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T 0245/18 29-10-2021
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Gewindeerzeugungswerkzeug mit Kantenübergang
EMUGE-Werk Richard Glimpel GmbH & Co.KG Fabrik für
Präzisionswerkzeuge
Rechtliches Gehör - mündliche Verhandlung als Videokonferenz vor der Beschwerdekammer (ja)
Aussetzung des Verfahrens (nein)
Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Änderung nach Ladung - stichhaltige Gründe (nein)
Der Übung der Beschwerdekammern, einer bei der Großen Beschwerdekammer anhängigen Vorlagefrage in einem parallel gelagerten Fall nicht vorzugreifen, kann nach der im Jahr 2020 novellierten Verfahrensordnung der Beschwerdekammern auch dadurch Rechnung getragen werden, dass am Ende der mündlichen Verhandlung nicht eine Entscheidung verkündet, sondern ein Termin zur Versendung der Entscheidung nach Artikel 15(9) VOBK bestimmt wird, wenn die Entscheidung der GBK bereits in absehbarer Zeit zu erwarten ist.
Die Entscheidung kann dann zum festgesetzten Termin als Endentscheidung ergehen, wenn die GBK die mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung diskutierte Auffassung der Kammer bestätigt, oder als Zwischenentscheidung, dass erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten ist, wenn dies nicht der Fall ist.
I. Die Beschwerdeführerinnen (Patentinhaberin und Einsprechende) haben gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent N° 1 864 736 in geänderter Fassung aufrechterhalten worden ist, Beschwerde eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der geltend gemachte Einspruchsgrund unter Artikel 100(b) in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung gemäß Hauptantrag entgegen stehe, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 0 nicht neu im Sinne der Artikel 52(1) and 54 EPÜ sei, und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne der Artikel 52(1) und 56 EPÜ beruhe. Die Neuheit und das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gemäß dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 3 wurden unter Berücksichtigung des folgenden Standes der Technik anerkannt:
D1: US 2005/042049 A1
D2: US 6 105 467 A1
D3: US 2006/045638 A1
D4: JP 2002-370107 A1
D6: US 6 371702 Bl
D7: US 7 736 733 B2
D8: US 4 643 620 A1
D9: G.Schneider, Jr.:'Cutting Tool Applications', 2002
D10: Presentation 'The importance of cutting edge preparation in metal cutting technology', 11/2006
D11: US 6 612 786 Bl
Mit Schreiben vom 19. Mai 2021 wurden von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) folgende zusätzliche Beweismittel vorgelegt:
Cl: DE19739125
C2: US 6 669 531
C3: US 5 609 447
C4: http:/ /www.miragemip.com/Home/regrinding-recoating/edgepreparation
C5: US 7 121 770.
III. Am 03. April 2020 erging eine Ladung zur mündlichen Verhandlung. In der am 25. Mai 2020 versandten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK legte die Kammer ihre vorläufige Meinung dar.
Mit der Mitteilung vom 09. Februar 2021 teilte die Kammer den Parteien mit, dass der für den 04. März 2021 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben und auf den 21. Mai 2021 verlegt wird, und dass die mündliche Verhandlung per Videokonferenz (VICO) stattfinden wird.
Mit Schreiben vom 24. Februar 2021 rügte die Beschwerdeführerin (Einsprechende), dass die ursprünglich in Präsenz geplante mündliche Verhandlung ohne ihre Zustimmung in eine mündliche Verhandlung per Videokonferenz (VICO) umgewandelt wurde, und beantragte entweder die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung, bis eine Durchführung der mündlichen Verhandlung in Präsenz möglich wird, oder die Aussetzung des Verfahrens bis zur Verkündung einer Entscheidung in der Sache G1/21.
Mit der Mitteilung vom 08. März 2021 bestätigte die Kammer, dass die mündliche Verhandlung wie angekündigt am 21. Mai 2021 per Videokonferenz (VICO) durchgeführt und am Ende dieser Verhandlung über den weiteren Verlauf entschieden werden wird.
Eine mündliche Verhandlung fand am 21. Mai 2021 vor der Kammer per Videokonferenz (VICO) statt.
IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang, hilfsweise in geänderter Form auf der Basis eines der Hilfsanträge 0 bis 3, 3a und 4 bis 8, wie eingereicht mit der Beschwerdebegründung.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents, zunächst jedoch die Aussetzung des Verfahrens bis zur Verkündung einer Entscheidung in der Sache G1/21.
V. Am Ende der mündlichen Verhandlung bestätigten beide Parteien, dass alle relevanten Punkte ausreichend besprochen werden konnten und dass es keine Übertragungsschwierigkeiten gegeben habe; die Beschwerdeführerin (Einsprechende) sei aber weiterhin der Auffassung, dass aus rechtlichen Gründen eine Videokonferenz keine ausreichende mündliche Verhandlung im Sinne von Artikel 116 EPÜ sei und daher zugleich das rechtliche Gehör im Sinne von Artikel 113 EPÜ nicht ausreichend gewahrt sei. Die Kammer entschied darauf hin, keine Entscheidung in der Sache zu erlassen, bevor die Grosse Beschwerdekammer im Verfahren G1/21 entschieden habe und setzte gemäß Artikel 15(9) VOBK 2020 einen Termin zur Versendung der schriftlichen Entscheidungsgründe auf 30. Juni 2021 - später verlängert auf 30. Oktober 2021 fest.
VI. Anspruch 1 des Streitpatents im erteilten Umfang lautet wie folgt:
'Gewindebohrer,
a) an dessen Umfang Schneidzähne (3) mit jeweils einem vorlaufenden Ende und einem nachlaufenden Ende (5) angeordnet sind,
b) wobei das vorlaufende Ende (4) jedes Zahnes (3) zwischen wenigstens einer Spanfläche (6, 6a) mit wenigstens einem Spanwinkel (gamma,gamma1) und wenigstens einer Freifläche (7, 7a) mit wenigstens einem Freiwinkel (alpha,alpha1) wenigstens einen Keil (8) mit wenigstens einer Keilkante (9, 9a) und wenigstens einem Keilwinkel (ß, ß1) bildet,
c) wobei die oder wenigstens eine Keilkante (9, 9a) eine Umfangsschneide des Gewindebohrers (2) bildet, und
d) wobei der oder wenigstens ein Keilwinkel (ß) an und/oder nahe der zugehörigen Keilkante (9, 9a) vergrößert ist durch Ausbildung eines Kantenübergangs (10) zwischen Spanfläche (6) und Freifläche (7),
dadurch gekennzeichnet, dass
e) der oder wenigstens ein Kantenübergang (10) abschnittsweise eine oder mehrere Krümmungen aufweist,
f) und der Kantenübergang, der abschnittsweise eine oder mehrere Krümmungen aufweist, in zumindest einem Teilbereich (16) gerade ausgebildet ist.'
DURCHFÜHRUNG DER VERHANDLUNG ALS VIDEOKONFERENZ
1. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) rügte, dass die Kammer entschieden hat, die mündliche Verhandlung trotz fehlender Zustimmung einer der beiden Parteien wie geplant als Videokonferenz (VICO) durchzuführen, ohne das Verfahren bis zur Verkündung einer Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer in der Sache G1/21 auszusetzen, wie es unter ähnlichen Umständen gängige Praxis der Instanzen des EPA sei. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) ging davon aus, dass die Grosse Beschwerdekammer eine mündliche Verhandlung per Videokonferenz ohne die Zustimmung der Parteien nicht als ausreichend für die Wahrung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Artikel 113 EPÜ einschätzen werde, so dass durch die beantragte Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zur Verkündung einer Entscheidung in der Sache G1/21 eine vermeidbare Verdoppelung der Arbeit für alle Beteiligten auch im Sinne von Artikel 15(6) VOBK 2020 hätte erspart werden können.
1.1 Durch den Verzicht auf die sofortige Verkündung einer Entscheidung und die Festsetzung eines Termins nach Artikel 15(9) VOBK 2020 hat die Kammer sichergestellt, dass sie sich mit ihrer Einschätzung, die mündliche Verhandlung habe vorliegend als Videokonferenz durchgeführt werden dürfen, nicht in Widerspruch mit der seinerzeit noch ausstehenden Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer setzt. Wäre diese nun vorliegende Entscheidung anders ausgefallen, hätte die Kammer statt des Erlasses einer Endentscheidung erneut in die mündlicher Verhandlung eintreten und hierzu einen neuen Termin bestimmen können.
1.2 Beide Parteien sind im Rahmen der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz auch in einer Weise zu Gehör gekommen, dass sie alle für sie relevanten Punkte ausführlich besprechen konnten.
Die Auseinandersetzung beschränkt sich daher auf die rein rechtliche Frage, ob eine Anhörung per Videokonferenz eine mündliche Verhandlung im Sinne von Artikel 116 EPÜ sei, und ob es möglich sei, in deren Rahmen ausreichendes rechtliches Gehör im Sinne von Artikel 113 EPÜ zu gewähren. Dies ist durch die Änderung der Verfahrensordnung zum Ausdruck gebracht worden (vgl. Artikel 15 (a) VOBK 2020). Die Kammer teilt nicht die Auffassung, wonach diese Vorschrift mit höherrangigem Recht des Europäischen Patentübereinkommens nicht vereinbar wäre. Sie wurde durch die jüngst ergangene Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer in der Sache G1/21, auf deren Absätze 27, 30, 40 und 43 insbesondere verwiesen wird, insofern bestätigt.
1.3 Die in der genannten Entscheidung von der Grossen Beschwerdekammer ausgesprochene Konkretisierung, dass gegen den Willen einer Partei eine mündliche Verhandlung jedenfalls dann per Videokonferenz stattfinden kann, wenn eine Ausnahmesituation gegeben ist, ist vorliegend einschlägig, da eine derartige Ausnahmesituation aufgrund der seit März 2020 andauernden und im Mai 2021 noch mit erheblichen Reiseeinschränkungen einhergehenden und bei weitem nicht beendeten Covid19-Pandemie auch im hiesigen Streitfall ohne Zweifel vorlag. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer in Präsenz der Beteiligten hätte mit den teils in Deutschland, teils im Vereinigten Königreich vertretenen Parteien zu diesem Zeitpunkt noch nicht zuverlässig geplant werden und stattfinden können. Bei ihre Entscheidung, die mündliche Verhandlung gegen den Willen einer Partei als Videokonferenz (VICO) durchzuführen, hat die Kammer ferner berücksichtigt, dass die mündliche Verhandlung bereits einmal wegen der Covid-bedingt fehlenden Anreisemöglichkeit der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) hatte verlegt werden müssen, dass sowohl die Parteien als auch die Öffentlichkeit ein legitimes Interesse an einer möglichst zügigen Durchführung und Entscheidung des Verfahrens haben, um Rechtssicherheit für eine etwaige Durchsetzung aber auch für eine etwaige Abwehr gegen die Durchsetzung des Patents zu erhalten, und dass schließlich den Parteien von Anfang an mitgeteilt wurde, dass sie am Ende der Verhandlung noch zur Frage, ob das rechtliche Gehör angemessen gewährt werden konnte, gehört werden würden.
Bei der anschließend am Ende der Verhandlung getroffenen Entscheidung, einen Termin zur Verkündung der vorliegenden Entscheidung festzusetzen und nicht erneut in das mündliche Verfahren einzutreten, wurde ferner berücksichtigt, dass die Parteien beide bestätigten, dass die Kommunikation im Rahmen der Videokonferenz gut funktioniert hat und sie ihren Fall angemessen vortragen konnten. In einer solchen Situation überwiegen das Interesse der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) und der Öffentlichkeit, eine abschließende Entscheidung zu erhalten, und das Interesse der Kammern, ihrem Rechtsprechungsauftrag auch unter den Bedingungen der globalen Pandemie noch so gut wie möglich nachkommen zu können, das Interesse der Beschwerdeführerin (Einsprechenden), etwaige Nuancen ihres Vortrags in einer später in Präsenz wiederholten mündlichen Verhandlung gegebenenfalls noch pointierter präsentieren zu können, eindeutig. Der von letzterer am Schluss der mündlichen Verhandlung geltend gemachte Einwand beschränkte sich dementsprechend auf die rein rechtliche Frage, ob eine Videokonferenz überhaupt ein geeignetes Format darstellen kann, um einer Partei rechtliches Gehör im Sine von Artikel 116 EPÜ zu gewähren.
1.4 Diese Frage hat die Kammer in der Beratung bejaht und durch die Festsetzung eines hinausgeschobenen Verkündungstermins nach Artikel 15(9) VOBK zugleich sichergestellt, dass sie sich mit dieser Ansicht nicht in Widerspruch zu der noch ausstehenden Entscheidung der Großen Beschwerdekammern in der Sache G1/21 setzen würde.
1.5 Zusammenfassend konnte eine abschließende Entscheidung vorliegend ergehen und war ein erneuter Eintritt in die mündliche Verhandlung nicht erforderlich, da die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer in der Sache G1/21 die Rechtsansicht der Kammer grundsätzlich bestätigt hat und auch die von der Kammer bei ihrer Ermessensausübung im Rahmen von 15(a) VOBK herangezogenen Gesichtspunkte denen entsprechen, die nunmehr auch die Grosse Beschwerdekammer in der genannten Entscheidung (siehe Absätze 44 bis 51) als relevant angesehen hat.
1.6 Die Kammer konnte daher auf nunmehr gesicherter Rechtsgrundlage heute eine Entscheidung in der Sache erlassen.
1.7 Zur Vermeidung einer mit der zu erwartenden Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer in Widerspruch stehenden Entscheidung musste auch nicht dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens stattgegeben werden. Der Verzicht auf die sofortige Verkündung einer Entscheidung und die Festsetzung eines Termins nach Artikel 15(9) VOBK 2020 hatte vielmehr die gleiche Wirkung und erlaubt es zudem noch zügiger, das Verfahren nunmehr zum Abschluss zu bringen, da nach Veröffentlichung der Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer nunmehr weder eine Wiederaufnahme des Verfahrens noch die erneute Ladung zu einem Verhandlungstermin erforderlich sind.
ARTIKEL 83 EPÜ: Ausführbarkeit
2. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) bestritt die Schlussfolgerung der Einspruchabteilung, dass die Variante des Gewindebohrers gemäß dem erteilten Anspruch 1, wonach das vorlaufende Ende jedes Zahnes wenigstens einen Keil mit wenigstens einer Keilkante bildet, den Fachmann über die tatsächliche Ausbildung des beanspruchten Kantenübergangs so im Ungewissen lasse, dass er diese konstruktiv sehr komplexe Variante der Erfindung ohne unzumutbarem Aufwand nicht ausführen könne.
2.1 Die obige Schlussfolgerung der Einspruchstabteilung wurde von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) geteilt, und dadurch untermauert, dass der Fachmann, in Ermangelung irgendeiner detaillierten Beschreibung und/oder bildlichen Darstellung der beanspruchten alternativen Ausgestaltung des Schneidzahnes, die tatsächlich im Streitpatent nicht vorhanden sind, nicht in der Lage sei, zusätzliche Keile mit den jeweiligen Keilkanten und Keilwinkeln auf der Spanfläche des Schneidzahns derart anzuordnen, dass die beanspruchte technische Wirkung, nämlich ein reduzierter Verschleiß an der Umgangschneide bei verbesserter Spanführung, auch bei dieser konstruktiven Variante tatsächlich erreicht werden könnte. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) führte weiterhin aus, dass sich der Fachmann - beim Versuch diese technische Wirkung auch bei dieser Variante der Erfindung zu gewährleisten - mit der Auswahl und der Abstimmung von zahlreichen geometrischen Parametern auseinandersetzten müsse, was zu einem unzumutbaren Aufwand führe. Dies spreche ebenfalls für einen Mangel an Ausführbarkeit im Sinne von Artikel 83 EPÜ.
2.2 Die Kammer kann sich den Ausführungen der Einspruchsabteilung und der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) zu Artikel 83 EPÜ aus folgenden Gründen nicht anschließen:
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat auch unter Bezug auf die in den Figuren 2 bis 9 vom Dokument D3 gezeigten konkreten Ausführungsbeispiele überzeugend belegt, dass die Anordnung einer Keilkante am Zahnkopfbereich des zugehörigen Schneidzahns und wenigstens einer weiteren Keilkante an seiner Zahnflanke technisch möglich sei und im Rahmen des Fachwissens eines Fachmannes liege. Es könnte sich dabei - wie z.B. in D3 gezeigt - um zwei oder mehrere in Drehrichtung nacheinander angeordneten Keile handeln, die dementsprechend auch zwei oder mehrere Keilkanten aufweisen. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) merkte weiterhin zutreffend an, dass dem Fachmann bekannt ist, dass mittels eines Gewindebohrers ein Gewinde in Umfangsrichtung des Werkstückes geschnitten wird, wobei bekanntlich mehrere Gewindegänge und damit auch mehrere Gewindegängeabschnitte axial hintereinander vorliegen können. Es ist daher technisch vorstellbar, dass die beanspruchten zusätzlichen Keile des Schneidzahnes dementsprechend auch axial hintereinander angeordnet werden können. Darüber hinaus und entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) ist die Kammer davon überzeugt, dass ein durchschnittlicher Fachmann auf dem technischen Gebiet der Entwicklung und Herstellung von Scheidwerkzeugen ohne weiteres in der Lage ist, alle erforderlichen geometrischen Parameter zu bestimmen und derart zueinander anzupassen, dass die beanspruchten technischen Wirkungen auch bei dieser Variante des Streitpatents gewährleistet werden können, wobei das Ausschließen der nicht funktionierenden Kombinationen von Parametern im Bereich des Üblichen liegt und für den Fachmann auch vorliegend keinen unzumutbaren Aufwand bereitet.
2.3 Aus den oben angegeben Gründen und in Abweichung von der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung erfüllt das Streitpatent in der erteilten Fassung daher die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ.
NEUHEIT: Artikel 52(1) und 54 EPÜ
3. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) bestritt die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung gegenüber Dokument D3, insbesondere im Hinblick auf das Ausführungsbeispiel des Schneidzahnes der Figur 9 in Kombination mit der Lehre des Absatzes [0032] der Beschreibung. Es wurde argumentiert, dass - obwohl D3 hauptsächlich einen Schaftfräser beschreibe und zeige - die in den Figuren 2 bis 9 dargestellten Ausgestaltungen des Schneidzahnes im Hinblick auf die letzte Passage des Absatzes [0032] ebenfalls in Zusammenhang mit einem Gewindebohrer offenbart seien ('.. the invention is also applicable to other types of cutting tools, including router bits, taps, thread mills, and insertable helical tooling.'). Da Dokument D3 ausschließlich auf Schneidwerkzeuge gerichtet ist, handele es sich bei dem im Absatz [0032] erwähnten 'tap tool' um ein 'cutting tap tool' (also entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) um kein 'forming tap tool') und entspreche für einen Fachmann eindeutig und unmittelbar einem Gewindebohrer im Sinne des erteilten Anspruchs 1.
3.1 Die Kammer kann sich dieser Argumentation der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) aus folgenden Gründen nicht anschließen:
In den Figuren 2 bis 9 des D3 werden verschiedene Ausführungsformen des vorgeschlagenen Schneidzahnes dargestellt, die als einzelne Elemente einer ersten Liste anzusehen sind. In Absatz [0032] wird eine zweite Liste von verschiedenen möglichen Schneidwerkzeugarten präsentiert, bei welchen die oben genanten Ausführungsformen aus der ersten Liste anwendbar sind. Bei der von der Einspruchsabteilung und der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) vorgeschlagenen Kombination des im Absatz [0032] erwähnten 'tap tool' mit der Ausgestaltung des Schneidzahnes der Figur 9 handelt es sich somit um eine spezifische Auswahl von zwei Elementen aus zwei voneinander unabhängigen Listen, worauf in D3 kein unmittelbarer und eindeutiger Hinweis zu finden ist. Ein Gewindebohrer mit der Zahngeometrie der Figur 9 mag vom Inhalt des D3 nahegelegt werden, ist aber diesem Stand der Technik nicht eindeutig und unmittelbar zu entnehmen und somit von D3 auch nicht neuheitsschädlich getroffen.
3.2 Darüber hinaus - und in Einklang mit der Einschätzung der Einspruchsabteilung hinsichtlich des Anspruchs 1 des erstinstanzlichen Hilfsantrags 0 - vertritt die Beschwerdeführerin (Einsprechende) die Auffassung, dass Dokument D3 - neben den Merkmalen (a) bis (e) - auch das kennzeichnende Merkmal (f) des erteilten Anspruchs 1 offenbare, wonach:
'der Kantenübergang, der abschnittsweise eine oder mehrere Krümmungen aufweist, in zumindest einem Teilbereich (16) gerade ausgebildet ist.'
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) führte aus, dass der Figur 9 des D3 in Kombination mit Absatz [0032] ein Kantenübergang des Scheidzahnes eines Gewindebohrers eindeutig und unmittelbar zu entnehmen sei, der abschnittweise eine Krümmung (55) aufweise und der zumindest in einem Teilbereich (51) im Sinne des Merkmals (f) gerade ausgebildet sei.
3.3 Die Kammer kann sich dieser Auslegung der Ausbildung des Schneidzahns in Figur 9 des D3 aus folgenden Gründen nicht anschließen:
Wie zutreffend von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) ausgeführt, bildet der gerade Teilbereich (51) zusammen mit dem weiteren ebenfalls geraden Teilbereich (53) die gesamte Freifläche ('relief surface') des Schneidzahns (vgl. Absatz [0023] des D3, letzte 8 Zeilen), die als solche und anders als ein Kantenübergang bekanntlich keine Schneid-funktionalität aufweist. Der gerade Teilbereich (51) kann somit nicht als Teil des schneidenden Kanteübergangs angesehen werden, der hier lediglich von der Krümmung (55) gebildet wird. Die Auslegung der Figur 9 seitens der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) widerspricht der ausdrücklichen Lehre der Beschreibung der Figur 9 und und würde somit von einem Fachmann nicht vorgenommen werden. Der gerade Bereich in Figur 9 des D3 ist daher nicht mehr Teil des Kantenübergangs, so dass das Merkmal (f) diesem Dokument nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist.
3.4 Aus den oben angegebenen Gründen und ungeachtet der Einschätzung des weiteren strittigen Merkmals betreffend die beanspruchte Vergrößerung des Keilwinkels an und/oder nahe der zugehörigen Keilkante (vgl. Teilmerkmal (d)) kann der Offenbarungsinhalt des Dokuments D3 die Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 nicht gefährden.
3.5 Da kein weiterer Neuheitsangriff von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gegenüber dem Hauptantrag vorgebracht wurde, ist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 als neu im Sinne der Artikel 52(1) and 54 EPÜ anzusehen.
ERFINDERISCHE TÄTIGKEIT: Artikel 52(1) und 56 EPÜ
Ausgehend von D3 als nächstliegender Stand der Technik
4. Wie oben ausgeführt, unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 von der Offenbarung des Dokuments D3 dadurch, dass das beanspruchte Schneidwerkzeug:
ein 'Gewindebohrer' ist, und dass
'der Kantenübergang, der abschnittsweise eine oder mehrere Krümmungen aufweist, in zumindest einem Teilbereich (16) gerade ausgebildet ist.'
4.1 Die Parteien sind sich darüber einig, dass - ausgehend von dem D3 - die zu lösende technische Aufgabe darin zu sehen ist, einen Gewindebohrer zur Verfügung zu stellen, bei dem der Verschleiß an der Umfangsschneide auch bei hohen Schnittgeschwindigkeiten überwunden oder zumindest verringert werden kann.
4.2 Dokument D3 beschäftigt sich gerade mit dem oben genannten technischen Problem der Reduktion des Verschleißes an der Umfangschneide eines rotierenden Schneidwerkzeugs bei hohen Schnittgeschwindigkeiten (vgl. z.B. Absätze [0005] und [0008] der Beschreibung). Obwohl in den Figuren 2 bis 9 dieses Standes der Technik ausschließlich konkrete Ausführungsbeispiele des Schneidzahnes eines Schaftfräsers gezeigt sind, ist die Kammer der Auffassung, dass der Fachmann der letzten Passage des Absatzes [0032] den klaren Hinweis entnimmt, dass die in den Figuren gezeigten Ausgestaltungen des Schneidzahns auch bei einem Gewindebohrer ('tap tool') mit gleicher technischen Wirkung, d.h. Reduktion des Verschleißes, anwendbar sind. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legt somit die gesamte Offenbarung des D3 die Anwendung des Schneidzahnes in Figur 9 allein bei einem Gewindebohrer nahe, wobei diese Entgegenhaltung auch einen möglichen nächstliegenden Stand der Technik für den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 darstellt.
4.3 Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) argumentierte, dass dem Fachmann allgemein bekannt sei, die Werkzeugsstandzeit eines Schneidwerkzeugs durch Abstumpfen/Abschleifen ('blunting') der Schneidkante zu erhöhen. Diese fachübliche Maßnahme sei z.B. dem Handbuch D9 zu entnehmen, welches nach Auffassung der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) alle Arten von Schneidwerkzeugen betreffe (vgl. Absätze 2.1 bis 2.4 des D9), d.h. zumindest implizit auch Gewindebohrer. Unter Bezugnahme auf die Passagen auf Seite 9, mittlere Spalte ('Combinations') und auf Figur 2.18 dieser Entgegenhaltung führte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) aus, dass zur Reduzierung des Verschleißes bekannt sei, den Kantenübergang eines Schneidzahnes mit einer Rundung und einem geraden Teilbereich auszubilden. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) argumentierte weiter, dass der Fachmann diese Lehre ohne weiteres bei den Schneidkanten jedes Schneidwerkzeugs und somit auch des Gewindebohrers des Dokuments D3 zur Lösung der gestellten Aufgabe anwenden würde, wodurch er ohne erfinderische Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung gelangen würde. Dieselbe Argumentation und Schlussfolgerung der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gelten hinsichtlich der Kombination des D3 mit irgendeinem der Dokumente D6 (vgl. Figuren 6 bis 9), D7 (vgl. Figur 1), D8 (vgl. Spalte 1, Zeilen 5 bis 10 sowie Figur 6(c)), D10 (Slides 8 und 10) sowie D11 (Figuren 2 und 5), die eine Ausbildung des Kantenübergangs als Kombination einer Krümmung mit einem geradem Teilbereich zwecks Reduzierung des Verschleißes an der Schneidkante offenbaren.
4.4 Die obigen Ausführungen der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit sind aus folgenden Gründen nicht überzeugend:
Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin), dass ein Gewindebohrer ein sehr spezielles und im Betrieb 'empfindliches' Schneidwerkzeug ist, das extrem hohe Anforderungen an Präzision, Festigkeit, Kraftbelastung und Schneidgeschwindigkeit hat. Die betrieblichen Anforderungen und Belastungen an der Umfangschneide eines Gewindebohrers sind somit nicht mit denen des Schneideinsatzes eines nicht drehend arbeitenden Schneidwerkzeugs vergleichbar. Dokument D9 beschäftigt sich gerade - mit der einzigen Ausnahme des Fräsers in Figur 2.30 - grundsätzlich mit Kantenbearbeitungsmaßnahmen zur Erhöhung der Standzeiten von Schneideneinsätzen eines nicht drehenden Schneidwerkzeugs für eine Drehbearbeitungsmaschine (vgl. sämtliche Figuren), dessen geometrische Ausgestaltung und betriebliche Anforderungen - wie oben erklärt - sich von denen eines Gewindebohrers wesentlich unterscheiden. Auch bei dem Fräser in Figur 2.30 ist keine Umfangschneide im Sinne von D3 und des Anspruchs 1 vorhanden, sondern sind ebenfalls Schneideinsätze am Umfang des Werkzeugskörpers angeordnet.
4.5 Im Hinblick auf die oben genannten unterschiedlichen betrieblichen Anforderungen und auf die abweichende geometrische Ausgestaltung eines Gewindebohrers teilt die Kammer die überzeugenden Ausführungen der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin), dass der Fachmann keinen naheliegenden Anlass hat, die in Dokument D9 vorgeschlagenen Kantenbearbeitungsmaßnahmen zur Reduzierung des Verschleißes an der Schneidkante eines Schneideinsatzes für ein nicht drehendes Schneidwerkzeug auch bei einem Gewindebohrer gemäß D3 ohne weiteres einzusetzen. Den aus dem D3 bekannten Gewindebohrer im Sinne des Merkmals (f) des Anspruchs 1 aufgrund der Lehre von D9 zu modifizieren, liegt somit für den Fachmann, zumindest ohne Verwendung einer rückschauenden Betrachtung, die unzulässigerweise von der Kenntnis der Erfindung Gebrauch macht, nicht nahe.
4.6 Die gleiche Argumentation gilt hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) vorgebrachten Kombination des D3 mit einem der Dokumente D6 bis D8, und D11, die ebenfalls keinen Gewindebohrer betreffen. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Spitzbohrer (D6), um ein Schneidwerkzeug für 'high-feeding cutting' oder 'cutting with large depths of cut' (vgl. D7, Spalte 1, Zeile 15-21) oder um Schneideinsätze für ein Schneidwerkzeug (vgl. D8 und D11), die alle in keinem betrieblichen Zusammenhang mit einem Gewindebohrer stehen. Ausgehend von D3 würde der Fachmann die Lehre dieser Entgegenhaltungen zur Lösung der gestellten technischen Aufgabe nicht berücksichtigen, und zwar aus denselben Gründen, die bezüglich der Kombination von D3 mit D9 angegeben wurden. Die Präsentation D10 gehört unstrittig nicht zum Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ und wurde von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) zur Darlegung des einschlägigen Fachwissens vorgebracht. Den erwähnten Slides 8, 10 und 12 ist lediglich die schematische Darstellung und Oberflächebehandlung des Kantenüberganges eines nicht weiter definierten Schneidwerkzeugs zu entnehmen. Ein eindeutiger Hinweis auf die entscheidende Kombination einer Krümmung mit einem geraden Teilbereich zur Ausbildung des Kantenübergangs des Schneidzahns eines Gewindebohrers ist ihnen dagegen nicht ohne weiteres zu entnehmen. Auch die von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) vorgeschlagene und nach Auffassung der Kammer fragliche Kombination des Dokuments D3 mit D10 kann somit nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 im erteilten Umfang führen.
Ausgehend von D1, D2 oder D4 als nächstliegender Stand der Technik
4.7 Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) machte zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auch Ausführungen ausgehend von D1, D2 oder D4 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit irgendeinem der Dokumente D6 bis D11.
4.8 D1 betrifft unstrittig einen Gewindebohrer und stellt somit einen zutreffenden Ausgangpunkt für das Streitpatent dar, was auch von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) anerkannt wurde. Ausgehend von der Ausführung in Figur 2 des D1 argumentierte die Beschwerdeführerin (Einsprechende), dass es für den Fachmann naheliegend wäre, im Hinblick auf D9 (oder auf irgendein der Dokumente D6, D7, D8, D10 oder D11) eine Krümmung an einem oder beiden Ende des geraden Kantenübergangs (7) zum Zweck einer Reduzierung des Verschleißes an der Schneidkante einzuführen, was ohne weiteres und ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung führen würde.
4.9 Die Kammer kann die obige Argumentation der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) aus folgenden Gründen nicht teilen:
Wie von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) während der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt wurde, besteht der Kern der Lehre des Dokuments D1 in der Verwendung eines voll geraden Kantenübergangs (7). Es bestehet somit für den Fachmann kein Anlass - selbst unter Berücksichtigung der Dokumente D6 bis D11 - von dieser Lösung abzuweichen und den vorgeschlagenen geraden Kantenübergang durch einen abschnittweise einmal gekrümmten und einmal geraden Kantenübergang im Sinne des Merkmals (f) des erteilten Anspruchs 1 zu ersetzen. Die Argumentation der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) leidet hier an einer rückschauenden Betrachtung des Standes der Technik, die unzulässigerweise von der Kenntnis der Erfindung Gebrauch macht und die als solche bei der Einschätzung des Vorhandenseins einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne der Artikel 52(1) und 56 EPÜ nicht erlaubt ist.
4.10 Dokumente D2 und D4 betreffen Schneidwerkzeuge, D4 insbesondere einen Gewindebohrer (vgl. die von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) erwähnten Absätze [0001] und [0002] der englischen Online-Übersetzung), bei welchen ein abgerundeter Kantenübergang zur Reduzierung des Verschleißes an der Schneidkante und zur Erhöhung der Standzeit verwendet wird. Ein Kantenübergang bestehend aus der entscheidenden Kombination einer Krümmung mit einem geraden Teilbereich gemäß Merkmal (f) des erteilten Anspruchs 1 ist weder offenbart noch durch die zweifelhafte Kombination mit den Dokumenten D6 bis D11 nahegelegt, weil der Fachmann die Lehre dieser Entgegenhaltungen zur Lösung der gestellten Aufgabe bei einem Gewindebohrer nicht in naheliegender Weise in Betracht ziehen würde und zwar aus denselben Gründen, die bezüglich der Kombination von D3 mit dem Handbuch D9 angegeben wurden.
4.11 Da keine weiteren Angriffe betreffend die erfinderische Tätigkeit vorgebracht wurden, beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung aus den oben angegeben Gründen auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikeln 52(1) und 56 EPÜ.
NICHTZULASSUNG DER DOKUMENTE C1 bis C5
5. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Zulassung der Entgegenhaltungen C1 bis C5, die erstmals mit dem Schreiben vom 19. Mai 2021 eingereicht wurden, ins Beschwerdeverfahren. Der Antrag wurde damit begründet, dass die Vorlage als gerechtfertigte Reaktion auf die vorläufige Auffassung der Kammer anzusehen sei. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) trat der Zulassung dieser Entgegenhaltungen im Hinblick auf Artikel 13 VOBK in der Fassung 2020 entgegen.
5.1 Die Einreichung der Entgegenhaltung C1 bis C5 nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung stellt eine Änderung der Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13(2) VOBK in der auf diese Beschwerde anzuwendenden Fassung 2020 dar, die als solche grundsätzlich unberücksichtigt bleiben soll, es sei denn, der betreffende Beteiligte habe stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände der Beschwerde vorliegen.
5.2 Da die Vorlage dieser neuen Entgegenhaltungen erstmalig etwa 1 Jahr nach der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15(1) VOBK und nur zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung erfolgte, kann sie somit nicht als gerechtfertige und unmittelbare Reaktion auf die vorläufige Auffassung der Kammer vom 25. Mai 2020 angesehen werden. Darüber hinaus wurden von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) weder außergewöhnliche Umstände für die verspätete Vorlage genannt, noch sind solche außergewöhnlichen Umstände für die Kammer ersichtlich. Denn die vorläufige Auffassung der Kammer hat sich lediglich mit den von den Parteien ohnehin bereits vorgetragenen Argumenten befasst und keine neuen von Amts wegen eingeführt.
5.3 Die Entgegenhaltungen C1 bis C5 sowie die dazugehörigen Ausführungen werden daher unter Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht berücksichtigt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird im erteilten Umfang aufrechterhalten.