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T 1593/19 24-08-2022
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Medizinische Vorrichtung zur Arzneimittelabgabe
Cook Medical Technologies LLC
C.R. Bard, Inc.
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin sowie der beiden Einsprechenden richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 857 050 unter Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Form aufrechtzuerhalten.
II. Im Einspruchsverfahren war das Patent auf der Grundlage von Artikel 100(a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), sowie unter Artikel 100(b) und (c) EPÜ angegriffen worden.
III. Die Einspruchsabteilung erachtete den Gegenstand der Ansprüche 2 und 10 bis 15 des Hauptantrags (Patent wie erteilt) als unzulässig geändert, und zwar sowohl in Bezug auf die ursprüngliche eingereichte Anmeldung (Artikel 123(2) EPÜ), als auch die ursprünglich eingereichte Stammanmeldung (Artikel 76(1) EPÜ).
Der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegte Hilfsantrag 1 erfülle die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ, der Artikel 123(2) und (3) EPÜ sowie des Artikels 76(1) EPÜ. Der beanspruchte Gegenstand sei neu, insbesondere gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 (Artikel 54 EPÜ). Er beruhe außerdem auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der technischen Lehre des Dokuments D7 (Artikel 56 EPÜ). Die beanspruchte Erfindung werde zudem ausführbar offenbart (Artikel 83 EPÜ).
IV. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin (im Folgenden die Patentinhaberin) begründete ihre Beschwerde damit, dass bereits die erteilten Ansprüche die Erfordernisse des EPÜ, insbesondere hinsichtlich Zulässigkeit der durchgeführten Änderungen erfülle. Daher sei die angefochtene Entscheidung fehlerhaft.
Zusammen mit ihrer Beschwerdebegründung legte die Patentinhaberin die Hilfsanträge 1 bis 10 vor.
V. Die Beschwerdeführerinnen-Einsprechenden 1 und 2 (im Folgenden die Einsprechenden 1 und 2) begründeten ihre Beschwerden damit, dass der Gegenstand des von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Hilfsantrags 1 nicht neu sei (Artikel 54 EPÜ) und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ). Zudem erfülle der Antrag nicht die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ. Die Einsprechende 1 begründete ihre Beschwerde zudem damit, dass der beanspruchte Gegenstand dem Fachmann nicht ausführbar offenbart werde (Artikel 83 EPÜ).
VI. In Erwiderung der Beschwerdebegründungen der Einsprechenden wurden von der Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2019 die Hilfsanträge 2e, 3b, 3e, 4b-4e, 5b-5e, 6b-6e, 7b-7d, 8b-8e, 9b-9e und 10b-10e eingereicht.
VII. In einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung zu den Sach- und Rechtsfragen mit und verwies auf Punkte, die während der mündlichen Verhandlung zur Erörterung kommen könnten.
VIII. Am 24. August 2022 fand eine mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz statt.
IX. Der für die vorliegende Entscheidung relevante Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags (erteilten Patents) hat den folgenden Wortlaut:
"Ballonkatheter zur Arzneimittelabgabe umfassend einen Ballon, wobei die Oberfläche des Ballons eine Beschichtung aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Beschichtung einen stark lipophilen, schlecht wasserlöslichen, an beliebige Gewebebestandteile bindenden Wirkstoff und einen Zuckeralkohol umfasst, wobei der Wirkstoff ausgewählt ist aus der Gruppe umfassend Paclitaxel und andere Taxane, Rapamycin, Tacrolimus, Corticoide, Sexualhormone, Statine, Epothilone, Probucol, Prostacycline und Angiogeneseinduktoren, wobei der Zuckeralkohol ein Molekulargewicht < 2000 D aufweist und wobei der Wirkstoff in den Zuckeralkohol eingebettet ist."
X. Für die vorgelegten Hilfsanträge 1 bis 10 sind die folgenden Ansprüche von Relevanz:
- Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 ist identisch mit Anspruch 1 des Hauptantrags.
- Im Hilfsantrag 3 wurde Anspruch 1 gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags durch Aufnahme der Merkmale des erteilten Anspruchs 9 geändert. Der Anspruch enthält daher das folgende zusätzliche Merkmal:
"... und wobei der Ballonkatheter eine medizinische Vorrichtung zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie bestimmter erkrankter Gewebeabschnitte oder Organteile ist, wobei an der Oberfläche des zumindest kurzzeitig das erkrankte Gewebe unter Druck kontaktierenden Ballons der lipophile, weitgehend wasserunlösliche an beliebige Gewebebestandteile bindende Wirkstoff mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe haftet."
- Im Hilfsantrag 4 wurde Anspruch 1 gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags durch Aufnahme der Merkmale des erteilten Anspruchs 4 geändert. Der Anspruch enthält daher das folgende zusätzliche Merkmal:
"... dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche des Ballons der Wirkstoff in einer Dosierung von bis zu 5 myg/mm**(2) vorliegt."
- In Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 wurden gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 zusätzlich die Merkmale des erteilten Anspruchs 2 aufgenommen. Der Anspruch enthält daher zusätzlich zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 auch das folgende Merkmal:
"... erhältlich durch Auftragen einer Lösung bestehend aus dem Wirkstoff, dem Zuckeralkohol, und einem Lösungsmittel, welches ausgewählt ist aus Ethanol, Isopropanol, Ethylacetat, Diethylether, Aceton, Dimethylsulfoxid, Dimethylformamid, Glycerin und/oder Wasser, und Verdampfen des Lösungsmittels, ..."
- In Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 wurde gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 zusätzlich die Liste der Wirkstoffe auf den alleinigen Vertreter "Paclitaxel" eingeschränkt.
- Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 ist identisch mit Anspruch 1 des Hauptantrags.
- Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 ist identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 4.
- Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 wurde gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags durch Aufnahme folgender Merkmale geändert:
"... erhältlich durch Beschichten des Ballons mittels einer Lösung, Suspension oder Emulsion des Wirkstoffs, des Zuckeralkohols, und eines Lösungs-, Suspendier oder Emulsionsmediums, welches ausgewählt ist aus Ethanol, Isopropanol, Ethylacetat, Diethylether, Aceton, Dimethylsulfoxid, Dimethylformamid, Glycerin und/oder Wasser, und Verdampfen des Lösungsmediums,
dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche des Ballons der Wirkstoff in einer Dosierung von bis zu 5 myg/mm**(2) vorliegt."
- In Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 wurde gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 zusätzlich die Liste der Wirkstoffe auf den alleinigen Vertreter "Paclitaxel" eingeschränkt.
XI. Alle weiteren Hilfsanträge 2e, 3b, 3e, 4b-4e, 5b-5e, 6b-6e, 7b-7d, 8b-8e, 9b-9e und 10b-10e enthalten jeweils lediglich einen einzigen Anspruch und leiten sich von den jeweiligen mit denselben Ziffern bezeichneten Hilfsanträgen folgendermaßen ab:
- Der einzige Anspruch des Hilfsantrags 2e ist identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 2. Entsprechendes gilt für die jeweils einzigen Ansprüche der Hilfsanträge 3e bis 6e und 8e bis 10e (also der Variante "e" der Hilfsanträge 3 bis 6 und 8 bis 10), sie sind jeweils identisch mit Anspruch 1 der Hilfsanträge 3 bis 6 und 8 bis 10.
- Der einzige Anspruch des Hilfsantrags 3b leitet sich ab von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3, wobei jedoch "... die Beschichtung aus einem stark lipophilen, schlecht wasserlöslichen, an beliebige Gewebebestandteile bindenden Wirkstoff und einem Zuckeralkohol besteht ...", statt solche zu umfassen. Die jeweils einzigen Ansprüche der Hilfsanträge 4b bis 10b (also der Variante "b" der Hilfsanträge 4 bis 10) leiten sich ebenso von den Ansprüchen 1 der entsprechenden Hilfsanträge 4 bis 10 durch diesen Merkmalsunterschied ab.
- Der einzige Anspruch des Hilfsantrags 4c unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 durch Aufnahme der Merkmale des abhängigen Anspruchs 9 des erteilten Patents. Der Anspruch enthält daher im Vergleich zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 das folgende zusätzliche Merkmal:
"... und wobei der Ballonkatheter eine medizinische Vorrichtung zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie bestimmter erkrankter Gewebeabschnitte oder Organteile ist, wobei an der Oberfläche des zumindest kurzzeitig das erkrankte Gewebe unter Druck kontaktierenden Ballons der lipophile, weitgehend wasserunlösliche an beliebige Gewebebestandteile bindende Wirkstoff mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe haftet."
Die jeweils einzigen Ansprüche der Hilfsanträge 5c bis 10c (also der Variante "c" der Hilfsanträge 5 bis 10) leiten sich ebenso von den Ansprüchen 1 der entsprechenden Hilfsanträge 5 bis 10 durch dieses zusätzliche Merkmal ab.
- Der einzige Anspruch des Hilfsantrags 4d unterscheidet sich vom Anspruch des Hilfsantrags 4c durch das zusätzlich Merkmal, dass "... die Beschichtung aus einem stark lipophilen, schlecht wasserlöslichen, an beliebige Gewebebestandteile bindenden Wirkstoff und einem Zuckeralkohol besteht ...", statt solche zu umfassen.
Die jeweils einzigen Ansprüche der Hilfsanträge 5d bis 10d (also der Variante "d" der Hilfsanträge 5 bis 10) leiten sich ebenso von den Ansprüchen 1 der entsprechenden Hilfsanträge 5c bis 10c durch dieses zusätzliche Merkmal ab.
XII. In der Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren brachte die Patentinhaberin in Bezug auf die für die vorliegende Entscheidung relevanten Punkte im Wesentlichen folgendes vor:
Sämtliche Ansprüche des Hauptantrags (erteilten Patents) erfüllten die Erfordernisse der Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ. Eine Basis für die geänderten Ansprüche finde sich in der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung, die mit der ursprünglich eingereichten Anmeldung der früheren Anmeldung nach Artikel 76 EPÜ übereinstimme.
Die Patentinhaberin sah eine Stütze für den erteilten Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Beschreibung. Sie verwies hierzu insbesondere auf die Beispiele sowie weitere Passagen betreffend einen mit einem Wirkstoff beschichteten Ballonkatheter (Seite 4, Zeilen 10 bis 14 und Zeilen 22 bis 23 sowie Seite 5, Zeilen 6 bis 32 und die Beispiele 1 bis 9, davon insbesondere die Beispiele 5a bis 5e), die Wirkstoffe (Seite 8, Zeilen 4 bis 6) und Zuckeralkohol als Matrixsubstanz (Seite 9, Zeilen 5 bis 23 und Beispiel 5d), sowie die Möglichkeit, dass weitere Stoffe in der Matrixsubstanz enthalten sein können (Seite 9, Zeilen 32 bis Seite 10, Zeile 1 und Seite 10, Zeilen 17 bis 19). Ihrer Ansicht nach sei eine einzige Auswahl zu tätigen, nämlich die eines Zuckeralkohols als Matrixsubstanz. Für diese Änderung sah sie eine Basis auch im Beispiel 5b.
Nach Ansicht der Patentinhaberin fänden auch sowohl für die Merkmalskombinationen der abhängigen Ansprüche des Hauptantrags, als auch der Ansprüche der vorgelegten Hilfsanträge jeweils Stützen in der ursprünglichen Beschreibung.
XIII. In der Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren brachten die Einsprechenden 1 und 2 in Bezug auf die für die vorliegende Entscheidung relevanten Punkte im Wesentlichen folgendes vor:
Keiner der vorgelegten Anträge erfülle die Erfordernisse der Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ. Eine Stütze für die durchgeführten Änderungen finde sich weder in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen, noch in der Beschreibung. Vielmehr seien die beanspruchten Ballonkatheter durch Merkmale definiert, deren Kombination ursprünglich nicht offenbart sei. Das Vorbringen der Einsprechenden bezog sich insbesondere auf die Kombination eines Zuckeralkohols als Bestandteil der Ballonbeschichtung mit weiteren Merkmalen, die ihrer Ansicht nach aus mehreren in der Beschreibung angeführten Möglichkeiten ausgewählt werden müssten. Die abhängigen Ansprüchen enthielten zusätzliche Merkmale, die insbesondere in Kombination mit dem geänderten Anspruch 1 zu weiteren ursprünglich nicht offenbarten Merkmalskombinationen führten.
Die Einsprechende 2 brachte zudem zunächst vor, dass ein Teil der Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht auf den Anspruchswortlaut des Hauptantrags beziehe. Daher sei die Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht begründet. Dieser Einwand wurde jedoch im weiteren Verfahren nicht weiterverfolgt.
XIV. Anträge der Parteien:
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder auf der Grundlage eines der folgenden Hilfsanträge:
- Hilfsanträge 1 bis 10, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 12. August 2019.
- Hilfsanträge 2e, 3b, 3e, 4b-4e, 5b-5e, 6b-6e, 7b-7d, 8b-8e, 9b-9e und 10b-e, eingereicht mit Schreiben vom 20. Dezember 2019.
Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1 und 2) beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 857 050.
Hauptantrag (Patent in der erteilten Fassung)
Änderungen (Artikel 100(c) EPÜ)
1. Die Einspruchsabteilung erachtete den Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents (vorliegenden Hauptantrags) als ursprünglich offenbart, und zwar sowohl in der ursprünglich eingereichten Anmeldung des Streitpatents, als auch ihrer früheren Anmeldung nach Artikel 76 EPÜ. Daher seien ihrer Ansicht nach sowohl die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ als auch die des Artikels 76(1) EPÜ erfüllt.
2. Die Einsprechenden widersprachen dieser Auffassung. Ihrer Ansicht nach seien die Ansprüche 1 bis 4 sowie 10 bis 15 des erteilten Patents unzulässig geändert worden.
3. Von den Parteien wurde sowohl in Bezug auf Art. 123 (2) als auch 76 EPU auf die veröffentlichte internationale Anmeldung WO 2004/028582 verwiesen. Diese Anmeldung basiert auf der als frühere Anmeldung unter Artikel 76 EPÜ des Streitpatents angegebenen europäischen Patentanmeldung Nr. 03750300.0. Die Beschreibungen der jeweils eingereichten Anmeldungen sind identisch mit derjenigen der veröffentlichten Anmeldung WO 2004/028582. Die Kammer verweist in der vorliegenden Entscheidung im Zusammenhang mit den Einwänden unter den Artikeln 100(c) EPÜ ebenfalls auf die veröffentliche Anmeldung WO 2004/028582, die mit der ursprünglich eingereichten Anmeldung übereinstimmt.
4. Von den Einsprechenden wurden Argumente vorgebracht, die sich auf verschiedene Merkmale und deren Kombinationen in mehreren Ansprüchen bezogen, und die sich ihrer Ansicht nach der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht entnehmen ließen. Im Laufe der mündlichen Verhandlung konzentrierten sich die vorgetragenen Argumente vor allem auf die Kombination der Merkmale "... Zuckeralkohol ..." und "... Molekulargewicht < 2000 D ..." miteinander, sowie deren zusätzliche Kombination mit den im Anspruch 1 genannten Wirkstoffen. Die Patentinhaberin sah eine Basis der beanstandeten Merkmalskombination insbesondere in den Zeilen 9 bis 17 der Seite 9 sowie den Zeilen 14 bis 20 der Seite 8 der ursprünglichen Beschreibung.
5. Die Kombination der genannten Merkmale lässt sich der ursprünglich eingereichten Anmeldung aus folgenden Gründen nicht entnehmen:
5.1 Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldung hat den folgenden Wortlaut:
"Medizinische Vorrichtung zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie bestimmter erkrankter Gewebeabschnitte oder Organteile, dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche von zumindest kurzzeitig das erkrankte Gewebe unter Druck kontaktierenden Vorrichtungen lipophile, weitgehend wasserunlöslichen, an beliebige Gewebebestandteile bindende Arzneistoffe mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe haften."
5.2 Anspruch 1 des Hauptantrags betrifft hingegen einen Ballonkatheter zur Arzneimittelabgabe. Die Oberfläche des Ballons weist eine Beschichtung auf, die einen Zuckeralkohol und einen darin eingebetteten lipophilen, schlecht wasserlöslichen, an beliebige Gewebebestandteile bindenden Wirkstoff umfasst. Der genannte Wirkstoff ist auszuwählen aus einer Liste von Wirkstoffen und Wirkstoffgruppen. Der Zuckeralkohol weist ein Molekulargewicht < 2000 D auf.
5.3 Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldung bezieht sich daher nicht auf die spezielle Ausführungsform eines Ballonkatheters gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. Er enthält zudem nicht das Merkmal "Zuckeralkohol", insbesondere nicht das eines Zuckeralkohols mit einem Molekulargewicht < 2000 D. Zwar wird in den ursprünglichen Ansprüchen 11 und 12 offenbart, dass der Arzneistoff in eine leicht wasserlösliche Matrixsubstanz eingebettet ist, allerdings wird das Molekulargewicht dieser Matrixsubstanz mit < 5000 D angegeben. Die ursprünglichen Ansprüche enthalten zudem nicht das Merkmal, dass es sich bei der Matrixsubstanz um einen Zuckeralkohol handelt. Des weiteren werden im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 keine Wirkstoffe angeführt. Eine Liste möglicher Wirkstoffe findet sich zwar im ursprünglichen abhängigen Anspruch 8, nicht jedoch in Kombination mit einem Zuckeralkohol als Matrixsubstanz, insbesondere nicht mit einem Zuckeralkohol mit einem Molekulargewicht < 2000 D.
Der ursprünglich eingereichte Anspruchssatz eignet sich daher nicht als Basis für die Kombination der vorstehend genannten Merkmale.
Die Patentinhaberin verwies auf die ursprünglich eingereichte Beschreibung, und zwar insbesondere auf die Seite 8, Zeilen 4 bis 20 und die Seite 9, Zeilen 9 bis 17. Sie argumentierte, die in den Anspruch aufgenommenen Wirkstoffe verkörperten keine Auswahl, sondern entsprächen der auf der Seite 8 der Beschreibung angegebenen Liste. Zudem sei der Begriff "Zuckeralkohole" explizit als Matrixsubstanz auf Seite 9 angeführt. Im selben Zusammenhang finde sich auch das als bevorzugt gekennzeichnete Molekulargewicht von < 2000 D. Somit werde dem Fachmann die anspruchsgemäße Kombination eindeutig offenbart.
5.4 Auch die von der Patentinhaberin herangezogenen Stellen der ursprünglich eingereichten Beschreibung eignen sich aus den nachfolgend angegeben Gründen nicht als Basis für die beanstandete Kombination von Merkmalen, also für einen Ballonkatheter, dessen Oberfläche eine Beschichtung aufweist, die einen Wirkstoff und einen Zuckeralkohol mit einem Molekulargewicht < 2000 D umfasst.
5.5 Auf der Seite 9 der Beschreibung wird im Zusammenhang mit einer guter Haftung auf Oberflächen von Kathetern, Nadeln oder Drähten auf eine leicht wasserlösliche Matrixsubstanz verwiesen, in die stark lipophile, schlecht wasserlösliche Wirkstoffe eingebettet sind. Als geeignet werden niedermolekulare hydrophile Matrixsubstanzen bezeichnet, beispielhaft werden auch Zuckeralkohole offenbart. Den Begriff "niedermolekular" wird zudem weiter spezifiziert durch "(Molekulargewicht < 5000 D, bevorzugt < 2000 D)". Beim anspruchsgemäßen Merkmal, dass die Beschichtung einen Zuckeralkohol umfasst, der ein Molekulargewicht < 2000 D aufweist handelt es sich demnach zunächst um die Auswahl des Zuckeralkohols, sowie einer weiteren Auswahl, nämlich der des Molekulargewichts von weniger als 2000 D. Bereits die Kombination eines Zuckeralkohols mit dem Molekulargewicht von < 2000 D ist in der ursprünglichen Beschreibung nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
An der genannten Stelle der Beschreibung werden zudem keine konkreten Wirkstoffe oder Arzneistoffe genannt, es wird lediglich allgemein auf stark lipophile, schlecht wasserlösliche Wirkstoffe verwiesen.
5.6 Im von der Patentinhaberin herangezogenen Absatz der Seite 8 der ursprünglichen Beschreibung (Zeilen 4 bis 20) werden in Frage kommende Arzneistoffe angeführt. Als bevorzugt werden in einer Liste Substanzen und Substanzklassen angegeben, die größtenteils in den geänderten Anspruch 1 aufgenommen wurden.
5.7 Im Anspruch 1 des Hauptantrags werden diskrete Kombinationen jeder der gelisteten Wirkstoffe mit einem Zuckeralkohol beansprucht, wobei der Zuckeralkohol zudem ein Molekulargewicht < 2000 D aufweist. Für derartige spezifische Kombinationen findet sich jedoch keine Stütze in den herangezogenen Stellen der Beschreibung. Folglich wurde Anspruch 1 des Hauptantrags unzulässig geändert (vgl. T 0098/09, Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe).
5.8 Die Patentinhaberin verwies auf zudem auf die Entscheidung T 1511/07. Darin werde erläutert, dass die Kombination von individuellen Wertebereichen einer Liste mit individuellen Wertebereichen einer weiteren, davon unabhängigen Liste nur als nicht ursprünglich offenbart gelten, wenn es es keinen eindeutigen Hinweis auf eine derartige Kombination gebe. Dies treffe jedoch im vorliegenden Fall zu, da die Beispiele 5 des Streitpatents einen derartigen Hinweis enthielten.
Auch diese Argumentation überzeugt nicht.
Beispiel 5 der ursprünglichen Beschreibung offenbart die Beschichtung eines Ballonkatheters mit Paclitaxel in Aceton. Alle zur Beschichtung verwendeten Gemische enthalten neben dem spezifischen Wirkstoff Paclitaxel jedoch als zusätzlichen Bestandteil Sudanrot, welches augenscheinlich nach Trocknung des beschichteten Ballons auf der Ballonoberfläche verbleibt. Im Beispiel 5 wird demnach keine Beschichtung offenbart, die diesen Bestandteil nicht erhält. Somit werden die anderen Merkmale des Beispiels 5 zwangsläufig in Kombination mit Sudanrot offenbart. Dieser Zusammenhang findet sich im beanstandeten Anspruch 1 jedoch nicht wider.
Zudem enthält insbesondere das von der Patentinhaberin herangezogene Beispiel 5b zwar eine Mannit-Lösung, jedoch offenbart dieses Beispiel nicht den Bereich < 2000 D.
Deshalb stellen die herangezogenen Beispiele keinen eindeutigen Hinweis auf die beanstandete Merkmalskombination dar.
5.9 Zusammenfassend findet sich daher weder in der ursprünglich eingereichten Anmeldung, noch in der ursprünglich eingereichten früheren Anmeldung nach Artikel 76 EPÜ eine Offenbarung für die Kombination einer der im erteilten Anspruch gelisteten Wirkstoffe mit einem Zuckeralkohol, der ein Molekulargewicht < 2000 D aufweist. Bereits aus diesem Grund wurde Anspruch 1 unzulässig geändert. Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar (Artikel 100(a) EPÜ). Ob der Anspruch auch, wie von den Einsprechenden vorgebracht, weitere Merkmale enthält, die zu ursprünglich nicht offenbarten Kombinationen führen, kann daher unberücksichtigt bleiben.
Hilfsanträge
6. Alle vorgelegten Hilfsanträge enthalten zumindest einen Anspruch, der die Merkmalskombination des Anspruchs 1 des Hauptantrags enthält, die zu dessen Nicht-Gewährbarkeit führt. Von der Patentinhaberin wurden zu den Hilfsanträgen auch keine weiteren Argumente vorgetragen. Der Gegenstand dieser Anträge geht - aus denselben Gründen wie vorstehend bezüglich des vorliegenden Hauptantrags dargelegt - ebenfalls über den Inhalt der Anmeldung sowie der früheren Anmeldung nach Artikel 76 EPÜ in der jeweils ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Die vorgelegten sind somit ebenfalls nicht gewährbar (Artikel 123(2) EPÜ).
Schlussfolgerung
7. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass keiner der von der Patentinhaberin vorgelegten Anträge den Erfordernissen der Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ genügt. Eine Erörterung weiterer, von den Einsprechenden vorgebrachten Gründen, die ihrer Ansicht nach der Aufrechterhaltung entgegenstünden, erübrigt sich deshalb. Die angefochtene Entscheidung hat keinen Bestand.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.