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T 0905/91 05-10-1993
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Verfahren zur Unwuchtbestimmung und Vorrichtung hierzu
Hofmann Werkstatt-Technik GmbH
A. Rohé GmbH
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Anderweitige Verteilung der Kosten (nein)
Inventive step - auxiliary request (yes)
Costs - apportionment (no)
I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents 0 295 238 (Anmeldenummer 86 902 390.3).
II. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende II) sowie die Einsprechende I, die ihren Einspruch bereits im Einspruchsverfahren wieder zurückgezogen hat, haben gegen das Patent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstandes Einspruch erhoben und hierzu folgende Druckschriften genannt:
(D1) "Autohaus 9/82" S. 912 bis 920,
(D2) Hofmann Betriebsanleitung "Infrarot... Typ Ipi",
(D3) DE-A-3 234 043,
(D4) Hofmann "elektrotest 1",
(D5) Hofmann Betriebsanleitung "Infrarot... Typ ipk 2",
(D6) DE-A-2 819687,
sowie
(E1) GB-A-2 027 541,
(E2) US-A-3 726 145,
(E3) DE-A-3 342 542,
(E4) Prospekt Stahlgruber "Finischbalancer ... EF/10L-P,
(E5) DE-C-3 017 240,
(E6) DE-A-26 22 895,
(E7) wie D3,
(E8) DE-A-1 698 111,
(E9) GB-A-1 129 477.
III. Von der Einspruchsabteilung wurde das Patent widerrufen.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt.
V. Von der Beschwerdekammer wurde noch die Druckschrift
(F1) Bussien "Automobiltechnisches Handbuch", Berlin 1965, S. 814, 815
und von der Beschwerdeführerin die Druckschrift
(G1) DIN VDE 0113, Februar 1986, S. 1 und EN 60204, S. 31
genannt.
VI. Es wurde mündlich verhandelt.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung mit einer geänderten Beschreibung überreichten und als Hauptantrag bezeichneten Patentansprüche 1 bis 3 sowie der 2 Blatt Zeichnungen gemäß der Patentschrift, hilfsweise auf der Grundlage des ebenfalls in der mündlichen Verhandlung überreichten und als Hilfsantrag bezeichneten einzigen Patentanspruchs mit einer angepaßten Beschreibung sowie der 2 Blatt Zeichnungen gemäß der Patentschrift.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens, hilfsweise die der mündlichen Verhandlung, der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.
VIII. Die zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgebende Fassung der Ansprüche lautet wie folgt:
Hauptantrag:
"1. Verfahren zur Bestimmung der Unwuchtwirkungen an angetriebenen abgestützten Rädern eines Kraftfahrzeuges mit einer Unwuchtmeßeinrichtung einschließlich Schwingungsumformern und Bezugsmarkenabtastgeräten, dadurch gekennzeichnet, daß die Gleichspannungsversorgung des Unwuchtmeßgerätes (9), der Schwingungsumformer und der Bezugsmarkenabtastgeräte (1) von der Batterie (11) des Kraftfahrzeugs übernommen wird, daß jedem angetriebenen abgestütztem Rad ein Bezugsmarkenabtastgerät (1) und ein Schwingungsumformer zugeordnet sind, daß ohne Probelauf bei konstanter Geschwindigkeit der Räder des Fahrzeugs - durch die Bedienungsperson - mittels Gasgeben die Drehzahl eines jeden Rades an die Unwuchtmeßeinrichtung (9) gemeldet wird, und daß im entsprechenden Drehzahlbereich der Räder im selben Meßlauf die Unwuchtwerte von der Person abgerufen und die Unwuchtmessung durchgeführt wird."
"2. Verwendung einer Batterie (11), eingebaut in einem Antreiber (15) zur Gleichspannungsversorgung von Unwuchtmeßgerät (9), Schwingungsumformer (20), Bezugsmarkenabtastgerät (1) und zur elektrischen Versorgung des Antreibers (15)."
"3. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 mit einer Unwuchtmeßeinrichtung einschließlich Bezugsmarkenabtastgeräten und Schwingungsumformern, oder nach Anspruch 2 dadurch gekennzeichnet, daß am Gehäuse (1) des Bezugsmarkenabtastgeräts mindestens eine magnetische Halterung (6) vorgesehen ist, mit der das Gehäuse (1) zu einem, mit einer Bezugsmarke versehenen Kraftfahrzeugrad an einem Halter (7) oder am Antreiber (15) ausgerichtet wird, daß das Gehäuse (1) an seiner, dem Kraftfahrzeugrad zugekehrten Seite (2) eine Öffnung (3) für einen Optosender und -empfänger besitzt und daß das Gehäuse (1) auf den zu Seite (2) orthogonalen Gehäuseflächen (17, 18), die im wesentlichen parallel zur Aufstandsfläche des Kraftfahrzeus sind, beleuchtbare Kontrollöffnungen (4, 5) trägt, die dann aufleuchten, wenn die am KFZ angebrachte Markierung durch den Optoempfänger erkannt wird."
Hilfsantrag (einziger Anspruch):
"Vorrichtung zur Bestimmung der Unwuchtwirkungen an angetriebenen abgestützten Rädern eines Kraftfahrzeuges mit einer Unwuchtmesseinrichtung einschliesslich Schwingungsumformern und Bezugsmarkenabtastgeräten, bei der die Gleichspannungsversorgung des Unwuchtmessgerätes (9), der Schwingungsumformer und der Bezugsmarkenabtastgeräte (1) von der Batterie (11) des Kraftfahrzeugs übernommen wird, bei der bei Antreiben der Räder durch den Motor des Fahrzeugs jedem angetriebenen abgestützten Rad ein Bezugsmarkenabtastgerät (1) und ein Schwingungsumformer zugeordnet sind, bei der ohne Probelauf bei konstanter, durch die Bedienungsperson mittels Gasgeben erzeugter Geschwindigkeit der Räder des Fahrzeugs die Drehzahl eines jeden Rades an die Unwuchtmesseinrichtung (9) gemeldet wird, und bei der im entsprechenden Drehzahlbereich der Räder im selben Messlauf die Unwuchtwerte von der Person abgerufen und die Unwuchtmessung durchgeführt wird, und bei der am Gehäuse (1) der Bezugsmarkenabtastgeräte mindestens eine magnetische Halterung (6) vorgesehen ist, mit der das Gehäuse (1) zu einem, mit einer Bezugsmarke versehenen Kraftfahrzeugrad an einem Halter (7) oder am Antreiber (15) ausgerichtet wird, bei der das Gehäuse (1) an seiner, dem Kraftfahrzeugrad zugekehrten Seite (2) eine Öffnung (3) für einen Optosender und -empfänger besitzt, und bei der das Gehäuse (1) auf den zur Seite (2) orthogonalen Gehäuseflächen (17, 18), die im wesentlichen parallel zur Aufstandsfläche des Kraftfahrzeugs sind, beleuchtbare Kontrollöffnungen (4, 5) trägt, die dann aufleuchten, wenn die am Kraftfahrzeugrad angebrachte Markierung durch den Optoempfänger erkannt wird."
IX. Zur Stützung ihrer Anträge trug die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgende Argumente vor:
Die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe, daß von einer einzigen Person eine komplette Betriebsauswuchtung der Räder eines Kraftfahrzeugs durchführbar sein soll, wobei die erforderliche Kontrolle der vorgenommenen Justierung die Umwelt nicht belasten soll und gleichzeitig die durch Anschluß der Meßgeräte an Wechselstrom auftretenden Gefährdungen und die durch Induktionsschleifen entstehenden Verfälschungen der Meßergebnisse vermieden werden sollen, sei keiner der Entgegenhaltungen, weder insgesamt noch in Teilen, zu entnehmen. Deshalb sei hier der Fall einer Aufgabenerfindung im Sinne der Beschwerdekammerentscheidung T 2/83, ABl. EPA 1984, 265 gegeben. Darüber hinaus werde gemäß E1 weder eine komplette Betriebsauswuchtung beschrieben, da eine Kontrolle der Justierung der Bezugsmarkenabtastgeräte fehle, noch sei eine Entlastung der Umwelt gegeben, da fehlerhafte Meßläufe wiederholt werden müßten. Außerdem werde dort nichts von Gefährdungen oder Verfälschungen der Meßergebnisse durch Wechselstrom erwähnt. Im Gegensatz zur Lösung dieser Aufgabe gemäß dem Streitpatent werde in E1 weder eine Batterie zur Stromversorgung beschrieben, noch beleuchtbare Kontrollöffnungen am Gehäuse der Bezugsmarkenabtastgeräte. E2 zeige nur in dem elektronischen Meßkreis Batterien, nicht aber eine Gleichstromversorgung des Antreibers. Im übrigen sei der Gedanke, Kontrollöffnungen für die Anzeige des Erkennens der Radmarkierung vorzusehen, keiner der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen entnehmbar.
X. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Die Justierung der Räder in einem Probelauf sei auch gemäß E1 nicht erforderlich, so daß das Problem der Umweltbelastung durch Justierungsprobeläufe bereits gemäß E1 gelöst sei. Einmannbedienung sei ebenfalls bereits aus E1 oder auch aus anderen Entgegenhaltungen bekannt. Durch das Patent werde keine vorher unbekannte Aufgabe angegeben, sondern eine technische Anweisung, die sich vom Stand der Technik nur unwesentlich unterscheide. Deshalb sei auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Beschwerdekammerentscheidung T 2/83 unzutreffend.
Die Verwendung einer Batterie bei der Auswuchtung sei aus E2 bekannt; und das Betreiben des Antreibers durch eine Batterie sei auch in Anspruch 1 des Streitpatents nicht festgelegt. Die gemäß E1 durchgeführte Unwuchtmessung beziehe selbstverständlich auch die Justierung der Meßvorrichtung ein, wozu der vertikal justierbare Arm 18 bereitgestellt sei. In der Bereitstellung der Sichtverbindung zwischen den Komponenten eines optischen Systems könne kein erfinderischer Schritt gesehen werden.
In den neu vorgelegten Patentunterlagen gingen sowohl die Aufgabenstellung, als auch die Ansprüche über die Offenbarung in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinaus, da hier bisher unzusammengehörige Dinge verbunden worden seien. Der Antrag, der Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen, sei gerechtfertigt, da diese unnötig lange für die Erstellung ihrer Antragsunterlagen gebraucht habe.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag der Beschwerdeführerin
2.1. Zulässigkeit der Änderungen
Die Zulässigkeit der Änderungen wurde von der Beschwerdegegnerin bezweifelt. Die Kammer stellt hierzu folgendes fest:
Anspruch 1 wurde gegenüber dem ursprünglichen und dem erteilten Anspruch 1 lediglich durch Einfügen des Wortes "abgestützten", jeweils im Zusammenhang mit den angetriebenen Rädern eines Kraftfahrzeuges, verändert. Daß die angetriebenen Räder, an denen die Unwuchtmessung auszuführen ist, abgestützt werden, ist auf Seite 5, Zeilen 16 bis 18, in Verbindung mit Figur 2 der ursprünglichen Unterlagen offenbart.
Anspruch 2 ist aus dem ursprünglichen und dem erteilten Anspruch 2 durch Einschränkung auf die Verwendung der Batterie (anstelle der vorher selbst beanspruchten Batterie) und auf die Anordnung der Batterie im Antreiber, hervorgegangen. Daß sich die Batterie im Antreiber befindet, ist im ursprünglichen Anspruch 2 explizit als eine von zwei Alternativen angegeben. Jede dieser beiden Alternativen ist unabhängig von der anderen offenbart, sodaß das Streichen einer der beiden Alternativen nichts Zusätzliches in das Patent hineinbringt.
Anspruch 3 entspricht dem ursprünglichen und dem erteilten Anspruch 3 mit einer Ergänzung bezüglich der Bedingung für das Aufleuchten der Kontrollöffnungen. Diese Bedingung ist auf Seite 4, Zeilen 25 bis 30 der ursprünglichen Beschreibung offenbart.
Die Aufgabenstellung (am Ende der Spalte 1 der vorliegenden Patentbeschreibung) geht im wesentlichen auf die ursprüngliche Aufgabe (Seite 2, Zeilen 15 bis 21) zurück, wobei die hierüber hinausgehende Kontrolle der Justierung ohne Belastung der Umwelt sowie die Vermeidung von Induktionsschleifen auf Seite 2, Zeile 9, bzw. Seite 1, Zeilen 35 bis 37, angesprochen sind.
Es bestehen also keine Bedenken bezüglich der Zulässigkeit der Änderungen im Sinne von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
2.2. Neuheit
2.2.1. Aus E1 (siehe insbesondere Zusammenfassung; Figur 1 und zugehörige Beschreibung; Seite 4, Zeilen 20 bis 35) ist in weitgehender Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 (gemäß Hauptantrag) ein Verfahren zur Bestimmung der Unwuchtwirkungen an angetriebenen abgestützten Rädern eines Kraftfahrzeuges mit einer Unwuchtmeßeinrichtung einschließlich Schwingungsumformern und Bezugsmarkenabtastgeräten bekannt. Auch bei diesem bekannten Verfahren wird jedem angetriebenen abgestützten Rad ein Bezugsmarkenabtastgerät und ein Schwingungsumformer zugeordnet. Bei konstanter Geschwindigkeit der Räder mittels Gasgeben durch die Bedienungsperson wird die Drehzahl eines jeden Rades an die Unwuchtmeßeinrichtung gemeldet. Ein Probelauf wird nicht erwähnt, und insgesamt entnimmt der sachkundige Leser der E1, daß ein solcher nicht vorgesehen ist. Im entsprechenden Drehzahlbereich der Räder werden im selben Meßlauf die Unwuchtwerte von der Bedienungsperson abgerufen und wird die Unwuchtmessung durchgeführt (siehe insbesondere Seite 2, Zeilen 25 bis 29 und Seite 3, Zeilen 45 bis 51).
Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents dadurch, daß für das Unwuchtmeßgerät, die Schwingungsumformer und die Bezugsmarkenabtastgeräte eine Gleichspannungsversorgung vorgesehen wird, die von der Batterie des Kraftfahrzeugs übernommen wird. (Entgegen den Äußerungen der Beschwerdegegnerin kann die Kammer weder auf Seite 2, Zeilen 18, 19, noch in Figur 1, noch an einer anderen Stelle der E1 einen eindeutigen Hinweis auf eine Batterie als Spannungsversorgung sehen.)
2.2.2. E2 (siehe insbesondere Spalte 1, Zeilen 59 bis 63; Spalte 2, Zeilen 14, 15 und 42 bis 44; Spalte 5, Zeilen 4, 5 und 62 bis 65; Figuren 1 und 3) beschreibt ein Verfahren zur Bestimmung der Unwuchtwirkungen aller Räder eines Kraftfahrzeuges (siehe Spalte 6, Zeilen 2, 3) mit einer Unwuchtmeßeinrichtung einschließlich Schwingungsumformer, bei dem für das Unwuchtmeßgerät und den Schwingungsumformer eine Gleichspannungsversorgung vorgesehen wird, die durch Batterien übernommen wird. Bezugsmarkenabtastgeräte, Schwingungsumformer für alle Räder, Gasgeben zum Hervorrufen der Drehzahl der Räder, Melden der Drehzahl der Räder an die Unwuchtmeßeinrichtung und Durchführung der Unwuchtmessung an mehreren Rädern im selben Meßlauf werden in E2 nicht beschrieben.
Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften kommen dem Gegenstand des Anspruchs 1 nicht näher.
2.2.3. Das Verfahren nach Anspruch 1 ist also neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.
2.3. Erfinderische Tätigkeit
2.3.1. Von den Teilaspekten der in der jetzigen Fassung der Patentschrift angegebenen Aufgabenstellung (Spalte 1, ab Zeile 58) werden gemäß E1, die von der Kammer als die nächstliegende Druckschrift angesehen wird, die Einmannbedienung und die komplette Betriebsauswuchtung bereits durchgeführt (die Auswuchtung nach E1 ist "komplett", da sie zu vollständig ausgewuchteten Rädern führt). Zu einer die Umwelt nicht belastenden Kontrolle der Justierung der Fahrzeugräder zu einem Bezugsmarkenabtastgerät sind in Anspruch 1 (außer dem auch gemäß E1 bereits praktizierten Verzicht auf einen Probelauf) keine Lösungsmerkmale enthalten. Es verbleibt also als objektiv dem Gegenstand des Anspruchs 1 zugrundeliegende Aufgabe die Vermeidung von durch Anschluß an Wechselstrom auftretenden Gefährdungen und die Anzeige verfälschenden Induktionsschleifen.
Menschen durch die elektrische Spannung des Stromnetzes nicht zu gefährden, wird in der Technik ganz generell erstrebt. Ebenso sucht man generell Störungen empfindlicher Apparaturen durch induzierte Spannungen zu vermeiden. Es kann also - im Gegensatz zu dem entsprechenden Argument der Beschwerdeführerin - in der Stellung der Aufgabe per se nichts Erfinderisches gesehen werden. Deshalb geht auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Beschwerdekammerentscheidung T 2/83, ABl. EPA 1984, 265 an der Sache vorbei.
2.3.2. Batterieversorgung der Meßeinrichtung eines Unwuchtmeßgeräts ist aus E2 bekannt. Es wird dort zwar nicht explizit von der Vermeidung von Gefährdungen und Induktionen gesprochen, der Fachmann verbindet aber mit den niedrigen Spannungen und dem Gleichstrom von Batterien automatisch die Vorstellung der Ungefährlichkeit und des Fehlens von Induktionsfeldern. Hinzu kommt, daß ganz allgemein auf den verschiedensten Gebieten der Technik oder des täglichen Lebens die Tendenz besteht, als Alternative zu netzabhängigen Geräten auch batteriebetriebene Geräte einzusetzen, man denke nur an Heckenscheren, Bohrmaschinen, Staubsauger etc.
Es lag also nahe, zur Lösung der genannten Aufgabe die Batterieversorgung der Meßeinrichtung gemäß E2 auch für das Verfahren nach E1 vorzusehen, wobei dort die Meßeinrichtung selbstverständlich auch die Bezugsmarkenabtastgeräte mit umfaßt. Die Batterie des Kraftfahrzeugs zu verwenden, bot sich an, da eine Batterie in allen Kraftfahrzeugen ohnehin vorhanden ist, und das Anschließen von Zusatzgeräten daran durchaus üblich ist (z. B. Lampen, Staubsauger).
2.3.3. Aus den genannten Gründen fehlt dem Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag die erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
2.3.4. Allein schon wegen dieses Mangels des Anspruchs 1 ist der Hauptantrag der Beschwerdeführerin nicht gewährbar (Artikel 52 (1) EPÜ).
2.3.5. Es sei jedoch erwähnt, daß darüber hinaus auch der unabhängige Anspruch 2 gemäß Hauptantrag mangels erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstandes nicht gewährbar ist. Es wurde oben bereits dargestellt, daß das Betreiben der verschiedensten Arten von Geräten mit Batterie allgemein üblich ist. Auch bei Anwendung speziell auf einen Antreiber eines Unwuchtmeßgeräts wird keine überraschende Wirkung erzielt.
3. Hilfsantrag der Beschwerdeführerin
3.1. Zulässigkeit der Änderungen
Der vorliegende einzige Anspruch gemäß Hilfsantrag gründet sich auf den ursprünglichen und den damit im wesentlichen identischen, erteilten Vorrichtungsanspruch 3, in Verbindung mit den Merkmalen nach dem ursprünglichen bzw. erteilten Anspruch 1, auf den Anspruch 3 zurückbezogen war. Die Offenbarung des zusätzlich eingefügten Begriffes "abgestützten" wurde bereits oben (Punkt 2.1) aufgezeigt.
In der Beschreibung entspricht die neu formulierte Aufgabenstellung derjenigen nach dem Hauptantrag, die bereits oben (Punkt 2.1) diskutiert wurde. Im übrigen wurde die Beschreibung neben einer Anpassung an den neuen Anspruch im wesentlichen nur durch einige Textumstellungen verändert, die dem Gesamtinhalt nichts hinzufügen.
Die Änderungen sind also zulässig im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
3.2. Klarheit des Anspruchs
Der Anspruch gemäß Hilfsantrag ist ein Vorrichtungsanspruch, enthält jedoch die verfahrensmäßig formulierten Merkmale, daß bei dieser Vorrichtung eine bestimmte Meldung an die Unwuchtmeßeinrichtung "ohne Probelauf bei konstanter, durch die Bedienungsperson mittels Gasgeben erzeugter Geschwindigkeit der Räder" erfolgt, und "im entsprechenden Drehzahlbereich der Räder im selben Meßlauf die Unwuchtwerte von der Person abgerufen (werden) und die Unwuchtmessung durchgeführt wird". Eine Unklarheit bezüglich der Interpretation des Anspruchs kann dadurch jedoch nicht entstehen, denn es ist selbstverständlich, daß die beanspruchte Vorrichtung durch die genannten Merkmale in der Weise definiert wird, daß sie für die angegebenen Aktionen geeignet sein muß. Das gleiche gilt für das Merkmal, daß "das Gehäuse ... an einem Halter ... ausgerichtet wird".
Der Anspruch ist somit ausreichend deutlich im Sinne von Artikel 84 EPÜ.
3.3. Neuheit
3.3.1. Der Anspruch gemäß Hilfsantrag enthält nicht nur die Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, die oben (Punkte 2.2.1 und 2.2.2) bereits im Vergleich zu den aus E1 und E2 bekannten Gegenständen diskutiert wurden, sondern auch die Merkmale nach Anspruch 3 des Hauptantrags.
Von diesen zusätzlichen Merkmalen ist ebenfalls aus E1 bekannt (siehe insbesondere Seite 2, Zeilen 11 bis 15 und Figur 1), daß das Gehäuse der Bezugsmarkenabtastgeräte (18, 19) zu einem mit einer Bezugsmarke 21 versehenen Kraftfahrzeugrad 12 an einem Halter 17 ausgerichtet wird, und daß das Gehäuse an seiner dem Kraftfahrzeugrad zugekehrten Seite eine Öffnung für einen Optosender und -empfänger besitzt (letzteres ergibt sich implizit aus der Tatsache, daß die Lichtquelle das Rad beleuchtet und der Detektor von dort Licht empfängt).
Als im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags zusätzlichen Unterschied gegenüber der Lehre der E1 beinhaltet der Anspruch gemäß Hilfsantrag, daß die Gehäuse der Bezugsmarkenabtastgeräte mit magnetischen Halterungen versehen sind, und daß das Gehäuse auf den zur Aufstandsfläche des Kraftfahrzeugs im wesentlichen parallelen Flächen beleuchtbare Kontrollöffnungen trägt, die dann aufleuchten, wenn die am Kraftfahrzeugrad angebrachte Markierung durch dem Optoempfänger erkannt wird.
3.3.2. Die Vorrichtung nach E2 weist keine Bezugsmarkenabtastgeräte und entsprechend auch keine Halter derselben, keine Optosender und -empfänger und keine beleuchtbaren Kontrollöffnungen zum Anzeigen des Erkennens von Radmarkierungen auf. E2 erwähnt einen magnetischen Halter (Spalte 7, Zeilen 20, 21). Dieser dient jedoch nicht zur Befestigung eines Bezugsmarkenabtastgerätes, sondern des Schwingungsumformers.
Auch dem Gegenstand des Anspruchs gemäß Hilfsantrag kommen die übrigen zitierten Druckschriften nicht näher als die bereits genannten. Insbesondere zeigt auch keine dieser Druckschriften Bezugsmarkenabtastgeräte mit beleuchtbaren Kontrollöffnungen zur Anzeige des Erkennens der Radmarkierung durch den Optoempfänger.
3.3.3. Die Vorrichtung nach dem Anspruch gemäß Hilfsantrag ist somit neu (Artikel 54 EPÜ).
3.4. Erfinderische Tätigkeit
3.4.1. Im Unterschied zu der oben in Punkt 2.3.1 besprochenen Sachlage enthält der Anspruch gemäß Hilfsantrag Mittel zur Lösung aller in der angegebenen Aufgabenstellung genannten Teilaufgaben. (Allerdings war die Einmannbedienung und komplette Betriebsauswuchtung bereits gemäß E1, die wiederum als nächstkommend angesehen wird, gegeben).
Im Auffinden der auf die Vermeidung der Gefährdung durch den Wechselstrom und die Vermeidung von Induktionsschleifen gerichteten Aufgabe kann - wie bereits oben (Punkt 2.3.1) dargelegt - per se keine erfinderische Leistung gesehen werden. Ebenso ist es ein allgemein üblicher Wunsch, die Umwelt nicht mehr als notwendig zu belasten.
3.4.2. Zu der im Anspruch angegebenen Lösung fehlt jedoch im Stand der Technik jede Anregung.
Insbesondere zeigt keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften eine Anzeige, die der Bedienungsperson der Auswuchtanlage während der Aufstellung der Bezugsmarkenabtastgeräte an den verschiedenen angetriebenen Rädern jeweils sofort eine Kontrollmöglichkeit für das Funktionieren der Bezugsmarkenabtastung an die Hand geben würde. Gemäß dem vorliegenden Anspruch sind hierzu an Gehäuseflächen der Bezugsmarkenabtastgeräte beleuchtbare Kontrollöffnungen (d. h. also Kontrolleuchten) vorgesehen, die durch ihr Aufleuchten das Erkennen der Markierung durch den Optoempfänger anzeigen.
Natürlich läßt sich auch gemäß E1 aus der Anzeige des Unwuchtwinkels (vgl. Seite 3, Zeilen 21 bis 27) und gemäß D2 und D5 aus dem konstanten Aufleuchten des grünen Leuchtpunktes an der Fronttafel (vgl. D2, Seite 9, rechte Spalte, Zeilen 12 bis 9 von unten; D5, Seite 9, rechte Spalte, Zeilen 4 bis 1 von unten) im Nachhinein auf das Funktionieren der Bezugsmarkenabtastung schließen. Was hier angezeigt wird, ist jedoch nicht das Erkennen der Markierung durch den Optoempfänger (sondern die berechnete Winkellage der Unwucht bzw. das Erreichen der Meßdrehzahl des Rades) und die Anzeige läßt Rückschlüsse auf das Erkennen der Markierung nur dann zu, wenn sich das Rad in voller Rotation befindet.
Dementsprechend ist in den bekannten Fällen die genannte Anzeige auch nicht an den Bezugsmarkenabtastgeräten, sondern an der Fronttafel vorgesehen, wo die Bedienungsperson sie - z. B. im Führerhaus sitzend - während des Meßlaufs beobachten kann. Die Anzeigen nach E1, D2 und D5 sind deshalb etwas ganz anderes als die Kontrolleuchten nach dem Anspruch.
3.4.3. Beim Gegenstand des Anspruchs geht es auch nicht etwa darum, eine bereits bekannte Information nunmehr speziell durch eine Kontrolleuchte zu vermitteln (die Verwendung von Kontrolleuchten im allgemeinen ist selbstverständlich bestens bekannt). Es geht vielmehr darum, welche Information (das Erkennen der Markierung) an welcher Stelle (an den Bezugsmarkenabtastgeräten selbst) dargeboten wird. Hierfür kann auch aus dem Allgemeinwissen des Technikers keine Anregung abgeleitet werden.
3.4.4. Es ist anzunehmen, daß auch schon bisher (z. B. bei der Vorrichtung nach E1) die Bedienungsperson beim Aufbau der Bezugsmarkenabtastgeräte und Anbringen der Bezugsmarken einen kontrollierenden Blick auf die gegenseitige Position dieser Teile geworfen hat. Es ist jedoch glaubhaft, daß es hierbei gelegentlich zu Irrtümern kommen kann und vor allem auch nicht geometrisch begründete Funktionsmängel (z. B. Mängel an der Optoelektronik selbst, oder mangelndes Reflexionsvermögen der Markierung) überhaupt nicht erkannt werden können. Zweifellos ist es nicht nur für die Umwelt belastend, sondern auch - gerade bei mehreren gleichzeitig auszuwuchtenden angetriebenen Rädern - zeitraubend, wenn ein Meßlauf wegen des Nichtansprechens der Optoelektronik abgebrochen und wiederholt werden muß.
3.4.5. Weitere aus E1 (oder auch D2 oder D5) nicht bekannte Merkmale des Gegenstandes des Anspruchs sind die Spannungsversorgung des Unwuchtmeßgerätes, der Schwingungsumformer und der Bezugsmarkenabtastgeräte durch die Kraftfahrzeug-Batterie, wodurch bei defekten Kabeln sonst mögliche Gefährdungen und durch Induktionen verursachte Störungen vermieden werden, sowie die für bequeme Einjustierung nützliche magnetische Halterung der Gehäuse der Bezugsmarkenabtastgeräte.
3.4.6. Da sich, wie oben dargelegt, weder in dem nachgewiesenen Stand der Technik, noch im Allgemeinwissen des Technikers Anregungen zu der im Anspruch angegebenen Lösung finden, beruht der Gegenstand des Anspruchs auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
Der (einzige) Anspruch gemäß Hilfsantrag der Beschwerdeführerin ist somit gewährbar (Artikel 52 (1) EPÜ).
Die Patentbeschreibung gemäß Hilfsantrag ist an den Anspruch angepaßt.
Da unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen, kann das Patent in geändertem Umfang aufrechterhalten werden (Artikel 102 (3) EPÜ).
Da jedoch die Änderungen der Patentunterlagen von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung handschriftlich durchgeführt wurden und zwar für den mit der Materie Vertrauten als lesbar, nicht jedoch an allen Stellen als einzige Vorlage für den Druck geeignet erscheinen, wird der Beschwerdeführerin aufgegeben, als Orientierungshilfe eine Reinschrift der Patentunterlagen gemäß dem Hilfsantrag nachzureichen. Verbindliche Fassung bleiben jedoch die in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgelegten Unterlagen.
4. Antrag der Beschwerdegegnerin auf anderweitige Verteilung der Kosten
Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Kosten des Beschwerdeverfahrens, hilfsweise die der mündlichen Verhandlung, der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.
Gemäß Artikel 104 (1) EPÜ trägt im Einspruchsverfahren jeder Beteiligte die ihm erwachsenden Kosten selbst, soweit nicht über eine Verteilung der Kosten, die durch eine mündliche Verhandlung oder Beweisaufnahme verursacht worden sind, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht, anders entschieden wird.
Im Gegensatz zu der entsprechenden Bestimmung im deutschen Patentrecht (vgl. § 80, Abs. 1 PatG) kann nach dem Europäischen Patentübereinkommen von dem Grundsatz, daß jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, nur im Hinblick auf die aus bestimmten Verfahrensabschnitten herrührenden Kosten, nämlich die durch eine mündliche Verhandlung oder Beweisaufnahme verursachten, abgewichen werden. Die Möglichkeit, die Kosten des gesamten Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, sieht das Übereinkommen dagegen nicht vor. Deshalb ist der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Hilfsantrags der Beschwerdegegnerin sieht die Kammer keinen Anlaß, vom Grundsatz der eigenen Kostentragung abzuweichen, da keine Umstände ersichtlich sind, die eine Kostenerstattung billig erscheinen ließen. Insbesondere kann der Beschwerdeführerin nicht vorgeworfen werden, die bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu fordernde prozessuale Sorgfalt außer acht gelassen zu haben. Sie hat lediglich von ihrem Recht auf mündliche Verhandlung gemäß Artikel 116 (1) EPÜ Gebrauch gemacht, das ihr ohne Einschränkung zusteht.
Der von der Beschwerdegegnerin erhobene Vorwurf, daß die Beschwerdeführerin nicht mit vorbereiteten Hilfsanträgen in die mündliche Verhandlung gekommen sei, ist nicht gerechtfertigt. Denn einmal hat die Beschwerdeführerin sich bemüht, den in der Mitteilung der Kammer vom 15. Juni 1993 geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen und neue Unterlagen eingereicht. Zum anderen dient gerade die mündliche Verhandlung dazu, die Sachlage durch den unmittelbaren Austausch von Argumenten umfassend zu klären und das Patentbegehren im Anschluß an das Ergebnis der Erörterung ggfs. neu zu formulieren. Die Dauer der mündlichen Verhandlung hängt vom Einzelfall ab; eine Dauer bis in den Nachmittag ist jedenfalls nicht ungewöhnlich, und die Parteien haben sich hierauf einzustellen.
Da somit der Beschwerdeführerin keine prozessuale Nachlässigkeit in bezug auf die mündliche Verhandlung vorzuwerfen ist, kann auch der Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin keinen Erfolg haben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Hauptantrag der Beschwerdeführerin wird zurückgewiesen.
3. Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
ein Patentanspruch mit Beschreibung gemäß Hilfsantrag der Beschwerdeführerin, zwei Blatt Zeichnungen gemäß der Patentschrift.
4. Der Antrag der Beschwerdegegnerin, die Kosten des Beschwerdeverfahrens bzw. der mündlichen Verhandlung der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
5. Der Beschwerdeführerin wird aufgegeben, bis zum 12. Oktober 1993 eine Reinschrift des Hilfsantrags vorzulegen.