T 1783/19 06-12-2022
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ÜBERGANGSSCHUTZ FÜR GELENKIG MITEINANDER VERBUNDENE SCHIENENFAHRZEUG-WAGENKÄSTEN
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz
Zurückverweisung - (ja)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 15 163 033.2 zurückgewiesen wurde.
II. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des im schriftlichen Verfahren geänderten Anspruchs 1 (wie eingereicht am 11. Mai 2016) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Kombination der folgenden Dokumente beruht:
D1: EP 2 159 084 A1;
D4: DE 102 04 703 A1.
III. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) beantragte mit der Beschwerdebegründung die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung des Patents in der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Fassung (Hauptantrag), hilfsweise mündliche Verhandlung, weiter hilfsweise die Erteilung des Patents auf Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 2, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 4. Juni 2019 und eingegangen am 6. Juni 2019.
IV. In einer Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ hat die Kammer als vorläufige Meinung zu dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrag geäußert, dass beide Alternativen des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 ("dass der tragende Teil der inneren Hülle aus dem Silikonmaterial besteht oder die innere Hülle insgesamt aus dem Silikonmaterial besteht") in mehrfacher Hinsicht so unklar seien, dass sich die "Brandschutz"-Aufgabe (als Grundgedanke der Erfindung gemäß der Anmeldung) nicht objektiv an den Unterscheidungsmerkmalen gegenüber D1 festmachen lasse. Insbesondere fordere Anspruch 1 nicht, dass (wie z. B. in Absatz [0009] der A-Schrift offenbart) die innere Hülle überwiegend oder ausschließlich aus Silikonmaterial bestehe.
V. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) beantragte daraufhin mit Schreiben vom 11. August 2021, gemäß neuem Hauptantrag das Patent in der Fassung mit den geänderten Patentansprüchen gemäß Anlage zu diesem Schreiben zu erteilen. Sie reichte zudem einen Hilfsantrag ein.
Mit Schreiben vom 28. November 2022 nahm die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.
VI. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag vom 11. August 2021 lautet wie folgt, wobei gegenüber Anspruch 1 wie ursprünglich eingereicht der kennzeichnende Teil ergänzt wurde:
"Übergangsschutz (5) für gelenkig miteinander verbundene Schienenfahrzeug-Wagenkästen (1), aufweisend einen doppelten Balg (6, 7), der eine innere (7) und eine äußere (6) Hülle für den Übergang (4) bildet, wobei die äußere Hülle (6) aus zumindest einem ersten Material gebildet ist,
wobei die innere Hülle (7) unter Verwendung eines zweiten Materials gebildet ist, das sich von dem ersten Material oder von den ersten Materialien unterscheidet, und das zweite Material ein Silikonmaterial ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die innere Hülle (7) überwiegend oder ausschließlich aus dem Silikonmaterial besteht."
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (Anmelderin) lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die angefochtene Entscheidung sei hinsichtlich folgender Gesichtspunkte fehlerhaft:
a) Die Formulierung der objektiven technischen Aufgabe berücksichtige nicht die in der Anmeldung angegebenen tatsächlich erzielten Wirkungen. Stattdessen werde von der Wirkung (anscheinend des nächstliegenden Standes der Technik) einer angeblichen Lichtdurchlässigkeit des hergestellten Doppelbalgs ausgegangen, die sich mit dem Anmeldungsgegenstand nicht erreichen lasse.
Die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 seien die Unterscheidungsmerkmale gegenüber D1 als dem nächstliegenden Stand der Technik. In Zusammenschau unterscheide sich der Anmeldungsgegenstand somit in der Kombination einer Nicht-Silikon-Außenhülle mit einer Silikon-Innenhülle von der D1. Es sei von technischen Wirkungen auszugehen, die aus den Unterscheidungsmerkmalen resultierten, d. h. tatsächlich erzielbar seien (Prüfungsrichtlinien, G-VII-5.2; Rechtsprechung der Beschwerdekammern, I-D-4.3). Die technischen Wirkungen seien in einem erhöhten Brandschutz zu sehen, ohne dass das Gewicht unerwünscht erhöht und die Robustheit und die Herstellbarkeit beeinträchtigt werde (siehe Beschreibungsseite 2), und bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe zu berücksichtigen. Die ebenfalls auf Beschreibungsseite 2 angegebene Aufgabe sei daher auch als Grundlage des Problem-Lösungs-Ansatzes zu verwenden.
Die Prüfungsabteilung formuliere die zu lösende Aufgabe stattdessen in unzulässiger Weise basierend auf Ausführungen in der D1 (Entscheidung, 7.1.3). Aus der vorliegenden Anmeldung gehe die technische Wirkung einer "besseren Ausleuchtung" bzw. einer Lichtdurchlässigkeit des erfindungsmäßigen Doppelbalgs weder explizit noch implizit hervor. Zunächst sei unrichtig, dass jedes Silikonmaterial lichtdurchlässig sei (dies stelle einen Spezialfall dar, wie in D1 der Fall). Selbst wenn man von einer signifikanten Lichtdurchlässigkeit ausgehe, wäre die laut Prüfungsabteilung erzielte "bessere Ausleuchtung des Übergangs" nur dann möglich, wenn auch die äußere Hülle aus einem Silikonmaterial hergestellt wäre, was gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 nicht der Fall sei.
Eine Umformulierung der ursprünglich in der Anmeldung definierten technischen Aufgabe sei allgemein unzulässig bzw. nur unter bestimmten Umständen zulässig (Rechtsprechung, I-D-4.3.2), wenn die in der Anmeldung formulierte Aufgabe dem Stand der Technik nicht gerecht werde und/oder nicht im Sinne der Erfindungsmerkmale gelöst werde. Dies sei nicht der Fall.
b) Die Prüfungsabteilung habe die vom Anmeldungsgegenstand wegführende Lehre der D1 nicht ausreichend berücksichtigt:
Dies betreffe die gemäß D1 übermäßig hohen Kosten von Silikonmaterial. Die D1 weise einen Anmeldetag auf, der nur fünfeinhalb Jahre vor dem vorliegenden Anmeldetag liege. Die Prüfungsabteilung habe versäumt, Nachweise zu liefern für das angebliche fachmännische Verständnis, dass der Fachmann diese Kosten als allgemein schwankend ansehe und sich die Kosten in dem genannten Zeitraum verändert hätten, geschweige denn gesunken seien. Kosten für künstlich hergestellte chemische Materialien wie Silikon unterlägen keinen vergleichbaren Schwankungen, wie dies für natürlich vorkommende Rohstoffe zutreffen könne. Es sei somit unrichtig, dass der Fachmann Kosten für Silikonmaterial auf dem vorliegenden Gebiet als variabel ansehe. Stattdessen bestätige D1 , dass es sich um ein übermäßig teures Material handele.
Es sei unerheblich, dass die D1 in Absatz [0008] Silikonkautschuk verwende. Die vorher in [0004] getroffene Feststellung der übermäßig hohen Kosten führe dazu, dass laut [0008] nur ein lichtdurchlässiges Band aus diesem Material gefertigt werde, nicht der komplette Innenbalg.
c) Die Prüfungsabteilung vermenge unzulässigerweise die Lehren der D1 und D4, da sich die D1 in [0004] explizit von der D4 abwende:
Die D4 sei inkompatibel zur D1, da die D4 einen Einzelbalg betreffe und künstliche Beleuchtungen wie in D1 explizit vermeide. Entscheidend sei aber, dass entgegen dem Vorbringen der Prüfungsabteilung die D4 das Verwenden von Silikonmaterial zum Herstellen eines lichtdurchlässigen Balgs nicht offenbare, sondern nur lehre, dass ein kompletter Balg lichtdurchlässig sein könne. Aus Sicht des Fachmanns komme aufgrund der in D1 bestätigten hohen Kosten aber kein Silikonmaterial in Betracht.
Bei Prüfung des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit sei (ohne Kenntnis der Erfindung) von den Kenntnissen des Durchschnittsfachmanns zum Anmeldetag auszugehen. Ausgehend von der aufgezeigten objektiven Problemstellung entnehme der Fachmann der D1, dass
a) Silikon aufgrund des "übermäßig" hohen Preises in einem Innenbalg nur begrenzt eingesetzt werden solle ([0008]) und
b) für die von der D1 angestrebte Verbesserung der Ausleuchtung es wesentlich sei, einen Doppelbalg mit einem integrierten Leuchtmittel zu verwenden, wobei sich die D1 explizit von der D4 abwende.
Hiervon ausgehend würde der Fachmann nicht die D4 heranziehen. Selbst wenn er das täte, sei eine Weiterbildung der D1 basierend auf D4 nicht möglich, da die D4 zwingend einen Einfachbalg verwende und Leuchtmittel explizit vermeide ([0004] bis [0006]). Selbst wenn man sich darüber hinwegsetze, entnehme der Fachmann der D4 allenfalls eine zur vorliegenden Erfindung alternative Lösung, da laut [0009] der D4 zwecks Brandschutz Festigkeitsträger mit geringer Entflammbarkeit im Balgmaterial verwendet würden.
Was eine Kombination mit Fachwissen angehe, sei das Fachwissen "schwankender Silikonpreise" bereits widerlegt. Auch sei D4 kein Beleg dafür, komplette Balge aus Silikonmaterial herzustellen, da dieses Material dort nicht verwendet werde.
Eine Kombination mit weiterem Stand der Technik sei seitens der Prüfungsabteilung nicht angeführt.
Ein erfinderischer Schritt liege bereits deshalb vor, da sich der Anmeldungsgegenstand über die explizit gegensätzliche Lehre der D1 und dortige nur sporadische Verwendung von Silikonmaterial hinwegsetze. Als Lösungsansatz zur Verbesserung des Brandschutz käme allenfalls die D4 in Betracht, die aber einen alternativen Weg einschlage, kein Silikonmaterial verwende und zur D1 inkompatibel sei. Gleiches gelte für die in der Beschreibungseinleitung diskutierte EP'748.
1. Erfinderische Tätigkeit
1.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß vorliegendem Hauptantrag beruht ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
1.2 Die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 sind aus D1 bekannt. Das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 zeigt einen Doppelwellenbalg und damit einen doppelten Balg mit innerer und äußerer Hülle. Die innere Hülle besteht dabei zumindest partiell aus einem lichtdurchlässigem Material, z. B. einem balgartig ausgebildeten Lichtband wie bei dem Spurfugenabdeckbalg gemäß Figur 1 (siehe Absatz [0016]), welches (siehe Absatz [0015]) aus Silikonmaterial bestehen kann. Damit offenbart D1 auch eine innere Hülle, die wie mit Anspruch 1 gefordert unter Verwendung von Silikonmaterial als zweitem Material gebildet ist.
D1 offenbart in allen Ausführungsbeispielen nur ein Lichtband 10, welches einen kleineren Teil einer Seitenwand des inneren Balgs 15 ausmacht.
Eine innere Hülle, die überwiegend und damit größtenteils aus Silikonmaterial besteht, ist also bereits nicht in D1 gezeigt, geschweige denn eine ausschließlich aus Silikonmaterial bestehende innere Hülle, wie mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 gefordert.
Die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß vorliegendem Hauptantrag ist somit gegenüber D1 anzuerkennen. Der Unterschied besteht darin, dass die innere Hülle überwiegend (und damit größtenteils) oder ausschließlich aus Silikonmaterial besteht und die äußere Hülle kein Silikonmaterial enthält.
1.3 Gemäß gefestigter Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Aufgabe zu ermitteln, die vor dem Hintergrund der D1 gestützt auf die Unterscheidungsmerkmale ("innere Hülle, die überwiegend oder ausschließlich Silikonmaterial besteht") die tatsächlich erzielte Wirkung berücksichtigt und als tatsächlich gelöst angesehen werden kann.
1.3.1 Die Prüfungsabteilung ist von einem Ausführungsbeispiel der D1 ausgegangen und hat dieses weiterentwickelt, um die zu lösende Aufgabe zu definieren, was unzulässig ist.
Während in D1 allenfalls ein Lichtband und damit ein kleiner streifenförmiger Bereich der inneren Hülle aus Silikonmaterial besteht, soll gemäß Anspruch 1 der überwiegende Teil der inneren Hülle oder sogar die innere Hülle ausschließlich aus Silikonmaterial bestehen. Anspruch 1 fordert allerdings kein lichtdurchlässiges (transluzentes) Material für die innere Hülle, also kein lichtdurchlässiges Silikon, so dass bereits die von der Prüfungsabteilung angenommene Wirkung einer besseren Ausleuchtung sich nicht aus den Unterscheidungsmerkmalen ableiten lässt.
Des weiteren ist fraglich, ob die festgestellten Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu einer besseren Ausleuchtung des Übergangs führt: D1 zeigt (siehe Figur 3) hinter dem Lichtband 10 als Beleuchtungsmittel lediglich eine Lichtleiste 13, also eine streifenförmige Lichtquelle. Das hat zur Folge, dass in D1 selbst eine großflächige Verwendung von lichtdurchlässigem Silikonmaterial für die innere Hülle die Ausleuchtung des Übergangs nicht verbessert, solange zuvor das Beleuchtungsmittel in D1 nicht auch modifiziert wird.
Die ursprünglich eingereichte Beschreibung offenbart eindeutig und unmissverständlich, dass der Zweck der Erfindung ist, einen hohen Brandschutz zu garantieren, dabei aber Silikon als Bestandteil der äußeren Hülle zu vermeiden, siehe Paragraph [0009] der A-Schrift.
Allerdings ist der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmbar, warum die dort genannte Aufgabe nicht plausibel sein soll.
1.3.2 Die verwendete objektive Aufgabe für den in der angefochtenen Entscheidung formulierte Aufgabe-Lösungs-Ansatz ist somit fehlerhaft.
1.4 Wie ausgeführt, wird in den Anmeldungsunterlagen (in Paragraph [0009] der A-Schrift) im Zusammenhang mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 als Vorteil beschrieben, dass damit ein hoher Brandschutz erzielt werden kann. Die Kammer sieht keinen Grund (ausgehend von D1 als nächstem Stand der Technik), von dieser in der vorliegenden Anmeldung formulierten Wirkung der beanspruchten Erfindung abzuweichen. Die weiteren in den Anmeldungsunterlagen aufgeführten Vorteile wie die Vermeidung eines verhältnismäßig hohen Herstellungsaufwandes, ein geringeres Gewicht sowie eine erhöhte Lebensdauer beziehen sich insbesondere auf eine Verwendung von Silikon auch in der äußeren Hülle in dem in den Anmeldungsunterlagen genannten Stand der Technik, gehen also nicht von D1 aus und sind somit unbeachtlich.
Die mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 gelöste objektive technische Aufgabe ist ausgehend von D1 also darin zu sehen, einen hohen Brandschutz zu erreichen.
1.5 Die Prüfungsabteilung hat das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 in Kombination mit D4 verneint, wobei der Fachmann auch bereits aus der D1 alleine (da in Absatz [0004] die D4 zitiert werde) eine Information zu lichtdurchlässigen Bälgen erhalte (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt 7.1.5).
1.5.1 In D1 spielt das Thema "Brandschutz" keine Rolle, so dass aus D1 kein Hinweis zur Lösung der genannten Aufgabe abzuleiten ist. Selbst wenn der Fachmann den Vorteil von Silikon hinsichtlich des Verhaltens im Brandfall kennen sollte, wird er durch die Lehre der D1 (siehe Absatz [0004]: Silikonkautschuk wird explizit als "übermäßig teuer" charakterisiert) davon abgehalten, den in D1 für das Lichtband verwendete transluzenten Silikonkautschuk überwiegend oder ausschließlich für die inneren Hülle vorzusehen.
Die Feststellung der Prüfungsabteilung in der angefochtenen Entscheidung (Punkt 7.1.5), dass sich die Kosten für Silikonkautschuk naturgemäß verändern und der Fachmann bei einem akzeptablen Preis den gesamten inneren Balg aus Silikonkautschuk herstellen würde, geht von der spekulativen Annahme einer möglichen Kostenreduzierung bei Silikonmaterial aus. Dies kann jedoch nicht als Basis dienen, um daraus eine Anregung für den Fachmann zur Modifikation des aus D1 bekannten Doppelbalgs abzuleiten.
1.5.2 Laut angefochtener Entscheidung mag die D4 zwar eine Anregung geben, einen gesamten Balg lichtdurchlässig herzustellen. Dies ist allerdings vorliegend vor dem Hintergrund der objektiven technischen Aufgabe eines erhöhten Brandschutzes irrelevant.
In D4 wird zwar (siehe Absatz [0009] oder Anspruch 4) auch eine geringe Entflammbarkeit angestrebt und somit das Problem des Brandschutzes eines Durchgangsbalgs angesprochen. Allerdings lehrt die D4 in diesem Zusammenhang nur eine geringe Entflammbarkeit des für den Festigkeitsträger des Durchgangsbalges verwendeten Materials, wobei der Durchgangsbalg ansonsten (siehe Absätze [0004] bis [0007] oder Ansprüche 1 und 2) zumindest bereichsweise weitestgehend aus einem transparenten oder transluzenten synthetischen Kautschuk besteht. Abgesehen davon, dass gemäß D4 der Festigkeitsträger nur einen Teil des Durchgangsbalgs ausmacht, führt D4 (Absatz [0009]) gerade kein Silikonmaterial als Material für den Festigkeitsträger auf, sondern schlägt für den synthetischen Kautschuk (siehe Absatz [0011] oder Anspruch 6) nur ein spezielles lichtstabiles Material (EVA) vor. Der mit der genannten Aufgabe befasste Fachmann erhält also aus D4 keinen Hinweis auf eine überwiegende oder ausschließliche Ausbildung eines Durchgangsbalgs aus Silikonmaterial.
1.6 Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Fachmann ausgehend von D1 weder aufgrund seiner Fachkenntnisse noch aufgrund der Lehre der D4 angeregt wird, eine innere Hülle des Doppelbalgs derart auszubilden, dass sie überwiegend oder ausschließlich aus Silikonmaterial besteht, wie mit Anspruch 1 nun gefordert ist.
1.7 Die angefochtene Entscheidung ist somit aufzuheben.
2. Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung
2.1 Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ wird die Beschwerdekammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Nach Artikel 11 VOBK 2020 weist eine Kammer die Angelegenheit nur dann zur weiteren Entscheidung an die Vorinstanz zurück, wenn besondere Gründe dafür sprechen, wobei zu berücksichtigen gilt, dass das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens ist, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen (Artikel 12 (2) VOBK 2020).
2.2 Wie vorstehend ausgeführt, spielt das Thema "Brandschutz" in D1 keine Rolle, so dass bereits fraglich ist, ob D1 einen geeigneten Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt. Zudem stellt die Kammer fest, dass Dokument D4 erst nachträglich im Prüfungsverfahren in Reaktion auf die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden geänderten Ansprüche eingereicht wurde, was darauf hindeutet, dass möglicherweise der nunmehr im Fokus stehende Aspekt von der ursprünglichen Recherche nicht ausreichend umfasst worden ist. D4 ist nach Auffassung der Kammer allerdings nicht geeignet, die erfinderische Tätigkeit in Frage zu stellen, wie weiter oben ausgeführt.
Angesichts dessen kann die Kammer ohne weitere eigene Ermittlungen hinsichtlich des einschlägigen Standes der Technik nicht beurteilen, ob der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
2.3 Aus diesen Gründen, und angesichts des vorrangigen Ziels des Beschwerdeverfahrens die angefochtene Entscheidung zu überprüfen (Artikel 12 (2) VOBK 2020), ist die Kammer der Auffassung, dass besondere Gründe im Sinne von Artikel 11 VOBK 2020 vorliegen, die es rechtfertigen, die Angelegenheit zur Überprüfung der Vollständigkeit der Recherche und zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.
3. Nachdem die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen hat, kann die Entscheidung über die Zurückverweisung der Sache an die Prüfungsabteilung im schriftlichen Verfahren ergehen (Artikel 12 (8) VOBK 2020).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.