T 0789/95 13-03-1997
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Verfahren und Vorrichtung zum Nachweis von brennbaren Gasen
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein)
I. Wird im Einspruchsverfahren eine Eingabe der Einsprechenden der Patentinhaberin nicht mitgeteilt, so widerspricht dies dem Grundsatz, daß allen Verfahrensbeteiligten die gleichen Verfahrensrechte eingeräumt werden müssen (G 0001/86). Insofern liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.
II. Jedoch entspricht die Rückerstattung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ in einem solchen Fall nicht der Billigkeit, wenn die Patentinhaberin klare Hinweise auf diese Eingabe hatte und ihr rechtliches Gehör gemäß Artikel 113 (1) EPÜ jedenfalls durch eine noch bevorstehende mündliche Verhandlung gewahrt war.
I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 234 251, das auf der Grundlage der europäischen Patentanmeldung Nr. 87 100 641.7 mit 7. Ansprüchen erteilt wurde. Die einzigen unabhängigen Ansprüche haben folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zum Nachweis des Anteils von brennbaren Gasen in einem Luftgemisch mit Hilfe einer mit einer Anzeigeeinheit ausgestatteten Meßeinrichtung die mittels eines einzigen, katalytisch aktiven Sensorelementes (1), sowohl nach dem Wärmetönungsverfahren als auch nach dem Warmeleitungsverfahren (lese "Wärmeleitungsverfahren") arbeitet und eine Anzeige nach dem Wärmetönungsverfahren nur unterhalb eines vorgebbaren Referenzwertes für das Meßsignal abgibt,
gekennzeichnet durch die Verfahrensschritte, daß
a) der Sensor (1) zu Beginn der Messung auf einer für die Wärmeleitfähigkeitsmessung ausreichenden ersten Temperatur T1 konstant gehalten, und während der Messung
b) das resultierende Meßsignal mit einem Referenzwert R1 verglichen und
c) wenn es den Referenzwert R1 unterschreitet, die Temperatur des Sensors (1) auf eine die Wärmetönunsmessung ermöglichende zweite Temperatur T2 erhöht und auf dieser konstant gehalten wird, und
d) das vom Sensor (1) abgegebene Meßsignal mit einem, einer höheren Gaskonzentration als R1 entsprechenden Belastungsgrenzwert G verglichen und seine Temperatur auf die die Wärmeleitfähigkeitsmessung ermöglichende Temperatur T1 abgesenkt und konstant gehalten wird, sobald das Meßsignal den Grenzwert G überschreitet."
"7. Meßeinrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß ein einziger, katalytisch aktiven (lese "aktiver") Sensor (1) an eine steuerbare Stromquelle (2) angeschlossen ist, dessen Ausgangssignal über einen Meßverstärker (8) an ein Rechenwerk (5, 6) geführt ist, das über eine Rückkopplungseinheit (12) zur Abgabe eines Steuersignals derart an die Stromquelle (2) angeschlossen ist, daß diese aufgrund eines Vergleichs des über einen Verstärker (4) gemessenen Sensorwiderstandes mit den in einem Vergleicher (6) gespeicherten Referenzwerten R1, R2 bzw. Belastungsgrenzwert G die für die Aufrechterhaltung der Temperaturen T1, T2 notwendigen Stromstärken an den Sensor (1) abgibt."
II. Gegen die Erteilung des Patents hat die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) Einspruch eingelegt, gestützt darauf, daß der Gegenstand des Patents u. a. im Hinblick auf das Dokument E2 = DE-A-2 714 040 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Im Einspruchsverfahren berief sie sich außerdem noch auf das Dokument E4 = US-A-4 475 378.
III. Das Patent wurde widerrufen.
Die Einspruchsabteilung hat ihre Entscheidung wie folgt begründet:
Der Ausgangspunkt des strittigen Verfahrens entspreche der aus E2 bekannten Technik. Im Gegensatz zum bekannten Verfahren, bei dem ein Sensor nach dem Wärmetönungsverfahren und ein anderer Sensor nach dem Wärmeleitungsverfahren arbeitet, werde im strittigen Verfahren nur ein einziger Sensor in der Meßeinrichtung für den Nachweis des Anteils von brennbaren Gasen in einem Luftgemisch verwendet. Dem Streitpatent liege die Aufgabe zugrunde, das aus E2 bekannte Verfahren so zu verbessern, daß es eine eindeutige Messung bei geringstmöglichem Energieverbrauch und mit gleicher Meßgenauigkeit im ganzen Meßbereich erlaubt; ein entsprechendes Meßgerät soll ein kleineres Volumen besitzen, leichter und zum Zwecke der Wartung einfacher sein und aus weniger Teilen bestehen. Ein Meßgerät mit nur einem Sensor sei offensichtlich zum Anmeldetag von E2 nicht bekannt gewesen, jedoch vor dem Prioritätstag des Streitpatents in E4 veröffentlicht worden, wobei der Fachmann aus der Lehre von E4 entnehme, daß ein einziger solcher Sensor bei Temperaturen, die eine Katalyse ermöglichen, überwiegend als Wärmetönungssensor aber, abhängig vom Volumenanteil des Meßgases, auch überwiegend als Wärmeleitungssensor dienen könne. Da der Sensor gemäß E4 bei erhöhten Temperaturen eine Wärmeleitfähigkeitsmessung erlaubt, sei es für den Fachmann vorhersehbar, daß dies auch in einem niedrigeren Temperaturbereich möglich sei, wobei zumindest ein dementsprechender Versuch im Rahmen des fachüblichen Handelns liege. Ausgehend von E2 gelange der Fachmann mit den Merkmalen aus E4 ohne erfinderisches Zutun zu dem Verfahren gemäß Anspruch 1 und zu dem Gerät gemäß Anspruch 7.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt.
V. Es wurde am 13. März 1997 gemäß den Hilfsanträgen beider Parteien mündlich verhandelt.
VI. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent zu widerrufen. Sie hat ihre Anträge wie folgt begründet:
Es sei unbestritten, daß E2 dem nächststehenden Stand der Technik entspreche. Aus E2 sei ein Verfahren zum Nachweis des Anteils von brennbaren Gasen in einem Luftgemisch bekannt. Im Gegensatz zu dem bekannten Verfahren, bei dem keine Anpassung der Temperatur oder der Temperaturen der Sensoren stattfinde, werde im strittigen Verfahren von einer ersten Temperatur, die für die Wärmeleitungsmessung geeignet sei, durch Temperaturerhöhung auf eine zweite, für die Wärmetönungsmessung geeignete Temperatur übergangen, und danach wieder, durch Temperaturabsenkung, auf die erste, konstante Temperatur zurückgegangen; zusätzlich werde während jeder dieser Phasen, d. h., solange keine Unterschreitung des Referenzwertes oder Überschreitung des Grenzwertes stattfindet, die jeweilige Temperatur bei jedem dieser Meßverfahren konstant gehalten. Anders als das aus E2 bekannte Verfahren, das mit 2 separaten Meßsystemen arbeite, werde außerdem das strittige Verfahren mittels eines einzigen, katalytisch aktiven Sensorelementes betrieben.
Aufgrund der verschiedenen Wirkungsweisen der beiden Sensoren gemäß E2 sei aus dieser Entgegenhaltung allein zunächst nicht offensichtlich gewesen, statt zweier Sensoren nur einen zu verwenden. Der eine einzige Sensor müßte nämlich sowohl zur Wärmetönungsmessung als auch zur Wärmeleitungsmessung dienen. Aus E4 sei jedoch ein Verfahren bekannt geworden, das zum Nachweis des Anteils von brennbaren Gasen diene, wobei ein einziger Sensor bei Temperaturen, die eine Katalyse ermöglichen, überwiegend als Wärmetönungssensor aber auch überwiegend als Wärmeleitfähigkeitssensor dienen könne, abhängig vom Volumenanteil des Meßgases. Es sei zu betonen, daß in E4 nicht nur der Nachweis, sondern auch das Messen von Konzentrationen von brennbaren Gasen erwähnt seien. Zwar sei beim Verfahren von E4 die Aufrechterhaltung einer konstanten Spannung, d. h. keine Aufrechterhaltung einer jeweils unterschiedlichen, aber konstanten Temperatur bei jedem der Verfahrensmodi vorgesehen. Die mit der Temperaturkonstanthaltung verbundenen Vorteile im Hinblick auf die Energieersparnis und auf die verlängerte Lebensdauer des Sensors seien aber am Prioritätstag des Streitpatents ständig präsentes allgemeines Wissen des Fachmanns auf dem Gebiet der Messung von Gaskonzentrationen gewesen, wie dies aus den zwei vorveröffentlichten, neu eingereichten Entgegenhaltungen zu entnehmen sei. Daher habe es nahegelegen, in der Meßeinrichtung von E2 die zwei Sensoren durch einen einzigen Sensor zu ersetzen, der sowohl nach dem Wärmetönungsverfahren als auch nach dem Wärmeleitungsverfahren arbeite und dessen Temperatur im Hinblick auf die damit verbundenen Vorteile jeweils konstant zu halten. Daher beruhten weder das Verfahren des Anspruchs 1 noch die Meßeinrichtung des Anspruchs 7 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und insbesondere gemäß ihrem Hauptantrag das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten. Außerdem hat sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt. Diese Anträge begründete sie wie folgt:
Ein Verfahren zum Nachweis des Anteils von brennbaren Gasen in einem Luftgemisch sei aus E2 bekannt. Anders als in diesem bekannten Verfahren, bei dem keine Anpassung der Temperatur der Sensoren stattfinde, werde im strittigen Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents von einer ersten Temperatur, die für die Wärmeleitungsmessung geeignet ist, durch Temperaturerhöhung auf eine zweite, für die Wärmetönungsmessung geeignete Temperatur übergangen, und danach wieder, durch Temperaturabsenkung, auf die erste, konstante Temperatur zurückgegangen; zusätzlich werde während jeder dieser Phasen, d. h., solange keine Unterschreitung des Referenzwertes oder Überschreitung des Grenzwertes stattfinde, die jeweilige Temperatur bei jedem dieser Meßmodi konstant gehalten. Anders als das bekannte Verfahren, das mit 2 separaten Meßsystemen arbeite, werde außerdem das Verfahren des Streitpatents mittels eines einzigen, katalytisch aktiven Sensorelementes betrieben.
Der Erfindung von E2 liege die Aufgabe zugrunde, eine Schaltung für ein Meßgerät für brennbare Gase anzugeben, bei der die Systemumschaltung entsprechend der jeweils vorliegenden Gaskonzentration automatisch ohne Verwendung mechanischer Schaltelemente erfolge. Zwar sei aus E4 ein anderes Verfahren bekannt, das zum Nachweis des Anteils von brennbaren Gasen diene, bei welchem ein einziger Sensor bei unterschiedlichen Temperaturen benützt werde. Es werde jedoch in E4 entsprechend der dortigen Aufgabenstellung hauptsächlich eine für ein Alarmsignal ausreichende qualitative Aussage über die Konzentration des brennbaren Gases ermittelt, so daß E2 und E4 unterschiedliche Aufgabenstellungen zugrunde lägen und somit eine Kombination der Lehren der beiden Dokumente nicht nahegelegen habe. Außerdem sei beim strittigen Verfahren, anders als beim Verfahren von E4, keine Aufrechterhaltung einer konstanten Spannung, sondern die Aufrechterhaltung unterschiedlicher, aber jeweils konstanter Temperaturen bei jedem der Meßmodi, d. h. sowohl beim Wärmeleitfähigkeitsverfahren als auch beim Wärmetönungsverfahren vorgesehen; diese Maßnahme sei mit Vorteilen im Hinblick auf die Energieersparnis wie auch auf die verlängerte Lebensdauer des Sensors verbunden; der Hinweis der Beschwerdegegnerin auf zwei vorveröffentlichte, neu eingereichte Entgegenhaltungen mit der Behauptung, es sei am Prioritätstag des Streitpatents als Ergebnis der Entwicklung der Elektronik und im Hinblick auf die damit verbundenen Vorteile Teil des allgemeinen, ständig präsenten Fachwissens des Fachmanns gewesen, zur Aufrechterhaltung einer konstanten, aber unterschiedlichen Temperatur bei jedem der beiden Verfahrensmodi zu gelangen, sei nicht bewiesen. Daher könne eine Kombination der Lehren von insbesondere E2 und E4 nur in rückschauender Betrachtung zum Verfahren des Streitpatents führen. Das gleiche gelte für die Meßeinrichtung des Streitpatents, die ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Entgegenhaltung E4 = US-A 4 475 378 sei erst im Schreiben vom 30. Januar 1995, d. h. nach der Einspruchsfrist, von der Einsprechenden genannt worden. Im Bescheid, der mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung versandt wurde, habe die Einspruchsabteilung die Relevanz von E4 für eine Kombination mit E2 jedoch verneint und mitgeteilt, das verspätet vorgebrachte und dem Einsprechenden längst bekannte Dokument EP-A 0 080 406 (ebenso wie US-A-4 475 378) werde daher nicht ins Einspruchsverfahren eingeführt. Während der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 1995 habe die Einsprechende dann erneut auf der Basis von E2 und E4 argumentiert, wonach das Patent wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf eine Kombination der Lehren dieser Dokumente widerrufen worden sei.
Die Beschwerdeführerin habe keine Kopie der Eingabe der Einsprechenden vom 30. Januar 1995 erhalten, so daß ihr durch das anfängliche Nichtzulassen der E4 und die Nichtzustellung des Schriftsatzes des Einsprechenden die Möglichkeit genommen worden sei, auf die Eingabe der Einsprechenden, die offenbar für das Verfahren bedeutsam gewesen sei, im schriftlichen Verfahren Stellung zu nehmen. Dies stelle einen Verstoß gegen Artikel 113 (1) EPÜ dar, welcher die Rückerstattung der Beschwerdegebühr rechtfertige. In diesem Zusammenhang wies sie auf die Entscheidung T 669/90, ABl. 1992, 739.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
Es wurde nicht bestritten, daß das Dokument E2 dem nächsten Stand der Technik entspricht. Da E2 keine Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Streitpatents enthält, und da dies auch für den Vorrichtungsanspruch 7 gilt, ist der Gegenstand jeder dieser unabhängigen Ansprüche gemäß Hauptantrag neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ. Im übrigen wurde die Neuheit auch nicht bestritten.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Ein Verfahren zum Nachweis des Anteils von brennbaren Gasen in einem Luftgemisch ist aus E2 (siehe Seite 1, erster Absatz; Seite 2, letzter Absatz bis Seite 6, einziger Absatz; die Figur) bekannt; dieses Verfahren wird mit Hilfe einer mit einer Anzeigeeinheit (J) ausgestatteten Meßeinrichtung durchgeführt; diese Meßeinrichtung arbeitet sowohl nach dem Wärmetönungsverfahren als auch nach dem Wärmeleitungsverfahren; es ist E2 (siehe insbesondere Seite 5, letzter Absatz, fünf letzte Zeilen) zu entnehmen, daß diese Meßeinrichtung eine Anzeige nach dem Wärmetönungsverfahren nur unterhalb eines vorgebbaren Referenzwertes für das Meßsignal abgibt, d. h. unterhalb einer bestimmten Gaskonzentration.
Da sonst eine solche Messung eventuell nicht stattfinden könnte, ist E2 weiter zu entnehmen, daß mindestens der für die Messung wirksame Teil der Meßeinrichtung zu Beginn der Messung in einem für die Wärmeleitfähigkeitsmessung geeigneten Temperaturbereich gehalten wird; während der Messung wird das resultierende Meßsignal mit einem Referenzwert verglichen.
Wenn das Meßsignal der Meßeinrichtung den Referenzwert, d. h. die vorher erwähnte bestimmte Gaskonzentration, unterschreitet, arbeitet die Meßeinrichtung nach dem Prinzip der Wärmetönungsmessung; somit ist E2 zu entnehmen, daß bei dieser Betriebsart mindestens der für die Messung wirksame Teil der Meßeinrichtung in einem die Wärmetönungsmessung ermöglichenden Temperaturbereich arbeitet. Das von der Meßeinrichtung abgegebene Meßsignal wird dabei mit einem, einer höheren Gaskonzentration als dem Referenzwert entsprechenden Belastungsgrenzwert verglichen; sobald das Meßsignal diesen Grenzwert überschreitet, arbeitet der für die Messung wirksame Teil der Meßeinrichtung in einem die Wärmeleitfähigkeitsmessung ermöglichenden Temperaturbereich.
3.2. Im Gegensatz zu dem bekannten Verfahren, bei dem keine Anpassung der Temperatur der Sensoren stattfindet, wird im Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents von einer ersten Temperatur, die für die Wärmeleitungsmessung geeignet ist, durch Temperaturerhöhung auf eine zweite, für die Wärmetönungsmessung geeignete Temperatur übergangen, und danach wieder, durch Temperaturabsenkung, auf die erste, konstante Temperatur zurückgegangen. Zusätzlich wird während jeder dieser Phasen, d. h. solange keine Unterschreitung des Referenzwertes oder Überschreitung des Grenzwertes stattfindet, die jeweilige Temperatur bei jedem dieser Meßmodi konstant gehalten.
Anders als das aus E2 bekannte Verfahren, das mit 2 separaten Meßsystemen (M1, M2) arbeitet, wird das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents außerdem mittels eines einzigen, katalytisch aktiven Sensorelementes betrieben.
3.3. Der Erfindung von E2 (siehe Seite 2, letzter Absatz bis Seite 3, erster Absatz) liegt die Aufgabe zugrunde, eine Schaltung für ein Meßgerät für brennbare Gase anzugeben, bei der die Systemumschaltung entsprechend der jeweils vorliegenden Gaskonzentration automatisch ohne Verwendung mechanischer Schaltelemente erfolgt.
3.4. Der angefochtenen Entscheidung (siehe Seite 5, erster Absatz) kann insoweit gefolgt werden, als es aufgrund der verschiedenen Wirkungsweisen der beiden Sensoren gemäß E2 aus dieser Entgegenhaltung allein zunächst nicht offensichtlich ist, statt zwei Sensoren nur einen zu verwenden. Der eine einzige Sensor müßte nämlich sowohl zur Wärmetönungsmessung als auch zur Wärmeleitungsmessung dienen.
3.5. Aus E4 (siehe Spalte 1, Zeilen 8 bis 10; Spalte 1, Zeile 41 bis Spalte 2, Zeile 22; Spalte 2, Zeile 40 bis Spalte 5, Zeile 15, insbesondere Spalte 2, Zeilen 40 bis 68; die Figur) ist ein anderes Verfahren bekannt, das zum Nachweis des Anteils von brennbaren Gasen dient. Der angefochtenen Entscheidung (siehe Seite 6, zweiter Absatz) kann auch darin gefolgt werden, daß aus E4 zu entnehmen ist, daß ein einziger Sensor bei Temperaturen, die eine Katalyse ermöglichen, abhängig vom Volumenanteil des Meßgases, überwiegend als Wärmetönungssensor aber auch überwiegend als Wärmeleitfähigkeitssensor dienen kann.
3.6. Wie jedoch die Beschwerdeführerin überzeugend argumentiert hat, wird in E4 (siehe auch Spalte 1, Zeilen 41 bis 49) in Bezug auf die Aufgabenstellung hauptsächlich nur eine für ein Alarmsignal ausreichende qualitative Aussage über die Konzentration des brennbaren Gases ermittelt, so daß E2 und E4 unterschiedliche Aufgabenstellungen zugrunde liegen und somit eine Kombination der Lehren der beiden Dokumente nicht nahegelegen hat. Wie weiter von der Beschwerdeführerin glaubhaft argumentiert wurde, ist beim strittigen Verfahren, anders als beim Verfahren von E4, keine Aufrechterhaltung einer konstanten Spannung, sondern die Aufrechterhaltung einer unterschiedlichen, aber jeweils konstanten Temperatur bei jedem der Verfahrensmodi, d. h. sowohl beim Wärmeleitfähigkeitsverfahren als auch beim Wärmetönungsverfahren vorgesehen. Diese Maßnahme ist nach den überzeugenden Ausführungen der Beschwerdeführerin mit Vorteilen im Hinblick auf die Energieersparnis und auf die verlängerte Lebensdauer des Sensors verbunden. Zwar ist es richtig, daß aus der Lehre weiterer, in der angefochtenen Entscheidung zitierter Entgegenhaltungen auf diese Maßnahme und auf ihre Vorteile in Bezug auf einen einzigen Sensor hingewiesen wird. Die Beschwerdegegnerin in dieser Hinsicht mit Hinweis auf zwei vorveröffentlichte, neu eingereichte Entgegenhaltungen argumentiert, daß es am Prioritätstag des Streitpatents als Ergebnis der Entwicklung der Elektronik und im Hinblick auf die damit verbundenen Vorteile Teil des allgemeinen, ständig präsenten Fachwissens des Fachmanns geworden sei, zur Aufrechterhaltung einer konstanten, aber unterschiedlichen Temperatur bei jeder der beiden Verfahrensarten zu gelangen. Diese Meinung kann jedoch die Kammer nicht teilen. Insbesondere fehlt ein Beweis, daß eine solche Maßnahme in der Tat keiner zusätzlichen, mit E2 und E4 zu kombinierenden Lehre entspricht, sondern präsentes Allgemeinwissen des Fachmanns darstellt.
3.7. Es ist auch zu bemerken, daß gemäß der angefochtenen Entscheidung schon aus E4 sowohl ein einziger Sensor als auch die Verfahrenschritte in Zusammenhang mit der Temperatureinstellung direkt oder in naheliegender Weise herleitbar sein sollen. Obwohl somit das Verfahren gemäß E4 angeblich schon wichtige Merkmale des strittigen Verfahrens aufweist, wurde dieses Dokument weder von der Einspechenden und jetzigen Beschwerdegegnerin noch von der Einspruchsabteilung als nächstliegender Stand der Technik in Betracht gezogen. Da aus E4 keine eindeutige Lehre in Bezug auf Wärmeleitfähigkeitsverfahren oder Wärmetönungsverfahren zu entnehmen ist, ist E4 in Bezug auf das Verfahren des Streitpatents in der Tat weniger relevant als E2, was die Beschwerdegegnerin auch zugestanden hat.
3.8. Daher konnte das Argument der Beschwerdeführerin überzeugen, daß eine Kombination der Lehren von E2 und E4 nur in rückschauender Betrachtung zum Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents führt.
3.9. Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
3.10. Die gleiche Schlußfolgerung gilt für den Gegenstand des Anspruchs 7, der die Erfindung in der Form einer Vorrichtung definiert. Daher stehen die in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des europäischen Patents in unveränderter Form nicht entgegen (Art. 102 (2) EPÜ).
4. Somit ist es nicht nötig, die Hilfsanträge der Beschwerdeführerin in Betracht zu ziehen.
5. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
5.1. Die Entgegenhaltung E4 = US-A-4 475 378 wurde im Schreiben vom 30. Januar 1995, d. h. nach der Einspruchsfrist, aber noch vor der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 1995 von der Einsprechenden erstmals genannt.
Im Bescheid, der mit der Ladung zu dieser mündlichen Verhandlung am 7. März 1995 versandt wurde, hat sich die Einspruchsabteilung kurz mit dieser Eingabe der Einsprechenden auseinandergesetzt; sie hat die Relevanz von E4 für eine Kombination mit E2 jedoch verneint und mitgeteilt, das verspätet vorgebrachte und dem Einsprechenden längst bekannte Dokument EP-A-0 080 406 (ebenso wie US-A-4 475 378) werde daher nicht ins Einspruchsverfahren eingeführt.
Während der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 1995 vor der Einspruchsabteilung hat die Einsprechende erneut auf der Basis von E2 und E4 argumentiert, worauf das Patent wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf eine Kombination der Lehren dieser Dokumente widerrufen wurde.
5.2. Die Beschwerdeführerin beantragt nun die Rückerstattung der Beschwerdegebühr. Sie bemängelt, daß sie keine Kopie der Eingabe der Einsprechenden vom 30. Januar 1995 erhalten habe. Durch das anfängliche Nichtzulassen der E4 und die Nichtzustellung des Schriftsatzes des Einsprechenden sei ihr die Möglichkeit genommen worden, auf die Eingabe der Einsprechenden, die offenbar für das Verfahren bedeutsam gewesen sei, im schriftlichen Verfahren Stellung zu nehmen. Die Patentinhaberin sehe hierin einen Verstoß gegen Artikel 113 (1) EPÜ. Sie weist in diesem Zusammenhang auf die oben erwähnte Entscheidung T 669/90 hin.
5.3. Der Leitsatz dieser Entscheidung T 669/90 lautet wie folgt:
"I. Erläßt das EPA eine Mitteilung, die (bei vernünftiger Auslegung) einen Beteiligten zu der Annahme verleitet, er brauche zur Wahrung seiner Interessen zu den von der Gegenpartei eingereichten neuen Tatsachen und Beweismitteln nicht Stellung zu nehmen, und bilden diese neuen Tatsachen und Beweismittel später die Grundlage für eine ihn beschwerende Entscheidung, so hatte er keine Gelegenheit im Sinne des Artikels 113 (1) EPÜ, sich dazu zu äußern. Eine solche Verfahrensweise ist unbillig und verstößt gegen den Grundsatz des guten Glaubens zwischen dem EPA und den Verfahrensbeteiligten.
II. Beabsichtigt das EPA von einem Einsprechenden verspätet eingereichtes neues Beweismaterial wegen seiner Relevanz für die Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, und hat der Patentinhaber zu diesem Beweismaterial nicht Stellung genommen, so ist es im Sinne des Artikels 101 (2) EPÜ erforderlich, ihn zur Stellungnahme aufzufordern, bevor die Sache auf der Grundlage dieser Beweismittel entschieden wird. Diese Notwendigkeit ergibt sich sowohl aus Artikel 113 (1) EPÜ als auch aus den gemäß Artikel 125 EPÜ anzuwendenden allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts."
Was die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anbetrifft, wird sie gemäß Regel 67, erster Satz, EPÜ, u. a. angeordnet, wenn der Beschwerde durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.
5.4. Aus der vorliegenden Akte ergibt sich kein Hinweis darauf, daß im Einspruchsverfahren eine Kopie der Eingabe der Einsprechenden vom 30. Januar 1995 an die Patentinhaberin weitergeleitet wurde. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Weiterleitung an die Patentinhaberin in Abweichung von den Richtlinien für die Prüfung im EPA (Teil D-IV, 5.4) unterblieb. Dies stellt nach Ansicht der Kammer einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil damit der Grundsatz verletzt wurde, daß allen Verfahrensbeteiligten die gleichen Verfahrensrechte eingeräumt werden müssen (vgl. G 1/86, Punkt 13 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 1987, 447).
5.5. Was die Frage der Billigkeit als eine weitere Voraussetzung für die Rückerstattung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ anbelangt, zieht die Kammer folgendes in Erwägung.
5.6. Auch wenn die Patentinhaberin die Eingabe der Einsprechenden vom 30. Januar 1995 nicht erhalten hat, so sind die darin enthaltenen Argumente, einschließlich des neu genannten Dokuments E4, in der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 1995 ausführlich zur Sprache gekommen, wie sich aus dem Protokoll ergibt. Schon in der Ladung zur mündlichen Verhandlung hatte die Einspruchsabteilung auf dieses neu genannte Dokument E4 hingewiesen, auch wenn sie damals noch zum vorläufigem Schluß kam, es als verspätet nicht zu berücksichtigen.
Unter diesen Umständen hatte die Patentinhaberin jedenfalls nach Erhalt der Ladung ausreichend Gelegenheit, sich mit dem neu genannten Dokument E4 auseinanderzusetzen. In der mündlichen Verhandlung konnte sie sich auch zu den entsprechenden Argumenten der Einsprechenden äußern. Eine Verletzung von Artikel 113 (1) EPÜ liegt damit nicht vor.
5.7. Wie weiter zu berücksichtigen ist, wurde in der Ladung vom 7. März 1995 zur mündlichen Verhandlung von 4. Juli 1995 deutlich darauf hingewiesen, daß kurz zuvor noch eine Stellungnahme der Einsprechenden mit Datum 30. Januar 1995 eingegangen war, in der das neue Dokument E4 genannt wurde. Es kann dahingestellt bleiben, ob es angesichts dieses klaren Hinweises in der Ladung der Patentinhaberin nicht hätte auffallen sollen, daß ihr diese Stellungnahme der Einsprechenden nicht zugestellt worden war und ob sie, trotz der Ausführungen in dieser Ladung, nicht hätte vorsichtshalber reagieren sollen, so daß das Versehen durch Anfrage beim EPA rechtzeitig hätte behoben werden können. Jedenfalls hat die Patentinhaberin angesichts dieses klaren Hinweises in der Ladung damit rechnen können, daß entsprechende Argumente in der noch bevorstehenden mündlichen Verhandlung zur Sprache kommen. Sie kann deshalb nicht geltend machen, davon überrascht worden zu sein.
5.8. Auch aus der oben erwähnten Entscheidung T 669/90 kann die Patentinhaberin nichts zu ihren Gunsten ableiten. Im Gegensatz zum Sachverhalt, der jener Entscheidung zugrunde lag, entschied die Einspruchsabteilung im vorliegenden Fall erst nach einer mündlichen Verhandlung über den Einspruch. Dabei kamen insbesondere auch die in der Eingabe der Einsprechenden vom 30. Januar 1995 enthaltnenen Argumente und Tatsachen zur Sprache. Anders als im Fall T 669/90 hatten damit alle Beteiligten ausreichend Gelegenheit, sich vor der Entscheidung zu den von der jeweiligen Gegenpartei eingereichten Tatsachen und Beweismitteln zu äußern.
5.9. Aus diesen Gründen würde eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr an die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin trotz des genannten Verfahrensmangels nicht der Billigkeit entsprechen. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ wird deshalb zurückgewiesen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird aufrechterhalten wie erteilt.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.