eingereicht am 13. Januar 2010, an die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 111(1) Satz 2 EPÜ zurückzuverweisen.
3.2 Da der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag mit Ausnahme der noch offenen Fragen zur Patentfähigkeit die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, erübrigt sich für die Kammer eine Überprüfung der Hilfsanträge I bis IX.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.