T 0011/99 (Fettsäuretrennung/PHARMA BEXBACH) 10-10-2000
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Verfahren zum Gewinn ungesättigter Fettsäuren
Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit - ja
Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit (nein); naheliegende Alternative
Erster Hilfsantrag - Zurückverweisung der Ansprüche des Hauptantrags (nein)
Zweiter Hilfsantrag: Zurückverweisung an Einspruchsabteilung
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, daß das europäische Patent Nr. 0 558 974 (mit einer Priorität vom 2. März 1992) in der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genüge. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Gewinnung von ungesättigten Fettsäuren.
Der Entscheidung lag ein Satz von 5 Ansprüchen zugrunde, der von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht worden war. Dessen Anspruch 1 lautete wie folgt:
"1. Verfahren zum Gewinnen mindestens einer ungesättigten Fettsäure mit sechzehn oder mehr Kohlenstoffatomen im Molekül und/oder mindestens einer Verbindung einer solchen Fettsäure aus einer insbesondere pflanzlichen oder tierischen Mischung von Fettsäuren und/oder Fettsäureverbindungen dadurch gezeichnet, daß die Fettsäuren und/oder Fettsäureverbindungen der Mischung unmittelbar oder nach einer Umsetzung in einer mobilen Phase aus überkritischem oder flüssigem Kohlendioxid in einer Säule über eine stationäre Phase geführt werden, die auf einem Grundgerüst eine Belegung mit einer Phase aufweist, die unter Verwendung eines eine Aminogruppe oder Nitrogruppe aufweisenden Stoffes gebildet ist, und daß die mindestens eine zu gewinnende Fettsäure und/oder Fettsäureverbindung nach dem Durchgang der, sofern vorhanden, gesättigten Fettsäure oder Fettsäureverbindung gleicher Kohlenstoffatomzahl durch die Säule für sich oder in einer angereicherten Mischung aufgefangen wird."
II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 52 (1) und 56. EPÜ angegriffen worden.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die in Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patentes in geändertem Umfang nicht entgegenstünden. Sie hatte, unter anderem, folgende Entgegenhaltungen berücksichtigt:
(1) NO-A-880 271 (als englische Übersetzung);
(3) US-A-4 063 911;
(4) V.R.Meyer, Practical High Performance Liquid Chromatography, John Wiley & Sons, 1988,(9), 114-7, 269-96;
(8) Markides and Milton, SCF Applications, The 1989 Symposium/Workshop on SCFC, June 1989, 86.
Die Einspruchsabteilung führte aus, der Fachmann hätte sich ausgehend von Dokument (1) die Aufgabe gestellt, ein Verfahren zur Gewinnung von ungesättigten Fettsäuren mittels der Super Critical Fluid Chromatography (nachstehend abgekürzt mit SCFC) mit verbesserter Trennwirkung vorzuschlagen. Zur Trennung von Fettsäuren geeignete Belegungen stationärer Phasen seien zwar in den Dokumenten (3) und (8) offenbart worden, nicht jedoch die im Streitpatent zur Bildung der Belegungsphase beanspruchten Gruppen. Deshalb hätte der Fachmann auch durch eine Kombination der genannten Entgegenhaltungen nicht zum als Lösung der genannten Aufgabe vorgeschlagenen und beanspruchten Gegenstand gelangen können.
III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte Beschwerde ein und vertrat schriftlich und mündlich die Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruches 1 des Streitpatentes nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe:
Mit der Beschwerdebegründung reichte sie Dokument
(12) Sakaki and Kawamura,"Separation Characteristics of Lipids in Supercritical Chromatography", 24th Autumn Meeting of the Society of Chemical engineers, Japan, 16 September 1991
ein, demzufolge eine Mischung von aus Fischöl stammenden Fettsäuren mit Hilfe der SCFC getrennt werde, wobei Kohlendioxid als mobile Phase und Octadecyl beschichtetes Silikat oder Cosmosil-NH2 als Packungsmaterial in der chromatographischen Kolonne eingesetzt werden. Aminogruppen aufweisendes Packungsmaterial sei für die Trennung der Fettsäuren wirksamer gewesen als mit Octadecylgruppen enthaltendem Material beschichtetes Silikat.
Dokument
(13) Takeski Fujie, English Translation of a "Statement" of Mr Fujie as a member of "The Society of Chemical Engineers, Japan" and English translation of the annexed Exhibits A, B1, B2, C1 and C2
wurde von der Beschwerdeführerin nachgereicht, um zu beweisen, daß Dokument (12) der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sei.
Die Beschwerdeführerin belegte mit dem ebenfalls nachgereichten Dokument
(16) Akira Iwasaki, English Translation of a Statement Nalai Tesque Inc., and English translations of the annexed Exhibits A1 and A2,
daß Cosmosil-NH2 Aminopropylgruppen beinhalte. Weiters trug die Beschwerdeführerin vor, aus Dokument (4) seien stationäre Phasen bekannt gewesen, die mit an Silikate chemisch gebundenen mäßig polaren Phasen ausgerüstet gewesen seien, unter anderem mit Amino- oder Nitrogruppen.
Dem nachgereichten Dokument
(14) C. Berger and M Perrut, "Preparative Supercritical Fluid Chromatography", Journal of Chromatography, (505), Amsterdam: Elsevier Science Publishers B.V., 1990, 37-43
könne der Fachmann entnehmen, daß Belegungsphasen für analytische Chromatographie ebenfalls für präparative Zwecke geeignet seien.
Im wesentlichen führte sie nun aus, daß ausgehend von Dokument (1) der Fachmann mit Hilfe von Dokument (12) zum Gegenstand des Anspruches 1 der angegriffenen Patentschrift gelangt wäre.
IV. Dagegen vertrat die Beschwerdegegnerin die Auffassung,
- daß die Polarität der Beschichtung der stationären Phase in der SCFC keine entscheidende Rolle spiele und kein Maßstab für die Eignung einer Belegungsphase zur Trennung von Fettsäuren in der präparativen SCFC sei, was anhand eines Diagramms, in der das Rückhaltevermögen in Abhängigkeit der Polarität aufgetragen sei, belegt werde; an Stelle der geringsten Polarität stehe Cyanopropyl; das Aminopropyl nehme einen mittleren Platz ein; es nehme ebenfalls einen mittleren Platz ein in einem Diagramm auf dem das Trennvermögen nach der Zahl der Doppelbindungen (bei gleicher C-Atom Zahl) in Abhängigkeit von der Zahl der C-Atome aufgetragen worden sei; - daß die in der Gaschromatographie (GC) vorherrschenden Verhältnisse nicht auf die SCFC übertragbar seien, und erst recht nicht auf die präparative SCFC, und daher die Lehre des Dokumentes (3) auf die GC beschränkt bleibe und keine Schlüsse auf die SCFC zulasse;
- daß in der GC die mobile Phase keine Desorptionskraft ausübe und daher die Selektivität des Verfahrens nicht beeinflusse, wohingegen in der SCFC die Desorptionskraft durch die überkritische oder flüssige mobile Phase bedingt sei;
- daß das spät vorgebrachte Dokument (12) keine Berücksichtigung verdiene, da fraglich sei, ob es sich um eine der Öffentlichkeit zugängliche Druckschrift handle; außerdem sei Dokument (12) nicht relevant, weil die Gewinnung der Fettsäure nach dem Durchgang durch die Säule nicht offenbart werde;
- daß die auf dem Diagramm des Dokuments (12) für die sechzehn C-Atome enthaltendenden Fettsäuren charakteristischen Banden 16:0 (für Palmitinsäure) und 16:1 (für Palmitoleinsäure) so eng benachbart seien, daß an eine Trennung bei der Übertragung auf präparative Verhältnisse nicht zu denken sei und daß es laut Stand der Technik keine Möglichkeit des Auffangens (Gewinnens) einer einzelnen Fettsäure gegeben habe.
- daß die Eignung einer Belegungsphase für analytische Chromatographie kein Indiz sei für Eignung dieser Belegungsphase in der präparativen Chemie;
- daß ein analytisches Trennungsverfahren nicht notwendigerweise und problemlos zu einer technisch-wirtschaftlichen Gewinnung führe.
VII. Am 10. Oktober 2000 fand eine mündliche Verhandlung statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patentes Nr. 0 558 974.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen oder, hilfsweise, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (1. Hilfsantrag) oder das Patent aufrechtzuerhalten mit den als Hilfsantrag mit Schreiben vom 2. Oktober 2000 eingereichten Ansprüchen 1 bis 4 (2. Hilfsantrag).
Anspruch 1 des 2. Hilfsantrages unterscheidet sich von Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung (siehe Punkt I.) dadurch, daß die Worte "Aminogruppe oder" gestrichen wurden.
VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
1. Hauptantrag - Ansprüche 1 bis 5 in der von der Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen Fassung
1.1. Artikel 84 und 123 EPÜ
Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß die Bedingungen der Artikel 84 und 123 EPÜ erfüllt sind. Da diesbezüglich keine Einwände erhoben worden sind, bedarf es keiner näheren Begründung.
1.2. Stand der Technik
Den Stand der Technik bildet alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Anmeldung der Öffentlichkeit in beliebiger Weise zugänglich gemacht wurde (Artikel 54 (2) EPÜ).
1.2.1. Zugänglichmachung
Dokument (12) ist eine Zusammenfassung eines Dokumentes, dessen Inhalt in Form eines Vortrags bei einer Versammlung der Gesellschaft der Chemie-Ingenieure, Japan am 17. Oktober 1991 in Nagoya vorgestellt wurde. Die Zusammenfassung war laut Dokument (13) vom 16. bis 23. September 1991 an die über 8700 Mitglieder dieser Gesellschaft verschickt worden.
Die Kammer hat keine Veranlassung, die Richtigkeit dieser Darstellung anzuzweifeln; auch die Beschwerdegegnerin hat dagegen keine Gründe vorgebracht. Sie hat aber bestritten, daß die Druckschrift (12) durch die oben erwähnte Versendung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei und daß die Vortragsveranstaltung als öffentlich angesehen werden könne. Eine von ihr veranlaßte Recherche in der Chemical Abstracts Service Datenbank für den Zeitraum 1990 bis 1994 habe zum einen das Dokument (12) nicht zum Vorschein gebracht, habe aber zum anderen Hinweise auf eine Konferenz geliefert, die in Yokohama vom 12. bis 15. April 1992, also nach dem Prioritätsdatum, stattgefunden habe (Schreiben vom 10. September 1999, Seite 5, 3. bis 6. Abschnitt).
Dieser Vortrag überzeugt nicht: Das negative Ergebnis der Recherche der Beschwerdegegnerin in der Chemical Abstract Service Datenbank bedeutet lediglich, daß das fragliche Dokument in der Datenbank nicht gefunden wurde. Dies kann verschiedene Ursachen haben, z. B. daß kein Abstract der fraglichen Druckschrift in die Datenbank aufgenommen wurde.
Die Kammer kann aber einem negativen Ergebnis einer Recherche jedenfalls dann keine weitergehende Beweiskraft (für die Nichtzugänglichkeit einer Druckschrift) beimessen, wenn, wie hier, andere Beweismittel (also Dokument (13)) die Versendung der Vortragszusammenfassung und damit die Zugänglichmachung ihres Inhaltes vor dem Prioritätstag des Streitpatentes beweisen.
Ob auch nach dem Prioritätsdatum eine Konferenz stattgefunden hat, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Ferner liegen der Kammer keine Einwände bezüglich der Richtigkeit und Gültigkeit der Übersetzungen des Beweismaterials vom Japanischen ins Englische vor, so daß des weiteren davon auszugehen ist, daß diese Übersetzung den Inhalt der Zusammenfassung richtig wiedergibt.
1.2.2. Öffentlichkeit
Während der mündlichen Verhandlung vertrat die Beschwerdegegnerin auch die Auffassung, daß für japanische Verhältnisse 8700 Mitglieder ein begrenzter Personenkreis sei, der nicht die Öffentlichkeit darstelle.
Die Kammer kann dieser nicht näher begründeten Argumentation nicht folgen, da zur Herstellung von Öffentlichkeit keine Mindestzahl von Personen erforderlich ist; eine Information ist der Öffentlichkeit bereits dann zugänglich, wenn auch nur ein einziges Mitglied der Öffentlichkeit die Möglichkeit hatte, die Information zu erlangen und zu verstehen, und diese Person keiner Geheimhaltungsverpflichtung unterlag.
Dem vorliegenden Beweismaterial ist keinerlei Hinweis auf eine Geheimhaltungsverpflichtung der 8700 Mitglieder zu entnehmen und es bestand auch kein Bedarf für eine solche, denn sowohl Vorträge in Fachkreisen als auch die Versendung entsprechender Vortragszusammenfassungen haben gerade die Informationsweitergabe zum Ziel. Da der mitgeteilte technische Sachverhalt von Fachleuten, die in diesem Falle Chemie-Ingenieure waren, durchaus zu verstehen war, ist das Dokument (12) durch seine Versendung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.
Die Kammer kommt daher zum Ergebnis, daß der Inhalt des Dokuments (12) zum Stand der Technik gehört.
1.3. Artikel 114 (2) EPÜ
1.3.1. Inhalt des Dokumentes (12)
Dokument (12) beschreibt, unter anderem, die Trennung von aus Fischöl gewonnenen Methylfettsäureestern durch SCFC mit Hilfe von Kohlendioxid als mobiler Phase und Cosmosil-NH2 als stationärer Phase in einer chromatographischen Säule.
1.3.2. Verspätetes Vorbringen und Relevanz
Die Beschwerdeführerin hatte das Dokument (12) erst mit Einreichung der Beschwerdebegründung vorgelegt.
Abgesehen von den unter den Punkten 1.2.1 und 1.2.2 gemachten Einwände war die Beschwerdegegnerin der Auffassung, daß dieses Dokument auch deshalb nicht zu berücksichtigen sei, da es die von der Rechtsprechung entwickelte Bedingung der Relevanz nicht erfülle.
Dem kann die Kammer nicht zustimmen. Die Einreichung des Dokuments (12) ist eine Reaktion der Beschwerdeführerin auf die Argumentation in der angefochtenen Entscheidung nach der ein Fachmann die Belegung der stationären Phase mit einer Aminogruppen oder Nitrogruppen aufweisenden Beschichtung dem Stande der Technik nicht habe entnehmen können.
Durch die Einführung des Dokumentes (12) wird kein "fresh case" geschaffen. Vielmehr reiht sich Dokument (12) in die bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachte Argumentationslinie der Beschwerdeführerin bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit ein und betrifft, wie oben angeführt, ein bestimmtes in der angefochtenen Entscheidung angeführtes Argument. Darüberhinaus ist der Inhalt des Dokumentes (12) auch nicht so komplex, daß seine Prüfung und Beurteilung den Parteien und der Kammer nicht hätte zugemutet werden können. Auch war unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Vorlage des Dokumentes (12) durch seine Zulassung keine Verzögerung des Verfahrens zu befürchten.
Die Kammer läßt das Dokument zu, da es wesentliche Erfindungsmerkmale des Anspruches 1 des Streitpatentes (siehe Punkte I. und 1.3.1) so eindeutig offenbart, daß es prima facie hochrelevant ist. Angesichts dieser Relevanz ist sie der Auffassung, daß es dem Rechtsfrieden sowie der Akzeptanz der Entscheidungen der Beschwerdekammern dient und dieser Bedeutung als der einzigen gerichtlichen Instanz Rechnung trägt, die über die Patentierbarkeit des Patentes mit Wirkung für alle benannten Vertragsstaaten entscheidet, wenn diese Entscheidungen den gesamten, im Beschwerdeverfahren unterbreiteten Streitstoff berücksichtigen.
1.4. Neuheit
Die Beschwerdeführerin hat keine Einwände wegen mangelnder Neuheit unter Artikel 54 (1) EPÜ vorgebracht. Da der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit scheitert, bedarf es keiner weiterer Stellungnahme der Kammer zur Neuheit.
1.5. Erfinderische Tätigkeit
1.5.1. Nach dem Streitpatent lag der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Gewinnung ungesättigter Fettsäuren mit sechzehn oder mehr Kohlenstoffatomen aus einer Mischung von Fettsäuren zu finden, ohne sie mit einem Fremdstoff wie Benzol, Dichlormethan oder Acetonitril zu belasten. Dabei soll eine Trennung der ungesättigten und gesättigten Fettsäuren mit achtzehn und zwanzig Kohlenstoffatomen erreicht werden (Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 37 bis 41, und Spalte 2, Zeilen 10 bis 16).
Von besonderer Bedeutung sind Linolsäure (eine zweifach ungesättigte, unverzweigte Fettsäure mit 18 Kohlenstoffatomen, verkürzt auch 18:2) und Linolensäure (eine dreifach ungesättigte, unverzweigte Fettsäure mit 18. Kohlenstoffatomen, verkürzt auch 18:3) als "essentielle" Fettsäuren, d. h. solchen, die der menschliche Körper nicht aufbauen kann, sowie die Arachidonsäure, die Eicosapentaensäure und die Docosahexaensäure, bekannt als -3-Fettsäuren (Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 25 bis 32).
1.5.2. Ein Verfahren zur Gewinnung mit Hilfe der SCFC von Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure oder deren Derivaten wie der Methylester mit Hilfe der SCFC ist aus Dokument (1) bekannt (Seite 1, Absatz 2 und Beispiele der englischen Übersetzung). Die Parteien haben dieses Dokument als Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen. Die Kammer stimmt dem zu.
Der Gegenstand der vorliegenden Anmeldung unterscheidet sich von Dokument (1) durch die Belegung der stationären Phase. Laut Dokument (1) wird, unter anderem, eine C-18 Umkehrphase eingesetzt (Seite 3, letzter Abschnitt) während im Streitpatent die stationäre Phase unter Verwendung eines eine Aminogruppe (oder eine Nitrogruppe) aufweisenden Stoffes gebildet ist.
1.5.3. Ausgehend von Dokument (1) bestand die zu lösende Aufgabe in der Schaffung eines Verfahrens zur Gewinnung von mehrfach ungesättigten und unverzweigten Fettsäuren mit verbesserter Trennwirkung. Diese Aufgabe stimmt im wesentlichen mit der ursprünglich im Streitpatent definierten technischen Aufgabe überein (siehe 1.5.1).
1.5.4. Aus den im Streitpatent beschriebenen Versuchen ist der Unterschied in der Belegung der stationären Phase ersichtlich: wird eine erfindungsgemäße Aminopropylgruppe eingesetzt, so sind die Banden der Linolsäure, der Linolensäure und der Eicosapentaensäure im wesentlichen bis zur Basis voneinander getrennt (Abbildung 2); wird der Versuch hingegen mit der dem Stand der Technik gemäß Dokument (1) entsprechenden Octadecyl-Phase (auch C-18 Umkehrphase genannt) durchgeführt, so eluieren die Linolsäure und die Linolensäure ziemlich gleichzeitig; die Banden "18:2" und "18:3" sind nicht zu unterscheiden und die Bande der Eicosapentaensäure verschwindet unter jener der Stearinsäure (siehe Abbildung 1).
1.5.5. Diese Vergleichsversuche machen es daher glaubhaft, daß die oben definierte technische Aufgabe jedenfalls durch ein Verfahren gelöst wird, bei dem die stationäre Phase die spezifische im Patent verwendete Belegung aufweist, die Aminopropylgruppen enthält.
1.5.6. Es stellt sich aber die Frage, ob die technische Aufgabe über den ganzen Schutzbereich des Anspruches 1, der für das Belegungsmaterial der stationären Phase ganz allgemein einen Gehalt an Aminogruppen (oder an Nitrogruppen) vorsieht, gelöst wird.
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit der Diskussion des Dokumentes (4) festgestellt, daß nicht alle der dort aufgelisteten kommerziellen Adsorbentien mit Aminogruppen die geltend gemachte Verbesserung der Fettsäuretrennung leisten.
Die Kammer schließt daraus, daß die oben in Punkt 1.5.3 genannte Aufgabe nicht im gesamten beanspruchten Bereich gelöst wird.
1.5.7. Daher muß die technische Aufgabe mit einer weniger anspruchsvollen Zielsetzung umformuliert werden. Sie ist im Hinblick auf Dokument (1) in der Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Gewinnung der gewünschten ungesättigten Fettsäuren zu sehen.
1.5.8. Nach Überzeugung der Kammer hätte der Fachmann zur Lösung dieser technischen Aufgabe Dokument (12) in Betracht gezogen, das die Trennung von aus Fischöl gewonnenen Methylfettsäureestern mittels SCFC beschreibt, wobei die mobile Phase aus flüssigem Kohlendioxid und die stationäre Phase aus Cosmosil-NH2 besteht, einem Adsorbens, das laut Dokument (16) 5% Aminopropylgruppen enthält.
1.5.9. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, die aus Dokument (3) bekannten Versuche aus der GC seien nicht auf die SCFC übertragbar und Rückschlüsse auf das Trennvermögen von stationären Phasen basierend auf deren Polarität seien nicht möglich (gestützt durch zwei Diagramme, die mit Schreiben vom 10. September 1999 eingereicht wurden; vgl. Punkt IV) gehen ins Leere, da Dokument (12) die Trennung von Methylfettsäurereestern mit Hilfe der SCFC an einer Aminogruppen enthaltenden stationären Phase beschreibt. Außerdem beschreibt auch Dokument (14) bereits die Trennung von Estern der Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure mit Hilfe von SCFC mit flüssigem Kohlendioxid als mobile Phase (Seite 41, 2 letzte Zeilen und Seite 42, Zeilen 1 bis 4).
1.5.10. Ferner versagt auch die Argumentation der Beschwerdegegnerin, daß analytische Verfahren (und ihre Ergebnisse) wegen der Zerstörung der zu analysierenden Substanz nicht zu deren Gewinnung herangezogen werden können. Einsatz und Leistungsfähigkeit der SCFC im präparativen Bereich, die eine effektive Trennung der verschiedenen Fettsäuren (analytischer Aspekt) voraussetzen, waren dem Fachmann nämlich aus Dokument (14) bekannt (Seite 42, Zeilen 3 und 4).
1.5.11. Auch das von der Beschwerdegegnerin angeführte Argument, die Herstellung in großen Mengen, d. h. im Industriemaßstab, sei nicht mit jener von kleinen Mengen im Labor vergleichbar, überzeugt nicht, weil nicht auf besondere, das Übliche übersteigende Schwierigkeiten bei der Maßstabsvergrößerung hingewiesen wurde, die allenfalls ein erfinderisches Tätigwerden des Fachmanns erfordert hätten. Vielmehr wird auch nach den Beispielen des Streitpatentes nur im Labormaßstab gearbeitet (siehe "µg"; Spalte 4, Zeilen 50. bis 58 und Spalte 5, Zeile 1); Hinweise auf besondere zu beachtende Maßnahmen bei der Übertragung auf größere Mengen finden sich nicht. Dies läßt nur den Schluß zu, daß nach dem Streitpatent keine außergewöhnliche Schwierigkeiten bei der Maßstabsvergrößerung zu erwarten waren, deren Überwindung die normalen Fähigkeiten eines Fachmannes überfordert hätte. Schließlich enthält die Anspruchsformulierung keine Beschränkung auf industrielle Herstellung, sondern umfaßt auch eine Gewinnung der gewünschten ungesättigten Fettsäuren im Labormaßstab.
1.6. Die Trennung von Fettsäurederivaten mit Hilfe einer stationären Phase, die mit Aminogruppen ausgerüstet ist, stellt somit im Hinblick auf Dokument (1) ein weiteres Verfahren zur Gewinnung der gewünschten Fettsäuren dar. Die Kammer kommt zum Ergebnis, daß die Bereitstellung dieses Verfahrens aus all den oben angegebenen Gründen nahelag, insbesondere da Dokument (12) die Trennung von Methylfettsäureestern durch SCFC mittels einer mit Aminopropylgruppen ausgerüsteten stationären Phase schon bekannt war.
Der Gegenstand des Anspruches 1 erfüllt deshalb nicht die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ.
Der Hauptantrag ist nicht gewährbar.
2. Erster Hilfsantrag
Im ersten Hilfsantrag beantragte die Beschwerdegegnerin unter Aufrechterhaltung des Hauptantrages die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
Die Kammer hat das ihr durch Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumte Ermessen in dem Sinne ausgeübt, daß sie selbst tätig wurde. Dabei hat sie auch berücksichtigt, daß durch Dokument (12) kein neuer Fall geschaffen wurde (vgl. Punkt 1.3.2) und die Beschwerdegegnerin ausreichend Gelegenheit hatte, zu diesem Dokument Stellung zu nehmen.
Außerdem wäre die Einspruchsabteilung durch die rechtliche Beurteilung der Ansprüche des Hauptantrags durch die Kammer gebunden. Eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung mit der Auflage, das Verfahren auf Basis des (als nicht gewährbar entschiedenen) Hauptantrags fortzusetzen, wäre daher verfehlt.
Der erste Hilfsantrag kann deshalb nicht zum Erfolg führen.
3. Zweiter Hilfsantrag
Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags unterscheidet sich von jenem des Hauptantrags dadurch, daß die stationäre Phase nur unter Verwendung eines eine Nitrogruppe aufweisenden Stoffes gebildet wird.
Da die Einspruchsabteilung keine Gelegenheit hatte, sich zu diesem beschränkten Anspruch unter Berücksichtigung des Dokuments (12) zu äußern und um der Beschwerdegegnerin die Möglichkeit einer Prüfung in zwei Instanzen zu erhalten, verweist die Kammer die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurück.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage das Verfahren auf der Basis des zweiten Hilfsantrages fortzusetzen.