T 1597/12 02-03-2016
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Backofen mit Backwagen-Fördersystem
Backofenbau GmbH Parchim GmbH
Sweka Hamburg GmbH
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 10. Juli 2012 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 4. Mai 2012, das Patent zu widerrufen, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet, und am 14. September 2012 die Beschwerde schriftlich begründet.
II. Im Einspruchsverfahren waren zwei Einsprechende (I und II) beteiligt. Mit den Einsprüchen war das gesamte Patent u. a. wegen unzulässiger Erweitung, Artikel 100 (c) in Verbindung mit Artikel 123 (2) EPÜ, angegriffen worden.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass dieser Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt entgegenstehe.
III. Am 2. März 2016 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz.
Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden I und II) beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
V. Der unabhängige Anspruch 1 des erteilten Patents hat folgenden Wortlaut:
"Wagenofen (10), insbesondere zur gewerblichen Anwendung, aufweisend:
a) einen mit einer Backofentür (40) verschließbaren und eine Rückenwand (15) aufweisenden Backraum (20), zur Aufnahme von mindestens einem rollbaren Backwagen (100, 110), gekennzeichnet durch
b) eine Backwagen-Fördereinrichtung (300), zum selektiven Ergreifen und Befördern des mindestens einen Backwagens (100, 110) in und aus dem Backraum (20), wobei
c) die Backwagen-Fördereinrichtung (300) eine Antriebseinheit (304) mit einem Antriebsmotor (350) aufweist, welcher mit einer ersten Drehrichtung die Backwagen-Fördereinrichtung (300) so antreibt, dass sie den mindestens einen Backwagen (100, 110) in Richtung der Rückwand (15) in den Backraum (20) hineinbewegt, und wobei
d) der Antriebsmotor (350) mit einer zweiten Drehrichtung die Backwagen-Fördereinrichtung (300) so antreibt, dass sie den mindestens einen Backwagen (100, 110) in entgegengesetzter Richtung wieder aus dem Backraum (20) herausbefördert."
VI. Die Beschwerdeführerin hat folgende Argumente vorgetragen:
Laut den Merkmalen c) und d) des erteilten Anspruchs sei es nicht klar, ob sich die dort definierte erste bzw. zweite Drehrichtung auf den Motor oder die Fördereinrichtung beziehe. Nach Artikel 69 (1) EPÜ sei der Anspruch gemäß der Beschreibung zu interpretieren.
Auch wenn die Merkmale c) und d) erste und zweite Drehrichtungen des Motors definieren würden, hätten die Merkmale eine Basis in der ursprünglichen Beschreibung der Anmeldung. Der Satz auf Seite 9, Zeilen 18 bis 21 "Dadurch treibt..." definiere eine erste Drehrichtung des Motors. Diese könne sich nicht auf die Fördereinrichtung beziehen, da die Fördereinrichtung keine Drehrichtung habe. So sei es implizit, dass der Motor eine erste sowie eine zweite Drehrichtung habe.
Auch wenn sich die im Satz "Dadurch treibt..." definierte Drehrichtung auf die Fördereinrichtung beziehen würde, sei es auch implizit, dass der Motor zwei Drehrichtungen aufweise.
Der Motor müsse ein umpolbarer dreiphasiger Motor sein. Solche Motoren haben zwei Drehrichtungen. Der Motor werde auch gesteuert. Das Herausfahren passiere analog zum Hineinfahren. Durch Knopfdruck würde die Steuerung die Motorfeldkreise umpolen, um die Motordrehrichtung zu wechseln.
Das Winkelgetriebe 390 der Figur 5 der Anmeldung sei nur dazu da, um die Drehbewegung zwischen Motor und Fördereinrichtung um 90 Grad umzulenken, jedoch nicht, um die Drehrichtung umzukehren: in Figur 5 sei der dafür notwendige Steuermechanismus nicht vorhanden. Außerdem sei ein Umkehrgetriebe unüblich und zu teuer für eine Fördereinrichtung.
Folglich sei die zweite Drehrichtung des Anspruchs 1, Merkmal d) eine bloße Einschränkung auf ein implizit in der Anmeldung vorhandenes Merkmal.
VII. Die Beschwerdegegnerinnen haben die folgende Argumente vorgetragen:
Anspruch 1 wie erteilt definiere auf eine klare Weise, dass der Motor zwei Drehrichtungen habe. Deshalb sei es nicht richtig, den Anspruch als unklar anzusehen und anhand von Artikel 69 EPÜ zu interpretieren.
Die im genannten Satz auf Seite 9 definierte erste Drehrichtung könne die der Fördereinrichtung sein, da sie durch ihre Förderketten auch eine Drehrichtung habe. Auch wenn eine erste Drehrichtung eine zweite Drehrichtung implizieren könne, könne die dadurch implizierte zweite Drehrichtung auch die der Fördereinrichtung sein.
In der Anmeldung sei es weder offenbart, dass der Motor ein umpolbarer Motor sei, noch dass die Motorsteuerung die Motordrehrichtung wechsele. Die Steuerung sei nur als eine Betriebszeitsteuerung offenbart.
Das Winkelgetriebe 390 der Figur 5 der Anmeldung könne ein Umkehrgetriebe sein, da Figur 5 nicht jegliches Detail zeige. Folglich sei es in der Anmeldung nicht implizit offenbart, dass der Motor zwei Drehrichtungen habe.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Einleitung
Das Patent betrifft einen Backofen mit einem rollenden Backwagen der direkt in den Ofen gefahren wird (Patentschrift, Absätze [0001], [0002] und [0006]).
2.1 Solche Backwagen sind schwer in den Backofen einzuschieben bzw. herauszuziehen (Patentschrift, Absätze [0007] und [0008]). Um dies zu erleichtern, definiert Anspruch 1 eine Backwagen-Fördereinrichtung 300 die einen Wagen 100, 110 in den Ofen hinein und wieder heraus befördern kann (Patentschrift, Figuren 2 bis 5 und Absatz [0026]).
2.2 Wie am besten in Zusammenhang mit Figuren 2 bis 5 zu sehen ist, besteht die Fördereinrichtung u. a. aus einem elektrischen Antriebsmotor 350 und Förderketten 330, 335. Jede Förderkette ist zwischen einem vorderen Umlenk-Kettenritzel 320, 325 und einem hinteren Antriebs-Kettenritzel gespannt (Patentschrift, Absatz [0027]). Der Motor 350 treibt die Förderketten 330, 335 über ein Getriebe 390 an (Absatz [0028]). Die Förderketten ergreifen den Backwagen 100, 110, um ihn im Backraum zu bewegen (Absatz [0029]).
3. Auslegung der Merkmale c) und d) des Anspruchs
3.1 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass es aus den Merkmalen c) und d) nicht klar hervorgehe, dass zwei Drehrichtungen des Motors definiert seien. Die Kammer sieht dies anders.
Es ist nicht bestritten, dass das Wort "welcher" im Merkmal c) sich nur auf dem Antriebsmotor beziehen kann, da der Antriebsmotor das einzige männliche Substantiv im ersten Teil des Merkmals ist. Direkt nach "welcher" kommt die Information "mit einer ersten Drehrichtung die Backwagen-Fördereinrichtung so antreibt, dass....". Insofern ist hier der Motor das Objekt des Satzes.
Rein aus der Wortstellung des Merkmals kann nach Ansicht der Kammer mit der ersten Drehrichtung nur die des Motors gemeint sein und nicht, wie die Beschwerdeführerin spekuliert hat, die der Fördereinrichtung. "Die Fördereinrichtung" taucht erst nach dem Wort "Drehrichtung" im Satz auf. Folglich ist dieser Satzteil nur eine Ergänzung, die definiert, dass die Fördereinrichtung vom Motor getrieben wird. Daher definiert das Merkmal klar und eindeutig, dass der Motor sich "mit" einer ersten Drehrichtung dreht.
Nach derselben Logik wird im Merkmal d) eindeutig und klar definiert, dass sich beim Herausfahren des Backwagens der Antriebsmotor mit einer zweiten Drehrichtung dreht.
3.2 Der von der Beschwerdeführerin zur Rechtfertigung herangezogene Artikel 69 (1) EPÜ betrifft die Bestimmung des Schutzumfangs eines Patents. Sofern sich Kammern in ihren Entscheidungen auf diesen Artikel beziehen, geht es gelegentlich um Fragen der Interpretation eines beanspruchten Begriffs in den Fällen, wo diesem in der Beschreibung eine besondere, andere als übliche Definition zugewiesen wird. Die Beschreibung fungiert dann quasi als eigenes "Wörterbuch" des Patents (siehe die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 7. Auflage 2013 (RdBK) II A 6.3.3). Dieser Fall liegt schon deshalb nicht vor, weil zumindest die im Merkmal d) definierte zweite Drehrichtung in der Anmeldungsbeschreibung nicht vorkommt und daher gar nicht erläutert wird.
3.2.1 In diesem Zusammenhang ist auch auf die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern hinzuweisen (siehe RdBK II A 6.3.1 und die dort zitierten Entscheidungen), demzufolge eine Diskrepanz zwischen den Ansprüchen und der Beschreibung kein hinreichender Grund ist, die eindeutige linguistische Struktur eines Anspruchs zu ignorieren und ihn anders auszulegen (siehe T 431/03, Gründe 2.2.2) oder einem Anspruchsmerkmal, das als solches dem fachmännischen Leser eine klare, glaubhafte technische Lehre ermittelt, eine andere Bedeutung zu geben (siehe T 1018/02, Gründe 3.8).
Wenn dies nicht so wäre, könnte jedes (klare oder unklare) Merkmal, das einem Anspruch ohne Grundlage in der ursprünglichen Offenbarung hinzugefügt wurde, im Prinzip dann so im Lichte der Beschreibung ausgelegt werden, dass es wieder in die ursprüngliche Offenbarung hineinpasst. Der Anspruchswortlaut hätte so kaum noch einschränkende Wirkung und Artikel 123 (2) EPÜ ließe sich kaum noch gegen einen geänderten Anspruchswortlaut anwenden.
3.3 Zusammengefasst stellt die Kammer fest, dass das Merkmal c) des Anspruchs definiert, dass der Motor eine erste Drehrichtung beim Hineinfahren des Backwagens in den Backraum hat, und dass das Merkmal d) eine zweite Drehrichtung des Motors definiert, in der der Motor fährt, um den Backwagen in entgegengesetzter Richtung aus dem Backraum herauszubefördern.
4. Änderungen
4.1 Anspruch 1 wie erteilt unterscheidet sich vom ursprünglichen eingereichten Anspruch 1 durch das Hinzufügen der Merkmale c) und d).
4.2 Nach ständiger Rechtsprechung sind Änderungen im Rahmen dessen zulässig, was der Fachmann der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig entnehmen würde.
Bei der Prüfung des Einspruchsgrundes nach Artikel 100 c) EPÜ, d. h. ob Änderungen über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen, kommt es darauf an, was der Fachmann der Beschreibung, den Ansprüchen und den Zeichnungen in der ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig entnehmen kann. Dabei sind nicht nur ausdrücklich offenbarte Sachverhalte zu berücksichtigen, sondern auch solche, die für ihn vom Inhalt mit erfasst werden, d. h. Aussagen, die sich klar und eindeutig aus den ausdrücklichen Aussagen ergeben (siehe RdBK, II.E.1 und II.E.1.1.1).
4.3 Folglich muss die Kammer die Frage beantworten, ob die Formulierung der Merkmale c) und d) mit ihrer klaren Definition, dass der Antriebsmotor zwei Drehrichtungen aufweist (siehe oben, Abschnitt 3), für den Fachmann eine neue Information darstellt, die nicht unmittelbar und eindeutig aus den ursprünglichen eingereichten Unterlagen hervorgeht.
4.4 Eine Drehrichtung taucht nur einmal in der ursprünglichen Anmeldung auf, und zwar in einem Absatz der Beschreibung, der das Einfahren des Backwagens in dem Backraum beschreibt (Seite 9 Zeilen 16 bis 28). Dort heißt es, dass der Bediener die Backwagen-Fördereinrichtung in Gang setzt, beispielsweise durch Drücken eines Knopfes. In dem nächsten Satz steht: "Dadurch treibt der Elektromotor 350 die Backwagen-Fördereinrichtung 300 mit einer ersten Drehrichtung so an, dass sich der obere Bereich der Förderketten 330, 335 in Richtung der Rückwand 15 des Backraums bewegt".
4.5 Im Gegensatz zum Merkmal c) des Anspruchs (siehe oben Punkt 3.1) ist es im oberen Satz (Dadurch treibt... Spalte 6, Zeilen 41 bis 41) nicht eindeutig, ob sich die erste Drehrichtung auf den Motor oder auf die Fördereinrichtung bezieht. Die Syntax des Satzes lässt beide Lesweisen zu, d. h. der Motor oder die Fördereinrichtung könnten die genannte erste Drehrichtung haben.
4.6 Es ist nicht bestritten, dass der Antriebsmotor an sich eine Drehrichtung hat: der Motor treibt die Förderkette an (Anmeldung, Seite 5, Zeilen 11 bis 17; Seite 8, Zeilen 14 bis 16, Figur 5). Dabei muss er sich drehen, folglich hat er zumindest eine erste Drehrichtung nach dem Merkmal c) des Anspruchs.
Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass die Fördereinrichtung keine Drehrichtung habe, da sie sich nur linear bewege und zudem auch unbewegliche Teile habe. Die Beschwerdekammer sieht dies anders.
4.7 Die Fördereinrichtung wird auf Seite 7, Zeile 16 bis Seite 8, Zeile 10 in Zusammenhang mit den Figuren 2 bis 4 der Anmeldung beschrieben. Die Aufgabe der Fördereinrichtung ist das Hinein- und Herausbringen des Wagens in den Backraum. Dafür hat sie zwei Förderketten 330, 335, die den Wagen bewegen (Seite 7, Zeilen 19 bis 21; Seite 8, Zeilen 30 bis 31; Seite 9, Zeilen 21 bis 24). Es mag sein, dass die Fördereinrichtung auch unbewegliche Teile hat, wie z. B. die Schienen 420, 425 (Seite 8, Zeilen 1 bis 4). Für den Fachmann spielen diese aber ehe eine sekundäre Rolle: z. B. helfen die Schienen zwar dem Bediener, den Wagen manuell zu führen, aber nicht, den Wagen anzutreiben. Es sind nur die Förderketten 330, 335, die den Wagen ergreifen und bewegen. Daher bilden die Förderketten den wesentlichen Teil der Fördereinrichtung. Die Ketten selbst bewegen sich auch nicht in einer Linie hin und her. Sie sind endlose Kettenschleifen, die um die vorderen und hinteren Ritzel 310, 315, 320, 325 gelenkt werden. Dadurch drehen sie sich. Daher hat die Fördereinrichtung mit ihren drehenden Förderketten im Kern auch eine Drehrichtung. Beim Hineinfahren des Wagens in den Backraum erfolgt diese erste Drehrichtung im Uhrzeigersinn (Figuren 3 und 4).
Deshalb hat nicht nur der Motor, sondern auch die Fördereinrichtung eine erste Drehrichtung. Infolgedessen würde der Fachmann, der den oben genannten Satz liest ("Dadurch treibt... mit einer ersten Drehrichtung..." Spalte 6, Zeilen 41 bis 41) nicht nur aus der Syntax heraus, sondern auch aus seinem technischen Verständnis nicht mit Sicherheit sagen können, ob die erste Drehrichtung nun die des Motors oder die der Fördereinrichtung ist.
4.8 Da der Motor implizit eine erste Drehrichtung aufweist (siehe oben Punkt 4.6) stellt sich die Frage, ob die ursprünglich eingereichte Fassung der Anmeldung unmittelbar und eindeutig auch eine zweite Drehrichtung des Motors nach dem Merkmal d) des erteilten Anspruchs offenbart.
4.9 Es ist unstrittig, dass eine zweite Drehrichtung in der Anmeldung nicht ausdrücklich genannt wird. Folglich muss geprüft werden, ob diese Information implizit in der ursprünglichen Anmeldung enthalten ist und zwar so, dass sie unmittelbar und eindeutig für den Fachmann daraus hervorgeht.
4.10 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Kammer der Meinung, dass das Vorhandensein einer "ersten Drehrichtung" im oben genannten Satz ("Dadurch treibt...", Anmeldung, Seite 9, Zeilen 18 bis 21) nicht eindeutig und unmittelbar eine zweite Drehrichtung des Motors impliziert.
4.11 Der Fachmann wird versuchen, den Satz in einem breiteren Kontext zu verstehen. Es mag sein, dass jemand, der in einem Text eine "erste Drehrichtung" liest, auch eine "zweite Drehrichtung" erwartet.
Wie oben erklärt, könnte die erste Drehrichtung die des Motors oder die der Fördereinrichtung bedeuten. Nach Ansicht der Kammer zeigt die Fördereinrichtung unmittelbar und eindeutig eine zweite Drehrichtung. Beim Einbringen des Backwagens in den Backraum bewegt sich der obere Bereich der Förderketten Richtung Rückwand 15 (Seite 9, Zeilen 16 bis 21, Figur 2). Mit anderen Worten dreht sich die Fördereinrichtung im Uhrzeigersinn. Beim Rausfahren muss der Wagen rückwärts fahren, das heißt weg von der Rückwand 15. Dies kann nur geschehen, wenn die Fördereinrichtung in eine zweite Richtung fährt (diesmal gegen den Uhrzeigersinn).
4.12 Folglich würde der Fachmann nicht ausschließen, dass sich im oberen zitierten Satz ("Dadurch treibt...ersten Drehrichtung...") die Drehrichtung auf die Fördereinrichtung beziehen könnte, weil die Fördereinrichtung eindeutig eine zweite Drehrichtung aufweist.
4.12.1 Dass dreiphasige Elektromotoren existieren, die durch Umpolen ihrer Feldkreise ihre Drehrichtung wechseln können (nicht bestritten), ist unerheblich. Dazu, ob der Motor der Erfindung ein solcher Motor ist, sagt die Anmeldung nämlich nichts. Die Anmeldung sagt nur, dass der Motor elektrisch ist und dass er gesteuert wird (Seite 5, Zeilen 12 und 13, Anspruch 10).
Auch die Steuerung ist weder explizit noch implizit als eine Motorfeldkreissteuerung offenbart. Die von Anspruch 10 abhängigen Ansprüche 11 und 12 entwickeln die Idee, dass der Motor vom Bediener manuell oder für eine vordefinierte Zeitspanne betrieben wird. Nach der Beschreibung macht dies die Steuerung 355 (Seite 5, Zeilen 11 bis 16; Seite 9, Zeilen 13 und 14, Figur 5). Somit kann der Bediener den Backwagen auf Knopfdruck in den Backraum einbringen oder herausbefördern (Seite 5, Zeilen 16 bis 17). Mit anderen Worten wird die Betriebszeit des Motors gesteuert. Ob oder wie die Steuerung die Drehrichtung des Motors steuert, bleibt aber offen.
4.12.2 Wie auch oben erläutert, fährt die Fördereinrichtung mit Förderketten 330, 335 beim Einbringen des Wagens im Uhrzeigersinn. Dabei bleibt es offen, wie die Richtung der Förderkette überhaupt geregelt wird (Seite 9, Zeilen 16 bis 21 der Anmeldung). Worauf auch immer sich dort die erste Drehrichtung bezieht (Motor oder Fördereinrichtung), es wird erklärt, dass der Bediener auf einen Knopf drückt. Dadurch drehen sich die Förderketten im Uhrzeigersinn. Welcher Mechanismus dahinter steckt, dass sich die Förderketten genau in diese Richtung drehen, wird nicht erwähnt. Dass es beim Herausfahren analog zum Einbringen abläuft (Seite 9, Zeile 14), hilft daher nicht zu erklären, ob dabei der Motor gesteuert wird. Höchstens impliziert der analoge Ablauf des Herausfahrens, dass sich die Förderketten in die Gegenrichtung zum Hereinfahren drehen müssen, oder dass der Bediener auf einen Knopf drückt (Seite 9, Zeilen 16 bis 18), jedoch nicht, ob der Motor dabei gesteuert wird.
Das Gleiche gilt für die Ausführungsbeispiele mit Tasten statt der Knöpfe. Egal, ob der Bediener auf die gleichen oder auf unterschiedliche Tasten drücken muss, um den Wagen aus dem Backraum hinein oder heraus zu fahren, wird nicht gesagt, ob, geschweige denn wie, der Motor gesteuert wird (Anmeldung, Seite 10, Zeilen 6 bis 12).
4.12.3 Die Beschwerdeführerin hat auch argumentiert, dass die einzige Möglichkeit, einen Richtungswechsel der Förderketten zu verwirklichen, ein durch die Steuereinrichtung eingeleitetes Umpolen des Motors sei. In diesem Fall wäre die beanspruchte erste und zweite Drehrichtung des Motors dann implizit in der ursprünglichen Anmeldung offenbart. Die Kammer ist anderer Ansicht.
Wie auch oben ausgeführt (Punkt 2.2), treibt der Motor die Förderketten nicht direkt an, sondern über ein Getriebe 390. Auch Winkelgetriebe, wie das der Figur 5 (Anmeldung, Seite 9, Zeilen 7 bis 9), können Umkehrgetriebe sein, das heißt, Getriebe, die eine Drehrichtung umkehren können. Dass in der Figur 5 keine elektrischen oder mechanischen Kopplungen zwischen Steuerung und Getriebe zu sehen sind, schließt nach Ansicht der Kammer auch nicht aus, dass das Getriebe 390 ein solches Umkehrgetriebe sein könnte. Die Querschnittsansicht der Antriebseinheit 304 zeigt Motor 350, Steuerung 355 und Getriebe 390 als Blöcke ohne jegliche Details. Dort werden z. B. die elektrischen Stromkabel, die zwangsläufig vorhanden sein müssen, auch nicht gezeigt.
4.12.4 Auch die Überlegungen, ob in der Förderungstechnologie Umkehrgetriebe unüblich sind, oder ob ein dreiphasiger Elektromotor mit passender Umpolsteuerung kostengünstiger als ein Umkehrgetriebe ist, könnte höchstens beweisen, dass eine Motorumpolsteuerung für den Fachmann naheliegend wäre, jedoch nicht, dass eine solche Steuerung die einzige Möglichkeit wäre, einen Drehrichtungswechsel der patentgemäßen Fördereinrichtung zu erreichen, und somit für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus der Offenbarung hervorgehen würde.
4.13 Daher geht die beanspruchte Information, dass der Motor eine erste und zweite Drehrichtung hat, nicht unmittelbar und eindeutig aus der ursprünglichen Anmeldung hervor.
4.14 Folglich stellt das hinzugefügte Merkmal d) in Zusammenhang mit Merkmal c) (erste und zweite Motordrehrichtung) keine bloße Einschränkung auf einen schon vorhandenen Gegenstand dar, sondern fügt neue Information hinzu, die nicht unmittelbar und eindeutig aus der ursprünglichen Anmeldung hervorgeht.
Somit verstößt diese Änderung gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
Daher bestätigt die Kammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.