T 2502/18 05-05-2022
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SICHERHEITS- UND/ODER WERTDOKUMENT MIT SERS-AKTIVEN PARTIKELN
Vertretung - mündliche Ausführungen einer Begleitperson (zugelassen)
Zusätzliches Dokument nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Änderungen - Berichtigung von Unrichtigkeiten (ja)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Patentansprüche - Klarheit (ja)
Patentansprüche - Auslegung mehrdeutiger Begriffe
Patentansprüche - Neuheit (nein)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent EP 2 059 397 B1 in geänderter Form aufrechtzuerhalten. Einspruchsgründe waren mangelnde Neuheit, erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ), sowie unzulässige Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ). Mangelnde Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ) wurde erst in der mündlichen Verhandlung in Reaktion auf den neuen Hauptantrag beanstandet. In Bezug auf mangelnde erfinderische Tätigkeit wurde unter anderem von D11 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen.
II. Auf folgende Dokumente wird Bezug genommen:
D1 = |WO 00/18591 A1 |
D2 = |WO 2006/076616 A2 |
D4 = |Tuan Vo-Dinh, Trends in analytical Chemistry, Vol. 17, 8+9, 1998, S. 557-582, XP4146617 |
D11 =|EP 0 806 460 A1 |
D12 =|J.S. Suh, K.H. Michaelian, J. of Raman Spectroscopy, 1987, Vol. 18, 409-414, XP55301519 |
D14 =|B. Roan, E.T. Furtak, Abstracts of Papers, 233**(rd) ACS National Meeting, Chicago, US, March 25-29, 2007, COLL-579 (Zusammenfassung), XP55301523|
D18 =|E. Smith, G. Dent, "Modern Spectroscopy - A Practical Approach", 2005, John Wiley & Sons, Ltd., S. 113-116, 143-149|
D21 =|M. Moskovits, J. Raman Spectrosc., Vol. 36, 2005, 485-496 (zitiert in Absatz [0003] der Patentschrift), XP7904311 |
D24 |Steven E. J. Bell et al., "Auf dem Weg zur verlässlichen und quantitativen SERS-Spektroskopie: von Schlüsselparametern zur guten analytischen Praxis", Angew. Chem. 2020, 132, 5496 ? 5505, DOI: 10.1002/ange.201908154 |
III. Anträge
Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Einsprechende und Beschwerdeführerin,
a) die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen,
b) das Dokument D24, eingereicht mit Schreiben vom 13. April 2022, ins Verfahren zuzulassen; und
c) zuzulassen, dass ein technischer Experte Ausführungen unter der Verantwortung des Vertreters der Einsprechenden während der mündlichen Verhandlung macht.
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin zog ihren früheren, mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten, Hauptantrag (Aufrechterhaltung des Patents wie von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten) zurück und beantragte am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer,
a) die Beschwerde zurückzuweisen und
b) das Patent in der Anspruchsfassung gemäß geltendem Hauptantrag (eingereicht als "Hilfsantrag 1" mit der Beschwerdeerwiderung), bzw. Hilfsantrag 1 bis 3 (eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung als "Hilfsantrag 2" bis "Hilfsantrag 4") aufrechtzuerhalten,
c) D24 nicht zuzulassen und
d) Ausführungen des technischen Experten nicht zuzulassen.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags (eingereicht als "Hilfsantrag 1", Merkmalsbezeichnungen (A), (B), ... durch die Kammer eingeführt, Hervorhebungen [Hinzufügungen, [deleted: Streichungen]] in Bezug auf das Patent wie aufrechterhalten ebenfalls durch die Kammer hinzugefügt) hat den folgenden Wortlaut:
(A) Sicherheits- und/oder Wertdokument
(B) enthaltend zumindest ein Sicherheitsmerkmal,
(C) welches in definierter räumlicher Position in dem Sicherheits- und/oder Wertdokument angebracht ist und
(D) SERS-aktive Partikel enthält,
(E) wobei die SERS-aktiven Partikel keine Hüllschicht mit einer Raman-aktiven Substanz aufweisen und
(F) wobei die Partikel in direktem Kontakt sind mit einem Raman-aktiven Polymer einer Polymerschicht oder einer Druckschicht des Sicherheits- und/oder Wertdokuments
(G) und wobei SERS-aktive Partikel Partikel sind,
(H) durch die bei Kontaktierung der Partikel mit einer mit Raman-Spektroskopie zu untersuchenden Substanz eine um zumindest 10**(3) erhöhte Signalintensität [deleted: aufweisen ]erhalten wird,
(I) verglichen mit einem Raman-Signal [deleted: an] der Substanz ohne Kontakt mit SERS-aktiven Partikeln.
Im Hilfsantrag 1 (eingereicht als "Hilfsantrag 2") wurde im Anspruch 1 der Faktor 10**(3) in Merkmal (H) durch den Faktor 105 ersetzt.
Im Hilfsantrag 2 (eingereicht als "Hilfsantrag 3") wurde im Anspruch 1 der Faktor 10**(3) in Merkmal (H) durch den Faktor 106 ersetzt.
Im Hilfsantrag 3 (eingereicht als "Hilfsantrag 4") wurde in Anspruch 1 das Merkmal (A) des Hauptantrages durch "Verwendung eines Sicherheits- und/oder Wertdokument" [sic] und die Merkmale (G) bis (I) durch "zur Verifizierung mittels SERS" ersetzt.
V. Die Einsprechende argumentierte im Wesentlichen folgendermaßen:
a) D24 sei wesentlich für die Argumentation unter Klarheit und Ausführbarkeit.
b) Der technische Experte sei Spezialist auf dem Gebiet von SERS und könne bei technischen Fragen zur Verfügung stehen.
c) Der Wortlaut des Anspruchs 1 aller Anträge sei widersprüchlich und unklar; er stelle ferner ein Desideratum dar.
d) Die Änderungen gegenüber dem Patent wie erteilt und wie aufrecht erhalten führten einen nicht ursprünglich offenbarten Gegenstand ein.
e) Der Gegenstand von Anspruch 1 aller Anträge sei nicht neu gegenüber von D11.
VI. Die Patentinhaberin argumentierte im Wesentlichen folgendermaßen:
a) D24 sei zu spät eingereicht worden, so dass sie nicht rechtzeitig und angemessen darauf hätte reagieren können.
b) Die Intervention des technischen Experten könne die Argumentation verzerren.
c) Der Fachmann könne den Schutzumfang von Anspruch 1 eindeutig bestimmen und ihn auch ausführen.
d) Anspruch 1 des Hauptantrags sei nicht unzulässig erweitert, sondern bzgl. des Patents wie aufrecht erhalten nur so korrigiert worden, wie der Fachmann die Offenbarung der ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig verstehe.
e) D11 offenbare eine Hüllschicht aus Raman-aktiven Partikeln, die Pigmente, aber keine Polymere seien; somit offenbare D11 insbesondere nicht die Merkmale (E) und (F); auch der Verstärkungsfaktor von 1000 sei für Raman-aktive Polymere nicht in D11 offenbart.
1. Die Erfindung wie beschrieben
1.1 Die Erfindung betrifft ein Sicherheitsmerkmal für Wertdokumente wie z.B. Kreditkarten oder Banknoten. Sicherheitsmerkmale können durch einen Laserstrahl optisch verifiziert werden, indem das reflektierte Raman-Spektrum gemessen wird. Das Raman-Spektrum kann um einen Faktor 10**(6) bis 10**(12) dadurch verstärkt werden, dass die Streuzentren in Kontakt mit bestimmten rauen Metalloberflächen - typischerweise metallische Nanopartikel aus Gold, Silber oder Kupfer - gebracht werden (Abschnitt [0003] de Streitpatents). Diese sogenannte Surface Enhanced Raman Spectroscopy (SERS) sowie deren Theorie ist in der Literatur ausführlich beschrieben (D2, D4, D12, D14, D18, D21, s.u.).
1.2 Die Erfindung hat die Aufgabe, ein Verifikationsverfahren bei Wertdokumenten durch SERS praktikabel zu machen. Dies wird dadurch erreicht, dass die SERS-aktiven Partikel (1) der verwendeten Polymertinte/Polymerfarbe beigemischt werden (Absatz [0026]) oder zwischen Polymer-Schichten (2, 3) aufgetragen werden ([0033], vgl. Figuren 1a, 1b und 2).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK FORMEL/TABELLE/GRAPHIK FORMEL/TABELLE/GRAPHIKPatent
1.3 Die SERS-aktiven Partikel haben keine Hüllschicht ([0023]) mit einer Raman-aktiven Substanz, sondern werden direkt mit einem Polymer, einer Polymerschicht oder einer Tinte bzw. Farbe kontaktiert, wobei dieses Polymer selbst Raman-aktiv ist. Die Verifizierung erfolgt z.B. durch die Messung des Spektrums der die SERS-aktiven Partikel umgebenden Substanz ([0028]). Das SERS Signal rührt folglich von der die SERS-aktiven Partikel umgebenden Stoffmatrix, welche die Raman-aktiven Polymere enthält (Ende von [0019]), nicht aber von den "SERS-aktiven" Partikeln selbst. Die SERS-aktiven Partikel sind lediglich in die Stoffmatrix des Sicherheitsdokumentes eingebettet ([0025]) und verstärken dadurch das Raman-Signal. Dieser Effekt wird mit der resonanten Anregung von Oberflächen-Plasmonen in Verbindung gebracht ([0003]). Diese Zusammenhänge sind wichtig für die Fragen der Klarheit / Bestimmung des Gegenstands, für den Schutz begehrt wird und der unzulässigen Erweiterung (s.u.) von Anspruch 1.
2. Zulassung technischer Experte, Schreiben vom 13. April 2022, D24
2.1 Zulassung des technischen Experten
2.1.1 Die Kammer ist in Einklang mit G4/95 der Meinung, dass eine Begleitperson in einer mündlichen inter partes-Verhandlung Ausführungen machen darf, wenn folgende vier Kriterien erfüllt sind (Leitsatz 2. b) i)-iv)):
i) Beantragung durch den zugelassenen Vertreter mit Angabe von Name und Qualifikation der Begleitperson, sowie Gegenstand des beabsichtigten Vortrags.
ii) Der Antrag wird so rechtzeitig gestellt, dass alle Gegenparteien sich angemessen vorbereiten können.
iii) Ein Antrag, der kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird, ist zurückzuweisen, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, es sei denn, alle Gegenparteien seien damit einverstanden.
iv) Die Kammer muss überzeugt sein, dass diese Ausführungen unter der ständigen Aufsicht und Verantwortung des zugelassenen Vertreters erfolgen. Die Zulassung dieser Ausführungen steht im Ermessen der Kammer. Die Ausführungen der Begleitperson haben die vollständige Darstellung des Falles durch den Vertreter zu ergänzen.
ad i)
Die Ausführungen wurden mit dem Schreiben vom 13. April 2022 wie in i) erforderlich beantragt.
ad ii)
Die Patentinhaberin hat sich vor der mündlichen Verhandlung nicht gegenteilig zu besagtem Antrag geäußert.
ad iii)
Eine Frist von drei Wochen fällt in Bezug auf die im vorliegenden Fall angekündigten möglichen Ausführungen nicht in den Zeitraum "kurz vor der mündlichen Verhandlung".
ad iv)
Der zugelassene Vertreter der Einsprechenden hat in der mündlichen Verhandlung versichert, dass er den Erfordernissen von Punkt iv) nachkommen werde.
2.1.2 Folglich wurden mögliche Ausführungen des technischen Experten zugelassen. Von dieser Möglichkeit wurde allerdings während der mündlichen Verhandlung kein Gebrauch gemacht.
2.2 Schreiben vom 13. April 2022
Die Patentinhaberin hatte zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragt, das Schreiben der Einsprechenden vom 13. April 2022 nicht zuzulassen. Die in diesem Schreiben enthaltenen Argumente konnten jedoch ebenso in der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden. Deshalb war eine Entscheidung über die Zulassung des Schreibens an sich nicht notwendig.
2.3 D24 (Eingabe vom 13. April 2022)
2.3.1 D24 wurde nur drei Wochen vor der mündlichen Verhandlung eingereicht. Laut der Einsprechenden stelle D24 die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung in Frage, da D24 belege, dass bestimmte instrumentelle Parameter entscheidend seien, um den beanspruchten Verstärkungsfaktor zu erreichen.
2.3.2 Die Kammer ist der Meinung, dass schon die D4 belegt, dass der Verstärkungsfaktor von vielen Parametern abhängt (siehe zum Beispiel D4, Seite 563). Ferner sind die Parteien im Einspruchsbeschwerdeverfahren in ihrer Verfahrensführung gewissen Grenzen unterworfen (G 9/91 und G 10/91, "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 9. Auflage 2019, Abschnitt V.A.4.2.1 und V.A.4.5.1 a)). Nach Art. 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
2.3.3 Die Beschwerdeführerin hat weder stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass solche außergewöhnlichen Umstände vorliegen, noch kann die Kammer solche Gründe erkennen, da die mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Anträge der Patentinhaberin keine grundsätzlich neuen Sachverhalte aufwerfen. In der Beschwerdebegründung im Rahmen ihrer Argumentation bezüglich Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ 1973) hat die Einsprechende auch schon bzgl. der Details zum Erreichen des beanspruchten Verstärkungsfaktors Stellung genommen.
2.3.4 Folglich lässt die Kammer D24 nicht zu (Art. 13 (2) VOBK 2020).
3. Hauptantrag Anspruch 1 - Ausführbarkeit und Klarheit (Artikel 83 und 84 EPÜ 1973)
3.1 Die Einsprechende argumentierte, dass gemäß G 3/14 Klarheit untersucht werden müsse, da der vorliegende Anspruchswortlaut nicht aus erteilten abhängigen Ansprüchen konstruiert worden sei. Sie beanstandete, dass im Anspruch die Begriffe "Raman-aktive Substanz" und "Raman-aktives Polymer" nicht konsistent verwendet und dadurch Widersprüche erzeugt würden. In Merkmal (H), in dem der Begriff "Substanz" verwendet werde, sei somit unklar, ob mit dieser "Substanz" das "Raman-aktive Polymer" aus Merkmal (F) gemeint sei oder eine andere "Substanz". Gleiches gelte für die "Raman-aktive Substanz" in Merkmal (E).
3.2 Der im Streitpatent verwendete Begriff "Hüllschicht" könne in seiner breitesten Form so verstanden werden, dass die SERS-aktiven Partikel in einem Kolloid oder einer Matrix/Schicht eines "Raman-aktiven Polymers" eingebettet seien, wobei das "Raman-aktive Polymer" die Hülle bilde. Insbesondere Figur 2 des Streitpatents und der entsprechende Teil der Beschreibung zeigten eine solche Druck- bzw. Polymerschicht 4 (s.o.), welche die SERS-aktiven Partikel einhülle. Dies sei ein Widerspruch zu Merkmal (E), das eine solche Hülle ausschließe. Entsprechend sei Merkmal (E) unklar und im Widerspruch zur Beschreibung.
3.3 Merkmale (G) bis (I) stellten darüber hinaus ein Desideratum dar, da keinerlei Details bzw. Messparameter angegeben würden, wie die Verstärkung um einen Faktor 1000 genau erzielt werden könne.
3.4 Die Patentinhaberin argumentierte, dass die Begriffe im Anspruchswortlaut nicht im Widerspruch zueinander und zur Beschreibung stünden und dass der Fachmann eindeutig den gemeinten Sachverhalt aus dem Anspruchswortlaut ableiten könne. Ferner sei der Begriff "Hüllschicht" so zu verstehen, dass eine geschlossene Hülle gebildet werde, die das SERS-aktive Partikel komplett mit einer Schicht umschließe, die eine Dicke von mindestens einer Moleküllage habe und wobei die Hüllschichten zweier verschiedener Partikel voneinander getrennte Einheiten seien. Somit wiesen die Ausführungsbeispiele der Figuren 1 und 2 des Streitpatents keine "Hüllschicht" auf.
3.5 Ferner sei der Verstärkungsfaktor von 1000 ein relativer Wert, der unabhängig von den verwendeten Parametern sei. Es sei also z.B. unerheblich, welche Art von Raman-aktiven Substanzen verwendet würden und wie stark das Raman-Signal selbst, ohne Verwendung von SERS-aktiven Partikeln, sei. Entscheidend sei der Signalunterschied zwischen einer Messung mit SERS-aktiven Partikel und ohne SERS-aktive Partikel.
3.6 Die Kammer ist der Meinung, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 wegen der Verwendung der unterschiedlichen Begriffe "Substanz" und "Polymer" zwar breit, aber dennoch so deutlich formuliert ist, dass der Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, eindeutig bestimmt werden kann und damit kein Verstoß gegen die Bedingungen des Artikels 84 EPÜ 1973 vorliegt. Allerdings hat die verwendete inkonsistente Terminologie zur Folge, dass die in Merkmal (H) genannte Substanz ("eine mit Raman-Spektroskopie zu untersuchenden Substanz") eine beliebige Substanz sein kann und nicht notwendigerweise das "Raman-aktive Polymer" aus Merkmal (F) sein muss. Der in den Merkmalen (G) bis (I) beanspruchte Gegenstand ist so allgemein formuliert, dass er sich nicht auf das "Raman-aktive Polymer" beziehen muss. Die diesen Merkmalen zugrunde liegende Stelle in der Beschreibung (Abschnitt [0018] des Streitpatents) diskutiert SERS auch ganz im Allgemeinen und in Bezug auf den Stand der Technik, aber nicht in Bezug auf die Erfindung oder ein Ausführungsbeispiel. Das gesamte Streitpatent offenbart nicht, dass der Verstärkungsfaktor von 10**(3) bis 10**(6) für das Raman-Signal eines Polymers erzielt wird. Würden Merkmale (G) bis (I) ausschließlich auf Polymere bezogen, würden die ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen keine Basis für eine solche exklusive Auslegung bieten.
3.7 Die Kammer versteht den Begriff "Hüllschicht" so, wie er von der Patentinhaberin definiert wurde. Dies bedeutet, dass damit für jedes Partikel eine geschlossene und durchgehende Hülle gemeint ist, die von den Hüllen der anderen Partikel jeweils getrennt ist. In diesem Sinne muss aber dann auch die Offenbarung des Standes der Technik unter Artikel 52(1), 54(1) und 54(2) EPÜ 1973 interpretiert werden.
3.8 In der verfügbaren Literatur gibt es eine Vielzahl von Dokumenten, in denen SERS-Partikel mit dem im Streitpatent genannten Verstärkungsfaktor von 10**(3)bis 10**(6)diskutiert werden:
a) D11, Spalte 1, Zeile 38ff offenbart einen Faktor "up to 10**(6)".
b) Ein Verstärkungsfaktor in der Größenordnung von 10**(6) ist z.B. auch von D21 bekannt, siehe Seite 486, rechte Spalte, Mitte : "For silver at 400 nm, for example, g is only ~30 yet produces a Raman enhancement of G ~ 8 10**(5)".
c) D4 offenbart Messungen bis zu einem Faktor 10**(13), siehe Seite 558, rechte Spalte, erster Absatz; auf Seite 561 in D4, rechte Spalte, werden Faktoren 10-10**(2), 10**(4) und 10**(6) je nach Größe der Partikel offenbart. Aus D4 geht also hervor, dass der Verstärkungsfaktor durch die Partikelgröße eingestellt werden kann.
d) siehe auch D2, Abschnitt [0006], D12, das ganze Dokument, D14, Zusammenfassung, D18, Abschnitt 5.1.
Die Bereitstellung entsprechender SERS-aktiver Partikel muss daher als Teil des allgemeinen Wissens des Fachmanns zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents angesehen werden.
Folglich ist das Merkmal "Verstärkungsfaktor von zumindest 10**(3)" kein Desideratum. Stattdessen könnte der Fachmann aus seinem allgemeinen Fachwissen heraus, eventuell unter Rückgriff auf im oben genannten Stand der Technik angegebene Details und Parameter, ohne unangemessene Schwierigkeiten SERS-Partikel bereit stellen, die eine Verstärkung in der Größenordnung von 10**(3) bis 10**(6) bewirken. Folglich liegt auch kein Verstoß gegen die Bedingungen des Artikels 83 EPÜ 1973 vor.
3.9 Folglich erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 die Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ 1973.
4. Hauptantrag - Unzulässige Erweiterung (Artikel 123(2) EPÜ)
4.1 Die Einsprechende argumentierte, dass die Merkmale (G) und (H) ihren Ursprung in Absatz [0018] des Streitpatents (Seite 8, Zeilen 5-10, der ursprünglichen Anmeldung) hätten, aber durch die Änderungen im neuen Hauptantrag (siehe Abschnitte III. und IV. oben) im Widerspruch zur Offenbarung in Absatz [0018] stünden. Dort sei nämlich offenbart, dass die SERS-aktiven Partikel selbst ein Raman-Signal erzeugten. Dies könne aber nur der Fall sein, wenn die SERS-aktiven Partikel eine Raman-aktive Hüllschicht hätten. Diese sei aber im Anspruch durch Merkmal (E) explizit ausgeschlossen. Insofern erzeuge der Gegenstand der abgeänderten Merkmale (G) bis (I), die zudem wörtlich nirgends in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen eine Grundlage hätten, einen neuen Gegenstand, der die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ verletze.
4.2 Die Patentinhaberin argumentierte, dass aus dem Sinnzusammenhang der ganzen Anmeldung und insbesondere den Absätzen [0003], [0019], [0023], [0025] und [0028] der Beschreibung hervorgehe, dass das Signal durch die Polymermatrix erzeugt und durch die SERS-aktiven Partikel nur verstärkt werde. Die Formulierung an sich sei nun durch die Änderungen also sowohl physikalisch/technisch korrekt als auch durch den Sinnzusammenhang der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen dem Fachmann direkt und eindeutig offenbart. Durch die geänderten Merkmale (G) bis (I) resultiere also keine unzulässige Erweiterung und die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ seien somit erfüllt. Abschnitt [0018] der Beschreibung könne gemäß Regel 139 EPÜ (Regel 88 EPÜ 1973) im Wortlaut der Merkmale (G) bis (I) korrigiert werden, da die Berichtigung derart offensichtlich sei, dass sofort erkennbar sei, dass nichts anderes beabsichtigt sein könne als der Wortlaut der Merkmale (G) bis (I).
4.3 Die Kammer ist der Meinung, dass eine Hüllschicht, die zu einem SERS-Signal beiträgt, in Absatz [0018] zwar nicht explizit ausgeschlossen ist, wenn dieser isoliert betrachtet wird, aber im Zusammenhang mit der restlichen Beschreibung ausgeschlossen werden kann. In den ursprünglich eingereichten Unterlagen wird eine Hüllschicht nur im Zusammenhang mit der Diskussion des Standes der Technik diskutiert, wo sie als zu teuer und aufwendig dargestellt wird (Seite 4, Zeile 17 bis 22 der Anmeldung). In den Ausführungsbeispielen ist dagegen keine Hüllschicht vorhanden. Dies gilt auch für die in Absatz [0018] zitierte D21. Aus der Anmeldung geht jedoch unmittelbar und eindeutig hervor (siehe Abschnitt 1.3 oben), dass durch die bei Kontaktierung der Partikel mit einer mit Raman-Spektroskopie zu untersuchenden Substanz eine um zumindest 10**(3) erhöhte Signalintensität der Substanz erhalten wird, verglichen mit einem Raman-Signal der Substanz ohne Kontakt mit SERS-aktiven Partikeln. Folglich ist der Gegenstand des Abschnitts [0018] des Streitpatents (der dem Wortlaut der früheren Merkmale (G) bis (I) im Patent wie aufrechterhalten entspricht) physikalisch falsch, die Richtigstellung in den Merkmalen (G) bis (I) des Anspruchs 1 des aktuellen Hauptantrags aber physikalisch sinnvoll und, obwohl wortwörtlich so in den gesamten ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht enthalten, dem Fachmann darin dennoch unmittelbar und eindeutig offenbart.
4.4 Folglich bewirkt die Hinzufügung bzw. Änderung der Merkmale (G) bis (I) keine Erweiterung des in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbarten Gegenstandes, da zudem der Verstärkungsfaktor von mindestens 10**(3) eine von der Erfindung unabhängige, allgemeingültige Tatsache ist und auch nicht ausschließlich auf das Polymer bezogen werden darf (siehe Abschnitt 3.6 oben). Folglich wird der Gegenstand der Ansprüche durch die vorgenommenen Änderungen nicht unzulässig erweitert (Artikel 123 (2) EPÜ).
4.5 Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt folglich die Anforderungen des Artikels 123(2) EPÜ.
5. Hauptantrag, Anspruch 1 - Neuheit (Artikel 52(1) EPÜ, 54 (1) und (2) EPÜ 1973)
5.1 Offenbarung von D11
5.1.1 D11 offenbart eine Raman-aktive Tinte für Wertdokumente, wobei Raman-aktive Verbindungen an SERS-aktiven Partikeln adsorbiert werden (D11, Spalte 2, Zeile 3ff: "The present invention is based on the discovery that colloids or other small metal particles of SERS active metals onto which has been adsorbed a Raman active compound, hereafter known as the coding compound, are of value as components of an ink as printing security documents which can be identified simply and quickly by SERS or SERRS").
5.1.2 Im Streitpatent (Abschnitt [0009]) werden die in D11 offenbarten adsorbierten Verbindungen als Hüllschicht bezeichnet. Die für die "Hüllschicht" aufgeführten Materialien in D11 sind Pigmente (Spalte 3, Zeilen 32 bis 38) und keine Polymere. Die Konzentration ist sehr gering (Spalte 3, Zeilen 10 bis 12: "The amount of the coding compound added may be between 0.1 and 100ppm, preferably between 0.5 and 10ppm of the SERS active metal colloid").
5.1.3 Zusätzlich zu den Raman-aktiven Pigmenten sind in dem Kolloid der D11 auch Polymere enthalten (Spalte 5, Zeile 13 bis 18, Unterstreichungen durch die Kammer: "The SERRS active sol of the invention may also be included, not necessarily as inks, in paper including rag papers and plastic papers, banknote threads, plastic cards and other security documents or items which need to be authenticated, if necessary blended with a polymer and bonded other than in an ink"). In "Example 4" (Spalte 6, Zeile 36) wird "phenolic resin" als Polymer verwendet.
5.1.4 Von der Patentinhaberin wurde das Vorbringen der Einsprechenden (dem auch die Kammer zustimmt), dass alle Polymere Raman-aktiv sind, nicht bestritten. Sie hat lediglich in Bezug auf D18 (Abschnitt 6.4.1 auf Seite 143) vorgebracht, dass Polymere keine "very strong Raman scatterers" sind, also nur relativ schwach Raman-aktiv sind.
5.2 Negatives Merkmal "Hüllschicht" (Merkmal (E))
5.2.1 Die Einsprechende bestritt, dass D11 eine Hüllschicht von Raman-aktiven Substanzen offenbart. Die Konzentration der Raman-aktiven Substanz (maximal 100ppm) sei zu gering, um eine geschlossene Hülle der adsorbierten Moleküle zu bilden. Ferner offenbare D11 nirgends weder explizit noch implizit, dass eine Hülle gebildet werde. Eine Hüllschicht müsse ein Nanopartikel komplett umschließen und unterscheidbar von der Hülle eines anderen Nanopartikels sein, um eine Schicht zu bilden. Die Patentinhaberin habe selbst argumentiert, dass der Fachmann unter Hülle ein "coated particle" verstünde, wie es z.B. in D1, Seite 2, Zeilen 10 bis 13 beschrieben sei ("The lateral spacing may be achieved by coating each particle with a transparent material of controllable thickness, such as silica").
5.2.2 Die Patentinhaberin brachte vor, dass die in D11 angegebene Konzentration für mindestens eine Monolayer reichen würde und "adsorbed" eine Hüllschicht impliziere.
5.2.3 Die Kammer kam zum Schluss, dass D11 keine eindeutige explizite oder implizite Offenbarung bietet, dass eine Hüllschicht im Sinne der obigen Auslegung (siehe Abschnitt 3.7 oben) vorhanden ist. Adsorption impliziert nicht zwingend eine geschlossene Hüllschicht im Sinne der obigen Auslegung. Eine sehr breite Auslegung des Begriffs "Hüllschicht" so, dass D11 eine solche offenbaren würde (was wegen der negativen Formulierung des Merkmals(E) eben bedeuten würde, dass D11 dieses Merkmal nicht offenbart), würde durch die negative Formulierung des Merkmals (E) zu einem Widerspruch mit der Offenbarung der Beschreibung bzw. der Figuren 1 und 2 führen, wie oben in Zusammenhang mit Artikel 84 EPÜ 1973 diskutiert.
5.2.4 Somit ist Merkmal (E) in D11 offenbart.
5.3 SERS-aktive Partikel in Kontakt mit Raman-aktivem Polymer (Merkmal (F)
5.3.1 Die Patentinhaberin argumentierte, dass Merkmal (F) erfordere, dass die Polymere nicht nur Raman-aktiv seien, sondern auch in Kontakt mit den SERS-aktiven Teilchen stehen müssten. Dies sei jedoch so nicht in D11 offenbart.
5.3.2 Die Einsprechende argumentierte, dass die Konzentration der Pigmente so gering (s.o.) sei, dass sie keine geschlossene Hülle um die SERS-aktiven Partikel bilden könnten und daher die Adsorption von Polymeren an den SERS-aktiven Partikeln nicht verhindern könne, so dass die in D11 offenbarten Polymere in Kontakt mit den SERS-aktiven Nanopartikeln sein müssten.
5.3.3 Die Kammer kam zu dem Schluss, dass D11 eine Lösung/ein Kolloid von Nanopartikeln, Raman-aktiven Substanzen und Polymeren offenbart (Spalte 2, Zeilen 50 bis 53, Unterstreichungen durch die Kammer: "The aggregated colloids of nano scale particles of SERS active metal which make up the SERRS active sol may be prepared from any metal which exhibits SERS activity"). Die Polymere können auch verwendet werden, um eine Matrix zu bilden ("plastic", s.o.). In einer Lösung bzw. bei einer Einbettung der Partikel zusammen mit den Pigmenten in einer Polymer-Harz-Matrix ("Example 4", s.o.) muss ein Kontakt zwischen dem Polymer und den Nanopartikeln vorliegen. In D11 findet sich keine Offenbarung, dass die Raman-aktiven Pigmente ein "coating" (cf. D1) oder eine durchgehende Hülle bilden. Da die SERS-aktiven Partikel entweder in einer Matrix eingebettet sind oder Teil einer Lösung/Kolloids sind und der Kontakt mit den Raman-aktiven Pigmenten nur über Adsorption bei einer relativ geringen Konzentration, aber ohne "coating" stattfindet, ist das Merkmal (F) in D11 implizit offenbart.
5.4 Verstärkungsfaktor 10**(3) (Merkmale (G) bis (I))
5.4.1 Die Patentinhaberin argumentierte, dass ein bloßer Kontakt der Polymere mit den SERS-aktiven Partikeln in D11 nicht ausreiche, um ein um den Faktor 1000 verstärktes Signal zu erzeugen, wie es in den Merkmalen (G) bis (I) definiert werde. Selbst wenn ein Signal-Anteil von den Polymeren komme, offenbare D11 nicht, dass der entsprechende Signal-Anteil durch die SERS-aktiven Partikel um den Faktor 1000 verstärkt werde, da D11 nur den Verstärkungsfaktor des Signals der Pigmente durch die SERS-aktiven Partikel betreffe.
5.4.2 Wie aus D18 (s.o.) bekannt sei, sei das Raman-Signal von Polymeren recht schwach. Wie die Einsprechende selbst argumentiert habe, hänge der Verstärkungsfaktor von vielen Parametern ab, wie z.B. Art, Form, Dichte, Orientierung und Größe der SERS-aktiven Nanopartikel, Art, Signalstärke, Konzentration, Orientierung und Abstand der Raman-aktiven Moleküle, sowie instrumentellen Parametern. Folglich sei auszuschließen, dass für die in D11 genannten Polymere auch der in D11, Spalte 1, Zeilen 38 bis 39 genannte Verstärkungsfaktor von "up to 10**(6)" erreicht würde.
5.4.3 Die Einsprechende argumentierte, dass es irrelevant sei, welcher Verstärkungsfaktor für die Polymere erzielt würde. Merkmale (G) bis (I) seien nur eine allgemeine Definition von SERS-aktiven Partikel. Diese Definition beziehe sich ausdrücklich und ausschließlich auf "eine zu untersuchende Substanz" und eben nicht auf "das Raman-aktive Polymer".
5.4.4 Die Kammer kam wie die Einsprechende zum Schluss, dass bei der Auslegung des Anspruchs die Definition von SERS-aktiven Partikeln nicht eindeutig auf das Polymer bezogen werden kann, da jeder direkte Bezug im Anspruchswortlaut fehlt. Merkmale (G) bis (I) haben ihre Grundlage im Abschnitt [0018] des Streitpatents. Abschnitte [0004] bis [0018] betreffen aber die Diskussion des Standes der Technik. Abschnitt [0018] hat keinerlei Bezug zur Erfindung, insbesondere zu einem Ausführungsbeispiel. Wenn man also Anspruch 1 so auslegte, dass ein zwingender Bezug zwischen den Merkmalen (G) bis (I) und dem Polymer in Merkmal (F) vorläge, dann würde dies zu einem Gegenstand führen, der in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbart ist.
5.4.5 Merkmale (G) bis (I) betreffen folglich eine allgemeine Definition, die besagt, dass SERS-aktive Partikel zu einer Signalverstärkung von einem Faktor 1000 führen können. Wie die Patentinhaberin selbst vorbrachte, ist diese Verstärkung von einer Vielzahl von Parametern abhängig, die im Anspruchswortlaut nicht definiert sind. Da Merkmale (G) und (I) sich also nur auf Merkmale (B) bis (E) beziehen, aber nicht unbedingt auf Merkmal (F), ist es unerheblich, welchen Anteil am SERS-Signal die in D11 offenbarten Polymere haben.
5.4.6 Deshalb, und da die Merkmale (G) bis (I) auch keinerlei Details angeben, unter welchen Umständen bzw. mit welchen Parametern die Messungen durchgeführt werden, ist die Signalverstärkung um einen Faktor 1000 ein möglicher Wert, der unter bestimmten Vorraussetzungen erzielt werden kann, aber - bei der Auslegung des Gegenstands, für den Schutz begehrt wird - nicht zwingend erfüllt werden muss. Dies spiegelt sich auch wider in der Formulierung des Merkmals (H) als Verfahrensschritt innerhalb des auf ein "Sicherheits- und/oder Wertdokument" als solches gerichteten Anspruchs.
5.4.7 Insofern sind Merkmale (G) bis (I) nicht einschränkend bei der Neuheitsbetrachtung in Hinblick auf D11, da sie einen allgemein gültigen Zusammenhang definieren.
5.5 Neuheit - D11
5.5.1 D11
Zusammengefasst offenbart D11 folglich ein (Referenzen bzgl. D11)
(A) Sicherheits- und/oder Wertdokument (auf das die Tinte aufgebracht wird, erster Satz der Beschreibung) enthaltend
(B) zumindest ein Sicherheitsmerkmal (mit Tinte geformtes Merkmal, "Security-printed items", zweiter Satz der Beschreibung),
(C) welches in definierter räumlicher Position in dem Sicherheits- und/oder Wertdokument angebracht ist (implizit für "Security-printed items") und
(D) SERS-aktive Partikel enthält (Gold-Nanopartikel, Spalte 2, Zeile 53),
(E) wobei die SERS-aktiven Partikel keine Hüllschicht mit einer Raman-aktiven Substanz aufweisen (es ist nur die Adsorption einzelner Pigment-Moleküle offenbart, siehe Abschnitt 5.2 oben) und
(F) wobei die Partikel in direktem Kontakt sind mit einem Raman-aktiven Polymer (Polymere in Lösung, Plastik oder Polymerharz, siehe Abschnitt 5.3 oben) einer Polymerschicht oder einer Druckschicht des Sicherheits- und/oder Wertdokuments und
(G) wobei SERS-aktive Partikel Partikel sind,
(H) die bei Kontaktierung der Partikel mit einer mit Raman-Spektroskopie zu untersuchenden Substanz (Substanz, welche unter bestimmten Bedingungen die in Spalte 1, Zeilen 38 bis 39 angegebenen Werte erzielt, nicht unbedingt das Polymer, siehe Abschnitt 5.4 oben) eine um zumindest 10**(3)erhöhte Signalintensität aufweisen (Spalte 1, Zeilen 38 bis 39),
(I) verglichen mit einem Raman-Signal an der Substanz ohne Kontakt mit SERS-aktiven Partikeln (siehe Abschnitt 5.3 oben).
5.6 Schlussfolgerung in Bezug auf Neuheit
Das bereits im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren sowie in der Beschwerdebegründung der Einsprechenden als nächstliegender Stand der Technik verwendete Dokument D11 offenbart also alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags. Folglich ist der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu gegenüber D11 (Artikel 52(1) EPÜ, 54 (1) und(2) EPÜ 1973).
6. Hilfsanträge 1 bis 3
6.1 Die gleiche Argumentation wie für Anspruch 1 des Hauptantrags gilt auch für die entsprechenden Ansprüche der Hilfsanträge. Die Umformulierung des Anspruchsgegenstands als Verwendung (Kategoriewechsel in Hilfsantrag 3) ändert dabei nichts an der voranstehenden Argumentation. D11 offenbart zudem explizit eine Verstärkung bis zu einem Faktor 10**(6). Unabhängig davon stellt die Kammer fest, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 die Merkmale (G) bis (I) nicht enthält.
6.2 Folglich ist der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 nicht neu gegenüber der Offenbarung von D11 (Artikel 52(1) EPÜ, 54 (1) und (2) EPÜ 1973).
7. Schlussfolgerung
Da weder der Hauptantrag noch einer der Hilfsanträge den Erfordernissen des EPÜ genügt, insbesondere da der Gegenstand von Anspruch 1 aller Anträge nicht neu ist, muss das angefochtene Patent widerrufen werden (Artikel 101(3)b) EPÜ).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben;
2. das Patent wird in seiner Gesamtheit widerrufen.