T 0760/89 (Rückgabe von Dokumenten) 06-09-1993
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1. Dokumente, die im Einspruchsverfahren als Beweismittel eingereicht werden, und Schriftsätze, in denen auf sie Bezug genommen wird, verbleiben grundsätzlich bis zum Abschluß des Verfahrens und für mindestens weitere fünf Jahre in der Akte.
2. Nur in Ausnahmefällen und auf begründeten Antrag hin können als Beweismittel eingereichte Unterlagen außer acht gelassen und zurückgegeben werden.
Eine solche Ausnahme liegt vor, wenn das Interesse der einreichenden Partei an der Außerachtlassung der Unterlagen und ihrer Rückgabe eindeutig Vorrang hat gegenüber dem Interesse anderer Beteiligter und der Öffentlichkeit.
Dies kann der Fall sein, wenn die Unterlagen unter Verletzung einer Vertraulichkeitsvereinbarung eingereicht wurden, sie ferner auch nicht zum Stand der Technik gehörten, sondern es sich bei ihnen um in Entgegnung des Einspruchs vorgebrachte Aussagen Dritter handelt, und die übrigen Beteiligten den Antrag billigten.
Dasselbe gilt für Schriftsätze, in denen auf solche Unterlagen Bezug genommen wird.
Rückgabe von als Beweismittel eingereichten Dokumenten
Rückgabe von Schriftsätzen
Vertraulichkeitsvereinbarung; gerichtliche Verfügung
I. Der Beschwerdeführer ist Inhaber des europäischen Patents Nr. 0 029 248.
II. Am 22. April 1986 hatte der Beschwerdegegner wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit Einspruch gegen dieses Patent eingelegt und sich dabei unter anderem auf die Entgegenhaltung US-4 116 159 (D1) bezogen.
III. Am 14. Dezember 1987 erließ die Einspruchsabteilung einen Bescheid, in dem sie auf die Entgegenhaltung D1 Bezug nahm und die vorläufige Feststellung traf, daß das patentierte Verfahren darin vorweggenommen zu sein scheine.
IV. In seinem Antwortschreiben vom 14. April 1988, das am 19. April 1988 beim EPA einging, machte der Beschwerdeführer unter anderem geltend, daß das Verfahren gemäß Entgegenhaltung D1 Erzeugnisse von unzulänglicher Qualität hervorgebracht habe. Zum Beweis dieser Behauptung reichte er ein Deckblatt sowie die Seiten 79, 80, 90 und 91 einer Zeugenaussage vom 23. April 1987 ein. Die Zeugenaussage stammte aus einem amerikanischen Patentverletzungsprozeß zwischen dem Beschwerdeführer und dem Einsprechenden vor einem Bezirksgericht (District Court) der Vereinigten Staaten.
V. Mit Schreiben vom 24. Mai 1988 beantragte der Beschwerdeführer die Rückgabe der eingereichten Seiten der erwähnten Zeugenaussage und des Schriftsatzes vom 14. April 1988, weil das US-Gericht aufgrund der Vertraulichkeit der Aussage eine gerichtliche Verfügung zu deren Schutz (protective order) erlassen habe und die daraus entnommenen Seiten somit irrtümlich eingereicht worden seien. Für den Fall, daß die Unterlagen nicht zurückgegeben werden könnten, beantragte er hilfsweise, sie auf der Grundlage der Regel 93 d) EPÜ solange von der Akteneinsicht auszuschließen, bis das US-Gericht die Verfügung in bezug auf diese Seiten aufgehoben habe.
VI. Mit Schreiben vom 27. Mai 1988 forderte der Beschwerdeführer die Einspruchsabteilung auf, die gesamte Erwiderung vom 14. April 1988 zurückzusenden, da das besagte US-Gericht eine neuerliche Schutzanordnung erlassen habe.
VII. Am 13. Juni 1988 teilte der Formalsachbearbeiter der Einspruchsabteilung dem Beschwerdeführer in einem Bescheid mit, daß die "fraglichen Seiten Dritten nicht zugänglich gemacht werden. Eine Entscheidung wird wahrscheinlich nicht vor Juli ergehen."
VIII. In einem Schreiben vom 8. Februar 1989 billigte der Einsprechende den Antrag des Beschwerdeführers auf Rückgabe der fraglichen Unterlagen und erklärte, auch ihm sei an ihrer weiteren vertraulichen Behandlung gelegen.
Mit dem am 25. März 1989 eingegangenen Schreiben vom 21. März 1989 reichte der Beschwerdeführer weitere Ausführungen zu dem Bescheid vom 14. Dezember 1987 ein (siehe Nr. III).
IX. Mit Schreiben vom 14. Juni 1989 stellte der Beschwerdeführer neue Anträge folgenden Inhalts:
1. vollständige Rückgabe der Erwiderung vom 14. April 1988 mit sämtlichen Anlagen sowie der Seiten 2 bis 4 des Schriftsatzes vom 21. März 1989 bzw.
2. (erster Hilfsantrag) vollständige Rückgabe der Erwiderung vom 14. April 1988 mit sämtlichen Anlagen bzw.
3. (zweiter Hilfsantrag) Rückgabe der mit dem Schreiben vom 14. April 1988 eingereichten Seiten der Zeugenaussage.
X. Am 21. Juli 1989 erließ der Formalsachbearbeiter der Einspruchsabteilung einen Bescheid, in dem er die Anträge des Beschwerdeführers (Patentinhabers) zurückwies. Darin führte er an, die fraglichen Unterlagen dienten dem Zweck, die Öffentlichkeit über das europäische Patent zu unterrichten; sie gehörten daher nicht zu den in Regel 93 EPÜ genannten Arten von Dokumenten, sondern bildeten einen wesentlichen Bestandteil des Einspruchsverfahrens. Die Verfügung des US-Gerichts sei nur für die Beteiligten bindend, nicht aber für die Einspruchsabteilung des EPA. Er wies darauf hin, daß grundsätzlich alle nach der Veröffentlichung der Anmeldung eingereichten Unterlagen der Öffentlichkeit zugänglich sein sollten und gemäß Artikel 128 (4) EPÜ die einzigen Beschränkungen dieses Grundsatzes in der Ausführungsordnung geregelt seien.
XI. In einer Eingabe vom 25. Juli 1989 beantragte der Beschwerdeführer eine gesonderte Entscheidung über seine Anträge vom 14. Juni 1989 im Sinne des Artikels 106 (3).
XII. Am 28. September 1989 erließ der für die Einspruchsabteilung handelnde Formalsachbearbeiter folgende Entscheidung:
"Der Antrag des Patentinhabers vom 24. Mai 1988, wonach Teile der als Anlage zu seinem Schreiben vom 14. April 1988 eingereichten Zeugenaussage vom 23. April 1987 zurückzusenden oder zumindest aus dem öffentlich zugänglichen Aktenteil zu entfernen seien, wird zurückgewiesen."
In der Entscheidungsbegründung heißt es: "Alle drei am 15. Juni 1989 eingereichten Anträge müssen aus den im Bescheid vom 21. Juli 1989 mitgeteilten Gründen zurückgewiesen werden. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf diesen Bescheid verwiesen. Aus denselben Gründen müssen die am 14. April 1988 und am 21. März 1989 eingereichten Schriftsätze des Patentinhabers in ihrer Gesamtheit im öffentlich zugänglichen Teil der Einspruchsakte verbleiben."
XIII. Mit Schreiben vom 23. November 1989 reichte der Beschwerdeführer Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung der obigen Entscheidung; gleichzeitig damit stellte er dieselben Anträge wie vor der Einspruchsabteilung (Schreiben vom 14. Juni 1989) und gab dieselbe Begründung an (siehe Nr. V oben).
XIV. Am 6. Februar 1990 erließ die Beschwerdekammer eine "Zwischenentscheidung". Darin hieß es, es sei "nicht ratsam, unverzüglich über diese Beschwerde zu entscheiden", weil "dadurch den Interessen der Beteiligten in nicht wiedergutzumachender Weise geschadet und der Zweck der Beschwerde verfehlt werden könnte"; alle fraglichen Unterlagen würden bis zum Erlaß einer endgültigen Entscheidung in den nicht öffentlich zugänglichen Teil der Akte eingeordnet, und es stehe den Beteiligten frei, jederzeit vor der Endentscheidung oder einer weiteren Verfügung schriftlich die Änderung oder Aufhebung dieser Verfügung zu beantragen. Ein solcher Antrag wurde nicht gestellt.
XV. Die in der Mitteilung der Kammer vom 24. August 1992 aufgeworfenen Fragen, ob die geltend gemachte Vertraulichkeitsvereinbarung und die gerichtliche Verfügung noch Bestand hätten, wurden vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3. November 1992 und vom Beschwerdegegner mit Schreiben vom 23. November 1992 bejaht. Der Beschwerdegegner bestätigte erneut, daß er die Anträge des Beschwerdeführers billige.
XVI. Bezüglich der noch anhängigen Anträge des Beschwerdeführers wird auf die obigen Nrn. IX und XIII verwiesen.
1. Was die Zulässigkeit der Beschwerde betrifft, so hat die Kammer in ihrer vorherigen Zusammensetzung bereits in der Zwischenentscheidung vom 6. Februar 1990 implizit festgestellt, daß es in dieser Hinsicht keine Einwände gebe.
2. Der Beschwerdeführer behauptet, die Zeugenaussage vom 23. April 1987 stamme aus einem Verletzungsverfahren vor einem US- Bezirksgericht und sei vom Erfinder einer zum Stand der Technik gehörigen technischen Lösung gemacht worden; es handle sich dabei um ein vertrauliches Dokument, aus dem er irrtümlich einige Seiten eingereicht habe, weil ihm nicht bewußt gewesen sei, daß er einer gerichtlichen Verfügung vom 5. Dezember 1986 zufolge selbst zugesagt hatte, diese Seiten außer im Rahmen des US- Verletzungsverfahrens nirgendwo einzureichen; er habe also gegen die besagte Vereinbarung und gegen die gerichtliche Verfügung verstoßen.
Aus diesem Grund beantragt der Beschwerdeführer die Rückgabe der Zeugenaussage und der darauf Bezug nehmenden Schriftsätze, weil er nicht will, daß diese von der Einspruchsabteilung oder der Beschwerdekammer berücksichtigt werden. Die Anträge des Beschwerdeführers (siehe Nr. IX oben) sind demnach wie folgt zu verstehen:
i) (Hauptantrag) Außerachtlassung und Rückgabe a) des gesamten Schriftsatzes vom 14. April 1988 und b) der beigefügten Seiten (Deckblatt und Seiten 79/80 und 90/91) der Zeugenaussage vom 23. April 1987 sowie c) eines Teils des Schriftsatzes vom 21. März 1989 (Seiten 2 bis 4);
ii) (erster Hilfsantrag) Außerachtlassung und Rückgabe a) des gesamten Schriftsatzes vom 14. April 1988 und b) der im Hauptantrag genannten beigefügten Seiten;
iii) (zweiter Hilfsantrag) Außerachtlassung und Rückgabe des Deckblatts und der Seiten 79/80 und 90/91 der Zeugenaussage vom 23. April 1987, die zusammen mit dem Schriftsatz vom 14. April 1988 eingereicht wurden.
Der Beschwerdegegner erklärte sich mit diesen Anträgen einverstanden (siehe Nrn. VIII und XV oben).
3. Es besteht kein Zweifel, daß die besagte Zeugenaussage aus einem Verletzungsverfahren vor einem Bezirksgericht der Vereinigten Staaten stammt (siehe auch Nr. 5 unten) und daß sie im Einspruchsverfahren als Beweismittel vorgelegt wurde. Nach dem EPÜ ist es grundsätzlich zulässig, daß von einem ausländischen Gericht erhaltene Beweismittel berücksichtigt werden, da die Aufzählung der Beweismittel in Artikel 117 (1) EPÜ nicht erschöpfend ist und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt (T 482/89, Nr. 2.1, ABl. EPA 1992, 646).
4. Wird davon ausgegangen, daß diese Zeugenaussage einer Urkunde gemäß Artikel 117 (1) c) EPÜ entspricht, so stellt sie dem oben Gesagten zufolge ein grundsätzlich zulässiges Beweismittel dar. Die Anträge des Beschwerdeführers werfen jedoch die Frage auf, ob eine solche Urkunde außer acht gelassen und an ihn zurückgegeben werden darf.
4.1 Die Verfahren vor dem EPA und damit auch die Verfügung über Beweismittel sowie die Entscheidung darüber, ob Beweismittel außer acht gelassen und zurückgegeben werden dürfen, unterliegen den Bestimmungen des Europäischen Patentübereinkommens und den Regeln der Ausführungsordnung zum Übereinkommen.
4.2 Die Einspruchsakte wird im wesentlichen zu dem Zweck angelegt, die für den Erlaß einer Entscheidung in diesem Verfahren erforderlichen sachdienlichen Unterlagen zusammenzustellen. Zu diesem Zweck prüft die Einspruchsabteilung die Akte von Amts wegen und ist nicht auf das Vorbringen der Beteiligten beschränkt (Art. 114 (1) EPÜ). Darüber hinaus liegt es in der Kompetenz der Einspruchsabteilung, die von den Beteiligten nach Artikel 117 (1) c) EPÜ vorgebrachten Beweismittel frei zu würdigen (siehe T 381/87, ABl. EPA 1990, 213) oder die Beteiligten aufzufordern, neue bzw. andere Beweismittel vorzulegen.
Auf der anderen Seite steht es den Beteiligten frei, je nach Interessenlage Anträge und Eingaben einzureichen und wieder zurückzuziehen - manchmal mit der Folge eines Rechtsverlusts und mit der einen Einschränkung gemäß Artikel 94 EPÜ, wonach die Rücknahme des Prüfungsantrags ausgeschlossen ist. Es steht ihnen in aller Regel sogar frei, ein Patent zurückzunehmen, d. h. durch einen Antrag auf Widerruf darauf zu verzichten (siehe Rechtsauskunft Nr. 11/82, ABl. EPA 1982, 57 und T 677/90 vom 17. Mai 1991).
Im vorliegenden Verfahren ist jedoch nicht nur den Interessen der Beteiligten, sondern auch dem Interesse der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen (siehe Art. 114 (1) EPÜ sowie G 10/91, ABl. EPA 1993, 420; T 156/84, ABl. EPA 1988, 372; T 789/89, ABl. EPA 1994, 482, Nr. 2.2).
4.3 Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, daß die Einspruchsabteilung die ihr unterbreiteten Beweismittel in der Regel zu berücksichtigen hat und daß diese daher aufgrund ihrer möglichen Relevanz Bestandteil der Akte sind. Sie werden der einreichenden Partei in der Regel weder vor Erlaß einer Endentscheidung noch in den ersten fünf Jahren danach zurückgegeben (Regel 95a (1) EPÜ).
Nach Ansicht der Kammer ergibt sich aus dem oben Gesagten zudem, daß Beweismittel ausnahmsweise außer acht gelassen und zurückgegeben werden können, wenn das Interesse der einreichenden Partei, diese unberücksichtigt zurückzuerhalten, eindeutig Vorrang hat gegenüber dem Interesse der Öffentlichkeit.
4.4 Dies gilt auch für Eingaben, in denen auf derartige als Beweismittel eingereichte Dokumente Bezug genommen wird.
4.5 Die Schlußfolgerung aus Nr. 4.3 oben trifft auch dann zu, wenn die besagte Zeugenaussage als Vernehmung von Zeugen gemäß Artikel 117 (1) d) EPÜ oder als Abgabe einer schriftlichen Erklärung unter Eid gemäß Artikel 117 (1) g) EPÜ zu betrachten wäre.
5. Angesichts der übereinstimmenden Anträge und Ausführungen des Beschwerdeführers und des Beschwerdegegners kann kein Zweifel daran bestehen, daß die am vorliegenden Verfahren Beteiligten in bezug auf die fragliche Zeugenaussage Vertraulichkeit vereinbart hatten, und zwar im Zuge des Verletzungsprozesses, der vor einem Bezirksgericht der Vereinigten Staaten nach US-Recht verhandelt wurde und beide Beteiligte betraf. Die Auflage der Vertraulichkeit wurde in einer nach wie vor gültigen "Gerichtlichen Verfügung betreffend den Schutz vertraulicher Informationen" vom 5. Dezember 1986 von eben diesem Gericht erlassen (vgl. Einleitung, Satz 3). Die Verfügung wurde unter anderem darauf gestützt (vgl. Präambel), daß "nach Auffassung aller Beteiligten gewisse Antworten auf die Befragungen ... technische und/oder betriebliche Geheimnisse im Sinne der Regel 26 (c) der Bundeszivilprozeßordnung beinhalten", und daß die Beteiligten "sich mit den nachstehenden Bedingungen einer solchen Verfügung einverstanden erklärt und das Gericht ersucht haben, dies offiziell zu bestätigen".
6. Angesichts der übereinstimmenden Erklärungen und Anträge beider Parteien (vgl. Nr. XV oben) stellt die Kammer fest, daß der Beschwerdeführer gegen die obengenannte Vertraulichkeitsvereinbarung und die gerichtliche Verfügung verstoßen hat, und läßt gelten, daß die Unterlagen irrtümlich eingereicht wurden. Die Kammer ist daher der Auffassung, daß es den Rechten und Interessen des Beschwerdeführers, des Beschwerdegegners und Dritter (des Zeugen) schaden könnte, wenn die genannten Unterlagen im vorliegenden Verfahren als Beweismittel verwendet würden.
7. Bei der fraglichen Zeugenaussage handelt es sich um die Ausführungen eines Dritten zu dem in schriftlicher Form vorliegenden Stand der Technik. Sie fand am 23. April 1987 und damit nach dem Prioritätstag der Anmeldung (19. November 1979) und nach dem Anmeldetag des Streitpatents (18. November 1980) statt. Sie selbst kann demnach ohnehin nicht zu dem für das Streitpatent maßgeblichen Stand der Technik gehören.
Darüber hinaus wurden die Zeugenaussage selbst und die darauf Bezug nehmenden Schriftsätze vom Patentinhaber als Verteidigung gegen den Einspruch eingereicht. Beschließt der Patentinhaber, einen Punkt seiner Verteidigung nicht weiterzuverfolgen, so ist das Interesse der Öffentlichkeit grundsätzlich nicht gefährdet, denn das öffentliche Interesse ist in den Verfahren vor dem EPA im wesentlichen darauf gerichtet, unrechtmäßige Ausschließlichkeitsrechte zu verhindern.
8. In Anbetracht des oben Gesagten haben die übereinstimmenden Anträge beider Parteien und ihr Interesse daran, daß die besagten Unterlagen außer acht gelassen und aus der Akte entfernt werden, hier eindeutig Vorrang gegenüber dem Interesse der Öffentlichkeit; aus diesem Grunde dürfen die fragliche Zeugenaussage und die Schriftsätze, soweit sie sich auf diese beziehen, außer acht gelassen und dem Beschwerdeführer zurückgegeben werden.
9. Es mag daher offenbleiben, ob die eingereichten Unterlagen nicht als von vornherein unvollständige und für die vorliegende Sache ungeeignete Beweismittel betrachtet werden könnten, weil die Beschwerdeführerin nur unzusammenhängende Teile der Zeugenaussage, nämlich das Deckblatt sowie die Seiten 79/80 und 90/91, ohne besondere Bezugnahme eingereicht hatte.
10. Die hier gezogene Schlußfolgerung steht im wesentlichen im Einklang mit früheren Entscheidungen der Kammer, in denen es um die Rückgabe von Unterlagen ging. In T 811/90, Nrn. 5 bis 7, ABl. EPA 1993, 728, ließ die Kammer zu, daß Anträge und Eingaben (ein geänderter Anspruch, eine geänderte Beschreibung sowie der darauf Bezug nehmende Schriftsatz) an eine Partei zurückgegeben wurden, die diese Unterlagen irrtümlich eingereicht und dann beantragt hatte, sie als zurückgenommen zu betrachten. Der Irrtum war auf einen der Einspruchsabteilung anzulastenden Verfahrensmangel zurückzuführen. Da die fraglichen Unterlagen nicht als unter die Regel 93 a) bis d) EPÜ fallend erachtet wurden, konnten sie nicht in dem von der Akteneinsicht ausgenommenen Teil der Akte verwahrt werden, so daß die Kammer sie zurücksandte. In T 516/89 vom 19. Dezember 1990 gab eine Kammer Unterlagen zurück, ohne sie "zur Kenntnis zu nehmen", d. h. ohne sie zu berücksichtigen. Die als "vertraulich" gekennzeichneten Unterlagen waren zusammen mit dem Antrag eingereicht worden, sie in dem nicht öffentlich zugänglichen Teil der Akte zu verwahren. Sie wurden zurückgegeben, weil sie dem nach Regel 93 EPÜ von der Akteneinsicht ausgeschlossenen Teil der Akte nicht zugeordnet werden konnten. Die vorliegende Sache unterscheidet sich von dem zitierten Fall in T 811/90 insofern, als es hier um Beweismittel geht und die irrtümliche Einreichung nicht auf einen der Einspruchsabteilung anzulastenden Verfahrensmangel zurückzuführen ist. Von der Sache T 516/89 unterscheidet sich der vorliegende Fall insofern, als die Rückgabe der Unterlagen über einen Monat nach deren Eingang beantragt wurde. In den beiden früheren Fällen ließ sich die Kammer in erster Linie von den Anträgen der Beteiligten sowie von der Frage leiten, ob die Unterlagen in dem nach Regel 93 a) bis d) EPÜ nicht öffentlich zugänglichen Teil der Akte verwahrt werden könnten. Gegenüber dem oben Gesagten lautet hier zwar die Frage, ob Unterlagen grundsätzlich außer acht gelassen und aus der Akte entfernt werden dürfen, und nicht, ob sie zu dem von der Akteneinsicht ausgeschlossenen Teil der Akte gehören, aber dennoch sei angemerkt, daß sie hier dem nichtöffentlichen Teil der Akte jedenfalls nicht zugeordnet werden könnten, weil auf sie weder die Regel 93 a) bis d) EPÜ noch der Beschluß des Präsidenten vom 16. September 1985 (ABl. EPA 1985, 316) anwendbar ist.
11. Die Kammer legt in diesem Zusammenhang Wert auf die Feststellung, daß der Schriftsatz vom 14. April 1988 nebst Anlagen (die fünf Seiten der Zeugenaussage) und die Seiten 2 bis 4 des Schriftsatzes vom 21. März 1989 der Öffentlichkeit nur kurze Zeit zugänglich waren, nämlich zwischen ihrem Eingang am 19. April 1988 bzw. am 25. März 1989 und dem Eingang der Anträge auf Rückgabe am 25. Mai 1988 bzw. am 15. Juni 1989, und daß sich in der Akte kein Hinweis darauf findet, daß Dritte diese eingesehen hätten (siehe auch Nrn. VII und XIV oben).
Im übrigen möchte die Kammer darauf hinweisen, daß die Beweismittel in bestimmten anderen Fällen von der Verfügbarkeit ausgenommen sind. So ist ihr beispielsweise bekannt, daß Einspruchsabteilungen Proben oder Muster nicht unbedingt bei den Akten verwahren, auch wenn sie als Augenscheinsobjekte deklariert wurden. Außerdem kann nach Ablauf einer bestimmten Zeitdauer (siehe R. 95a (1) EPÜ) die Akte selbst vernichtet werden. Die Konsequenzen einer solchen zeitweiligen oder beschränkten Verfügbarkeit sind von Fall zu Fall nach Lage der Dinge und den jeweiligen Gegebenheiten abzuwägen. Während grundsätzlich ein öffentliches Interesse daran besteht, daß Unterlagen, die einmal in der Akte waren, auch dort verbleiben, so darf doch andererseits einer Rückgabe unter den genannten besonderen Umständen kein Hindernis in den Weg gelegt werden.
12. In Anbetracht dessen ist dem Hauptantrag des Beschwerdeführers stattzugeben. Die fünf Seiten (Deckblatt sowie die Seiten 79, 80, 90 und 91) der fraglichen Zeugenaussage und die Schriftsätze des Beschwerdeführers (Patentinhabers) vom 14. April 1988 und vom 21. März 1989 sind daher vollständig zurückzugeben. Dem Beschwerdeführer (Patentinhaber) ist eine kurze Frist einzuräumen, in der er diese Unterlagen, allerdings nur im Hinblick auf die Textteile, die sich auf die besagte Zeugenaussage beziehen, ändern kann. Er hat dann die Schriftsätze mit dem ansonsten unveränderten Text erneut einzureichen, wobei kurz, aber präzise auf die Stellen, an denen Textteile gestrichen wurden, hinzuweisen und das Datum der ersten und der zweiten Einreichung auf den Deckblättern zu vermerken ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen; dabei ist die Akte ohne die Zeugenaussage vom 23. April 1987 und die darauf Bezug nehmenden Schriftsätze zugrunde zu legen, die - wie in Nr. 12 oben dargelegt - zu entfernen und zurückzugeben sind.