T 0296/20 30-09-2022
Download und weitere Informationen:
POLYAMIDZUSAMMENSETZUNGEN
Neuheit - offenkundige Vorbenutzung
Neuheit - Geheimhaltungsverpflichtung (nein)
Neuheit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1 (nein)
Neuheit - Hilfsantrag 2 (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 2 (ja)
Antrag eingereicht mit der Beschwerdebegründung - Substantiierung
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich der Aufrechterhaltung des Europäischen Patents Nr. 2 924 066 in geänderter Fassung auf Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags, welche mit Schriftsatz vom 16. August 2019 eingereichten wurden, und einer angepassten Beschreibung.
II. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Dokumente herangezogen:
D2: EP 2 924 065 A1
D3: EP 2 924 069 A1
D4: US 2012/0165439 A1
D5: Produktdatenblatt "Glass Fiber - Chopped
Strands CS 7928", Lanxess, datiert vom
3. Juli 2013
D6: DE 20 2010 017 765 U1
D7: "Delivery Note Nr 82608410" bzgl. 11 Tonnen
"TECHNYL C52G1 V25 GREY 2225 CF" an ETI
PROPLAST D.O.O., datiert vom 28. November 2013
D8: "Purchase Order Nr 110008910" von ETI PROPLAST
d.o.o. an RHODIA POLYAMIDE POLSKA SP.Z. bzgl.
u.a. 11 Tonnen "TECHNYL C52 G1 V25 GREY 2225
CF", datiert vom 23. August 2013
D9: "Order Confirmation Nr 1601794" von RHODIA
POLYAMIDE POLSKA Sp.Z.O.O. an ETI PROPLAST
D.O.O., datiert vom 23. August 2013 und
geändert am 8. November 2013
D10: "Invoice Nr 94054566" gesendet an
ETI PROPLAST D.O.O., datiert vom
28. November 2013
D11: Zahlungsbeleg von ETI PROPLAST D.O.O., datiert
vom 30. Januar 2014
D11a: Englische Übersetzung von D11
D12: "Production transfer sheet" bezüglich der
Zusammensetzung des Produkts TECHNYL C52 G1
V25 GREY 2225 CF, datiert vom 13. Juni 2013
D13: Produktdatenblatt "TECHNYLSTAR XS 1131
NATURAL", datiert vom 4. April 2013
D14: Produktdatenblatt "POLYMER 6 S 27 BL NATURAL
S", datiert vom 28. September 2012
D16: Produktdatenblatt "Glass powder, glass grain
220-N", datiert vom 11. Januar 2010
D17: Bericht "Poudre de verre 220 N pour opposition
au brevet Lanxess", Solvay, datiert vom
18. Dezember 2017
D18: "Certificate of analysis" bezüglich des
Produkts "ECS 301 HG-4.5", datiert vom
4. Februar 2008
D23: DE 20 2014 008 607 U1
D24: EP 2 924 067 A1
D27: Produktdatenblatt "TECHNYL® C 52G1 V25 GREY
2225 CF"
D30a: "LEGAL NOTICE ADRESS LIST" der Solvay Group
D30b: Solvay AGB polnisch (31. Oktober 2014)
D30c: Solvay AGB deutsch (31. Oktober 2014)
D30d: Unerlaubte Geschäftspraktiken im polnischen
Wettbewerbsrecht / Das Betriebsgeheimnis;
S. Braun
D38: "Chart of Inspections and tests during the
production stage"; Technyl C 52G1 V25 GREY
2225 CF; Batch-Nr. 4311907; in Polnisch
D38a: Englische Übersetzung von D38
D39: "Chart of Inspections and tests during the
production stage"; Technyl C 52G1 V25 GREY
2225 CF; Batch-Nr. 4320997; in Polnisch
D39a: Englische Übersetzung von D39
D40: Ausdruck aus CAS-Datenbank betreffend
Melapur MC25
D41: Erklärung der Firma CPIC zu Glasfasern
ECS301 HG-4.5, datiert vom 3. Januar 2019
D42: Produktinformation der Sympatec GmbH zu
"Helos Sucell"
D44: Erklärung von ETI PROPLAST d.o.o., datiert
vom 16. Mai 2019
III. In der angefochtenen Entscheidung wurden unter anderem folgende Schlussfolgerungen gezogen:
- Die Erfordernisse der ausreichenden Offenbarung seien erfüllt (Artikel 100 b) EPÜ);
- Da die vom Streitpatent beanspruchte Priorität gültig sei, stellten die Dokumente D2, D3, D23 und D24 keinen relevanten Stand der Technik für das Streitpatent dar;
- Der Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags sei neu gegenüber D4 und D6;
- Was die vorgebrachte offenkundige Vorbenutzung betreffe, gehe aus D12 und D27 hervor, dass unterschiedliche Zusammensetzungen unter "Technyl C52 G1 V25 Grey 2225 CF" fallen können. Ferner sei davon auszugehen, dass es sich dabei um ein noch zu erforschendes Produktgemisch handele, welches im Laufe der Entwicklung noch verändert werden könne.
Darüber hinaus stellten die gelieferten Mengen dieses Produktes nicht eindeutig eine Produktionsmenge für den Markt dar und man wisse gar nicht, was speziell mit diesen Chargen produziert worden sei. Daher sei der Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags neu gegenüber der vorgebrachten Vorbenutzung;
- Der Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags sei ferner erfinderisch ausgehend von D4 als nächstliegendem Stand der Technik, gegebenenfalls in Kombination mit entweder D6 oder den anderen im Verfahren zitierten Dokumenten.
Somit wurde entschieden, dass das Patent in geänderter Fassung auf Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags den Erfordernissen des EPÜ genüge.
IV. Gegen diese Entscheidung erhob die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung mit.
VI. Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2022 reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) die Hilfsanträge 6 bis 10 sowie, unter anderem, folgende Dokumente ein:
D62: DIN EN ISO 9001:2008-12
D63: Produktdatenblatt Technyl® A218
D64: Produktdatenblatt Technyl® A218 BLACK 21N
D65: Brüderle Kunststofftechnik,
Materialförderanlagen
VII. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 30. September 2022 in Anwesenheit beider Parteien statt (Videokonferenz).
VIII. Die Schlussanträge der Parteien lauteten wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der mit der Eingabe vom 16. August 2019 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 5 oder eines der mit Eingabe vom 22. Juli 2022 eingereichten Hilfsanträge 6 bis 10.
IX. Ansprüche 1 und 13 des Hauptantrags lauteten wie folgt:
"1. Zusammensetzungen, enthaltend
A) 5 bis 92,9 Gew.-% Polyamid 6 oder Polyamid 66,
B) 5 bis 80 Gew.-% eines nicht-faserförmigen und nicht-geschäumten gemahlenen Glases mit einem d90 bestimmt durch Laserdiffraktometrie im Bereich von 5 bis 250 mym und einer Länge im Bereich von 0,01 bis 0,5 mm,
C) 4 bis 6 Gew.-% geschnittene Langglasfasern mit einer Ausgangslänge im Bereich von 1 bis 50 mm, und
D) 0,1 bis 40 Gew.-% Melamincyanurat, mit der Maßgabe, dass die Summe aller Gewichtsprozente stets 100 ergibt."
"13. Verwendung von Zusammensetzungen gemäß einem der Ansprüche 1 bis 12 zur Herstellung von Erzeugnissen, bevorzugt von Elektrobauteilen, besonders bevorzugt von FI-Schaltern und Leitungsschutzschaltern, ganz besonders bevorzugt von Leitungsschutzschaltern mit Bemessungsströmen >16 A, insbesondere bevorzugt von Leitungsschutzschaltern mit Bemessungsströmen >32 A."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterschied sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags durch folgende Änderungen im Merkmal B) (Hinzufügungen in fett, Streichungen in [deleted: gestrichen]):
"B) 5 bis 80 Gew.-% eines nicht-faserförmigen und nicht-geschäumten gemahlenen Glases mit einem nach dem Prinzip der Laserverdunkelung arbeitenden Teilchengrößenanalysator der Firma Ankersmid zu bestimmenden d90 [deleted: bestimmt durch Laserdiffraktometrie] im Bereich von 5 bis 250 mym und einer Länge im Bereich von 0,01 bis 0,5 mm,"
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 war auf "Elektrobauteile, vorzugsweise FI-Schalter und Leitungsschutzschalter, basierend
auf Zusammensetzungen" gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags gerichtet.
Die anderen Ansprüche des Hilfsantrags 2 und die weiteren geltenden Hilfsanträge sind für die vorliegende Entscheidung nicht relevant.
X. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin sind den Entscheidungsgründen zu entnehmen. Die Beschwerdeführerin trug folgende Einwände vor:
a) Die Dokumente D62 bis D65 seien ins Verfahren nicht zuzulassen;
b) Der Gegenstand von Anspruch 1 sowohl des Hauptantrags als auch des Hilfsantrags 1 sei
gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung nicht neu;
c) Der Hilfsantrag 2 sei wegen mangelnder Substantiierung nicht ins Verfahren zuzulassen;
d) Der Einwand der mangelnden Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung sei zuzulassen;
e) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 sei ausgehend von D4 nicht erfinderisch.
XI. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin sind den Entscheidungsgründen zu entnehmen. Zusammenfassend brachte die Beschwerdegegnerin folgendes vor:
a) Die Dokumente D62 bis D65 seien ins Verfahren zuzulassen;
b) Der Gegenstand von Anspruch 1 sowohl des Hauptantrags als auch des Hilfsantrags 1 sei
gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung neu;
c) Es sei nicht gerechtfertigt, den Hilfsantrag 2 nicht ins Verfahren zuzulassen;
d) Der Einwand der mangelnden Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung sei nicht zuzulassen;
e) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 sei ausgehend von D4 erfinderisch.
1. Zulassung der Dokumente D62 bis D65
1.1 Die Dokumente D62 bis D65 wurden von der Beschwerdegegnerin mit ihrem Schriftsatz vom 22. Juli 2022 eingereicht, nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung und der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020. Nach den Übergangsbestimmungen des Artikels 25 (1) und (3) VOBK 2020 ist für die Frage der Zulassung dieser Dokumente daher Artikel 13 (2) VOBK 2020 anzuwenden.
1.2 Gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten unter anderem nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
1.2.1 Die Beschwerdegegnerin hat allerdings zu keinem Zeitpunkt gezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Einreichung von D62 bis D65 in einem solch späten Verfahrensstadium rechtfertigen würden.
1.2.2 a) Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer brachte die Beschwerdegegnerin vor, dass die Einreichung von D62 bis D65 als Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer bezüglich der offenkundigen Vorbenutzung zu verstehen sei, die nicht im Einklang mit den entsprechenden Schlussfolgerung zweier Einspruchsabteilungen stehe (nämlich in der angefochtenen Entscheidung und in der im parallelen Fall T 1717/19 angefochtenen Entscheidung).
b) Jedoch kann der Umstand, dass die Kammer eine andere Meinung als eine oder mehrere Einspruchsabteilung(en) vertritt, die Einreichung von neuen Dokumenten nicht rechtfertigen. Da der auf der offenkundigen Vorbenutzung beruhende Einwand mangelnder Neuheit im Rahmen der Beschwerdebegründung weiter ausgeführt wurde, musste die Beschwerdegegnerin damit rechnen, dass die Kammer möglicherweise von der Auffassung der Einspruchsabteilung abweicht. Somit hätte die Beschwerdegegnerin die Dokumente D62 bis D65 bereits während des Einspruchsverfahrens oder spätestens mit der Beschwerdeerwiderung einreichen können und sollen, wenn sie der Meinung war, dass diese Dokumente für ihre Verteidigungslinie relevant sein könnten.
c) Die Beschwerdegegnerin legte ferner schriftlich dar, dass die Dokumente D62 bis D65 eingereicht worden seien, um zu zeigen, dass der Verkauf nicht dem in einem freien Markt allgemein anerkannten Prinzip von "Angebot und Nachfrage" unterlegen habe (Schriftsatz vom 22. Juli 2022: Abschnitt I.4, letzter Absatz; Abschnitt VI.3).
Jedoch betreffen die vorgebrachten Argumente lediglich die Frage der Relevanz der Dokumente D62 bis D65. Sie können jedoch nicht rechtfertigen, weshalb diese Dokumente erst mit Schriftsatz vom 22. Juli 2022 eingereicht wurden.
d) Ferner wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht gezeigt, dass die Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 neue Einwände oder Fragen enthalten habe, wodurch die Beschwerdegegnerin mit einer neuen Verfahrenssituation konfrontiert worden sei.
1.2.3 Daher liegen keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK 2020 vor, die eine Einreichung der Dokumente in einem solch späten Verfahrensstadium rechtfertigen könnten. Die Dokumente D62 bis D65 wurden daher nicht in das Verfahren zugelassen.
Hauptantrag
2. Neuheit gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung
2.1 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass eine offenkundige Vorbenutzung der Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags durch Verkauf von 11 Tonnen "Technyl C52 G1 V25 Grey 2225 CF" an ETI PROPLAST d.o.o. am 28. November 2013 belegt sei (Beschwerdebegründung: Abschnitt 3.b, siehe insbesondere den letzten Absatz).
2.2 Um festzustellen, ob eine Erfindung der Öffentlichkeit durch Vorbenutzung zugänglich gemacht wurde, müssen nach ständiger Rechtsprechung folgende Sachverhalte geklärt werden (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, I.C.3.2.4.a):
i) der Zeitpunkt der Benutzung (d. h. wann die Benutzungshandlung stattfand),
ii) der Gegenstand der Benutzung (d. h. was der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde) und
iii) die Umstände der Benutzungshandlung (d. h. wo, wie und durch wen der Gegenstand der Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde).
2.3 Wo / Wann / Durch wen?
2.3.1 Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdeführerin, dass die Dokumente D7 bis D10 und D11/D11a zeigen, dass 11 Tonnen des Produkts "Technyl C52 G1 V25 Grey 2225 CF" der Firma RHODIA POLYAMIDE POLSKA SP.Z.O.O. (Rhodia, Polen) mit den Batchnummern 4311907 und 4320997 vor dem Prioritätstag des Streitpatents an die ETI PROPLAST d.o.o., Slowenien, geliefert wurden (siehe Verweis auf das Parallelverfahren auf Seiten 11 bis 13 der Beschwerdebegründung). Die Art und Sequenz der Dokumente (D8: Bestellung/purchase order; D9: Bestellung Bestätigung/order confirmation; D7: Lieferung/delivery note; D10: Rechnung/invoice; D11a: Rechnungsbeleg/proof of payment) zeigen insbesondere, dass eine Lieferung tatsächlich stattgefunden hat.
2.3.2 In ihrer Beschwerdeerwiderung (Abschnitt VI.5) brachte die Beschwerdegegnerin vor, dass die Beschwerdeführerin nicht gezeigt habe, i) was tatsächlich das Werk der Rhodia in Polen verließ, ii) dass ein chemisches Gefahrengut über 3 Ländergrenzen und mehr als 1000 km hinweg transportiert wurde (Frachtpapiere/Zollpapiere) und iii) was bei ETI PROPLAST d.o.o. in Slowenien tatsächlich angekommen sei (Eingangspapiere/Eingangsanalysen).
Selbst wenn zusätzliche Dokumente die Argumentationslinie der Beschwerdeführerin weiter untermauern hätten können, sind die genannten Dokumente dennoch ausreichend, um nachzuweisen, "wann", wo" und durch "wen" die behauptete offenkundige Vorbenutzung stattgefunden hat.
2.4 Gegenstand der Vorbenutzung ("was?")
2.4.1 Wie von der Beschwerdeführerin dargelegt (Beschwerdebegründung: Seite 12, untere Hälfte und Seite 13) ist aus den Produktionsdatenblättern D38a und D39a ersichtlich, dass die gelieferten Produkte "Technyl C52 G1 V25 Grey 2225 CF" mit den Batchnummern 4311907 und 4320997 unter anderem folgende Komponenten enthielten:
- 33,412 Gew.-% PA6 S-27 BL NAT (entspricht der Komponente A) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags; siehe D14: Seite 1, Punkt 1.1 und Seite 2, Punkt 3.2);
- 33,005 Gew.-% TY XS 1131 BL NAT (Batch 4311907) oder XS 1131 BL NAT S (Batch 4320997) (entspricht ebenfalls der Komponente A) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags; siehe D13, Seite 1, Punkt 1.1 und Seite 2, Punkt 3.2);
- 17 Gew.-% Glass Powder 220-N (entspricht der Komponente B) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags: siehe D16 und D17: Seite 4, "HELOS" = Laserdiffraktometer gemäß D42; "x(90%) = 45.71 mym" = d90 gemäß Anspruch 1),
- 5 Gew.-% GF-ECS 301 HG 4.5 MM (entspricht der Komponente C) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags: siehe D18, Product Code und Chopped Strand length gemäß D41); und
- 9,5 Gew.-% Melapur MC 25 (entspricht der Komponente D) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags: siehe D40).
2.4.2 Während diese Schlussfolgerung weder im Einspruchsverfahren (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung: Seite 2, letzter Absatz) noch in der Beschwerdeerwiderung bestritten wurde, hat die Beschwerdegegnerin in ihrer letzten Eingabe (Schriftsatz vom 22. Juli 2022: Abschnitt VI.2) vorgebracht, dass weder aus D12, noch aus D16 hervor gehe, dass das in den Batches eingesetzte "220-N" ein Mahlglas mit einem d90 bezogen auf die Teilchenoberfläche und bestimmt durch Laserdiffraktometrie im Bereich von 5 bis 250 mym aufweise. Ferner gebe D17 keine Auskunft darüber, ob die Messung im Jahr 2017 oberflächenbasiert oder volumenbasiert durchgeführt bzw. ausgewertet worden sei und ob in den Batches 4311907 und 4320997 Mahlglas 220-N der Lot Nr. 2949181013 - wie in D17 - eingesetzt worden sei.
a) Diesbezüglich ist zuerst festzustellen, dass im geltenden Anspruch 1 keine Einschränkung bezüglich der Definition der d90 Werte - z.B. ob Teilchenoberfläche oder Teilchenvolumen definiert - angegeben wird. Somit sollte das Merkmal d90 des Anspruchs 1 in seiner breitesten, technisch sinnvollen Bedeutung gelesen werden. Die Tatsache, dass in Absatz 43 des Streitpatents angegeben wird, dass die Angaben der Teilchengrößenverteilung bzw. der Teilchengrößen sich auf sogenannte oberflächenbasierte Teilchengrößen beziehen, ändert an dieser Schlussfolgerung nichts, da
sich eine solche Interpretation aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 per se nicht eindeutig ergibt.
b) Ferner wird in D17 angegeben, dass das dort untersuchte Mahlglas einen d90 von 45.71 mym (Seite 4, oben und Seite 5) und einer Höchstlänge von 327 mym (Seite 1, Punkt 2) bestimmt durch Lasergranulometrie (siehe Titel der D17 in Abschnitt 7 auf Seite 2 der angefochtenen Entscheidung) aufweist. Wie von der Beschwerdeführerin dargelegt, ist ferner aus D42 ersichtlich, dass die Angabe "HELOS" (D17: Seite 4, oben) zeigt, dass die Messung von D17 durch Laserdiffraktometrie durchgeführt wurde, was nicht bestritten wurde. Der von der Beschwerdegegnerin in ihrem letzten Schriftsatz vorgebrachte Einwand, dass die d90 und die Längen-Merkmale des Mahlglases gemäß D17 nicht der Definition der Komponente B) des geltenden Anspruchs 1 entspreche, ist demnach von Dokumenten nicht unterstützt und stellt somit eine bloße Behauptung dar, die nicht zu überzeugen vermag.
2.4.3 Es wurde von der Beschwerdegegnerin auch nicht mit stichhaltigen Beweismitteln gezeigt, dass sich der d90-Wert und die Länge des Mahlglases "220-N" mit der Zeit verändert haben. Somit stellt auch das Argument, dass das in D16 und D17 untersuchte Mahlglas "220-N" dem Produkt "220-N" der D38a oder D39a nicht zwangsläufig entspreche, eine reine Behauptung dar, der die Kammer nicht folgt.
2.4.4 In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Meinung, dass aus D12 und D27 ersichtlich sei, dass unterschiedliche Zusammensetzungen unter die Bezeichnung "Technyl C52 G1 V25 Grey 2225 CF" fallen könnten.
Jedoch ist dieser Umstand im vorliegenden Fall für die Kammer nicht entscheidend, da die Zusammensetzung der an die ETI PROPLAST d.o.o. gelieferten Batches 4311907 und 4320997 bereits aus den Dokumenten D38a und D39a hervorgeht.
2.4.5 Es wurde daher ausreichend nachgewiesen, dass der Gegenstand ("was") der Vorbenutzung einer Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags entspricht.
2.5 Die Umstände der Vorbenutzung ("wie?")
2.5.1 Es war zwischen den Parteien strittig, ob die Lieferung der Batches 4311907 und 4320997 im Rahmen eines normalen Verkaufsvertrags zwischen zwei Unternehmen erfolgt sei (wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen) oder, ob das vorbenutzte Produkt im Rahmen eines gemeinsamen Projekts der beiden Unternehmen entwickelt worden sei, und die Lieferung der Batches zu Testzwecken erfolgt sei und einer impliziten Geheimhaltung unterlegen habe (so der Vortrag der Beschwerdegegnerin).
2.5.2 In diesem Zusammenhang ist die Kammer der Auffassung, dass die Dokumente D7 bis D10 und D11/D11a, wie im Abschnitt 2.3.1 oben bereits ausgeführt, auf einen normalen Verkaufsvorgang (bezüglich 11 Tonnen der Batchnummern 4311907 und 4320997) zwischen zwei Unternehmen hinweisen.
2.5.3 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, brachte die Beschwerdegegnerin vor, dass D7 bis D10 und D11/D11a keinen normalen Verkauf dokumentieren würden. Die bezahlte Summe sei lediglich eine Vergütung für die Testlieferung der genannten Batches, die im Rahmen eines Entwicklungsauftrags der ETI PROPLAST d.o.o. erfolgt sei. Es handele sich bei dem Produkt um eine spezielle Zusammensetzung, die von Rhodia nach den Spezifikationen von ETI PROPLAST d.o.o. individuell hergestellt worden sei.
Wie jedoch bereits oben ausgeführt (vgl. Punkt 2.3.1) betreffen die Dokumente D7 bis D10 und D11/D11a explizit die Abwicklung der Lieferung der Batches 4311907 und 4320997, wobei alles dafür spricht, dass es sich dabei um den Verkauf einer Ware (Auftrag, Bestätigung des Auftrags, Lieferschein, Rechnung, Zahlung) und nicht um eine Vergütung im Rahmen einer gemeinsamen Entwicklungstätigkeit handelt.
2.5.4 Die Beschwerdegegnerin brachte dagegen vor, dass aus D12 ersichtlich sei, dass nicht ein Standardprodukt geliefert worden sei, sondern dass es sich hierbei um eine nach den Spezifikationen von ETI PROPLAST d.o.o. speziell angefertigte Zusammensetzung gehandelt habe, sodass aufgrund dieser gemeinsamen Entwicklung eine implizite Geheimhaltungsverpflichtung anzunehmen sei.
a) Hierzu ist zu bemerken, dass es sich bei der D12 um ein "Production Transfer Sheet" der Rhodia, Frankreich, für das Material "Technyl C52 G1 V25 Grey 2225 CF" handelt, wobei nicht bestritten wurde, dass dieses die Zusammensetzungen der Batches 4311907 und 4320997 betrifft. Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin insofern zu, als daraus hervorgeht, dass die Forschungs- und Entwicklungsabteilung ("R&D") der Rhodia, eine Zusammensetzung speziell für ETI PROPLAST d.o.o. entwickelt hat (siehe Anmerkung in D12 "C52 G1 V25 grade specially developed for ETI"). In der D12 werden offenbar Spezifikationen für die Zusammensetzung des herzustellenden Produkts "Technyl C52 G1 V25 Grey 2225 CF" angegeben. Aus den Dokumenten D38a und D39a geht ferner hervor, dass dieses unter den Batchnummern 4311907 und 4320997 produziert wurde, wie von der Beschwerdeführerin dargelegt (Beschwerdebegründung : Abschnitt 3.b) auf Seiten 11 bis 14; siehe insbesondere die Referenz zum parallelen Fall: "Abschnitt 4.4.1.2" auf Seite 12). Obgleich somit davon auszugehen ist, dass die Zusammensetzungen speziell für ETI PROPLAST d.o.o. entwickelt wurden, reichen die Angaben in der D12 jedoch nicht aus, um daraus zu schließen, dass diese im Rahmen einer gemeinsamen Entwicklungstätigkeit beider Unternehmen erstellt wurden. Die D12 spricht eher für eine - übliche - Anpassung einer Formulierung an Kundenanforderungen (z.B. beruhend auf gesetzlichen Anforderungen oder im Hinblick auf einen konkreten Einsatzzweck, wie auch in D12 angegeben - "Used for: Mini-circuit breakers" -), ohne dass es sich hierbei um eine gemeinsame Entwicklung eines Produkts handelt, bei dem von einer Geheimhaltungsverpflichtung ausgegangen werden könnte. Nach der Überzeugung der Kammer handelt es sich somit um eine gewöhnliche Auftragsarbeit auf der Grundlage von Spezifikationen im Sinne von technischen Anforderungen, nicht jedoch um eine gemeinsame Entwicklungstätigkeit, bei der beide Seiten zum Gelingen eines gemeinsamen Projekts einen Entwicklungsbeitrag leisten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Verkäufer Rhodia eine bestehende Produktlinie lediglich im Hinblick auf die konkreten technischen Anforderungen des Kunden ETI PROPLAST d.o.o. angepasst hat, was jedoch nicht als eine gemeinsame Entwicklung eines Produkts durch die Vertragspartner angesehen werden kann.
b) In der Beschwerdebegründung machte die Beschwerdeführerin geltend, dass im Hinblick auf D44 (erster Satz unter der Tabelle) davon auszugehen sei, dass der Verkauf von "Technyl C52 G1 V25 Grey 2225 CF" an ETI PROPLAST d.o.o. ohne Geheimhaltungsverpflichtung stattgefunden habe.
In der Tat stützt die in D44 enthaltene Erklärung ("We also confirm that no NDA or binding agreement whatsoever was mutually signed by ETI and Solvay prior to the development or commercialization of the aforementioned Technyl grade") die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass weder eine explizite noch eine implizite Geheimhaltungsverpflichtung bestanden hat.
c) Angesichts der obigen Ausführungen kommt die Kammer zu der Schlussfolgerung, dass eine über eine gewöhnliche Geschäftsbeziehung im Rahmen eines Verkaufsgeschäfts hinausgehende, gemeinsame Entwicklungstätigkeit nicht vorlag, welche ein beidseitiges Interesse an der Geheimhaltung von Entwicklungsergebnissen hätte begründen können.
| |
2.5.5 Die Beschwerdegegnerin brachte vor, dass angesichts der gelieferten Menge, nämlich 11 Tonnen aufgeteilt in einen ersten kleinen Ansatz von 1250 kg und danach in einen zweiten Ansatz im Maßstab von 9900 kg, von einer Testlieferung (d.h. keine Serienproduktion) auszugehen sei. Jedoch teilt die Kammer die Meinung der Beschwerdegegnerin nicht, da angesichts des Umfangs einer Lieferung von 11 Tonnen nicht mehr von einer Stichprobe oder einer Lieferung zu Testzwecken ausgegangen werden kann. Eine Lieferung im Umfang von 11 Tonnen zu Testzwecken entspricht jedenfalls nicht den Usancen des Geschäftsverkehrs.| |
|
2.5.6 Nach der Beschwerdegegnerin gehe aus den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" von Solvay/Rhodia (D30a-c) und dem Kommentar der Rechtsanwälte Braun und Paschke (D30d) hervor, dass die Zusammensetzung der verkauften Batches 4311907 und 4320997 aufgrund der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof von Polen als Betriebsgeheimnis einzustufen sei und somit bei diesem Verkauf eine implizite Geheimhaltungsverpflichtung bestanden habe (Beschwerdeerwiderung: Abschnitt VII).
Nach Auffassung der Kammer wird die Frage des Bestehens von Geheimhaltungsverpflichtungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (D30c) nicht behandelt und D30d betrifft offenbar wettbewerbsrechtliche Grundsätze der polnischen Rechtsprechung zur Frage von Betriebsgeheimnissen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Frage des etwaigen Bestehens einer Geheimhaltungsverpflichtung bezüglich einer konkreten Lieferung, die im Rahmen eines Kaufvertrags erfolgte. D30d ist daher für die im vorliegenden Fall zu entscheidende Frage nicht relevant. Am Rande ist zu bemerken, dass ein Unternehmer nach D30d ein Betriebsgeheimnis klar nach außen zum Ausdruck bringen sollte (D30d: Seite 1, letzter Absatz), was hier - im Licht der vorhandenen Beweismitteln - jedoch offenbar nicht geschehen ist. Aus den vorgenannten Gründen können die Argumente der Beschwerdegegnerin nicht überzeugen.
2.5.7 Nach der Beschwerdegegnerin sei eine Vorbenutzung nicht anzuerkennen, da nicht belegt worden sei, was ETI PROPLAST d.o.o. vor dem Prioritätstag des Streitpatents mit der geliefertem Zusammensetzung produziert hat (vgl. Beschwerdeerwiderung: Abschnitt VI.5, Seite 13, fünfter Unterpunkt).
a) Die Frage, was ETI mit der gelieferten Zusammensetzung gemacht hat und welche Produkte damit produziert wurden, ist jedoch für den vorliegenden Fall nicht relevant. In der Tat ist es ausreichend (siehe Abschnitt 2.6 unten), um eine offenkundige Vorbenutzung anzuerkennen, dass belegt ist, dass eine Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags vor dem Prioritätstag/Anmeldedatum des Streitpatents ohne (implizite) Geheimhaltungsverpflichtung verkauft wurde.
b) Aus dem gleichen Grund ist im vorliegenden Fall auch nicht relevant, ob - wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht - die zitierten Dokumente belegen, dass die Batches 4311907 und 4320997 von ETI PROPLAST d.o.o. vor dem Prioritätstag des Streitpatents zu einem kommerziellen Produkt verarbeitet und vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zum Kauf angeboten worden sei oder, ob eine Serienproduktion lief (vgl. Beschwerdeerwiderung: Abschnitt VI.4, erster Absatz; Abschnitt VI.5, Seite 13, letzten beiden Unterpunkte; Schriftsatz vom 22. Juli 2022: Seiten 22-24, Punkte a) bis l)). Auch ist nicht relevant, ob Produkte wie Leitungsschutzschalter als "sicherheitsrelevante Erzeugnisse" einen langen behördlichen Genehmigungsprozess durchlaufen müssen (vgl. Beschwerdeerwiderung: Abschnitt VI.5, Seite 14, dritter Absatz und Seite 15, erster voller Absatz).
c) Somit sind diese Argumente der Beschwerdegegnerin nicht überzeugend.
2.5.8 In Anbetracht des Vorstehenden ist die Kammer zu dem Schluss gelangt, dass die Lieferung von 11 Tonnen "Technyl C52 G1 V25 Grey 2225 CF" am 28. November 2013 (Batches 4311907 und 4320997) gemäß geltend gemachter Vorbenutzung weder einer ausdrücklichen noch einer stillschweigenden Geheimhaltungsvereinbarung zwischen Rhodia, Polen und ETI PROPLAST d.o.o. unterlag.
2.6 Gemäß ständiger Rechtsprechung ist der Verkauf eines Produktes - sofern keine besonderen Umstände vorliegen - ausreichend, um dieses der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Rechtsprechung, supra, I.C.3.2.4.b, in Bezug auf T 1682/09 und I.C.3.3.1, erster Absatz).
2.6.1 Die Beschwerdegegnerin wandte ein, dass die Entscheidung T 1682/09 für den vorliegenden Fall nicht relevant sei (Schriftsatz vom 22. Juli 2022: Abschnitt VI.1).
Dem kann die Kammer nicht folgen, da in den Gründen 3.2.3 (erster Absatz, zweiter Satz; siehe auch den letzten Satz desselben Absatzes) der T 1682/09 explizit festgehalten wird, dass die Kammer den oben genannten Grundsatz angewendet hat, d.h. dass der Verkauf eines Produktes - sofern keine besonderen Umstände vorliegen - ausreichend ist, um dieses der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
2.7 Da die Lieferung von 11 Tonnen "Technyl C52 G1 V25 Grey 2225 CF" am 28. November 2013 im Rahmen eines gewöhnlichen Verkaufs an ein Mitglied der Öffentlichkeit erfolgte, wurden dadurch der Kunststoff und seine Zusammensetzung vor dem Prioritätstag/Anmeldedatum des Streitpatents öffentlich zugänglich gemacht. Die Vorbenutzung "Technyl C52 G1 V25 Grey 2225 CF"/Batches 4311907 und 4320997 gehört somit zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ.
2.8 Angesichts der in Abschnitt 2.4 ("was?") gezogene Schlussfolgerung, dass die Zusammensetzung der Batches 4311907 und 4320997 dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags entspricht, ist dieser Gegenstand nicht neu und der Hauptantrag nicht gewährbar.
Hilfsantrag 1
3. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags lediglich dadurch, dass die Definition der Messmethode für die Bestimmung der d90 von Komponente B) geändert wurde. Während der mündlichen Verhandlung erklärte insbesondere auch die Beschwerdegegnerin, dass die Schlussfolgerung zum Hauptantrag hinsichtlich der Neuheit auch für die Zusammensetzung nach dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 gelten würde. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist somit gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung nicht neu.
Hilfsantrag 2
4. Zulassung des Hilfsantrags 2
4.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wandte die Beschwerdeführerin ein, dass der Hilfsantrag 2 wegen mangelnder Substantiierung nicht ins Verfahren zuzulassen sei.
4.2 In diesem Zusammenhang war es zwischen den Parteien nicht strittig, dass der Hilfsantrag 2 bereits im Einspruchsverfahren eingereicht und mit der Beschwerdeerwiderung weiterverfolgt wurde. Unter dieser Umstände ist zu beurteilen, ob es gerechtfertigt wäre, der Hilfsantrag 2 nach Artikel 12 (5) VOBK 2020 nicht zuzulassen, weil die Beschwerdegegnerin in Bezug auf diesen Hilfsantrag nicht ausdrücklich alle geltend gemachten Argumente gemäß Artikel 12 (3) VOBK 2020 im Einzelnen angeführt hat.
4.3 Diesbezüglich wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten, dass sie zu den Hilfsanträgen nicht Stellung genommen hat (weder im Beschwerde- noch im Einspruchsverfahren). Insbesondere hat die Beschwerdegegnerin nicht dargelegt, inwiefern die im Hilfsantrag 2 durchgeführten Änderungen zur Frage der ausreichenden Offenbarung, der Neuheit und/oder der erfinderischen Tätigkeit beitragen würden.
4.4 Gemäß ständiger Rechtsprechung kann ein Hilfsantrag, der in der Beschwerdeerwiderung nicht substantiiert wurde, aus diesem Grund nicht zugelassen werden (Rechtsprechung, supra, V.A.5.12.6, in Bezug auf T 217/10; siehe auch T 420/14; diese Rechtsprechung betrifft die geforderte Substantiierung nach Artikel 12 (2) VOBK 2007 und ist ebenso gültig in Bezug auf Artikel 12 (3) VOBK 2020, da beide Artikeln inhaltlich identisch sind, insofern sie fordern: "Die Beschwerdebegründung und die Erwiderung müssen das vollständige Beschwerdevorbringen eines Beteiligten enthalten. Dementsprechend müssen sie deutlich und knapp angeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen; sie sollen ausdrücklich alle geltend gemachten Anträge, Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel im Einzelnen anführen"). Eine Substantiierung ist nach ständiger Rechtsprechung jedoch nicht erforderlich, wenn der Hilfsantrag keiner Erklärung bedarf, weil die Änderungen selbsterklärend sind (Rechtsprechung, supra, V.A.5.12.6, in Bezug auf T 217/10, letzter Satz "zumindest, wenn dies anhand der hierin eingefügten Änderungen nicht offensichtlich ist"; siehe auch die Absätze in Bezug auf T 1836/12 und T 568/14).
4.5 Im vorliegenden Fall unterscheidet sich Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 vom Anspruch 1 des Hauptantrags lediglich dadurch, dass er auf "Elektrobauteile, vorzugsweise FI-Schalter und Leitungsschutzschalter, basierend auf Zusammensetzungen" gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags gerichtet ist. Somit ist es offensichtlich, dass die durchgeführten Änderungen jedenfalls dazu dienen, den Einwand mangelnder Neuheit gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung - welcher ausschließlich die Zusammensetzungen selbst und nicht die daraus hergestellten Gegenstände betraf - auszuräumen. Aus diesen Gründen bedurfte die Einreichung des Hilfsantrags 2 im vorliegenden Fall keiner ausdrücklichen Substantiierung.
4.6 Somit folgte die Kammer dem Antrag der Beschwerdeführerin, den Hilfsantrag 2 nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 12 (5) VOBK 2020), nicht, sodass der Hilfsantrag 2 im Verfahren ist.
5. Zulassung des Einwands mangelnder Neuheit des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung
5.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer brachte die Beschwerdeführerin den Einwand, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung nicht neu sei, erstmals vor und beantragte die Zulassung dieses Einwands in das Verfahren. Sie führte hierzu aus, bereits in der Beschwerdebegründung einen Neuheitseinwand hinsichtlich des Verwendungsanspruchs 13 des Hauptantrags gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung (angesichts von D44) vorgebracht zu haben. Aus diesem Grund sei implizit auch ein Neuheitseinwand gegenüber dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 vorgetragen worden. Ferner sollte berücksichtigt werden, dass der Hilfsantrag 2 ohne explizite Substantiierung zugelassen wurde. Aus dem gleichen Grund sollte der - mindestens implizit vorgebrachte - Neuheitseinwand, der auf der offenkundigen Vorbenutzung beruht, zugelassen werden.
5.2 In diesem Zusammenhang ist aus der Beschwerdebegründung (Seite 19: Abschnitte "Claim 13" und "Auxiliary Request 2") ersichtlich, dass in der Beschwerdebegründung die Neuheit des Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 per se nicht angegriffen wurde.
Zudem ist zu bemerken, dass der Neuheitseinwand auf einer bisher nicht vorgebrachten offenkundigen Vorbenutzung beruht, nämlich in Bezug auf Elektroteile (und nicht mehr in Bezug auf eine Kunststoffzusammensetzung). Für eine solche Vorbenutzung sind wie in Abschnitt 2.2 oben dargelegt, eine ganze Reihe von Sachverhalten (wann, was, wo, wie, durch wen) zu klären. Die Beschwerdebegründung enthält diesbezüglich jedoch überhaupt keine Informationen.
Somit stellt der erstmals während der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Neuheitseinwand zweifellos eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2020 dar, deren Zulassung ins Verfahren nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 zu prüfen ist (siehe Abschnitt 1.2 oben).
5.3 Die Beschwerdegegnerin hat allerdings zu keinem Zeitpunkt gezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die das Vorbringen dieses neuen Einwands zu einem solchen späten Zeitpunkt des Beschwerdeverfahrens rechtfertigen könnten.
5.4 Da der Hilfsantrag 2 bereits im Einspruchsverfahren vorgelegt und mit der Beschwerdeerwiderung weiter aufrechterhalten wurde, hätte der Einwand jedenfalls als Reaktion auf die Beschwerdeerwiderung, vorgebracht werden können.
5.5 Die Tatsache, dass der Hilfsantrag 2 trotz mangelnder Substantiierung zugelassen wurde, ist für die Frage der Zulassung des neuen Einwands nicht entscheidend. In der Tat ist durch die Zulassung des Hilfsantrags 2, der bereits im Einspruchsverfahren vorhanden war und mit der Beschwerdeerwiderung weiterverfolgt wurde, keine geänderte Verfahrenslage entstanden, die die Zulassung eines solch späten Einwands im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK 2020 rechtfertigen könnte. Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass der Neuheitseinwand ein Beweisverfahren hinsichtlich eines völlig neuen Sachverhaltes erfordern würde, nämlich die Frage, ob ein bestimmter Elektrobauteil der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass selbst die hierfür erforderlichen, entsprechend substantiierten Sachverhaltsbehauptungen erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hätten vorgetragen werden müssen. Für die Durchführung eines entsprechenden Beweisverfahrens wäre eine Vertagung der mündlichen Verhandlung bzw. eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung erforderlich gewesen, was der Verfahrensökonomie abträglich gewesen wäre.
5.6 Aus diesen Gründen wurde der erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Neuheitseinwand gegen den Hilfsantrag 2, der auf einer angeblichen Vorbenutzung eines Elektrobauteils beruht, nicht ins Verfahren zugelassen.
6. Weitere Einwände gegen den Hilfsantrag 2
Wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erklärt (siehe Protokoll: Seite 3, Abschnitt "Hilfsantrag 2", erster Absatz und letzter Absatz), erhob die Beschwerdeführerin gegen den Hilfsantrag 2 lediglich einen weiteren Einwand, nämlich den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit hinsichtlich des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ausgehend von D4 als nächstliegendem Stand der Technik.
7. Erfinderische Tätigkeit
7.1 Nächstliegender Stand der Technik
Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin sind im Einklang der Auffassung, dass D4 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Die Kammer sieht auch keinen Grund davon abzuweichen. In diesem Zusammenhang stellt das Beispiel 1 von D4 einen besonders gut geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar.
7.2 Unterscheidungsmerkmal(e)
7.2.1 D4 (Ansprüche 1 und 2) offenbart eine Polyamidzusammensetzung enthaltend A) 5-95 Gew% eines thermoplastischen Polyamids, B) 0,01-40 Gew% Melamincyanurat und C) 5-80 Gew% eines nicht-faserförmigen und nichtgeschäumten gemahlenen Glases mit d90 von 10-200 mym. Eine solche Zusammensetzung wird insbesondere im Beispiel 1 der D4 vorbereitet (siehe Tabelle 1).
7.2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von der Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 1 der D4 dadurch, dass
- er spezifisch auf Elektrobauteile gerichtet ist;
- die Zusammensetzung, auf welcher die beanspruchten Elektrobauteile basieren, weiterhin 4 bis 6 Gew-% geschnittene Langglasfasern mit einer Ausgangslänge im Bereich von 1 bis 50 mm (Komponente C) gemäß geltendem Anspruch 1) enthält.
7.3 Die gegenüber D4 gelöste Aufgabe
7.3.1 Die Beschwerdegegnerin brachte vor, dass die gelöste technische Aufgabe in der Bereitstellung von Elektrobauteilen beruhend auf Polyamid basierten Zusammensetzungen mit hoher Wärmeformbeständigkeit (d.h. HDTA gemäß Absatz 150 des Streitpatents von mindestens 150 °C) und hoher Selbstverlöschungseigenschaften (d.h. Glühdrahtbeständigkeit - GWFI - gemäß Absatz 147 des Streitpatents von mindestens 960 °C) bei Beibehalten von guten mechanischen Eigenschaften bestehe. Diesbezüglich würden die Beispiele des Streitpatents sowie die zusätzlichen Beispiele der Tabelle auf Seite 18 der Beschwerdeerwiderung zeigen, dass diese Aufgabe tatsächlich gelöst sei.
7.3.2 Diesbezüglich ist der Einspruchsabteilung zuzustimmen, dass es keinen fairen, direkten Vergleich zwischen einer Zusammensetzung wie im geltenden Anspruch 1 definiert und einer Zusammensetzung gemäß Beispiel 1 der D4 gibt (Begründung der angefochtenen Entscheidung: Abschnitt 7.4).
7.3.3 Jedoch stellen die in der Tabelle auf Seite 18 der Beschwerdeerwiderung angegebenen Vergleichsbeispiele 1, 3, 4, 8 und 9 nachgestellte Varianten des nächstliegenden Stands der Technik dar, welche ermöglichen, dass die auf das Unterscheidungsmerkmal zurückzuführende vorteilhafte Wirkung deutlicher nachgewiesen werden kann (Rechtsprechung, supra, I.D.4.3.2; siehe insbesondere T 35/85: Abschnitt 4 der Begründung und T 197/86, ABl. 1989, 371: Abschnitt 6.1.3 der Begründung). Mit dieser Tabelle hat die Beschwerdegegnerin gezeigt, dass hohe HDTA- und hohe GWFI-Eigenschaften (GWFI von mindestens 960°C als auch ein HDTA von mindestens 150°C für dünnwandige Bauteile von 0,75mm) nur in dem engen Bereich von 4 bis 6 Gew.-% der Komponente C) zu erzielen sind (Beispiele 2, 5 und 6). Mit 1 bis 3 Gew.-% der Komponente C) liegt HDTA unter 150°C (Vergleichsbeispiele 1, 3 und 4), während mit 7 bis 9 Gew.-% der Komponente C) der GWFI unter die geforderten 960°C (Vergleichsbeispiele 7 bis 9) fällt.
Ähnliche Schlussfolgerungen lassen sich aus dem Vergleich von Beispiel 2 des Streitpatents (gemäß der im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definierten Zusammensetzung) mit Beispiel 1 des Streitpatents (jetzt Vergleichszusammensetzung; siehe Tabelle 2). Mit einem Gehalt an Komponente C) von 3 Gew.% (Beispiel 1) anstatt von 4 Gew.% (Beispiel 2) nehmen sowohl die Wärmeformbeständigkeit (HDTA: 132 °C anstatt von 151 °C) als auch die mechanischen Eigenschaften ab.
Mit diesen Vergleichsbeispielen hat die Beschwerdegegnerin glaubhaft gemacht, dass die von ihr formulierte Aufgabe gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik tatsächlich gelöst wurde.
7.3.4 Die Beschwerdeführerin hat die gelöste Aufgabe lediglich als die Bereitstellung von Elektrobauteilen beruhend auf weiteren Polyamid basierten Zusammensetzungen mit hohen GWFI-Eigenschaften definiert. Die Beschwerdeführerin hat jedoch nicht dargelegt, warum die von der Beschwerdegegnerin angegebene Formulierung der Aufgabe nicht richtig sei. In diesem Zusammenhang ist in Ermangelung jeglicher Gegenbeweise der Einwand der Beschwerdeführerin, dass die von der Beschwerdegegnerin beanspruchten Effekte nicht auf der gesamten Breite des Anspruchs erreicht werden, nicht überzeugend.
7.3.5 Somit besteht die tatsächlich gelöste Aufgabe gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, in der Bereitstellung von Elektrobauteilen beruhend auf Polyamid basierten Zusammensetzungen mit hoher Wärmeformbeständigkeit und hoher Selbstverlöschungseigenschaften bei Beibehalten von guten mechanischen Eigenschaften.
7.4 Naheliegen der Lösung
7.4.1 Es ist zu beantworten, ob es für den Fachmann naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, um zum beanspruchten Gegenstand zu kommen, mit dem Ziel, die oben definierte Aufgabe zu lösen.
7.4.2 Es ist aus D4 ersichtlich, dass die dort offenbarten Zusammensetzungen zur Herstellung von z.B. Elektrobauteilen geeignet sind (D4: Anspruch 22 und Absatz 161). Die Tatsache, dass die Zusammensetzung gemäß Beispiel 1 der D4 guten "Glow-Wire"-Widerstand (GWFI: siehe Absatz 165 der D4) und Flammwidrigkeit (V0 nach der Methode UL 94V: siehe Absatz 164 der D4) aufweist, spricht auch dafür, dass der Fachmann eine solche Zusammensetzung - ohne erfinderisch tätig zu werden - zur Herstellung von Elektrobauteilen verwenden würde.
7.4.3 Jedoch ist der Beschwerdegegnerin (Beschwerdeerwiderung: Seite 18 unten und Seite 19, oben) zuzustimmen, dass D4 (oder ein anderes zitiertes Dokument) keinen Hinweis darauf gibt, dass die Zugabe einer Komponente C) gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 zu der Zusammensetzung gemäß Beispiel 1 der D4 zu den erwünschten (hohen) Eigenschaften hinsichtlich GWFI und HDTA bei Behalten der mechanischen Eigenschaften führen würde.
7.4.4 Zwar lehrt D4, dass geschnittene Glasfasern in einer Menge von 0.01 bis 30 Gew.%, besonders bevorzugt 3 bis 7 Gew.% in den beanspruchten Zusammensetzungen zugegeben werden können (D4: Ansprüche 1, 2 und 8; Absatz 101, insbesondere fünfte Zeile; Absatz 109, letzten 6 Zeilen), wie von der Beschwerdeführerin dargelegt (Beschwerdebegründung: Seite 16, dritter Absatz). Jedoch werden geschnittene Langglasfasern mit einer Ausgangslänge im Bereich von 1 bis 50 mm gemäß Komponente C) des geltenden Anspruchs 1 in D4 nicht spezifisch offenbart.
Zwar werden im experimentellen Teil der D4 (siehe Absatz 173) solche geschnittenen Langglasfasern (siehe D5 bezüglich der Länge) offenbart, jedoch werden sie lediglich in den Vergleichsbeispielen C1 und C6 (welche kein nicht-faserförmiges und nicht-geschäumtes gemahlenes Glas gemäß der Lehre der D4 enthalten) und zudem in einer höheren Menge, als im geltenden Anspruch 1 definiert, eingesetzt.
Ferner zeigen die Vergleichsbeispiele C1 und C6 der D4, dass die Anwesenheit einer Komponente C) (Komponente G1 gemäß D4) anstatt von B) (Komponente C) gemäß D4) zu einer Verschlechterung der GWFI-Eigenschaften führen könnte, was gegen ihren Einsatz, um die gestellte Aufgabe zu lösen, spricht.
7.4.5 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ausgehend von D4 als nächstliegendem Stand der Technik nicht naheliegend und somit erfinderisch.
8. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die gegen den Hilfsantrag 2 vorgebrachten Einwände der Beschwerdeführerin entweder nicht zugelassen wurden (mangelnde Neuheit gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung) oder erfolglos waren (fehlende erfinderische Tätigkeit ausgehend von D4). Das Patent ist daher auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags 2 aufrecht zu erhalten.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Basis der Ansprüche des Hilfsantrags 2, eingereicht mit Schreiben vom 16. August 2019, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrecht zu erhalten.