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T 1594/19 23-08-2022
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Medizinische Vorrichtung zur Arzneimittelabgabe
Ahrens, Gabriele
Boston Scientific Corporation
C.R. Bard, Inc.
Cook Medical Technologies LLC
Änderungen zulässig
Änderungen - Hauptantrag, Hilfsanträge 1-10, 12, 16, 19, 20 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 11, 13, 17, 18 (nein)
I. Die Beschwerden richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 2 857 049 unter Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Form aufrechtzuerhalten.
II. Im Einspruchsverfahren war das Patent auf der Grundlage von Artikel 100(a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), sowie unter Artikel 100(b) und (c) EPÜ angegriffen worden.
III. Unter anderem wurde auf das folgende Dokument verwiesen, das auch für die vorliegende Entscheidung relevant ist:
D8: WO 01/49268
IV. Die Einspruchsabteilung erachtete den Gegenstand der Ansprüche 4 und 11 bis 15 des erteilten Patents als unzulässig geändert, und zwar in Bezug auf die ursprünglich eingereichte Anmeldung (Artikel 123(2) EPÜ), sowie die ursprünglich eingereichte frühere Anmeldung (Artikel 76(1) EPÜ).
Der ihr vorliegende Hilfsantrag 1 erfülle zwar die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ, der Artikel 123(2) und (3) EPÜ sowie des Artikels 76(1) EPÜ. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei jedoch nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D37.
Hilfsantrag 2 erfülle ebenfalls die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ, der Artikel 123(2) und (3) EPÜ sowie des Artikels 76(1) EPÜ. Der beanspruchte Gegenstand sei neu, insbesondere auch gegenüber der Offenbarung des Dokuments D37. Er beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Offenbarung des Dokuments D8 (Artikel 56 EPÜ). Die beanspruchte Erfindung werde zudem ausführbar offenbart (Artikel 83 EPÜ).
V. Gegen diese Entscheidung wurden von der Patentinhaberin sowie von den Einsprechenden 2 bis 4 Beschwerden eingelegt.
VI. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin (im Folgenden die Patentinhaberin) begründete dies damit, dass bereits die erteilten Ansprüche die Erfordernisse des EPÜ, insbesondere hinsichtlich Zulässigkeit der durchgeführten Änderungen, der Neuheit und des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit erfülle. Daher sei die angefochtene Entscheidung fehlerhaft.
Zusammen mit ihrer Beschwerdebegründung legte die Patentinhaberin die Hilfsanträge 1 bis 10 vor.
VII. Die Beschwerdeführerinnen-Einsprechenden 2, 3 und 4 (im Folgenden die Einsprechenden 2, 3 und 4) begründeten ihre Beschwerden damit, dass der Gegenstand des von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Hilfsantrags 2 nicht neu sei (Artikel 54 EPÜ; Einsprechende 2) und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ; alle Einsprechenden). Zudem erfülle der Antrag nicht die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ (alle Einsprechenden), und der beanspruchte Gegenstand werde dem Fachmann nicht ausführbar offenbart (Artikel 83 EPÜ; Einsprechende 3).
VIII. In Erwiderung der Beschwerdebegründungen der Einsprechenden wurden hierbei von der Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2019 auch die Hilfsanträge 11 bis 20 eingereicht.
IX. In einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung zu den Sach- und Rechtsfragen mit und verwies auf Punkte, die während der mündlichen Verhandlung zur Erörterung kommen könnten.
X. In Erwiderung auf die Mitteilung der Kammer reichten sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende 3 jeweils eine weitere Stellungnahme ein.
XI. Am 23. August 2022 fand eine mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz statt.
XII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Ansprüche 1 und 2 des vorliegenden Hauptantrags (erteilten Patents) haben den folgenden Wortlaut:
"1. Ballonkatheter zur Arzneimittelabgabe umfassend einen Ballon, wobei die Oberfläche des Ballons eine Beschichtung aufweist, die einen stark lipophilen, schlecht wasserlöslichen, an beliebige Gewebebestandteile bindenden Wirkstoff und eine leicht wasserlösliche Matrixsubstanz umfasst, wobei der Wirkstoff in die Matrixsubstanz eingebettet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass die Matrixsubstanz einen niedermolekularen hydrophilen Stoff mit einem Molekulargewicht < 2000 D umfasst."
"2. Ballonkatheter nach Anspruch 1, wobei der lipophile Wirkstoff Paclitaxel oder Rapamycin ist."
XIII. Für die vorgelegten Hilfsanträge sind die folgenden Ansprüche von Relevanz:
- Die Ansprüche 1 und 2 des Hilfsantrags 1 sind identisch mit den entsprechenden Ansprüchen des Hauptantrags.
- Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 entspricht der Kombination der Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags, wobei jedoch zusätzlich das Merkmal "... oder Rapamycin ..." gestrichen wurde.
- Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 leitet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags ab, wobei im geänderten Anspruch jedoch "... die Matrixsubstanz aus einem niedermolekularen hydrophilen Stoff mit einem Molekulargewicht < 2000 D besteht ...", statt einen solchen zu umfassen. Anspruch 2 dieses Antrags ist identisch mit Anspruch 2 des Hauptantrags.
- Im Hilfsantrag 4 wurde Anspruch 1 gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags durch Aufnahme der Merkmale des erteilten Anspruchs 3 geändert. Anspruch 1 enthält daher das folgende zusätzliche Merkmal:
"... wobei die Matrixsubstanz ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus Kontrastmitteln, z.B. jodierten Röntgenkontrastmitteln oder paramagnetischen Chelaten, und Farbstoffen für diagnostische Verfahren in der Medizin, z.B. Indocyaningrün, Fluorescein oder Methylenblau, Zuckern, Zuckeralkoholen, niedermolekularen Polyethylenglycolen, biokompatiblen organischen Salzen, biokompatiblen anorganischen Salzen, z.B. Benzoaten, und Salzen der Salicylsäure."
Anspruch 2 des Antrags ist identisch mit Anspruch 2 des Hauptantrags.
- Im Hilfsantrag 5 wurde Anspruch 1 gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags durch Aufnahme der Merkmale des erteilten Anspruchs 4 geändert, wobei jedoch zusätzlich die im geänderten Anspruch 1 angeführte Lösung den Wirkstoff, den niedermolekularen Stoff und eines der genannten Lösungsmittel umfasst, während diese Lösung im erteilten Anspruch 4 aus dem Wirkstoff, dem niedermolekularen Stoff und einem der Lösungsmittel besteht. Anspruch 1 enthält daher das folgende zusätzliche Merkmal:
"..., erhältlich durch Auftragen einer Lösung auf den Ballon, wobei die Lösung den lipophilen Wirkstoff, einen leicht wasserlöslichen niedermolekularen hydrophilen Stoff mit einem Molekulargewicht < 2000 D, und ein Lösungsmittel umfasst, welches ausgewählt ist aus Ethanol, Isopropanol, Ethylacetat, Diethylether, Aceton, Dimethylsulfoxid, Dimethylformamid, Glycerin, Wasser oder Mischungen derselben, und Verdampfen des Lösungsmittels."
Anspruch 2 des Antrags ist identisch mit Anspruch 2 des Hauptantrags.
- Im Hilfsantrag 6 wurde Anspruch 1 gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 zusätzlich geändert durch Aufnahme des Anspruchs 2 der erteilten Fassung, jedoch wurde hierbei zusätzlich wie bei Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ebenfalls das Merkmal "... oder Rapamycin ..." gestrichen.
- Im Hilfsantrag 7 wurden die Merkmale des abhängigen Anspruchs 10 des Hauptantrags mit den Merkmalen des Anspruch 1 des Hauptantrags kombiniert, der somit die folgenden zusätzlichen Merkmale enthält:
"... wobei der Ballonkatheter eine medizinische Vorrichtung zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie bestimmter erkrankter Gewebeabschnitte oder Organteile ist, wobei an der Oberfläche des zumindest kurzzeitig das erkrankte Gewebe unter Druck kontaktierenden Ballons der lipophile, weitgehend wasserunlöslichen an beliebige Gewebebestandteile bindende Wirkstoff mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe haftet."
Anspruch 2 des Antrags ist identisch mit Anspruch 2 des Hauptantrags.
- Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 leitet sich ab von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3, wobei wie bei den Hilfsanträgen 4 und 7 zusätzlich die Merkmale der abhängigen Ansprüche 3 und 10 des Hauptantrags aufgenommen wurden. Anspruch 2 des Antrags ist identisch mit Anspruch 2 des Hauptantrags.
- Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 wurde gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags durch Aufnahme der Merkmale der abhängigen Ansprüche 2, 3, 4 und 10 geändert (siehe zu den Hilfsanträgen 4, 5 und 7) , wobei wie in den Hilfsanträgen 2 und 6 ebenfalls das Merkmal "... oder Rapamycin ..." gestrichen wurde.
- Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 dadurch, dass wie bei Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 "... die Matrixsubstanz aus einem niedermolekularen hydrophilen Stoff mit einem Molekulargewicht < 2000 D besteht ...", statt einen solchen zu umfassen.
- Die Hilfsanträge 11 bis 13 sowie 16 bis 20 enthalten jeweils einen einzigen Anspruch, der identisch ist mit den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 sowie 6 bis 10.
XIV. In der Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren brachte die Patentinhaberin in Bezug auf die für die vorliegende Entscheidung relevanten Punkte im Wesentlichen folgendes vor:
Sämtliche Ansprüche des Hauptantrags (erteilten Patents) erfüllten die Erfordernisse der Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ. Eine Basis für die geänderten Ansprüche finde sich in der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung, die mit der ursprünglich eingereichten Anmeldung der früheren Anmeldung nach Artikel 76 EPÜ übereinstimme. Insbesondere die in den Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale gingen aus der Seite 9 der ursprünglichen Beschreibung hervor. Auch die Beschränkung des abhängigen Anspruchs 2 auf zwei spezifische Arzneistoffe werde in der ursprünglichen Beschreibung (Seite 8) unmittelbar und eindeutig offenbart. Nach Ansicht der Patentinhaberin seien auch sowohl die abhängigen Ansprüche des Hauptantrags, als auch die Ansprüche der vorgelegten Hilfsanträge zulässig geändert worden, da sich für alle beanspruchten Merkmalskombinationen Stützen in der ursprünglichen Beschreibung fänden.
Die Patentinhaberin brachte zudem vor, der Gegenstand der vorgelegten Anträge beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Nächstliegender Stand der Technik sei das Dokument D8, von dem sich der gemäß Hauptantrag beanspruchte Ballonkatheter durch das Molekulargewicht der in der Beschichtung enthaltenen Matrixsubstanz unterscheide. Die zu lösende technische Aufgabe liege in der Bereitstellung eines verbesserten Ballonkatheters, jedoch beruhe auch die Bereitstellung einer Alternative auf einer erfinderischen Tätigkeit, da der Fachmann keine Anregung dazu erhalte, statt des im Beispiel 16 des Dokuments D8 verwendeten Matrixmaterials alternativ ein Material mit dem anspruchsgemäßen Molekulargewicht von weniger als 2000 D zu verwenden.
XV. In der Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren brachten die Einsprechenden 2, 3 und 4 in Bezug auf die für die vorliegende Entscheidung relevanten Punkte im Wesentlichen folgendes vor:
Keiner der vorgelegten Anträge erfülle die Erfordernisse der Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ. Eine Stütze für die durchgeführten Änderungen finde sich weder in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen, noch in der Beschreibung. Vielmehr seien die beanspruchten Ballonkatheter durch Merkmale definiert, deren Kombination ursprünglich nicht offenbart sei. Die abhängigen Ansprüchen enthielten zusätzliche Merkmale, die insbesondere in Kombination mit dem geänderten Anspruch 1 zu weiteren ursprünglich nicht offenbarten Merkmalskombinationen führten.
Die Einsprechenden erachteten ebenfalls Dokument D8 als möglichen nächstliegenden Stand der Technik für die Beurteilung von erfinderischer Tätigkeit. Ausgehend vom Unterscheidungsmerkmal des Molekulargewichts der auf der Oberfläche des Ballonkatheters aufgebrachten Matrixsubstanz definierten sie die zu lösende technische Aufgabe in der Bereitstellung alternativer Ballonkatheter. Die Einsprechenden erachteten die anspruchsgemäße Lösung als dem Fachmann nahegelegt, da bereits im Dokument D8 selbst Matrixsubstanzen mit geringerem Molekulargewicht offenbart seien. Zudem argumentierten die Einsprechenden erfinderische Tätigkeit auch ausgehend von den Dokumenten D9 und D37.
Die Einsprechende 3 brachte zudem vor, dass die im Hilfsantrag 2 beanspruchte Erfindung nicht ausführbar offenbart werde (Artikel 83 EPÜ). Die Einsprechenden 2 und 3 brachten zudem vor, dass die Einspruchsabteilung einen vorgebrachten Einspruchsgrund ohne Begründung zurückgewiesen habe. Dieser Einwand wurde jedoch im weiteren Verfahren nicht weiterverfolgt.
XVI. Anträge der Parteien:
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder auf der Grundlage eines der folgenden Hilfsanträge:
- Hilfsanträge 1 bis 10, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 13. August 2019.
- Hilfsanträge 11 bis 13 und 16 bis 20, eingereicht mit Schreiben vom 20. Dezember 2019.
Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 2, 3 und 4) beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 857 049.
Hauptantrag (Patent in der erteilten Fassung)
Änderungen (Artikel 100(c) EPÜ)
1. Die Einspruchsabteilung erachtete den Gegenstand der Ansprüche 4 sowie 11 bis 15 als weder in der ursprünglich eingereichten Anmeldung, noch in deren Stammanmeldung offenbart. Daher sei die Anmeldung unzulässig geändert im Sinne der Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ. Ihrer Ansicht nach sei jedoch eine Basis für die geänderten Ansprüche 1 bis 3 und 5 bis 10 vorhanden.
2. Von den Einsprechenden wurde vorgebracht, dass sämtliche Ansprüche des erteilten Patents unzulässig geändert worden seien (Artikel 123(2) und 76 (1) EPÜ).
3. Von den Parteien wurde sowohl in Bezug auf die Änderungen gegenüber dem Streitpatent in seiner ursprünglichen Fassung, als auch gegenüber der früheren Anmeldung nach Artikel 76 EPÜ auf die veröffentlichte internationale Anmeldung WO 2004/028582 verwiesen. Diese Anmeldung basiert auf der als frühere Anmeldung unter Artikel 76 EPÜ des Streitpatents angegebenen europäischen Patentanmeldung Nr. 03750300.0. Die Beschreibungen der jeweils eingereichten Anmeldungen sind identisch mit derjenigen der veröffentlichten Anmeldung WO 2004/028582. Die Ansprüche der internationalen Anmeldung WO 2004/028582 finden sich am Ende der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung des Streitpatents. Die Kammer verweist in der vorliegenden Entscheidung im Zusammenhang mit den Einwänden unter den Artikeln 100(c), 123(2) und 76(1) EPÜ ebenfalls auf das Dokument WO 2004/028582, das nachfolgend als ursprünglich eingereichte Anmeldung bezeichnet wird.
4. Von den Einsprechenden wurden zunächst Argumente vorgebracht, die sich auf verschiedene Merkmale und deren Kombinationen in mehreren Ansprüchen bezogen, und die sich ihrer Ansicht nach der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht entnehmen ließen. Im Laufe der mündlichen Verhandlung konzentrierten sich die vorgetragenen Argumente vor allem auf die Kombination der Merkmale der Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags, und zwar insbesondere betreffend die Kombination der Merkmale "... dass die Matrixsubstanz einen niedermolekularen Stoff mit einem Molekulargewicht < 2000 D umfasst" des Anspruchs 1 mit dem Merkmal "... wobei der lipophile Wirkstoff Paclitaxel oder Rapamycin ist" des abhängigen Anspruchs 2. Die Patentinhaberin argumentierte, die Kombination dieser Merkmale werde ursprünglich offenbart. Sie sah eine Basis dafür insbesondere in den Zeilen 14 bis 16 der Seite 8 und den Zeilen 5 bis 23 der Seite 9.
5. Die Kombination der genannten Merkmale lässt sich der ursprünglich eingereichten Anmeldung aus folgenden Gründen jedoch nicht entnehmen:
5.1 Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldung hat den folgenden Wortlaut:
"Medizinische Vorrichtung zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie bestimmter erkrankter Gewebeabschnitte oder Organteile, dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche von zumindest kurzzeitig das erkrankte Gewebe unter Druck kontaktierenden Vorrichtungen lipophile, weitgehend wasserunlöslichen, an beliebige Gewebebestandteile bindende Arzneistoffe mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe haften."
5.2 Anspruch 1 des Hauptantrags betrifft hingegen einen Ballonkatheter zur Arzneimittelabgabe. Die Oberfläche des Ballons weist eine Beschichtung auf, die eine Matrixsubstanz und einen darin eingebetteten lipophilen, schlecht wasserlöslichen, an beliebige Gewebebestandteile bindenden Wirkstoff umfasst. Diese Ballonbeschichtung umfasst eine bestimmte Matrixsubstanz, nämlich eine mit einem Molekulargewicht < 2000 D. Gemäß abhängigen Anspruch 2 handelt es sich bei dem eingebetteten lipophilen Wirkstoff um Paclitaxel oder Rapamycin.
5.3 Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldung bezieht sich nicht auf die spezielle Ausführungsform eines Ballonkatheters gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. Er enthält zudem kein Merkmal, das sich auf eine Matrixsubstanz bezieht, und insbesondere nicht auf eine Matrixsubstanz, die einen niedermolekularen hydrophilen Stoff mit einem Molekulargewicht < 2000 D umfasst. Das Merkmal einer leicht wasserlöslichen Matrixsubstanz, in die ein Wirkstoff eingebettet ist, wird zwar in den ursprünglichen abhängigen Ansprüchen 11 und 12 offenbart, allerdings wird das Molekulargewicht dieser Matrixsubstanz mit < 5000 D angegeben. Auch enthält die ursprünglich eingereichte Anmeldung einen abhängigen Anspruch 8, in dem die Arzneistoffe Paclitaxel und Rapamycin angegeben werden, darin jedoch lediglich in einer Liste verschiedener Substanzen und Substanzklassen, aus der die beiden Arzneistoffe ausgewählt werden müssen.
Der ursprünglich eingereichte Anspruchssatz eignet sich daher nicht als Basis für die Kombination der vorstehend genannten Merkmale.
5.4 Die Patentinhaberin verwies auf die ursprünglich eingereichte Beschreibung, und zwar insbesondere auf die Zeilen 5 bis 23 der Seite 9 sowie die Zeilen 14 bis 16 der Seite 8. Nach Ansicht der Patentinhaberin handle es sich bei der anspruchsgemäßen Kombination lediglich um die Kombination von Merkmalen, die sich durch Auswahl aus einer einzigen Liste ergebe, nämlich der Liste der ursprünglich offenbarten Wirkstoffe. Dahingegen handle es sich bei der Einschränkung auf das anspruchsgemäße Molekulargewicht der Matrixsubstanz lediglich auf eine bevorzugte Ausführungsform. Ausgehend von dieser bevorzugten Ausführungsform sei daher lediglich eine einzige Auswahl zu treffen, nämlich die der spezifischen Wirkstoffe. Zudem enthalte insbesondere das Beispiel 5 der ursprünglichen Anmeldung Hinweise auf die genannte Merkmalskombination.
5.5 Auch die von der Patentinhaberin herangezogenen Stellen der ursprünglich eingereichten Beschreibung eignen sich aus den nachfolgend angegeben Gründen nicht als Basis für die beanstandete Kombination von Merkmalen, nämlich einen Ballonkatheter, dessen Oberfläche eine Beschichtung aufweist, die einen Wirkstoff und eine Matrixsubstanz umfasst, die insbesondere dadurch gekennzeichnet sind, dass der Wirkstoff Paclitaxel oder Rapamycin ist, und dass die Matrixsubstanz einen niedermolekularen hydrophilen Stoff mit einem Molekulargewicht < 2000 D umfasst.
5.6 Auf der Seite 9 der Beschreibung wird im Zusammenhang mit einer guten Haftung auf Oberflächen von Kathetern, Nadeln oder Drähten auf eine leicht wasserlösliche Matrixsubstanz verwiesen, in die stark lipophile, schlecht wasserlösliche Wirkstoffe eingebettet sind. Als geeignet werden niedermolekulare hydrophile Matrixsubstanzen bezeichnet, für die weitere Substanzklassen und Vertreter daraus angegeben werden. Den Begriff "niedermolekular" wird zudem weiter spezifiziert durch "(Molekulargewicht < 5000 D, bevorzugt < 2000 D)". Beim anspruchsgemäßen Merkmal, "... dass die Matrixsubstanz einen niedermolekularen hydrophilen Stoff mit einem Molekulargewicht < 2000 D umfasst ..." handelt es sich demnach um eine Ausführungsform, die aus den ursprünglich offenbarten Möglichkeiten ausgewählt werden muss.
An der genannten Stelle der Beschreibung werden keine konkreten Wirkstoffe oder Arzneistoffe genannt, es wird lediglich allgemein auf stark lipophile, schlecht wasserlösliche Wirkstoffe verwiesen.
5.7 Im von der Patentinhaberin herangezogenen Absatz der Seite 8 der ursprünglichen Beschreibung (Zeilen 4 bis 20) werden in Frage kommende Arzneistoffe angeführt, nämlich "... stark lipophile, weitgehend wasserunlösliche, an beliebige Gewebeteile bindende stark wirksame Arzneistoffe". Unter anderen werden in einer Liste bevorzugter Substanzen Paclitaxel sowie Rapamycin angeführt. Aus der angegebenen Liste von Substanzen müssen diese ausgewählt werden.
5.8 Die Auswahl der bevorzugten Matrixsubstanz mit einem Molekulargewicht < 2000 D sowie die Festlegung auf die zwei spezifischen Wirkstoffe Paclitaxel bzw. Rapamycin und die anspruchsgemäße Kombination dieser Merkmale führt dazu, dass Ballonkatheter gemäß Anspruch 2 des Hauptantrags in zwei spezifischen Kombinationen beansprucht werden, die ursprünglich nicht in dieser spezifischen Form offenbart waren. Folglich findet der geänderte Anspruch 2 auch keine Stütze in der ursprünglich eingereichten Beschreibung (vgl. T 0098/09, Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe).
5.9 Das von der Patentinhaberin vorgebrachte Argument, bei der durchgeführten Änderung handle es sich nicht um die Kombination von einzelnen, aus jeweiligen Listen ausgewählten Vertretern, sondern der gewählte Wert für das Molekulargewicht der Matrixsubstanz < 2000 D stelle lediglich eine bevorzugte Ausführungsform dar, überzeugt nicht. Im Gegensatz zur Ansicht der Patentinhaberin muss der genannte Wert aus der ursprünglichen Offenbarung ausgewählt werden. Ebenso wurde zwar die Liste der Wirkstoffe auf zwei Vertreter reduziert. Dies führt somit zu einer ursprünglich nicht offenbarten Kombination jedes dieser Wirkstoffe mit der Matrixsubstanz eines ausgewählten Molekulargewichts.
5.10 Von der Patentinhaberin wurde darauf verwiesen, dass insbesondere Beispiel 5 der ursprünglichen Beschreibung einen eindeutigen Hinweis auf die genannten Merkmalskombinationen enthalte.
Dieses Vorbringen überzeugt nicht.
Beispiel 5 beschreibt die Beschichtung eines Ballonkatheters mit Paclitaxel in Aceton. Alle zur Beschichtung verwendeten Gemische enthalten neben Paclitaxel jedoch als zusätzlichen Bestandteil Sudanrot, welches augenscheinlich nach Trocknung des beschichteten Ballons auf der Ballonoberfläche verbleibt. Im Beispiel 5 wird demnach keine Beschichtung offenbart, die diesen Bestandteil nicht erhält. Somit werden die anderen Merkmale des Beispiels 5 zwangsläufig in Kombination mit Sudanrot offenbart. Dieser Zusammenhang findet sich im beanstandeten Anspruch 2 jedoch nicht wieder.
Zudem enthalten die Beispiele 5a bis 5e lediglich individualisierte Matrixsubstanzen (Ultravist 300, Mannit, Natrium-Salicylat, Acetylsalicylsäure, Glycerin). Unabhängig vom tatsächlichen Molekulargewicht dieser Substanzen offenbaren diese Beispiele nicht einen Wert < 2000 D für das Molekulargewicht der Matrixsubstanz.
Deshalb stellen die herangezogenen Beispiele keinen eindeutigen Hinweis auf die beanstandete Merkmalskombination dar.
6. Daher wird die Kombination einer der beiden lipophilen Wirkstoffe Paclitaxel oder Rapamycin mit einer Matrixsubstanz, die ein Molekulargewicht < 2000 D aufweist, weder in der ursprünglich eingereichten Anmeldung, noch in der ursprünglich eingereichten früheren Anmeldung nach Artikel 76 EPÜ offenbart. Deshalb geht der Gegenstand des Anspruchs 2 des Hauptantrags über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassungen hinaus, und der Hauptantrag ist bereits aus diesem Grund nicht gewährbar (Artikel 100(c) EPÜ). Ob Anspruch 1 auch, wie von den Einsprechenden vorgebracht, weitere Merkmale enthält, die zu ursprünglich nicht offenbarten Kombinationen führen, kann daher unberücksichtigt bleiben.
Hilfsanträge 1 bis 10, 12, 16, 19, 20
7. Die jeweiligen Ansprüche 1 bzw. 2 der Hilfsanträge 1 bis 10 sowie 12, 16, 19 und 20 enthalten ebenfalls zumindest die Kombination der Merkmale betreffend die beiden Wirkstoffe Paclitaxel oder Rapamycin (bzw. lediglich Paclitaxel) und die Beschränkung der Matrixsubstanzen auf solche mit einem Molekulargewicht < 2000 D. Von der Patentinhaberin wurden zu den Einwänden unzulässiger Änderungen bezüglich dieser Anträge keine weiteren Argumente vorgetragen. Der Gegenstand dieser Anträge geht - aus denselben Gründen wie vorstehend bezüglich des vorliegenden Hauptantrags dargelegt - ebenfalls über den Inhalt der Anmeldung sowie der früheren Anmeldung nach Artikel 76 EPÜ in der jeweils ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Die Hilfsanträge 1 bis 10, 12, 16, 19 und 20 sind somit ebenfalls nicht gewährbar (Artikel 123(2) EPÜ).
Hilfsantrag 11
Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
8. Das Streitpatent beschäftigt sich mit Ballonkathetern zur Arzneimittelabgabe, und zwar insbesondere mit solchen, die ein Arzneimittel beschränkt auf begrenzte Gewebebereiche oder Organteile abgeben. Diese Ballonkatheter sollen einfach herstellbar und anwendbar sein, sowie eine starke therapeutische Wirkung bei geringer Belastung des Patienten entfalten (siehe die Absätze [0001] und [0012] der Beschreibung). Im Streitpatent wird zudem beschrieben, dass bei den beanspruchten Ballonkathetern die zu verabreichenden Arzneistoffe auf dem Weg zum Ziel zunächst auf der Ballonoberfläche haften und erst nach kurzer Kontaktzeit dort an das Gewebe abgegeben werden (Absatz [0016]). Als bevorzugter Arzneistoff wird beispielsweise Paclitaxel genannt (Absatz [0024]). Gemäß einzigem Anspruch des Hilfsantrags 11 werden Ballonkatheter mit einer Oberflächenbeschichtung beansprucht, die einen Wirkstoff und eine Matrixsubstanz umfasst, wobei der Wirkstoff in die Matrixsubstanz eingebettet ist. Der Wirkstoff umfasst einen stark lipophilen, schlecht wasserlöslichen, an beliebige Gewebebestandteile bindenden Wirkstoff. Die Matrixsubstanz umfasst einen niedermolekularen hydrophilen Stoff mit einem Molekulargewicht < 2000 D.
Nächstliegender Stand der Technik
9. Die Patentinhaberin sowie die Einsprechenden argumentierten erfinderische Tätigkeit insbesondere ausgehend von der Offenbarung des Dokuments D8. Von den Einsprechenden wurde zudem auch die Dokumente D9 und D37 als möglicher nächstliegender Stand der Technik herangezogen.
Die Kammer schließt sich der Wahl von Dokument D8 als nächstliegendem Stand der Technik an. Das Dokument bezieht sich, wie das Streitpatent, auf die Problematik der Verabreichung von Arzneistoffen mit geringer Wasserlöslichkeit, beispielsweise Paclitaxel (Seite 1, Zeilen 6 bis 8 und 17). Es schlägt vor, diese in eine Matrix einzuschließen (Seite 3, Zeilen 26 bis 31). Im Beispiel 16 wird hierzu ein mit Paclitaxel und Polyethylenglykol (PEG) beschichteter Ballonkatheter offenbart. Das Molekulargewicht des PEG beträgt im Beispiel 40000 D.
Unterscheidungsmerkmal
10. Unstrittig zwischen den Parteien war, dass sich der im Hilfsantrag 11 beanspruchte Ballonkatheter vom Ballonkatheter des Beispiels 16 des Dokuments D8 dadurch unterscheidet, dass die Matrixsubstanz einen niedermolekularen hydrophilen Stoff mit einem Molekulargewicht < 2000 D umfasst. Gemäß Beispiel 16 des Dokuments D8 kommt verzweigtes PEG mit einem Molekulargewicht von 40000 D zur Verwendung.
Technische Wirkung und objektive technische Aufgabe
11. Uneinigkeit zwischen den Parteien herrschte hinsichtlich der Frage, welche technische Wirkung durch das unterschiedliche Molekulargewicht hervorgerufen wird, und welche objektive technische Aufgabe sich daraus ableitet. Von der Patentinhaberin wurde hierzu unter anderem auf die im Beispiel 3 des Streitpatents beschriebenen Untersuchungen zur Restenosehemmung verwiesen.
12. Aus den von der Patentinhaberin herangezogenen Untersuchungen lässt sich nicht entnehmen, dass durch das Unterscheidungsmerkmal des geringeren Molekulargewichts eine technische Wirkung hervorgerufen wird.
Im Beispiel 3 der Beschreibung des Streitpatents wurde die Restenosehemmung untersucht unter Verwendung von Ballonkathetern, auf deren Oberfläche Paclitaxel und gegebenenfalls Ultravist - als Matrixsubstanz im Sinne des Anspruchs 1 - aufgebracht wurde. Aus Tabelle des Absatzes [0044] geht hervor, dass die Verwendung von Beschichtungen enthaltend Ultravist gegenüber Beschichtungen ohne diese Substanz zu einer Verringerung gebildeter Stenosen führt (Tabelle im Absatz [0044]: Lösung B) AcL und AcH 20.22 bzw. 0.86 % Stenose gegenüber Lösung A) EAH 36.01 % Stenose). Aus diesen Daten ist zwar ableitbar, dass die gemeinsame Verwendung von Paclitaxel mit einer Matrixsubstanz (Ultravist) in der Ballonbeschichtung zu weniger Stenosen führt als eine Beschichtung, die lediglich Paclitaxel enthält, jedoch ist aus den Daten keine Wirkung ableitbar, die auf das Unterscheidungsmerkmal zurückgeführt werden kann, also auf die Verwendung einer Matrixsubstanz mit einem Molekulargewicht < 2000 D gegenüber einer Matrixsubstanz mit einem größeren Molekulargewicht (40000 im Beispiel 16).
Daher kann für die Definition der technischen Aufgabe keine Verbesserung von Eigenschaften gegenüber D8 berücksichtigt werden.
13. Die objektive technische Aufgabe liegt somit in der Bereitstellung einer Alternative zu dem im Beispiel 16 des Dokuments D8 offenbarten beschichteten Ballonkatheter zur Arzneimittelabgabe.
Lösung der gestellten technischen Aufgabe
14. Anspruchsgemäß wird zur Lösung dieser Aufgabe ein Ballonkatheter vorgeschlagen, der dadurch gekennzeichnet ist, dass dessen Oberfläche eine Beschichtung aufweist, die eine leicht wasserlösliche Matrixsubstanz umfasst, welche einen niedermolekularen hydrophilen Stoff mit einem Molekulargewicht < 2000 D umfasst.
Diese Aufgabe wird gelöst, wie durch die Ergebnisse der Tabelle im Absatz [0044] des Streitpatents belegt wurde.
Naheliegen der vorgeschlagenen Lösung
15. Strittig zwischen den Parteien war außerdem, inwiefern der Fachmann aus der Offenbarung des Dokuments D8 selbst, insbesondere unter Berücksichtigung der Beschreibung (Seite 11, Zeile 14 bis Seite 12, Zeile 23), oder auch anderer Dokumente zur Lösung der technischen Aufgabe eine Anregung dazu entnommen hätte, die im Beispiel 16 offenbarte Verbindung (Branched PEG, MW = 40000) durch eine Substanz gemäß Anspruchs 1 zu ersetzen, oder sie damit zu ergänzen.
16. Im Dokument D8 wird offenbart, die zu verabreichenden, schlecht wasserlöslichen Arzneistoffe in einer Matrix aus räumlich stabilisierten hydrophilen Polymerverbindungen einzuschließen (Seite 10, Zeilen 16 bis 22). Diese Verbindungen werden auf den Seiten 11 und 12 näher beschrieben. Dabei handelt es sich beispielsweise um verzweigtes oder sternförmig aufgebautes PEG (Seite 11, Zeilen 14 bis 27). Das geeignete Molekulargewicht dieser Substanzen wird mit 1000 bis 600000 D angegeben, typischerweise zwischen 2000 bis 10000 D, bevorzugt im Bereich von 20000 bis 40000 D (Seite 11, Zeilen 28 bis 31).
Daher ist es für den Fachmann offensichtlich, zur Bereitstellung alternativer Ballonkatheter auch solche bereitzustellen, die statt eines PEG mit einem Molekulargewicht von 40000 - wie im genannten Beispiel 16 - auch Verbindungen als Matrixmaterialien einzusetzen, die Molekulargewichte aufweisen, welche innerhalb der auf den Seiten 10 und 11 angegebenen Bereiche liegen. Somit wird der Fachmann ohne erfinderisch tätig zu werden beispielsweise auf Verbindungen mit einem Molekulargewicht von mehr als 1000 D, beispielsweise bis zu 2000 D zurückgreifen (Seite 11, Zeilen 29 und 30 bzw. Seite 12, Zeile 29).
Er erhält dadurch anspruchsgemäße Ballonkatheter.
17. Von der Patentinhaberin wurde vorgebracht, Dokument D8 lehre den Fachmann, gerade keine Matrixmaterialien zu verwenden, die eine kleineres Molekulargewicht als das im Beispiel 16 genannte aufwiesen. Sie stützte ihre Argumentation insbesondere darauf, dass mit Beispiel 16 eine besonders wirksame Variante der Erfindung offenbart werde, und der Fachmann daher nicht davon ausgehen könne, mit anderen Molekulargewichten ähnlich gute Ergebnisse zu erzielen. Zudem sei aus der Gesamtschau des Dokuments ersichtlich, dass langkettige und somit schwere Moleküle notwendig seien, um die Arzneistoffe wirksam einschließen zu können. Deshalb offenbare Dokument D8 auch, dass verzweigte oder sternförmig gebaute Poylmere bevorzugt seien. Die Patentinhaberin verwies hierzu insbesondere auf die Abbildungen 1 bis 4 sowie die Zeilen 17 bis 20 der Seite 11. Auch gehe aus Zeile 3 der Seite 12 des Dokuments D8 hervor, dass kleine PEG mit weniger als 2000 D polymerisiert würden, und sich dadurch Moleküle mit höheren Molekulargewichten bildeten.
Dieses Vorbringen überzeugt nicht.
Auch wenn der Fachmann davon ausgehen würde, dass es sich bei den im Dokument offenbarten Beispielen um die besten Ausführungsformen handelt, wird er auch die Verwendung anderer, in der Beschreibung bereits genannter, Ausführungsformen in Betracht ziehen, um lediglich eine Alternative zur Verfügung zu stellen.
Die Folgerung, dass lange und somit schwere Moleküle notwendig seien, um beispielsweise Paclitaxel einzuschließen und dadurch in der Matrix zu fixieren, kann aus den von der Patentinhaberin herangezogenen Stellen des Dokuments D8 nicht abgeleitet werden. Wie von den Einsprechenden vorgebracht, wird der Arzneistoff gemäß D8 in der Matrix eingeschlossen, nicht aber in einzelnen Molekülen. Ob, wie in den Abbildungen 1 bis 4 angedeutet, dieser Einschluss durch einzelne Moleküle erfolgt, oder aber durch eine Mehrzahl kürzerer, ist für die dadurch hervorgerufene technische Wirkung nicht wesentlich, und lässt sich dem Dokument auch nicht eindeutig entnehmen.
Auch kann dem Dokument nicht entnommen werden, dass zwangsläufig alle PEG mit einem Molekulargewicht von 2000 D oder darunter zu schwereren Molekülen polymerisiert werden, da dieser Teil der Offenbarung lediglich beispielhaft erläutert, wie bestimmte verzweigte PEG hergestellt werden können (vgl. Seite 11, Zeile 31 bis Seite 12, Zeile 3). Dahingegen werden sowohl der Wert von 1000 D als untere Grenze, als auch 2000 D als typischer Wert eindeutig offenbart (siehe beispielsweise die Zeilen 29 und 30 der Seite 11).
Daher überzeugt das Vorbringen der Einsprechenden, das der Fachmann als Alternative zur Ausführungsform gemäß Beispiel 16 des Dokuments D8 auch PEG als Matrixsubstanz einsetzen würde, das ein Molekulargewicht < 2000 D aufweist.
18. Da der Gegenstand des Anspruchs von Hilfsantrag 11 bereits ausgehend von Dokument D8 als nächstliegendem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht, ist dieser Antrag nicht gewährbar. Daher erübrigt sich eine Erörterung von erfinderischer Tätigkeit ausgehend von weiteren Dokumenten, die von den Einsprechenden als möglicher nächstliegender Stand der Technik vorgeschlagen wurden.
Hilfsantrag 13
Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
19. Der einzige Anspruch des Hilfsantrags 13 unterscheidet sich vom Anspruch des Hilfsantrags 11 dadurch, dass die Beschichtung auf der Ballonoberfläche zwar weiterhin die genannte Matrixsubstanz umfasst, dass diese aber "... aus einem niedermolekularen hydrophilen Stoff mit einem Molekulargewicht < 2000 D besteht", statt einen solchen zu umfassen.
20. Von der Patentinhaberin wurde vorgebracht, im Gegensatz zu Hilfsantrag 11 müsse der Fachmann nun ausgehend von Beispiel 16 des Dokuments D8 nicht lediglich die Matrixsubstanz durch einen gewissen Anteil and PEG mit einem Molekulargewicht < 2000 D ergänzen, sondern vollständig durch diese ersetzen. Hierzu gebe es im Dokument keine Hinweise.
21. Dieses Vorbringen überzeugt nicht. Die Beurteilung von erfinderischer Tätigkeit des Ballonkatheters gemäß Hilfsantrag 11 erfolgte unabhängig davon, ob nur ein Teil des im Beispiel 16 verwendeten Matrixmaterials zu ersetzen wäre, oder ob dies vollständig ausgetauscht werden müsste. Der Gegenstand des Hilfsantrags 13 beruht daher aus den bereits unter den Punkten 8. bis 18. der vorliegenden Entscheidung angeführten Gründen ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
22. Hilfsantrag 13 ist deshalb nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
Hilfsantrag 17
23. Hilfsantrag 17 enthält ebenfalls lediglich einen einzigen Anspruch. Dieser unterscheidet sich vom Anspruch des Hilfsantrags 11 durch zusätzliche Merkmale, die den Ballonkatheter dahingehend definieren, dass er "... eine medizinische Vorrichtung zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie bestimmter erkrankter Gewebeabschnitte oder Organteile ist,... " sowie dadurch, dass "... an der Oberfläche des zumindest kurzzeitig das erkrankte Gewebe unter Druck kontaktierenden Ballons der lipophile, weitgehend wasserunlöslichen an beliebige Gewebebestandteile bindende Wirkstoff mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe haftet."
Von der Patentinhaberin wurde vorgebracht, dass im Beispiel 16 des Dokuments D8 insbesondere nicht offenbart werde, dass der Wirkstoff sofort nach Gewebekontakt freigegeben werde. Vielmehr gehe aus Dokument D8 eine verzögerte Wirkstofffreigabe hervor. Die Patentinhaberin verwies hierzu auf Beispiel 17. Daher werde mit Hilfsantrag 17 eine Lösung der Aufgabe der Bereitstellung einer Alternative mit sofortiger Wirkstofffreigabe vorgeschlagen. Durch die streitpatentgemäßen Beispiele werde gezeigt, dass diese Aufgabe gelöst werde. Da weder Dokument D8, noch eines der anderen herangezogenen Dokumenten diese Aufgabe adressiere, geschweige denn anspruchsgemäß löse, sei erfinderische Tätigkeit anzuerkennen.
24. Auch das von der Patentinhaberin herangezogene zusätzliche Merkmal leistet jedoch ebenfalls keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit. Zwar wird das Merkmal also solches, welches den beanspruchten Ballonkatheter durch eine zu erreichende technische Wirkung definiert, nicht explizit im Dokument D8 offenbart. Allerdings wurde von der Patentinhaberin nicht vorgebracht, wie die Matrixsubstanz, der Wirkstoff oder andere Anspruchsmerkmale auszuwählen sind, damit diese technische Wirkung tatsächlich eintritt. Daher kann im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass auch der Ballonkatheter des Beispiels 16 aus Dokument D8 unter Berücksichtigung der Verwendung eines niedermolekularen Stoffs mit einem Molekulargewicht < 2000 D als Matrixsubstanz (siehe die Erörterung zur erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrag 11 dieser Entscheidung) diese technische Wirkung bereits erzielt. Der Antrag erfüllt daher ebenfalls nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
Hilfsantrag 18
25. Der einzige Anspruch des Hilfsantrags 18 enthält gegenüber dem Anspruch des vorangehenden Antrags die zusätzliche Einschränkung, dass die Matrixsubstanz aus einer Liste auszuwählen ist. Als Vertreter dieser Liste werden auch niedermolekulare Polyethylenglykole genannt. Da die Verwendung von niedermolekularen Verbindungen der Klasse der Polyethylenglykole jedoch bereits durch das Dokument D8 selbst nahegelegt wird (siehe die Punkte 8. bis 18. der vorliegenden Entscheidung) kann dieses Merkmal ebenfalls nicht zu erfinderischer Tätigkeit beitragen. Weitere Argumente zur erfinderischen Tätigkeit hat die Patentinhaberin nicht vorgetragen. Die Bereitstellung eines Ballonkatheters gemäß Hilfsantrag 18 beruht ausgehend von Dokument D8 somit ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Schlussfolgerung
26. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass keiner der von der Patentinhaberin vorgelegten Anträge allen Erfordernissen des EPÜ genügt, und somit keiner der vorgelegten Anträge gewährbar ist. Eine Erörterung weiterer, von den Einsprechenden vorgebrachten Gründen, die ihrer Ansicht nach der Aufrechterhaltung entgegenstehen, erübrigt sich deshalb. Die angefochtene Entscheidung hat keinen Bestand.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.