T 0526/89 10-04-1991
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Vorrichtung zum Bewegen von Dosierkolben und von Füllrohren
Inventive step (yes)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
I. Auf den Gegenstand der am 20. Juli 1983 angemeldeten europäischen Patentanmeldung Nr. 83 107 073.5 ist am 14. Januar 1987 das drei Ansprüche umfassende europäische Patent 100 481 erteilt worden.
Der Anspruch 1 des erteilten Patents lautet:
"Vorrichtung zum Bewegen von Dosierkolben und von Füllrohren für eine Unter- oder Überspiegelfüllung von Behältnissen, mit sich während der Füllung verändernden Füllspiegeln, insbesondere von Formflaschen in Abfüllmaschinen, wobei die Bewegung programmgesteuert erfolgt, dadurch gekennzeichnet, daß der Dosierkolben (5) und das Füllrohr (18) jeweils von einer Schraubspindel (7, 11) mechanisch angetrieben ist und daß die stufenlos regelbaren Antriebe (10, 12) der Spindeln (7, 11) mit Hilfe eines programmierbaren Elektronenrechners aufeinander abgestimmt steuerbar sind."
II. Gegen das erteilte Patent ist ein Einspruch seitens des jetzigen Beschwerdegegners eingelegt und beantragt worden, das Patent zu widerrufen, da dessen Gegenstand nicht patentfähig sei. Die Begründung ist u. a. auf folgende Druckschriften (ihre Numerierung entspricht derjenigen in der Entscheidung) gestützt:
D6: US-A-3 744 538 D7: US-A-4 004 620 D8: DE-A-3 120 763 D9: DE-C-2 658 486 D10: DE-A-1 938 975 III. Durch Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 28. April 1989, zur Post gegeben am 12. Juni 1989, ist das Patent widerrufen worden mit der Begründung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 mit Rücksicht auf die den Druckschriften D6, D8 und D9 zu entnehmenden technischen Lehren nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
IV. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer (Patentinhaber) am 5. August 1989 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt. Die schriftliche Begründung der Beschwerde ist am 10. Oktober 1989 eingegangen.
V. Eine mündliche Verhandlung hat am 10. April 1991 stattgefunden.
1. Ausgehend von der Druckschrift D6, die nach seiner Ansicht den dem Gegenstand des Anspruchs 1 am nächsten kommenden Stand der Technik zeigt, präzisierte der Beschwerdeführer das zu lösende technische Problem im Sinne seiner diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerdebegründung und erläuterte die Lösung dieses Problems gemäß dem Anspruch 1. Dem Anspruch 1 ist nach dem Beschwerdeführer eindeutig zu entnehmen, daß diese Lösung unter anderem auch darauf beruht, daß Dosierkolben und Füllrohre durch je eine eigene Schraubenspindel angetrieben werden, von denen jede wiederum für sich einen eigenen Antrieb hat. Daher werden die Dosierkolben sowohl beim Ansaugen der abzufüllenden Substanz in die Dosierzylinder als auch bei deren Auspumpen aus den Dosierzylindern zwangsläufig von ihren Schraubenspindeln angetrieben.
Im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit, auf die der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe, brachte der Beschwerdeführer vor, daß die Lehre dieses Anspruchs, nämlich die Antriebe der Dosierkolben und Füllrohre voneinander zu trennen und durch ein Programm, das die für die Bewegung der Dosierkolben und Füllrohr spezifischen Parameter enthalte, zu verketten, durch keine der den vom Beschwerdegegner genannten Druckschriften zu entnehmenden Lehren angeregt werde.
2. Nach Auffassung des Beschwerdegegners sei der Stand der Technik, von dem im Oberbegriff des Anspruchs 1 ausgegangen werde, dem Fachmann allgemein geläufig, so daß es eigentlich eines Nachweises anhand der Druckschriften D6 oder D7 gar nicht bedürfe. Ausgehend von diesem Stand der Technik sei das zu lösende technische Problem nur darin zu sehen, die Vorrichtung nach dem allgemeinen bekannten Stand der Technik so weiterzubilden, daß die Umstellung von einem Format des zu füllenden Behältnisses auf ein anderes erleichtert werde.
Auf der Suche nach einem hierfür geeigneten Antrieb finde der hierfür zuständige Antriebsfachmann aufgrund seines Wissens zwangsläufig zur von einem Schrittmotor angetriebenen Schraubspindel, zumal ihm ein derartiger Antrieb nicht nur von Werkzeugmaschinen her, sondern auch bei Vorrichtungen zum Abmessen von Flüssigkeitsmengen bekannt sei, wie z. B. aus den Druckschriften D8 oder D9 sowie der in der Beschreibung genannten Druckschrift DE-B-1 598 903 (D2 laut Zählung des Beschwerdegegners in seinem Einspruchsschriftsatz). Diese Vorrichtungen seien zwar nur für kleine oder kleinste Flüssigkeitsmengen ausgelegt, jedoch sei es für den Fachmann naheliegend, das aus diesen Druckschriften bekannte Prinzip entsprechend für größere Flüssigkeitsmengen abzuändern. Aus wirtschaftlichen Gründen sei es für den Fachmann dann nur noch eine bloße ingenieursmäßige Tätigkeit, auch für den Antrieb der Füllrohre Schraubspindeln zu verwenden und diesen Antrieb mit dem der Dosierkolben durch eine CNC-Steuerung zu verknüpfen. Programmierbare Vorschubantriebe und deren Verknüpfung werden nämlich bereits auf dem Gebiet der Werkzeug- und Verpackungsmaschinen angewendet, wie der Druckschrift D10 zu entnehmen sei, so daß es daher auch aus diesen Gründen für den Fachmann naheliegend sei, bei einer Vorrichtung nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 einen CNC-Vorschubantrieb einzusetzen.
3. Einvernehmen zwischen den Beteiligten bestand darin, daß beim Gegenstand des Anspruchs 1 die Dosierzylinder durch die Dosierkolben in einem einzigen Hub ausgepumpt werden.
VI. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents.
Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Nächstkommender Stand der Technik Der Gegenstand des Anspruchs 1 betrifft eine Vorrichtung zum Bewegen von Dosierkolben und von Füllrohren. Vorrichtungen dieser Art, die im Sinne der Regel 29 (1) a) EPÜ die technischen Merkmale aufweisen, die zur Festlegung des beanspruchten Gegenstands der Erfindung notwendig sind, jedoch in Verbindung miteinander unbestritten zum Stand der Technik gehören, sind z. B. sowohl aus der Druckschrift D6 als auch aus der Druckschrift D7 bekannt.
2.1. Das aus der Druckschrift D6 (vgl. Sp. 2, Z. 17 bis 25; Sp. 4, Z. 33 bis 40; Sp. 5, Z. 64 bis Sp. 6, Z. 42; Sp. 7, Z. 68 bis Sp. 7., Z. 18; Sp. 9, Z. 1 bis 4) bekannte Gerät zum Dosieren und Verteilen von flüssigen und pastiösen Substanzen besteht aus einer Dosiervorrichtung (9) und einer Verteilvorrichtung (19). Die Dosiervorrichtung weist eine Anzahl Dosierkolben (15) und die Verteilvorrichtung eine entsprechende Anzahl Verteilköpfe (55) mit Füllrohren (56) auf. Die Dosierkolben werden durch einen Exzenterantrieb (46 bis 49), der über eine Welle (43) angetrieben wird, nur zum Auspumpen der im jeweiligen Dosierzylinder befindlichen Substanz betätigt. Die Verteilerköpfe werden dagegen entweder durch einen eigenen Exzenterantrieb (76, 82; Figuren 2 und 3) oder durch eine Kurvenscheibe (96; Figuren 5 und 6) sowohl abgesenkt als auch angehoben. Eine eigene Welle (73) treibt diesen Exzenterantrieb bzw. diese Kurvenscheibe an. Beide Wellen sind über einen Kettentrieb (70 bis 72) mechanisch miteinander gekoppelt, derart, daß mit einer Abwärtsbewegung der Dosierkolben gleichzeitig und proportional eine Aufwärtsbewegung der Verteilköpfe verbunden ist. Ein weiteres Ergebnis dieser mechanischen Kopplung ist, daß der Abstand zwischen dem Füllspiegel der in die Behältnisse abgefüllten Substanz und dem Auslaßende der Füllrohre während des Abfüllvorgangs nahezu konstant bleibt. Dieser Abstand ändert sich jedoch, wenn sich die Form der Behältnisse ändert. Um einen konstanten Abstand auf alle Fälle sicherzustellen, muß entweder die Form der Dosierkolben oder der Kurvenscheibe der Form dieser Behältnisse entsprechend angepaßt werden. Ferner ist es möglich, durch Verstellen des Hubs des Exzenterantriebs der Dosierkolben deren Hubhöhe zu verstellen, wodurch die Menge der abzufüllenden Substanz geändert wird. Schließlich können die Abwärtsbewegung der Dosierkolben und die Ab- und Aufwärtsbewegung der Verteilköpfe programmgesteuert erfolgen.
2.2. In der Vorrichtung zum Abfüllen von Flüssigkeiten nach der Druckschrift D7 (vgl. Sp. 4, Z. 43 bis Sp. 5, Z. 23; Sp. 8, Z. 5 bis Sp. 9, Z. 11; Ansprüche 1, 6, 11 und 12; Figuren 1 und 3) besteht die Dosiervorrichtung aus Pumpen (72) und die Verteilvorrichtung (51) aus einem Tragteil mit einer der Anzahl Pumpen entsprechenden Anzahl Füllrohren (50). Die Pumpen werden über je einen eigenen Exzenterantrieb (71) sowohl zum Ansaugen als auch zum Auspumpen betätigt, während das Tragteil mit den Füllrohren durch eine Nutkurve (61) und Kniehebel (57) abgesenkt und angehoben wird. Der Antrieb der Pumpen und des Tragteils mit den Füllrohren ist mechanisch miteinander gekoppelt und programmgesteuert. Diese Programmsteuerung steht im Zusammenhang mit einer Einrichtung (30, 230) zum Zuführen der zu füllenden Behältnisse (20) unter die Füllrohre. Eine Anpassung der Abfüllvorrichtung an unterschiedliche Formen der Behältnisse wird ermöglicht durch die Verwendung einer jeweils diesen Formen angepaßten Zuführeinrichtung (vgl. Sp. 3, Z. 27 bis 31; Sp. 4, Z. 37 bis 42).
2.3. Diesen bekannten Vorrichtung ist gemeinsam, daß die Betätigung der Dosierkolben und Füllrohre durch Exzenter oder Nocken oder Kurvenscheiben bzw. Nutkurven mit Kniehebeln erfolgt. Bei der Verwendung von unterschiedlichen Behältnissformen erfolgt daher eine Umstellung oder Umrüstung der Vorrichtungen bzw. ein Austausch von Teilen der Antriebe dieser Vorrichtungen unter großem Zeitaufwand. Derartige Stillstandzeiten haben unerwünschte Produktionsausfälle zur Folge. Außerdem lassen sich die bekannten Vorrichtungen nicht auf die unterschiedlichen Eigenschaften der verschiedenen von ihnen abzufüllenden Substanzen und damit verbunden auf deren von diesen Eigenschaften abhängendes Strömungsverhalten während des Ansaugens in die Dosierzylinder und des Auspumpens über die Füllrohre in die Behältnisse, die in Form und Querschnitt für die jeweilige Substanz vorgegeben sind, einstellen.
3. Aufgabe und Lösung
3.1. Ausgehend von dem obengenannten Stand der Technik hat der Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung das technische Problem, das durch den Gegenstand des Anspruchs 1 zu lösen ist, dahingehend präzisiert, daß die Vorrichtung nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 so ausgebildet wird, daß die Charakteristik der Dosierkolbenbewegung und der Füllrohrbewegung, nämlich die Weglänge, die Geschwindigkeit und Beschleunigung in jeder Bewegungsphase und Betriebszustand mechanisch unabhängig voneinander, jedoch aufeinander abgestimmt, frei gestaltet werden kann.
3.2. Diese gegenüber dem Stand der Technik objektive Aufgabenstellung unterscheidet sich von der in der angefochtenen Patentschrift genannten Aufgabe in ihrem sachlichen Inhalt dadurch, daß sie nicht schon Teile der Lösung (einfacher mechanischer Antrieb mit einer elektronischen Steuerung) enthält (vgl. T 229/85, "Ätzverfahren/SCHMID", ABl. EPA 1987, 237). Die jetzige Formulierung trägt folglich nur der tatsächlichen Sachlage Rechnung.
3.3. Die Lösung beruht auf dem Gedanken, für die Dosierkolben und Füllrohre jeweils eigene Antriebe vorzusehen, die so regelbar sind und durch eine Programmsteuerung derart miteinander verknüpft werden können, daß eine ständige, auf die jeweilige abzufüllende Substanz und die zu füllenden Behältnisse bezogene Steuerung der Bewegungen der Dosierkolben und der Füllrohre möglich ist. Die Verwendung von Schraubspindeln als Antrieb erlaubt einerseits eine Lagerung der ganzen Vorrichtung, die sich im Hinblick darauf, daß Schraubenspindeln die auftretenden mechanischen Kräfte aufzunehmen in der Lage sind, leicht bewerkstelligen läßt, andererseits mit Hilfe der stufenlos regelbaren Antriebe eine günstige Realisierung der Umsetzung der einzelnen von einem Elektronenrechner kommenden Steuerbefehle. So läßt sich während eines Füllzyklus die Geschwindigkeit des Hubs der Dosierkolben in Abhängigkeit von bestimmten Parametern wie Druck, Weglänge, Ausströmgeschwindigkeit, die wiederum von den Charakteristika der zu füllenden Behältnisse (Form, Größe, Material) und der abzufüllenden Substanzen (physikalische und chemische Eigenschaften) beeinflußt werden, verändern, um den Druck der abzufüllenden Substanz an den Austrittsöffnungen der Füllrohre zu beeinflussen. Gleichzeitig wird aber auch die Bewegung der Füllrohre - unabhängig zwar von dem Ansaughub und Auspumphub der Dosierkolben, aber auf jene abgestimmt - so gesteuert, daß die Geschwindigkeit dieser Bewegung in den Behältnissen der Geschwindigkeit des steigenden Füllspiegels fortlaufend angepaßt wird. Dies läßt ein Eingehen auf die von der Charakteristik der abzufüllenden Substanz abhängenden Art der Füllung (Unter-, Mitte- oder Überspiegelfüllung) zu.
4. Neuheit Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ, da keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften eine Vorrichtung mit allen in diesem Anspruch aufgeführten Merkmalen offenbart. Da auch der Beschwerdegegner während der mündlichen Verhandlung die Neuheit nicht mehr bestritten hat, erübrigt sich insoweit eine Begründung.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1. Den Druckschriften D6 und D7 entnimmt der Fachmann die Lehre, einen gemeinsamen Antrieb für die Bewegung der Dosierkolben und für die Bewegung der Füllrohre vorzusehen sowie diese Bewegungen jeweils abhängig voneinander über Exzenter, Kurvenscheiben, Nutkurven und Kniehebel zu steuern. Zwar findet sich in der Druckschrift D6 (vgl. Sp. 8, Z. 62 bis Sp. 9, Z. 4) ein Hinweis, daß die Abwärtsbewegung der Dosierkolben und die gleichzeitige und proportionale Aufwärtsbewegung der Verteilköpfe durch andere Mittel als ein mechanisches Übertragungssystem koordiniert werden können und diese Koordination auch mittels einer Programmiervorrichtung, die getrennt auf die Antriebsvorrichtungen der Dosierkolben und des Verteilkopfs einwirkt, erreicht werden kann, ohne jedoch weitere Einzelheiten anzugeben. Die Anregung, als getrennte Antriebe Schraubspindel zu nehmen und deren Antriebe über einen programmierbaren Elektronenrechner zu steuern, erhält der Fachmann aber nicht.
5.2. Aus den Druckschriften D2, D8 und D9 sind Vorrichtungen zum Dosieren von kleinen und kleinsten Flüssigkeitsmengen bekannt, die zur Durchführung einer großen Anzahl von Analysen in der Laborpraxis der verschiedensten Arbeitsgebiete benötigt werden. Die jeweiligen Dosierkolben dieser Vorrichtungen werden von Schraubspindeln angetrieben, die ihrerseits von Schrittmotoren angetrieben werden.
Bei diesen Dosiervorrichtungen geht es darum,
- die Meßgenauigkeit, speziell beim Abgeben kleiner Volumina, zu erhöhen (Druckschrift D2: Sp. 2, Z. 6 bis 11), bzw.
- alle möglichen Fehler des Kolbenantriebs und der Kolbenbewegung zu erfassen und auszuwerten, so daß diese Fehler nicht als Dosierfehler auftreten (Druckschrift D8: S. 3, Z. 13 bis 18), bzw.
- Flüssigkeitsproben unterschiedlicher Viskosität quantitativ im Micro- oder Milliliterbereich zu pipettieren und mit Reagenzien zu verdünnen sowie die Anlauf- und Auslaufcharakteristik der Kolbenbewegung nach einer von dem Gesamtvolumen der Pumpeneinheit und einer vorgewählten Kolbengeschwindigkeit abhängigen, nicht linearen Funktion zu steuern (Druckschrift D9:, Sp. 1, Z. 40 bis 46; Sp. 3, Z. 1 bis 16).
Damit die bekannten Dosiervorrichtungen auch den ihnen gemeinsamen Zweck, kleine und kleinste Flüssigkeitsmengen möglichst genau zu dosieren, erfüllen können, wird der Vorteil des Schrittmotors genützt, nämlich auf sehr kurze Impulse anzusprechen und jeden einzelnen Impuls relativ hochfrequenter Impulsfolgen exakt in einen entsprechenden Drehschritt umzusetzen. Dabei wird die Anzahl der Impulse zum Zurücklegen des von einem Programm abhängigen Kolbenwegs zugrundegelegt. So ist z. B. bei den Dosiervorrichtungen nach den Druckschriften D8 und D9 eine Steuer-, Rechen- und Vergleicherschaltung zum Berechnen des Kolbenwegs von der vorgewählten Flüssigkeitsmenge und von den Abmessungen des Kolben-Zylinder-Systems vorgesehen. Dadurch lassen sich in Abhängigkeit von der Größe der Dosiereinheit als kleinstes Inkrement Werte bis zu 1 µl einstellen bzw. Flüssigkeiten in einer Menge von 1 "l abgeben.
Die bekannten Dosiervorrichtungen unterscheiden sich von der Vorrichtung gemäß dem Anspruch 1 des angefochtenen Patents demnach
- erstens in der Größe, da sie nur zum Abgeben exakt abgemessener kleiner Flüssigkeitsmengen und nicht zum Füllen beliebig gestalteter Behältnisse dienen, und
- zweitens in ihrer Betriebsweise, da sie nur schrittweise die exakt vorherbestimmte Flüssigkeitsmenge aus dem Dosierzylinder abgeben und letzteren nicht in einem einzigen Hub entleeren sowie weder beim Ansaugen noch beim Auspumpen der Flüssigkeit die Charakteristika der Flüssigkeit und der sie aufnehmenden Behältnisse berücksichtigen.
Die Druckschriften D2, D8 und D9 betreffen somit ein Fachgebiet, das von dem der Abfüllvorrichtungen, von denen beim angefochtenen Patent ausgegangen wird, so weit entfernt ist, daß der Fachmann gar nicht auf den Gedanken kommt, sich bei derartigen Laborgeräten umzuschauen, um von ihnen Anregungen zu erhalten, die aus den Druckschriften D6 und D7 bekannten Antriebe und ihre Steuerung für die Dosierkolben und Füllrohre im Sinne der Lehre des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents umzustellen.
5.3. Die Druckschrift D10 (vgl. S. 1, Z. 1 bis S. 2, Z. 1) betrifft einen elektronischen Führungsgrößenerzeuger zum Steuern von Hubbewegungen, bei dem u. a. die Ausgangsgrößen von Funktionsgebern den Antrieben, die die Hubbewegungen erzeugen, zugeleitet werden. Solche Hubbewegungen treten beispielsweise an Verpackungsmaschinen oder an Werkzeugmaschinen auf und müssen in einigen charakteristischen Größen, wie Hubbeginn, Hubende, Steilheit und Hubhöhe einstellbar sein.
Gemäß dieser Druckschrift (vgl. S. 2, Z. 1 bis 11) ist es auch bekannt, für derartige Anwendungsfälle Hubbewegungen mit Hilfe von Kurvenscheibenantrieben zu erzeugen. Bei diesen Antrieben sind jedoch die einzelnen Größen der Hubbewegungen nur dadurch zu verändern, daß Kurvenscheiben ausgewechselt werden, da mit einer Kurvenscheibe jeweils nur eine Hubbewegung festgelegt ist. Es ist ferner bekannt, mit Hilfe von hydraulischen oder pneumatischen Antrieben Hubbewegungen durchzuführen, jedoch sind derartige Antriebe schwierig umzuprogrammieren.
Um eine Vorrichtung zum Erzeugen von Hubbewegungen zu schaffen, bei der die Hubverläufe sehr einfach in weiten Grenzen verändert werden können, ist nach der Druckschrift D10 (vgl. S. 2, Z. 11 bis 19, Anspruch 1) vorgesehen, jedem Funktionsgeber ein Funktionselement zuzuordnen.
Weitere Einzelheiten hinsichtlich der Art der Verpackungsmaschinen und über die Art der Antriebe, die bei den Verpackungs- oder Werkzeugmaschinen anstelle des obengenannten Kurvenscheiben-, Hydraulik-oder Pneumatikantriebe die Hubbewegungen ausführen, ist weder der Beschreibung des elektronischen Führungsgrößenerzeugers noch den dargestellten Ausführungsbeispielen zu entnehmen.
Es wird in Zusammenhang mit dem Hinweis auf Werkzeugmaschinen nicht bestritten, daß in Werkzeugmaschinen Schraubspindelgetriebe bekannt sind. Der Ansicht des Beschwerdegegners jedoch, daß es daher für den Fachmann naheliege, gerade Schraubspindeln - als eine der von ihm selbst genannten mehreren Möglichkeiten (Kolben, Kurbel, Riemen, Schraubspindel, Zahnstange) - bei einer Verpackungsmaschine nach Art der in den Druckschriften D6 oder D7 genannen Abfüllvorrichtungen anstelle der Exzenter zum Bewegen der Dosierkolben und gleichfalls aus wirtschaftlichen Gründen, anstelle der Kurvenscheiben, Nutkurven und Kniehebel zum Bewegen der Führungsrohre zu verwenden, vermag die Kammer nicht zu folgen. Denn in der Druckschrift D10 wird auf die Problematik, die beim Abfüllen unterschiedlicher Substanzen mit verschiedenen Eigenschaften in Behältnisse unterschiedlicher Formen auftreten, überhaupt nicht eingegangen.
Die Druckschrift D10 gibt mithin keine Anregung, die Dosierkolben und Füllrohre für eine Unter- oder Überspiegelfüllung von Behältnissen, deren Füllspiegeln sich während der Füllung verändern, über jeweils eigene Schraubspindeln anzutreiben und die Antriebe in Abhängigkeit von den Charakteristika der abzufüllenden Substanzen und der zu füllenden Behältnisse zu steuern.
5.4. Aber auch in Verbindung mit der den Druckschriften D2, D8 und D9 zu entnehmenden Lehre und mit dem allgemeinen Wissen des Fachmanns ist kein Weg zu sehen, der von der Lehre der Druckschrift D10 zu der Lehre der Erfindung nach dem angefochtenen Patent führen könnte, da - wie schon festgestellt (vgl. obigen Abschnitt 5.2) - die Druckschriften D2, D8 und D9 ein Fachgebiet betreffen, das von dem des Gegenstands der Erfindung noch weiter entfernt liegt als das in der Druckschrift D10 genannte Fachgebiet und damit verbunden eine ganz andere Aufgabenstellung zum Inhalt haben.
5.5. Der Inhalt der übrigen vorliegenden Druckschriften, zu denen in der mündlichen Verhandlung nichts mehr vorgebracht worden ist, kommt dem Gegenstand des Anspruchs 1 auch nicht näher als das, was der Fachmann dem in den vorausgehenden Abschnitten erörterten Stand der Technik entnimmt. Sie können daher weder für sich noch in Verbindung mit den durch den Stand der Technik vermittelten Lehren eine Anregung geben, aufgrund deren der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit zu einer Vorrichtung gemäß der Lehre des erteilten Anspruchs 1 gelangen würde.
5.6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht mithin auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
6. Das Patent hat deshalb Bestand und kann mit dem Anspruch 1 sowie den auf ihn rückbezogenen Ansprüchen 2 und 3 in unveränderter Form aufrechterhalten werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten.