T 0721/12 17-07-2014
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VERFAHREN ZUM HERSTELLEN EINER NAGELVERBINDUNG SOWIE NAGEL HIERFÜR
Zulasssung verspätet eingereichten Druckschriften - (nein)
Zulassung neuer Einspruchsgründe - (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Entscheidung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Europäische Patent Nr. 1 926 918 wurde am 19. Januar 2012 zur Post gegeben.
II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen diese Entscheidung, unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr, am 19. März 2012 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 23. Mai 2012 eingereicht.
III. Am 17. Juli 2014 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des Patents in folgender Fassung:
Ansprüche: 1 bis 31 wie erteilt
Beschreibung: Spalten 1 bis 4, 9 und 10, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
Spalten 5 bis 8, 11 und 12 wie erteilt
Zeichnungen: 1 bis 15 wie erteilt.
IV. Folgende Druckschriften wurden innerhalb der Einspruchsfrist eingereicht:
E1: "Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung", Zulassungsnummer Z-14.4-456, wurde am 6. Januar 2006veröffentlicht (siehe mail vom 22. Juni 2010, Herr Ulbrich, E1_1)
E2: "Bedienungsanleitung Spitfire P525L", trägt ein Datum vom Februar 2004 (Seite 1 unten: 02/04). (zugehörige Homologisierungsbescheinigung datiert vom 10. Juni 2003, siehe Anlage E2_1).
E3: "Bolzensetzen von Stahl- und Aluminiumbauteilen", Bericht der SLV AIF-Nr. 11.659, November 2000
E3_1: Mail von Frau Gottlieb vom 25. Juni 2010 zur Veröffentlichung der E3
E4: DE-U-722 67 10
E5: Auszug aus "Entwicklung des Bolzensetzens für Blech-Profil-Verbindungen im Fahrzeugbau", Seiten 34 , 35, Dissertation von Torsten Draht, Universität Paderborn, Tag des Kolloquiums 6. Juli 2005
E6: "Forschungsvorhaben Nr. S 619" der Versuchsanstalt für Holz- und Trockenbau, 2005 (siehe Anlage E6_1: Mail von Frau Falk von der Versuchsanstalt für Holz- und Trockenbau)
E7: DE-A-101 98 69
E8: Fachbeitrag ,"Bolzensetzen - Tragverhalten von Bolzen in Baustählen" in der Zeitschrift "Schweissen & Schneiden", September 2001
Folgende Druckschriften wurden zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht:
E9: Auszug aus Hilti-Katalog 2004/2005, Seiten 314-337
E9a_1: "Bescheid über die Änderung und Ergänzung und Verlängerung des Geltungsdauer der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung vom 25. Juli 1990, Zulassungsnummer Z-14.1-4", gültig bis 31. Juli 2005
E9a_2: Anlage zum Zulassungsbescheid vom 25. Juli 1990, Nr.: Z-14.1-4
E10: Bedienungsanleitung Hilti DX 76: "Printed in Lichtenstein © 2005"
E11: US-A-2 207 897
E12: GB-A-1 479 600
E13: EP-A-0 338 973
E14: DE- 1 575 152
E15: DE-1 940 447
E16: DE-A-1 707 412
E17: "Direktmontagetechnik - Anwendungsfelder und Montagesicherheit", Sonderdruck aus BMT Baumaschine + Bautechnik, 5/1995
E18: "Korrosionssichere Profilblechbefestigungen durch den Einsatz von Direktmontageelementen", Bauingenieur 63 (1988), 63-66
E19: "MDX Problemlöser Stahl", Broschüre der Hilti AG, Copyrightvermerk von 1999 (Fußzeile)
E20: "DX Produkte Information", HILTI, Handbuch der Befestigungstechnik, Ausgabe 01/2004
Folgende Druckschriften wurden mit Schreiben vom 31. Mai 2013 eingereicht:
E5': Auszug aus "Entwicklung des Bolzensetzens für Blech-Profil-Verbindungen im Fahrzeugbau", Seiten 108 - 115, Dissertation von Torsten Draht, Universität Paderborn, Tag des Kolloquiums 6. Juli 2005
E21: O. Hahn, T. Draht et al., "Neue Impulse für das mechanische Fügen", Bänder, Bleche, Rohre, Ausgabe März 2004; Seiten 90, 91
E22: Produktkatalog "EJOT FDS ® The self piercing and extruding screw for high-strength sheet joints", April 2004 (letzte Seite unten rechts: "05.04)
Folgende Entgegenhaltung wurde mit Schreiben vom 8. Juli 2014 eingereicht:
E23: DE-B-102 58 238.
V. Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
a) "Verfahren zum Herstellen einer Verbindung zwischen zwei Bauteilen (2, 4) in einem Fügebereich
b) mittels eines Nagels (6a-i),
c) der einen Nagelkopf (8; 8f; 8g; 8h)
d) mit einer an der Kopfunterseite vorgesehenen Ringnut (22; 22h),
e) einen Nagelschaft (10a-i) und
f) eine Nagelspitze (12; 12i) aufweist,
g) bei welchem Verfahren der Nagel von einem Setzgerät mit hoher Geschwindigkeit in die Bauteile im Wesentlichen drehungsfrei axial so eingetrieben wird, dass
h) die Nagelspitze das nagelkopfseitige Bauteil (2) durchdringt und in das im Fügebereich nicht vorgelochte nagelkopfabgewandte Bauteil (4) eindringt und
i) hierbei im nagelkopfseitigen Bauteil (2) eine Materialverformung entsteht, die in die Ringnut des Nagelkopfes vorsteht,
dadurch gekennzeichnet, dass
j) der Eintreibvorgang in der Weise erfolgt, dass in dem im Fügebereich nicht vorgelochten nagelkopfseitigen Bauteil (2) ein wulstförmiger Materialaufwurf (38, 38h) entsteht, der die in die Ringnut des Nagelkopfes vorstehende Materialverformung bildet, und
k) die Nagelspitze beide Bauteile vollständig durchdringend über das nagelkopfabgewandte Bauteil (4) hinaus austritt und
l) im nagelkopfabgewandten Bauteil (4) ein kraterförmiger Materialaufwurf (40) entsteht, der in nagelkopfabgewandter Richtung vorsteht."
Die Merkmalsbezeichnung (Merkmale a bis l) wurde von der Kammer hinzugefügt.
VI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Zulassung der E9 bis E23 und E5'
Diese Druckschriften seien erst im Rahmen einer nach dem Einspruchsverfahren durchgeführten Recherche gefunden worden. Da sie einen deutlich relevanteren Stand der Technik als die im Einspruchsverfahren eingereichten Unterlagen darstellten, sollten sie alle in das Verfahren zugelassen werden.
E9 bis E20 und E5' seien schon mit der Beschwerdebegründung, also zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren eingereicht worden. Da sie zudem als normale Reaktion der unterlegenen Partei zu werten seien, sollten zumindest diese Entgegenhaltungen in das Verfahren zugelassen werden.
Zulassung des Einspruchsgrunds gemäß Artikel 100 (b) EPÜ
Dieser neue Einspruchsgrund sollte in das Verfahren zugelassen werden, weil er für die Beurteilung des Streitpatents von erheblicher Relevanz sei.
Neuheit
E8 offenbare alle Merkmale des Anspruch 1. Insbesondere zeige Bild 1 unten, zusammen mit den entsprechenden Abschnitten der Beschreibung (Seite 586, linke Spalte sowie ersten Satz der mittleren Spalte), dass das Verfahren gemäß E8 zur Herstellung einer Verbindung zwischen zwei Bauteilen in einem Fügebereich mittels eines Bolzens vorgesehen ist (Merkmal a). Außerdem zeige das Bild 4, dass beim bekannten Verfahren ein Materialaufwurf sowohl auf der nagelkopfseitigen als auch auf der nagelkopfabgewandten Seite hervorgerufen wird, wenn der Bolzen ein Bauteil durchdringt. Da dieses Verhalten unmittelbar auf ein Verfahren zur Verbindung von zwei Bauteilen übertragen werden könne, offenbare E8 durch die Kombination der Bilder 1 und 4 auch die Merkmale i bis l.
Folglich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber E8.
Erfinderische Tätigkeit
Von E8 ausgehend:
Falls E8 nicht klar und eindeutig das Merkmal offenbaren sollte, wonach eine Verbindung zwischen zwei nicht vorgebohrten Teile erzeugt wird, sei es für den Fachmann zumindest naheliegend diese Maßnahme vorzusehen. Es gäbe nämlich nur zwei Alternativen die zwei in Bild 1 unten gezeigten Bauteile mit einem Nagel zu verbinden, entweder den Nagel in ein nicht vorgelochtes Bauteil einzutreiben und ein zweites, vorgelochtes Teil mittels einer Mutter an das erste zu befestigen oder den Nagel in beide nicht vorgelochten Teile einzutreiben.
Da die beiden Verfahren gleichwertig seien, könne die Auswahl eines der beiden keine erfinderische Tätigkeit begründen, zumal das zweite Verfahren auch noch durch E6 (siehe Seite 3, zweite Figur von unten) nahegelegt werde.
Von E6 ausgehend:
Auch das in E6 beschriebene Verfahren könne als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden.
Die zweite Figur von unten auf Seite 3 zeige nämlich ein Verfahren zum Herstellen einer Verbindung zwischen zwei nicht vorgelochten Bauteilen, bei denen das Material beider Bauteile zwingend in und gegen die Treibrichtung fließe. Der einzige Unterschied zum beanspruchten Verfahren bestehe darin, dass keine Ringnut an der Nagelkopfunterseite vorgesehen sei. Die dadurch zu lösende Aufgabe bestehe darin, die mit dem Materialaufwurf verbundenen Probleme zu beseitigen.
Mit dieser Aufgabe befasst, würde der Fachmann die E7 in Betracht ziehen, die einen Bolzen mit einer Nut gemäß Merkmal d offenbare, und würde dessen Lehre auf den Nagel gemäß E6 übertragen. Somit würde er, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden, zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
Weitere Angriffslinien zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit wurden nicht vorgetragen.
VII. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Zulassung der E9 bis E23 und E5'
Diese Druckschriften seien nicht relevanter als die innerhalb der Einspruchsfrist eingereichten. Da Anspruch 1 im Beschwerdeverfahren dem des Einspruchsverfahrens gleich sei, bestand auch keine Notwendigkeit neue Entgegenhaltungen vorzulegen.
E5' solle zudem auch deswegen nicht in das Verfahren zugelassen werden, da sie zur Beanstandung der Neuheit hinzugezogen worden sei. Dieser Einwand stelle einen neuen Einspruchsgrund dar, dessen Einführung die Beschwerdegegnerin nicht zustimme.
Folglich seien alle diese Dokumente nicht in das Verfahren zuzulassen.
Zulassung des Einspruchsgrunds gemäß Artikel 100 (b) EPÜ
Dieser Einspruchsgrund sei nach der neunmonatigen Einspruchsfrist erhoben worden. Da die Einspruchsabteilung ihr Ermessen, bei der Entscheidung ihn nicht in das Einspruchsverfahren zuzulassen, richtig ausgeübt habe und die Beschwerdegegnerin ihre Zustimmung zur Einführung ins Beschwerdeverfahren nicht gäbe, könne er nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
Neuheit
Bild 1 der E8 zeige einen Bolzen, der mit seiner Spitze in einem Grundmaterial verankert sei und über dessen nicht im Grundmaterial eingebettetes Gewinde ein vorgelochtes Blech durch eine Schraubenmutter am Grundmaterial befestigt sei. Somit könne diese Figur unmöglich, auch nicht in Verbindung mit der Beschreibung, ein Verfahren zur Verbindung zweier nicht vorgelochter Bauteile offenbaren.
Zudem zeige das Bild 4 der E8 zwar auf der rechten Seite einen Bolzen, der ein einziges Bauteil durchdringt und bei dem ein Materialaufwurf sowohl auf der nagelkopfseiteigen als auch auf der nagelkopfabgewandten Seite des Materials vorsteht. Jedoch könne das Verhalten eines einzelnen Bauteils nicht ohne weiteres auf zwei miteinander zu verbindende Bauteile übertragen werden, zumal es sowieso fraglich sei, ob ein Bolzen gemäß E8 in der Lage wäre zwei Bauteile zusammenzuhalten. Somit offenbare auch die Kombination der Bilder 1 und 4 die Merkmale i bis l nicht, und der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu.
Erfinderische Tätigkeit
Von E8 ausgehend
Da, wie zur Neuheit ausgeführt, das in Bild 4 der E8 gezeigte Verhalten des Materials nicht ohne weiteres auf zwei Bauteile übertragen werden könne, habe der Fachmann nicht zwischen zwei angeblich gleichwertigen in E8 gezeigten Verfahren zu wählen, sondern müsse erfinderisch tätig werden, um zum Verfahren gemäß Anspruch 1 zu gelangen.
Auch die Lehre der E6 könne den Fachmann nicht dazu anregen, den Bolzen gemäß E8 zur Befestigung zweier nicht vorgelochter Bauteile anzuwenden. E6 beschreibe nämlich ein Verfahren zum Verbinden zweier Teile, von denen eines eine Beplankung sei, also ein weiches Material, bei dem beim Setzen eines Nagels keine Materialaufwürfe entstehen.
Folglich beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 von E8 ausgehend auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Von E6 ausgehend:
Da, wie zur Erörterung der erfinderischen Tätigkeit von E8 ausgehend ausgeführt, bei dem in E6 beschriebenen Verfahren keine Materialaufwürfe entstehen, habe der Fachmann überhaupt keinen Anlass dazu, den im Verfahren gemäß E6 gezeigten Nagel dahingehend zu verändern, um das nicht vorhandene Problem des Materialaufwurfs zu beheben. Folglich würde er auch nicht die E7 in Betracht ziehen, um diese Aufgabe zu lösen, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auch von E6 ausgehend auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulassung der erst im Beschwerdeverfahren eingereichten Beweismittel und der verspätet vorgebrachten Einspruchsgründe
2.1 Grundsätzliches
Das Einspruchs-Beschwerdeverfahren ist ein vom Einspruchsverfahren vollständig getrenntes, unabhängiges verwaltungsgerichtliches Verfahren, dessen primärer Zweck in der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung besteht.
Neue Einspruchsgründe sowie in der ersten Instanz verspätet vorgebrachte und nicht in das Verfahren eingeführte Einspruchsgründe dürfen daher in der Regel ohne Zustimmung des Patentinhabers nicht eingeführt werden.
Ebenso sollten aus diesem Grund neue Beweismittel nur ausnahmsweise in das Verfahren eingeführt werden.
2.2 Zulassung des Einspruchsgrunds "mangelnde Neuheit" und der Druckschrift E5'
Wie in der angefochtenen Entscheidung unter Punkt 12.1.1 ausgeführt ist, wurde im Einspruchsverfahren kein Einwand gegen die Neuheit des erteilten Anspruchs 1 erhoben.
Somit stellt der erst während des Beschwerdeverfahrens erhobene Einwand der mangelnden Neuheit gegenüber einer neu vorgelegten Entgegenhaltung (E5') einen neuen rechtlichen Einwand mit einer neuen Rechtsgrundlage dar (siehe G1/95, 7.1) und darf nicht ohne das Einverständnis der anderen Partei in das Verfahren eingeführt werden. Da im vorliegenden Fall kein Einverständnis vorliegt, werden der erstmals vorgebrachte Einwand zur mangelnden Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 wie auch die E5' nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
2.3 Zulassung der Druckschriften E9 bis E23
Diese Druckschriften sind nach der Einspruchsfrist eingereicht worden. E9 bis E21 sind zwar zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden, also zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren, und ihr Einreichen könnte unter Umständen als normales Verhalten der unterlegenen Partei betrachtet werden.
Im vorliegenden Fall unterscheidet sich jedoch der beanstandete unabhängige Verfahrensanspruch 1 nicht von dem erteilten, so dass diese Dokumente schon im Einspruchsverfahren hätten eingereicht werden können (VOBK Artikel 12 (4)). Dass sie erst im Rahmen einer nach dem Einspruchsverfahren durchgeführten Recherche gefunden wurden, spielt für die Zulassung keine Rolle. Anderenfalls würde jede zusätzlich durchgeführte Recherche die Einführung von neuen Beweismitteln rechtfertigen.
Ferner stellen die Druckschriften E9 bis E23 prima facie keinen relevanteren Stand der Technik dar, als derjenige, der innerhalb der Einspruchsfrist eingereicht worden ist.
Da die Zulassung dieser Dokumente außerdem einen komplett neuen Fall aufwerfen würde, der eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung erfordern würde und dies gegen die Verfahrensökonomie verstöße, werden sie nicht in das Verfahren zugelassen.
2.4 Zulassung des Einspruchsgrunds gemäß Artikel 100 (b) EPÜ
Der Einwand gemäß Artikel 100 (b) EPÜ wurde während des Einspruchsverfahrens verspätet vorgebracht und von der Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassen.
Deswegen obliegt es der Beschwerdekammer lediglich zu beurteilen, ob die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nach den richtigen Kriterien ausgeübt hat. Falls dies der Fall ist, ist das Einführen des neuen Einwands in das Beschwerdeverfahren nur dann möglich, wenn die Patentinhaberin dem zustimmt.
Im vorliegenden Fall wurde nicht bestritten, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nach den richtigen Kriterien ausgeübt hat und auch die Beschwerdekammer sieht keinen Grund das Verhalten der Einspruchsabteilung zu beanstanden. Da die Beschwerdegegnerin der Einführung des neuen Einspruchsgrunds nicht zustimmt, wird der Einwand gemäß Artikel 100 (b) EPÜ somit nicht in das Verfahren zugelassen.
3. Patentierbarkeit
3.1 Neuheit von Anspruch 1
3.1.1 Auch wenn im Einspruchsverfahren kein Einwand gegen die mangelnde Neuheit des unabhängigen Anspruchs 1 erhoben wurde, darf die Neuheit gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik bei der Entscheidung über den Einspruchsgrund der erfinderischen Tätigkeit geprüft werden (siehe G/95, Leitsatz).
Da E8 sowohl im Einspruchsverfahren als auch in der Beschwerdebegründung als nächstliegender Stand der Technik benutzt wurde, um die erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 zu beurteilen, kann somit von dieser Entgegenhaltung ausgehend ein Neuheitseinwand in das Verfahren zugelassen werden.
3.1.2 Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass die untere rechte Zeichnung des Bilds 1 der E8 zusammen mit seiner Beschreibung (siehe Seite 586, Anfang des zweiten Absatzes der linken Spalte) und dem Anfang der Verfahrensbeschreibung (siehe Seite 586, mittlere Spalte) ein Verfahren zum Herstellen einer Verbindung zwischen zwei nicht vorgebohrten Bauteilen in einem Fügebereich entsprechend Merkmal a) offenbart.
E8 betrifft ein Verfahren zum Bolzensetzen in Baustählen. Dabei zeigt Bild 1 - wie auf der linken Spalte der Seite 586 beschrieben - verschiedene Anwendungen zum Bolzensetzen im Stahlbau. Bei allen Anwendungen dringt die Bolzenspitze in den Untergrund einer Stahlkonstruktion ein, während am anderen Ende des Bolzens mittels eines Gewindes, das nicht in den zu befestigenden Teil eindringt, ein weiteres Bauteil befestigt wird. Während aus der Beschreibung eindeutig hervorgeht, dass der Untergrund nicht vorgelocht ist (siehe z. Bsp. Anfang der Verfahrensbeschreibung) ist weder aus der Figur noch aus den dazugehörenden Beschreibungsabschnitten zu entnehmen, ob das zweite Bauteil vorgelocht ist oder nicht.
Auch Bild 4 erlaubt dazu keine Schlussfolgerung, weil es lediglich zur Definition der Eindringtiefe dient (siehe Seite 588, rechte Spalte, 2. Absatz). Es stimmt zwar, dass dieses Bild sowohl auf der nagelkopfseitigen als auch auf der nagelkopfabgewandten Seite des durchdrungenen Bauteils Materialaufwürfe zeigt, jedoch ist überhaupt kein Hinweis gegeben, dass ein zweites Bauteil im gleichen Verfahrensschritt mitbefestigt werden soll, geschweige denn ob dabei ebenfalls entsprechende Aufwürfe im zweiten Bauteil entstehen.
Da E8 somit nicht unmittelbar und eindeutig ein Verfahren zeigt, bei dem eine Verbindung zwischen zwei nicht vorgelochten Bauteilen hergestellt wird (Merkmale i bis l) ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.
3.2 Erfinderische Tätigkeit
3.2.1 Von E8 ausgehend
Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass E8 sofern sie nicht die Neuheit des beanspruchten Verfahrens vorwegnimmt, allenfalls so verstanden werden könne, dass sie entweder eine Verbindung zeige, bei der der Nagel durch zwei nicht vorgelochte Bauteile eingetrieben wird, oder eine Verbindung, bei der eines der beiden Bauteile vorgelocht und mittels einer Mutter an dem ersten Bauteil befestigt wird. Die Wahl zwischen diesen gleichwertigen Alternativen könne jedoch, insbesondere unter Berücksichtigung der E6, keine erfinderische Tätigkeit begründen.
Alle in E8 beschriebenen Verbindungen zweier Bauteile beruhen auf dem Prinzip, dass ein Bolzen mit hoher Geschwindigkeit mit einer Spitze in ein Untergrundmaterial eingeführt wird und anschließend ein zweites Bauteil über ein Bolzengewinde, das nicht in das Grundmaterial eindringt, mit dem ersten verbunden wird.
Wie oben unter 3.1.2 ausgeführt, betrifft das Bild 4 der E8 die Definition der Eindringtiefe des Bolzens. In beiden Zeichnungen des Bilds 4 wird sie an einem einzigen Bauteil gezeigt. Deswegen kann diese Darstellung dem Fachmann nicht nahelegen, den Bolzen auf einer konzeptuell grundsätzlich unterschiedlichen Art und Weise einzusetzen und durch zwei Bauteile einzutreiben, zumal nicht einmal sichergestellt ist, dass der in E8 benutzte Bolzen dafür geeignet wäre, zwei Bauteile zusammenzuhalten.
Folglich steht der Fachmann nicht vor der Wahl zwischen zwei naheliegenden und gleichwertigen Alternativen, sondern würde nur durch eine ex post facto Betrachtung vom Verfahren gemäß E8 zum beanspruchten Verfahren gelangen.
Auch E6 kann den Fachmann nicht dazu anregen, den Bolzen gemäß E8 als Verbindungsmittel zwischen zwei Bauteilen einzusetzen. Diese Druckschrift zeigt zwar, auf Seite 3 zwei Bauteile, die mittels eines Nagels zusammengehalten werden. Die gesamte Druckschrift handelt jedoch von einer Stahlprofil-Leichtbauweise, bei der Tafelelemente an Stahlprofilen befestigt werden. Dabei sind die Tafelelemente Beplankungen aus Bauplatten, die eventuell Dämmstoffeinlagen/schichten aufweisen. Bei diesen Elementen handelt es sich also um so weiche, bzw. nachgiebige Materialien, dass beim Einsetzen eines Nagels das Material komprimiert wird, ohne dass es zu Materialauswürfen an der Oberfläche kommt. Deswegen kann diese Druckschrift nicht zu einem Verfahren zur Verbindung zweier Bauteile anregen, die aus Materialien bestehen, bei denen durch das Eintreiben eines Nagels ein Materialaufwurf entsteht.
Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 von E8 ausgehend auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.2.2 Von E6 ausgehend
Wie oben ausgeführt, betrifft E6 ein Verfahren zur Stahlprofil-Leichtbauweise, bei der Tafelelemente an Stahlprofilen befestigt werden. Dafür werden Nägel eingesetzt, die unstrittig keine Ringnut an der Kopfunterseite vorsehen.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass die von E6 ausgehend zu lösende Aufgabe darin bestehe, das mit dem Materialaufwurf verbundene Problem zu beheben. Da E7 zur Lösung dieser Aufgabe einen Bolzen mit einer an der Kopfunterseite liegenden Nut vorsehe, würde der Fachmann die Lehre dieser Druckschrift auf den Nagel gemäß E6 anwenden und, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden, zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
Da aber, wie oben ausgeführt, in E6 das nagelkopfseitige Material weich ist, entsteht beim Einführen des Nagels kein Materialaufwurf am nagelkopfseiteigen Bauteil. Folglich hat der Fachmann nicht die von der Beschwerdeführerin genannte Aufgabe zu lösen und somit auch keinen Anlass, die E7 überhaupt in Betracht zu ziehen, zumal sie sich mit einer grundsätzlich anderen Befestigungstechnik befasst.
Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auch von E6 ausgehend auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen, mit der Anordnung, das Patent in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche: 1 bis 31 wie erteilt
Beschreibung: Spalten 1 bis 4, 9 und 10, eingereicht in der mündlichen Verhandlung
Spalten 5 bis 8, 11 und 12 wie erteilt
Zeichnungen: 1 bis 15 wie erteilt