T 0025/97 19-07-2000
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Bremsklotz
I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 442 048 (Anmelde-Nr. 90 121 944.4).
II. Die Beschwerdeführerin legte gegen das erteilte Patent Einspruch ein und beantragte, das Patent wegen mangelnder Patentfähigkeit zu widerrufen.
Sie berief sich im Einspruchsverfahren u. a. auf die folgenden Dokumente:
D1: EP-A-0 341 610
D3: DE-A-2 854 344.
III. Mit am 28. Oktober 1996 zur Post gegebener Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.
IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 20. Dezember 1996 unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.
Die Beschwerdebegründung wurde am 25. Februar 1997 eingereicht.
V. In einem Bescheid vom 16. September 1997 teilte die Beschwerdekammer ihre vorläufige Ansicht mit, wonach der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) im Lichte der Dokumente D1 und D3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragt
- die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen,
- hilfsweise einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und
i) die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag),
ii) hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in beschränktem Umfang gemäß Hilfsantrag 1, und
iii) weiter hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in beschränktem Umfang gemäß Hilfsantrag 2.
Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"1. Bremsklotz für Scheibenbremsen, mit einer Trägerplatte (5) und einem auf der Trägerplatte (5) befestigten Reibbelag (2), mit zwei von Belagmasse freien Seitenbereichen (3,4) der Trägerplatte (5), die an ihren Schmalseiten sowohl dem Bremsklotz zugewandte als auch abgewandte Anlageflächen (9,10,11,12) bzw. (8,13) aufweisen, welche zur Abstützung des Bremsklotzes in der Scheibenbremse bestimmt sind und mit dieser derart zusammenwirken, daß zumindest bei großen Bremsanlegekräften die am Bremsklotz auftretende Umfangskraft über beide Seitenbereiche (3,4) auf die Scheibenbremse übertragen werden, dadurch gekennzeichnet, daß der gesamte zur Abstützung des Bremsklotzes dienende Seitenbereich (3,4) gegenüber dem Restteil der Trägerplatte (5) in von der Reibfläche sich entfernender Richtung parallel versetzt ist."
Der einzige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 1 lautet:
"Bremsklotz für Scheibenbremsen, mit einer Trägerplatte (5) und einem auf der Trägerplatte (5) befestigten Reibbelag (2), mit zwei von Belagmasse freien Seitenbereichen (3,4) der Trägerplatte (5), die an ihren Schmalseiten sowohl dem Bremsklotz zugewandte als auch abgewandte Anlageflächen (9,10,11,12) bzw. (8,13) aufweisen, welche zur Abstützung des Bremsklotzes in der Scheibenbremse bestimmt sind und mit dieser derart zusammenwirken, daß zumindest bei großen Bremsanlegekräften die am Bremsklotz auftretende Umfangskraft über beide Seitenbereiche (3,4) auf die Scheibenbremse übertragen wird, dadurch gekennzeichnet, daß der gesamte zur Abstützung des Bremsklotzes dienende Seitenbereich (3,4) als im wesentlichen haken-, insbesondere hammerförmiger Ansatz (3,4) ausgebildet ist und gegenüber dem Restteil der Trägerplatte (5) in von der Reibfläche sich entfernender Richtung parallel versetzt ist."
Der einzige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
"Bremsklotz für Scheibenbremsen, mit einer Trägerplatte (5) und einem auf der Trägerplatte (5) befestigten Reibbelag (2), mit zwei von Belagmasse freien Seitenbereichen (3,4) der Trägerplatte (5), die an ihren Schmalseiten sowohl dem Bremsklotz zugewandte als auch abgewandte Anlageflächen (9,10,11,12) bzw. (8,13) aufweisen, welche zur Abstützung des Bremsklotzes in der Scheibenbremse bestimmt sind und mit dieser derart zusammenwirken, daß zumindest bei großen Bremsanlegekräften die am Bremsklotz auftretende Umfangskraft über beide Seitenbereiche (3,4) auf die Scheibenbremse übertragen wird, dadurch gekennzeichnet, daß der gesamte zur Abstützung des Bremsklotzes dienende Seitenbereich (3,4) als im wesentlichen haken-, insbesondere hammerförmiger Ansatz (3,4) ausgebildet ist und gegenüber dem Restteil der Trägerplatte (5) in von der Reibfläche sich entfernender Richtung parallel versetzt ist, wobei die Zurückversetzung in Umfangsrichtung der Bremsscheibe zwischen dem vom Reibbelag (2) bedeckten Trägerplattenbereich und der dem Reibbelag (2) nächstliegenden Anlagefläche (8,9,10,11,12,13) angeordnet ist."
VII. Die Beschwerdeführerin vertrat im wesentlichen die Auffassung, daß der zuständige Fachmann durch Kombination der Lehren der Dokumente D1 und D3 zum beanspruchten Gegenstand gelangen konnte, ohne erfinderisch tätig zu werden.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) trat diesem Vorbringen entgegen und vertrat die folgende Auffassung:
i) Hauptantrag
Dem angefochtenen Patent liege der wesentliche Gedanke zugrunde, für einen gattungsgemäßen Bremsklotz den gesamten Trägerplattenbereich gegenüber dem Restteil der Trägerplatte axial zurückzuversetzen. Hierbei sei von entscheidender Bedeutung, daß in den jeweiligen Seitenbereichen der Trägerplatte sowohl dem Reibbelag zugewandte als auch abgewandte Anlageflächen vorgesehen seien, die die gewünschte Übertragung der Bremsumfangskräfte über beide Seitenbereiche auf die Bremse gewährleisten. Dabei sei ein sogenanntes "Push-Pull"-Abstützprinzip verwirklicht. Jede Blechumformung sei infolge des Überbiegens des Biegeteiles über das gewünschte Maß hinaus und des Rückfederungsverhaltens mit zum Teil erheblichen Maßungenauigkeiten im fertig gebogenen Werkstück verbunden. Derartige Maßungenauigkeiten seien mit den engen Toleranzbedingungen einer "Pull-Push"-Trägerplatte nicht vereinbar. Der Fachmann werde demzufolge vor dem Hintergrund des "Pull-Push"-Prinzipes sowie zusätzlich einer wirtschaftlichen Fertigung eine Zurückversetzung mittels Biegeoperation nicht in Betracht ziehen.
Demgegenüber seien dem Dokument D3, aus dem eine Zurückversetzung von Anlageflächen der Trägerplatte hervorgeht, rein gedrückt abgestützte Bremsklötze zu entnehmen, für die die oben erwähnte Problematik der Toleranzfelder unbedeutend sei.
Ferner sei der in Dokument D3 beschriebene und dargestellte Bremsklotz aufgrund der Figuren sowie der häufigen Benutzung des Begriffes "Umfang der Trägerplatte" (siehe z. B. Figur 1, Ansprüche, Seite 3, Zeilen 7-9 in D3) als kreisrund anzunehmen. Insbesondere für einen derartigen Bremsklotz mit runder Trägerplatte sei ohnehin eine exakte Abgrenzung von Abstütz- bzw. Führungsflächen nicht möglich, da in der Praxis annähernd die ganze Umfangsfläche des Bremsklotzes für seine Anlage in der Bremse genutzt wird.
Die tatsächliche Umsetzung eines patentgemäßen Bremsklotzes mit zurückversetzten Seitenbereichen trotz entgegenstehender, vorstehender Überlegungen könne nicht als für den zuständigen Fachmann naheliegend angesehen werden.
ii) Hilfsantrag 1
Der neue Patentanspruch sei um das Merkmal ergänzt worden, daß die Seitenbereiche als im wesentlichen haken-, insbesondere hammerförmige Ansätze ausgebildet seien. Für den Stand der Technik gemäß Dokument D3 sei die Anordnung von haken- bzw. hammerförmigen Ansätzen nicht von Belang, da sich die gedrückte Abstützung auch auf einfacherem Wege umsetzen lasse. Erst bei der erfindungsgemäßen "Push-Pull"-Abstützung stellten die haken- bzw. hammerförmigen Ansätze eine sinnvolle Ausführungsvariante dar. Der Fachmann habe demzufolge noch viel weniger Anlaß dazu gehabt, angesichts der Aufgabenstellung des Streitpatentes eine Kombination der Dokumente D3 und D1 in Betracht zu ziehen.
iii) Hilfsantrag 2
Der Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 2 sei aus den Merkmalen des Patentanspruchs aus dem Hilfsantrag 1 sowie aus Merkmalen der ursprünglichen Offenbarung gebildet. Dabei sei das Merkmal hinzugefügt, welches den Ort der Zurückversetzung an der Trägerplatte angebe. Im einzelnen erfolge die Versetzung der Seitenbereiche insbesondere durch einen Abkröpfungsvorgang zwischen dem vom Reibbelag bedeckten Trägerplattenbereich und der dem Reibbelag in Umfangsrichtung nächstliegenden Anlagefläche des haken- bzw. hammerförmigen Ansatzes. Damit werde ausgehend von der Aufgabenstellung des angefochtenen Patents entgegen fachüblicher Maßnahmen des Bremsenkonstrukteurs gerade der Bereich des haken- bzw. hammerförmigen Ansatzes infolge einer Blechumformung (Abkröpfung) zusätzlich belastet, für den ohnehin nur ein stark eingeschränkter taillierter Materialquerschnitt zur Verfügung stehe. Selbst bei hypothetischer Anwendung der Lehre der Entgegenhaltung D3 auf die Aufgabenstellung des Streitpatentes, gelange der Fachmann keineswegs naheliegend zur Lösung des Hilfsantrages 2.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Aufgabe-Lösung
2.1. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) läßt sich entsprechend der in der Beschwerdebegründung vorgenommenen Analyse in folgende Merkmale gliedern:
1. Bremsklotz für Scheibenbremsen mit
a) einer Trägerplatte,
b) einem auf der Trägerplatte befestigten Reibbelag,
c) zwei von Belagmasse freien Seitenbereichen der Trägerplatte,
d) die an ihren Schmalseiten Anlageflächen aufweisen, welche zur Abstützung des Bremsklotzes in der Scheibenbremse bestimmt sind,
e) wobei sowohl dem Bremsklotz zugewandte als auch abgewandte Anlageflächen vorgesehen sind, die mit der Scheibenbremse derart zusammenwirken, daß zumindest bei großen Bremsanlegekräften die am Bremsklotz auftretende Umfangskraft über beide Seitenbereiche auf die Scheibenbremse übertragen wird;
- Oberbegriff -
f) wobei der gesamte zur Abstützung des Bremsklotzes dienende Seitenbereich gegenüber dem Restteil der Trägerplatte in von der Reibfläche sich entfernender Richtung parallel versetzt ist.
- Kennzeichen -
Im Streitpatent wird anerkannt, daß ein gattungsgemäßer Bremsklotz, also ein Bremsklotz mit den Merkmalen a) bis e) aus Dokument D1 bekannt ist.
Als Nachteil dieses bekannten Bremsklotzes ist in der Streitpatentschrift folgendes herausgestellt:
"Bei zunehmendem Belagverschleiß verschieben sich die Trägerplatten der Bremsklötze in Richtung auf die Bremsscheibe zu. Im Extremfall, bei nahezu vollständig verschlissenen Reibbelägen kann daher bei den bekannten Bremsklötzen die Führung der Seitenbereiche der Trägerplatten in der Bremse beeinträchtigt sein."
2.2. Davon ausgehend ist die der Streitpatentschrift zugrundeliegende Aufgabe darin zu sehen, einen gattungsgemäßen Bremsklotz konstruktiv dahingehend weiterzuentwickeln, daß er den oben genannten Nachteil nicht mehr aufweist, das heißt, daß die Trägerplatte auch bei nahezu vollständigem Verschleiß des Reibbelags eine ausreichende Führung bzw. Abstützung zulassen soll.
3. Neuheit
Wie sich aus den Ausführungen im vorstehenden Abschnitt 2 ergibt, unterscheidet sich der Bremsklotz nach Patentanspruch 1 des Haupt- sowie der Hilfsanträge von dem in der am nächsten kommenden Druckschrift D1 offenbarten Bremsklotz jeweils durch das kennzeichnende Merkmal f).
Durch das Dokument D3 ist der Gegenstand der Patentansprüche der Haupt- und Hilfsanträge ebenfalls nicht bekannt geworden. Dies folgt schon daraus, daß die Merkmale c) und e) des Oberbegriffs dort nicht verwirklicht sind.
Der Bremsklotz nach Patentanspruch 1 sowohl gemäß Hauptantrag als auch gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 ist daher gegenüber dem vorstehenden Stand der Technik neu im Sinne der Artikels 54 EPÜ. Die Neuheit ist im übrigen von der Beschwerdeführerin nicht mehr bestritten worden.
4. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
4.1. Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe (vgl. Abschnitt 2) wird durch das im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 angegebene Merkmal f) gelöst.
4.2. Gegenstand des Dokuments D3 ist ebenfalls ein Bremsklotz für Scheibenbremsen mit einer Trägerplatte und einem auf der Trägerplatte befestigten Reibbelag. Die den Bremsbelag tragende Trägerplatte ist an ihrem gesamten Seitenbereich rückwärts versetzt (siehe Figuren 1 und 3 und den kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1). Diese Zurückversetzung hat wie die Zurückversetzung gemäß der Lehre des angefochtenen Patents den technischen Zweck, bei fortgeschrittenem Verschleiß des Reibbelags den Bremsklotz besser abzustützen bzw. zu führen, wie dies auf Seite 3, Absatz 1 und Seite 4, Zeilen 15 bis 19 des Dokuments D3 offenbart ist. Es ist somit für den fachmännischen Leser ohne weiteres erkennbar, daß der gesamte Seitenbereich der Trägerplatte, der rückwärts versetzt ist (siehe insbesondere Fig. 3) zur Führung bzw. Abstützung des Bremsklotzes dient.
4.3. Die Einspruchsabteilung kam zu dem Ergebnis, daß dem Dokument D3 "kein Hinweis" zu entnehmen sei, diese Maßnahme auf einen gattungsgemäßen Bremsklotz anzuwenden.
Laut der Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann aber ein solcher Hinweis darin bestehen, "daß mit der bekannten Maßnahme im bekannten Fall dasselbe bezweckt wird wie im zu entscheidenden Fall. Daher mußte untersucht werden, welche Aufgaben im bekannten und im zu entscheidenden Fall gelöst werden" (siehe Entscheidung T 39/82, ABl. EPA 1982, 419, Punkt 7.3 der Entscheidungsgründe). Die im bekannten Fall gelöste Aufgabe braucht dabei nicht expressis verbis angegeben zu sein. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung T 142/84, ABl. EPA 1987, 112, Punkte 8.1 und 8.2 hinzuweisen.
Die durch die Zurückversetzung gelöste Aufgabe ist im Dokument D3 ausdrücklich genannt, siehe die vorstehend genannten Textstellen auf Seite 3, Absatz 1 und Seite 4, Zeilen 15 bis 19.
Da mit dem bekannten Merkmal des Dokuments D3, nämlich der Zurückversetzung des gesamten zur Abstützung des Bremsklotzes dienenden Seitenbereichs dasselbe Ziel verfolgt wird, wie im vorliegenden Fall, liefert dieser Stand der Technik einen ausreichenden Hinweis für die Anwendung dieses bekannten Merkmals im vorliegenden Fall.
4.4. Es steht außer Frage, daß sich der Bremsklotz gemäß dem angefochtenen Patent und der Bremsklotz nach Dokument D3 voneinander unterscheiden, wie es die Beschwerdegegnerin vorgebracht hat. Insbesondere bedeckt der Reibbelag die gesamte Trägerplatte, d. h. auch deren zurückversetzten Außenumfang. Dies ändert aber nichts daran, daß Dokument D3 dem Fachmann den Hinweis gibt, den gesamten Teil der Trägerplatte, der zur Abstützung des Bremsklotzes dient, zurückzuversetzen, damit der Bremsklotz bei fortgeschrittenem Verschleiß des Reibbelags besser geführt bzw. abgestützt wird. Außerdem ist die Abstützung oder Führung des Bremsklotzes durch einen belagfreien Bereich der Trägerplatte bei dem den Ausgangspunkt bildenden nächstliegenden Stand der Technik nach Dokument D1 bereits bekannt und vermag deshalb keinen erfinderischen Beitrag zu leisten.
4.5. Es ist auch richtig, daß gemäß Merkmal e) des Oberbegriffs sowohl eine dem Bremsklotz zugewandte als auch eine abgewandte Anlagefläche vorgesehen sind, die mit der Scheibenbremse derart zusammenwirken, daß die Umfangskräfte bei großen Bremsanlegekräften über beide Seitenbereiche auf die Bremse übertragen werden.
Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, daß der beanspruchte Bremsklotz nach dem aus Dokument D1 bekannten "Push-Pull-Prinzip" arbeiten kann, also die von ihm aufgenommenen Bremskräfte nicht nur in Form von Druckkräften sondern auch von Zugkräften auf den Bremsträger bei besonders hoher Belastung übertragen kann.
Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, daß dieses aus Dokument D1 bekannte Pull-Push-Abstützprinzip eine sehr genaue Auslegung der Toleranzfelder für die an den Seitenbereichen angeordneten Anlageflächen erfordert und dies den Fachmann davon abgehalten hätte, bei einem Bremsklotz mit den - aus dem Dokument D1 in Kombination miteinander bekannten - Merkmalen a) bis e) das aus Dokument D3 Merkmal f) anzuwenden. Hierzu ist folgendes zu bemerken: In der Streitpatentschrift ist nicht offenbart, wie dieses technische Problem gelöst werden soll, d. h. welches Fertigungsverfahren angewandt werden soll, damit sich die zurückversetzten Seitenbereiche mit innerhalb der geforderten Toleranzfelder liegenden Schmalseiten ergeben. Daher ist davon auszugehen, daß die hierfür erforderlichen fertigungstechnischen Maßnahmen (z. B. Vorstanzen der Trägerplatte mit zurückversetzten Seitenbereichen und bei Bedarf anschließendes Feinstanzen der Schmalseiten der Seitenbereiche) dem Fachmann geläufig sind. Dann kann aber von einem Vorurteil, das der Fachmann hätte überwinden müssen, um das Merkmal f) den Merkmalen a) bis e) hinzuzufügen, nicht die Rede sein. Darüber hinaus hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) keinen Nachweis erbracht, daß in der Fachwelt ein solches technisches Vorurteil tatsächlich geherrscht hatte, das es zu überwinden galt.
Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig ist. Dem Hauptantrag kann daher nicht stattgegeben werden.
5. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1
In dem Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 1 wird der Inhalt des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) durch das Merkmal ergänzt, daß die Seitenbereiche als im wesentlichen haken- insbesondere hammerförmige Ansätze ausgebildet sind.
Dieses ergänzende Merkmal betrifft keinesfalls die vermeintlich erfinderische Weiterbildung eines gattungsgemäßen Bremsklotzes, sondern dessen aus dem nächstkommenden Dokument D1 bekannten Umriß, siehe den hakenförmigen Ansatz in Figur 2 und den beispielsweise in Figur 24 dargestellten hammerförmigen Ansatz. Der einzige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 1 fügt dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag also nichts hinzu, was auf erfinderischer Tätigkeit beruhen könnte.
Hinsichtlich der übrigen Merkmale des Patentanspruchs gemäß Hilfsantrag 1 wird auf die betreffenden Ausführungen im vorstehenden Abschnitt 4 verwiesen.
Aus alledem folgt, daß auch der Gegenstand des Patentanspruchs gemäß Hilfsantrag 1 wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig ist. Auch dem Hilfsantrag 1 kann daher nicht stattgegeben werden.
6. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 2
In dem Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 2 wird der Inhalt des Patentanspruchs gemäß Hilfsantrag 1 durch das folgende Merkmal ergänzt:
"wobei die Zurückversetzung in Umfangsrichtung der Bremsscheibe zwischen dem vom Reibbelag (2) bedeckten Trägerplattenbereich und der dem Reibbelag (2) nächstliegenden Anlageflächen (8,9,10,11,12,13) angeordnet sind".
Diesem ergänzenden Merkmal kommt, wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausgeführt hat, keine eigenständige Bedeutung zu, weil es eine automatische Folge des kennzeichnenden Merkmals f) ist: Wenn nämlich der gesamte zur Abstützung des Bremsklotzes dienende Seitenbereich gegenüber dem Restteil der Trägerplatte in von der Reibfläche sich entfernender Richtung parallel versetzt ist - mit anderen Worten also zurückversetzt ist -, dann ergibt sich daraus zwingend, daß die Zurückversetzung in Umfangsrichtung der Bremsscheibe zwischen dem vom Reibbelag bedeckten Trägerplattenbereich und der dem Reibbelag nächstliegenden Anlagefläche angeordnet ist.
Der Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich also inhaltlich nicht vom Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 1.
Die Gesichtspunkte, die für den Gegenstand des Patentanspruchs nach dem Hilfsantrag 1 zur Frage der erfinderischen Tätigkeit angeführt sind, gelten somit auch für den Bremsklotz nach dem Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 2. Auch dem Hilfsantrag 2 kann daher nicht stattgegeben werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das europäische Patent 0 442 048 wird widerrufen.