T 0295/93 09-01-1996
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Wirbelschichtofen zur Müllverbrennung
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Inventive step (yes)
I. Auf die am 19. Januar 1988 angemeldete europäische Patentanmeldung Nr. 88 100 670.4 ist am 12. Dezember 1990 das europäische Patent Nr. 0 278 262 erteilt worden.
II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents beantragt, da dem Gegenstand des Patents die erforderliche erfinderische Tätigkeit fehle.
Zum Stand der Technik verwies sie auf die folgenden Entgegenhaltungen:
(D1) US-A-4 469 050
(D2) US-A-4 032 305
(D3) DE-A-2 624 302.
Nach Ablauf der Einspruchsfrist verwies sie zusätzlich noch auf
(D4) DE-B-2 104 485 und
(D5) US-A-3 397 657.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) widersprach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und beantragte die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang.
III. Mit Zwischenentscheidung vom 19. Februar 1993 hat die Einspruchsabteilung festgestellt, daß der Aufrechterhaltung des Patents mit den Unterlagen gemäß Blatt zwei der Zwischenentscheidung Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ nicht entgegenstünden.
IV. Gegen die Zwischenentscheidung hat die Beschwerdeführerin am 25. März 1993 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt und diese in einem am 8. Mai 1993 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Sie trägt vor, der patentgemäße Wirbelschichtofen beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit und es mangle dem geltenden Anspruch 1 auch an der in Artikel 84 EPÜ geforderten deutlichen Formulierung.
Sie verweist in ihrer Eingabe vom 2. November 1995 noch auf die Druckschrift
(D6) "Umweltfreundliche Kraftwerkstechnologie für Kohlekraftwerke" Vorträge eines Seminars veranstaltet von der Projektleitung Energieforschung der Kernforschungsanlage Jülich GmbH vom 6. bis 9. Oktober 1980.
V. Am 9. Januar 1996 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte den Widerruf des Streitpatents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, das Streitpatent mit den Unterlagen gemäß Haupt- oder Hilfsantrag aufrechtzuerhalten.
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Wirbelschichtofen zur Verbrennung von Abfällen mit einer unteren Zone (1) höherer Teilchendichte und Gaszutritt über einen Siebboden (3) mit Abfallaufgabe (7) am oberen Ende und Austrag (8) von Feststoff am unteren Ende sowie einer daran anschließenden als zirkulierende Wirbelschicht ausgebildeten oberen Zone (2) geringerer Teilchendichte und höherer Gasgeschwindigkeit und Feinkorn-Rezirkulierung über Zyklon (5) und Rückführungsrohr,
gekennzeichnet durch
Mittel zur Ausbildung der unteren Zone (1) als "bubbling bed" mit Intermaterialumlauf durch diese Zone, durch einen Kreislauf (9) für die Rezirkulierung des Inertmaterials vom Austrag (8) zur Abfallaufgabe (7) und durch eine Zugabestelle (12) für Additive im unteren Bereich der oberen Wirbelzone (2)."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet wie folgt:
"Wirbelschichtofen zur Verbrennung von Abfällen mit einer unteren Zone (1) höherer Teilchendichte und Gaszutritt über einen Siebboden (3) mit Abfallaufgabe (7) am oberen Ende und Austrag (8) von Feststoff am unteren Ende sowie einer daran anschließenden als zirkulierende Wirbelschicht ausgebildeten oberen Zone (2) geringerer Teilchendichte und höherer Gasgeschwindigkeit und Feinkorn-Rezirkulierung über Zyklon (5) und Rückführungsrohr,
gekennzeichnet durch
Mittel zur Ausbildung der unteren Zone (1) als rotierende Wirbelschicht mit Intermaterialumlauf durch diese Zone, durch einen Kreislauf (9) für die Rezirkulierung des Inertmaterials vom Austrag (8) zur Abfallaufgabe (7) und durch eine Zugabestelle (12) für Additive im unteren Bereich der oberen Wirbelzone (2)."
VI. Die Beschwerdeführerin trug in bezug auf den Hauptantrag im wesentlichen folgendes vor:
- Der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 bestehe hauptsächlich aus den folgenden funktionalen, die Betriebsweise des Ofens beschreibenden Verfahrensmerkmalen:
a) die Feststoffe in der unteren Zone befinden sich im "bubbling bed"-Zustand
b) im "bubbling bed" gibt es einen Inertmaterialumlauf und
c) Inertmaterial wird vom Austrag zur Abfallaufgabe im Kreislauf rezirkuliert.
Die tragenden Merkmale des geltenden Vorrichtungs- Hauptanspruchs seien ersichtlich Merkmale der Betriebsweise des Ofens, also keine Vorrichtungs- Merkmale. Durch die Häufung dieser Verfahrens- Merkmale im Hauptanspruch werde gegen Artikel 84 EPÜ verstoßen.
- Der Fachmann, der den gattungsgemäßen Ofen nach (D1) betreibe, kümmere sich aus Gründen der Verfahrensökonomie und des Umweltschutzes um die Entfernung der Asche und der Abgase.
Zur Entschwefelung der Abgase lasse er den Verbrennungsprozeß in Gegenwart von Entschwefelungsmitteln wie Kalk und Dolomit ablaufen, wie es durch (D3) bekannt sei. Die Zugabe von Kalkstein, wie sie z. B. auch aus (D6) hervorgehe, werde im mittleren Bereich der Brennkammer erfolgen, da dort gute Reaktionsbedingungen bei Vermeidung einer frühzeitigen Austragung der Additive gegeben seien.
Bei dem Ofen gemäß (D1) betrage der Sekundär- Luftanteil in der oberen Zone mehr als 50 % der Gesamtluft, woraus folge, daß wegen der entsprechend geringen Luftzufuhr in die untere Zone dort ein "bubbling bed" aus grobkörnigem Material aufrechterhalten werde. Ein partieller Inertmaterialumlauf sei bei einem Wirbelbett wie gemäß (D1) schon wegen der inhomogenen Durchgasung des Siebbodens zwingend verwirklicht.
- Bei dem Wirbelschichtofen gemäß (D2), insbesondere nach Spalte 41, Zeile 26 bis Spalte 45, Zeile 51, gehe als bekannt hervor, daß die untere Zone als "bubbling bed" ausgebildet sei. Auch werde dort erwähnt, daß das Vorhandensein von Calciumcarbonat oder Calciumoxid im oberen Ofenbereich vorteilhaft zum Binden störender Bestandteile sei.
Im übrigen könne man gemäß (D3), Seite 14, Absatz 3, Entschwefelungsmittel an verschiedenen Stellen eines Wirbelschichtreaktors in den oberen Bereich einspeisen.
- Für den ausgetragenen Sand strebe der Fachmann wegen Problemen bei der Deponie eine Wiederverwendung im Reaktor an, wobei sich ihm als Eintragsstelle am Ofen die Abfallaufgabe anbiete.
Hinsichtlich des Arguments einer intensiven Durchmischung des Abfalls und des rückgeführten heißen Inertmaterials bei dem Ofen nach dem Streitpatent sei darauf hinzuweisen, daß das Vorliegen einer hohen Temperatur des rückgeführten Inertmaterials nicht vom Anspruch 1 erfaßt sei, so daß diesem Argument die Grundlage fehle.
Sowohl die apparative Gestaltung wie auch die Betriebsweise des Wirbelschichtofens gemäß Anspruch 1 ergebe sich somit in naheliegender Weise aus der Kombination der Lehren nach (D1) und (D2).
VII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin in bezug auf den Hauptantrag läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Bei dem als nächstkommender Stand der Technik anzusehenden Wirbelschichtofen gemäß (D1) sei kein Feststoff-, sondern nur ein Ascheaustrag vorgesehen, so daß dort die Verbrennung von Müll unterschiedlicher Zusammensetzung, der auch größere Gegenstände umfasse, nicht vorgesehen sei.
Ausgehend von (D1) stelle sich das Problem, die Abfälle intensiv zu zermahlen und bei der Verbrennung schnell hohe Temperaturen zur Vermeidung der Bildung von Giftstoffen, wie Dioxin, zu erreichen.
Gemäß der Lösung dieses Problems werde die untere Zone als "bubbling bed" mit Inertmaterialumlauf durch diese Zone ausgebildet, wobei das heiße Inertmaterial, insbesondere Sand, zusammen mit dem Abfall der Müllaufgabe zugeführt werde. Der Abfall werde dabei sofort aufgeheizt und einer Zermahlung unterworfen. Dies führe zu einer gleichmäßigen Temperaturverteilung im Brennstoff mit besserem Ausbrand und geringerer Giftstoffbildung.
Der Fachmann könne zwar, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, eine Rezirkulierung des Inertmaterials zur Abfallaufgabe ins Auge fassen, jedoch gebe ihm der gesamte entgegengehaltene Stand der Technik hierzu keine Anregung, so daß der Gegenstand des Anspruchs 1 als erfinderisch angesehen werden müsse.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Änderungen und Klarheit der Ansprüche (Artikel 123 und 84. EPÜ)
2.1. Anspruch 1 stützt sich auf die ursprünglichen Ansprüche 1, 3 und 4 sowie die ursprüngliche Beschreibung, Seite 5, Absatz 2 und Seite 6, Zeilen 24 ff.
Die Ansprüche 2, 3 und 4 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2, 5 und 6.
Anspruch 1 enthält alle Merkmale nach dem erteilten Anspruch 1. Die gegenüber dem erteilten Anspruch 1 zusätzlichen Merkmale, nämlich, daß die obere Zone eine geringere Teilchendichte und eine Feinkorn-Rezirkulierung über Zyklon und Rückführungsrohr aufweist, daß Mittel zur Ausbildung der unteren Zone als "bubbling bed" mit Inertmaterialumlauf durch diese Zone vorgesehen sind und daß die Zugabestelle für Additive im unteren Bereich der oberen Wirbelzone liegt, schränken den Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 ein.
Die Ansprüche 1 bis 4 genügen daher den Bestimmungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.
2.2. Hinsichtlich der Frage der Klarheit des geltenden Anspruchs 1 hat die Kammer bereits in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VerfOBK vom 2. Mai 1995 nach vorläufiger Überprüfung der Sachlage dargelegt, daß die Merkmale nach Anspruch 1, insbesondere nach dessen kennzeichnendem Teil, einen Vorrichtungs- bzw. konstruktiven Charakter aufweisen, was bereits in der Formulierung dieser Merkmale als funktionelle Merkmale, soweit sie nicht konstruktiver Natur sind, zum Ausdruck kommt.
Mit dem Merkmal "Mittel zur Ausbildung der unteren Zone als 'bubbling bed' mit Inertmaterialumlauf durch diese Zone" wird dem Fachmann die Anweisung gegeben, eine Eingabevorrichtung für Inertmaterial bereitzustellen und die Gaszuführungsleitung sowie das Gebläse mit Steuerung im Sinne der Erzielung eines "bubbling bed"-Zustands zu gestalten. Zur Herstellung eines Kreislaufes für die Rezirkulierung des Inertmaterials vom Austrag zur Abfallaufgabe sind ersichtlicherweise entsprechende Vorrichtungen wie Leitungen und Aus- und Einlässe für das zu fördernde Medium sowie Fördermittel vorzusehen.
Die Frage, ob in einem Vorrichtungsanspruch funktionelle Merkmale enthalten sein dürfen, ist von der Großen Beschwerdekammer bereits entschieden und bejaht worden. Gemäß der Entscheidung G 2/88 (ABl. EPA 1990, 93 [Punkt 2.2]) sind Ansprüche möglich, die sich sowohl auf Tätigkeiten als auch auf Gegenstände beziehen, wobei es zwischen den einzelnen Anspruchsformen keine starren Grenzen gibt.
Was das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin betrifft, daß der Begriff "bubbling bed" in seiner Bedeutung, insbesondere hinsichtlich der in Frage kommenden Wirbelgasgeschwindigkeiten, erheblich schwanke, so daß er nicht deutlich im Sinne des Artikels 84 EPÜ sei, ist die Kammer der Auffassung, daß die zum Betrieb der Wirbelschicht notwendigen Leerrohrgeschwindigkeiten und entsprechende apparative Ausgestaltungen neben anderen Faktoren von der Teilchengröße des aufzuwirbelnden Materials abhängen und vom Fachmann in Abhängigkeit von diesen Faktoren passend gewählt werden. Überdies ist im Streitpatent (vgl. Spalte 3, Zeilen 46 bis 51, gestützt auf Seite 6, vorletzter Absatz der ursprünglichen Beschreibung) angegeben, mit welcher Leerrohrgeschwindigkeit das "bubbling bed" betrieben werden soll, nämlich mit 0,5 - 1 m/s. Zumindest in Verbindung mit dieser Angabe in der Beschreibung, die gemäß Artikel 69 (1) EPÜ bei der Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen ist, ist der Begriff "bubbling bed" im Anspruch 1 als klar und eindeutig anzusehen.
Aus den vorstehenden Gründen entsprechen die Ansprüche 1 bis 4 dem Erfordernis der Klarheit (Artikel 84 EPÜ).
3. Neuheit
3.1. Der nächstkommende Stand der Technik ist in (D1) beschrieben, die - unbestritten von den Parteien - die Merkmale nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 zeigt.
In (D1) (vgl. Spalte 1, Zeilen 30 bis 65) ist dargelegt, daß die Wirbelschicht bei Überschreitung der Fluidisierungsgasgeschwindigkeit über den "bubbling bed"- Bereich hinaus in den turbulenten Bereich und schließlich in den zirkulierenden Bereich ("circulating regime") eintritt.
Wie aus Anspruch 1 und Spalte 7, Zeilen 25 bis 47 von (D1) hervorgeht, weist der bekannte Wirbelschichtofen eine untere als zirkulierende Wirbelschicht ausgebildete Zone ("fast (circulating) fluidization regime") mit körnigem fluidisierten Bettmaterial auf. An dieser unzweideutigen Aussage kann auch der Umstand, daß der Primärluftanteil zur Fluidisierung der unteren Zone weniger als 50 % der gesamten der Brennkammer zugeführten Luft beträgt, wie in Spalte 7, Zeilen 47 bis 52 von (D1) angegeben, nichts ändern; denn für die Beantwortung der Frage, ob ein "bubbling bed"-Zustand oder eine zirkulierende Wirbelschicht vorliegt, ist nicht nur die Menge des pro Zeiteinheit zugeführten Fluidisierungsgases, sondern auch dessen Geschwindigkeit sowie andere Parameter, wie z. B. die Korngröße des Bettmaterials, von Bedeutung.
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist die Kammer der Auffassung, daß keine Stelle der Offenbarung von (D1) eine Stütze dafür bietet, daß die untere Zone als "bubbling bed" mit Inertmaterialumlauf durch diese Zone ausgebildet ist.
3.2. Anspruch 1 unterscheidet sich von (D1) durch die Merkmale nach dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs, nämlich
a) durch Mittel zur Ausbildung der unteren Zone (1) als "bubbling bed" mit Inertmaterialumlauf durch diese Zone,
b) durch einen Kreislauf (9) für die Rezirkulierung des Inertmaterials vom Austrag (8) zur Abfallaufgabe (7) und
c) durch eine Zugabestelle (12) für Additive im unteren Bereich der oberen Wirbelzone (2).
3.3. Aus den oben angestellten Überlegungen ergibt sich bereits die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1. Da die Frage der Neuheit zu keinem Zeitpunkt strittig war, sind weitere Ausführungen hierzu nicht notwendig.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Ausgehend von dem Stand der Technik nach (D1) soll die Aufgabe gelöst werden, eine Müllverbrennungsanlage zu schaffen, mit der Müll schwankender Zusammensetzung verbrannt werden kann und die einen geringeren Nachreinigungsaufwand erfordert bzw. weniger zur Abgabe sekundär gebildeter Giftstoffe neigt und unter Verzicht auf mit Öl oder Gas beheizte Nachverbrennungsstrecken und weiteren Nachreinigungsaufwand die geforderte Abgasqualität einhält.
Der Inertmaterialumlauf in der "bubbling bed"-Zone bewirkt eine gleichmäßige Temperaturverteilung in Verbindung mit einer Mahlwirkung in dieser Zone, wodurch sich ein guter Ausbrand des Mülls bei nicht zu hoher Temperatur erreichen läßt. Die Rückführung des Inertmaterials zur Abfallaufgabe sorgt für eine gute Verteilung und Mischung des Abfalls, was insbesondere bei schwankender Zusammensetzung des Mülls für die Vergleichmäßigung der Verbrennung vorteilhaft ist. Die Verteilung und Mischung des Abfalls erfolgt dabei ungeachtet der Temperatur des rückgeführten Inertmaterials.
Die Begrenzung der Verbrennungstemperatur durch Vermeidung von Temperaturspitzen führt zu einer Verringerung der Bildung von NOx-Verbindungen in der unteren Zone, wobei das in die obere, als zirkulierende Wirbelschicht ausgebildete Zone gelangende Gas und Feinkorn nachverbrannt und mit Additiven zur Entgiftung versetzt werden, so daß eine weitergehende Nachreinigung der Verbrennungsgase nicht erforderlich erscheint.
Die oben angegebene Aufgabe wird somit durch Anspruch 1 in glaubhafter Weise gelöst.
4.2. Die im Hinblick auf eine sich dem Fachmann anbietende Kombination von bekannten technischen Lehren genannte (D2) beschreibt einen Wirbelschichtofen mit einer unteren Wirbelschichtzone (108; Figur 2), die als "bubbling bed" ausgebildet ist, und einer als zirkulierende Wirbelschicht ausgebildeten oberen Zone (8; Figur 2).
Der Ofen ist zur Verbrennung von kohlenstoffhaltigem Material, unter anderem auch Müll, konzipiert, wobei die Verwendung von Calciumcarbonat oder Calciumoxid als Zuschlagstoffe zum Binden von schädlichen Gasen vorgeschlagen wird.
Die Entgegenhaltung läßt jedoch keinen Hinweis auf einen Inertmaterialumlauf durch die untere Zone erkennen. Es wurde auch nicht nachgewiesen, daß bei dem bekannten Wirbelschichtofen ein Kreislauf für die Rezirkulierung von Inertmaterial vom Austrag zu einer Abfallaufgabe vorgesehen ist.
Sollte der Fachmann eine gemeinsame Betrachtung der Druckschriften (D1) und (D2) ins Auge fassen, so wird er feststellen, daß er damit die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe nicht gemäß Anspruch 1 zu lösen vermag, da (D2) keine Anregung hinsichtlich eines Inertmaterialumlaufs durch die untere Zone sowie hinsichtlich einer Rückführung des Inertmaterials zur Abfallaufgabe gibt.
4.3. Die von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Zugabe von Additiven in die Brennkammer genannte (D3) betrifft die Verbrennung von kohlenstoffhaltigem Material in einem Wirbelschichtreaktor, wobei jedoch kein Hinweis auf eine Aufteilung des Reaktors in eine untere "bubbling bed"-Zone und eine obere, als zirkulierende Wirbelschicht ausgebildete Zone erkennbar ist.
Auf Seite 11 (ursprüngliche Numerierung), Absatz 3 von (D3) ist angegeben, daß bei Verwendung von Heizöl als kohlenstoffhaltiges Material ein Hilfsbett, z. B. aus Sand, Kalk oder Dolomit, also Inertmaterial, erforderlich ist. Die Verwendung eines Hilfsbettes aus Inertmaterial ist somit lediglich in Verbindung mit Heizöl als Brennstoff, nicht jedoch mit Feststoff, insbesondere Abfällen, durch (D3) bekannt geworden.
Darüber hinaus ist (D3) auch kein Hinweis auf einen Inertmaterialumlauf in einer unteren "bubbling bed"-Zone zu entnehmen. Es ist zwar eine Rückführung von dem Reaktor entnommenen Feststoffen (vgl. Leitung (15) in Figur 1) vorgesehen; diese Feststoffe werden "in den Wirbelschichtreaktor" (vgl. Seite 16, Absatz 3) an einer Stelle eingegeben, die von der Brennstoffaufgabe beabstandet ist (siehe Figur 1, Pos. 15 und 6).
(D3) vermag somit ebenfalls keine Anregung zur Lösung der Probleme der intensiven Durchmischung der Abfälle bei der Abfallaufgabe und der gleichmäßigen Temperaturverteilung mit dem Effekt einer verringerten Bildung von NOx- Verbindungen zu vermitteln.
4.4. Die erst nach Ablauf der Einspruchsfrist aufgegriffenen Druckschriften (D4) und (D5) wurden von der Beschwerdeführerin mit der Begründung genannt, daß auf sie vorsorglich bezüglich der Verwendung eines schrägen Gasverteilungsbodens verwiesen werde.
Ein Wirbelschichtofen mit einem schrägen Gasverteilungsboden bildet jedoch nicht den Gegenstand der geltenden Ansprüche. Die Prüfung der Druckschriften (D4) und (D5) auf Relevanz gemäß Artikel 114 (1) EPÜ hat ergeben, daß sie für die zu treffende Entscheidung nicht erheblich sind. Sie haben auch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zu keinem Zeitpunkt eine Rolle gespielt.
Diese Entgegenhaltungen werden deshalb, da verspätet genannt, nicht in dem Verfahren zugelassen.
Die erst im Beschwerdeverfahren mit der Eingabe vom 2. November 1995 genannte Druckschrift (D6) wurde als Beleg für die in der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 5. Oktober 1995 aufgestellte Aussage vorgelegt, daß in jeder Wirbelschicht zwangsläufig partielle Umlaufbewegungen der Feststoffe auftreten, wobei in diesem Zusammenhang auf Seite 477, Absatz 1, von (D6) verwiesen wurde.
Dort wird unter anderem ausgesagt:
".. Durch diese externe und interne Feststoffzirkulation wird eine gute Temperatur-Konstanz in der gesamten Wirbelbrennkammer und im Rückführsystem gewährleistet".
Diese Aussage bezieht sich jedoch offensichtlich nicht auf eine als "bubbling bed" ausgebildete Wirbelschichtzone, sondern auf den Bereich der zirkulierenden Wirbelschichtfeuerung, wie aus dem zugehörigen Beschreibungsteil auf Seite 476, Absatz 4, von (D6) hervorgeht. Im übrigen wurden in (D6) keinerlei Anhaltspunkte für die Ausbildung eines Kreislaufs für die Rezirkulierung von Inertmaterial vom Austrag zur Abfallaufgabe nachgewiesen.
Die Prüfung von (D6) hinsichtlich deren Relevanz ergibt somit, daß diese Entgegenhaltung nicht entscheidungserheblich ist und daher als verspätet vorgebracht in dem Verfahren nicht zugelassen wird.
Die Kammer hat auch die übrigen, erst im Beschwerdeverfahren von der Beschwerdeführerin genannten Druckschriften (vgl. Abschnitt II der Beschwerdebegründung), die zum Nachweis der Definition des Begriffs "bubbling bed" eingereicht wurden, auf ihre Bedeutung hin überprüft.
Diese Druckschriften befassen sich mit den Grundlagen der Wirbelbettverbrennung und gehen in ihren Aussagen hinsichtlich des Gegenstands von Anspruch 1 des Streitpatents nicht über das hinaus, was die übrigen im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren diskutierten Entgegenhaltungen offenbaren.
4.5. Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, insbesondere die als besonders relevant anzusehenden Merkmale betreffend den Inertmaterialumlauf durch die untere als "bubbling bed" ausgebildete Zone und den Rezirkulationskreislauf für die Rückführung des Inertmaterials vom Ofenaustrag zur Abfallaufgabe, nicht in naheliegender Weise aus dem verfügbaren Stand der Technik hergeleitet werden konnten, so daß die Lehre nach Anspruch 1 als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend anzusehen ist.
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und die auf diesen rückbezogenen abhängigen Ansprüche 2 bis 4 können daher den Rechtsbestand des Streitpatents in seiner eingeschränkten Fassung sichern.
5. Die geltende Beschreibung und Zeichnung gemäß der angefochtenen Zwischenentscheidung entsprechen den Erfordernissen des EPÜ und sind somit für die Aufrechterhaltung des Patents in der geänderten Fassung gemäß dem Hauptantrag geeignet.
Hilfsantrag
Da dem Hauptantrag stattgegeben wird, ist es nicht erforderlich, auf den Hilfsantrag einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.