L. PCT
L.5 Das EPA als mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde (IPEA)
Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 31. August 2011 über die Erstellung eines zweiten schriftlichen Bescheids im Verfahren nach Kapitel II PCT
1. Einführung
1.1 Das Europäische Patentamt (EPA) in seiner Eigenschaft als mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde (IPEA) hat seine Praxis nach Regel 66.4 PCT geändert. Gemäß dieser Bestimmung kann jede IPEA nach ihrem Ermessen vor der Erstellung des internationalen vorläufigen Prüfungsberichts (IPER) einen oder mehrere zusätzliche schriftliche Bescheide abgeben.
1.2 Die neue Praxis, die nachstehend (Nrn. 2 bis 6) näher erläutert wird, bietet eine weitere Gelegenheit zum Dialog mit dem EPA als IPEA, wodurch den Anmeldern mehr Möglichkeiten eingeräumt werden, mit einem positiven IPER in die nationale Phase vor den ausgewählten Ämtern einzutreten. Damit steigert die neue Praxis den Wert des Verfahrens für die internationale vorläufige Prüfung vor dem EPA als IPEA.
2. Neue Praxis nach Regel 66.4 PCT
2.1 Vor der Erstellung eines negativen IPER erlässt das EPA in der Regel einen zusätzlichen schriftlichen Bescheid (nachstehend "zweiter schriftlicher Bescheid"). In der Mitteilung, die den zweiten schriftlichen Bescheid (Formblatt PCT/IPEA/408) enthält, wird dem Anmelder eine Antwortfrist gesetzt, innerhalb der er weitere Änderungen und/oder Gegenvorstellungen einreichen kann, um etwaige Einwände auszuräumen. Der zweite schriftliche Bescheid braucht nicht beantragt zu werden. Für die Zwecke dieser neuen Praxis und im Interesse der Anmelder wird der Begriff "negativer IPER" breit definiert. Dieser Begriff ist als ein IPER zu verstehen, in dem der Anmelder über einen Mangel unterrichtet wird, zu dem er nach Regel 161 (1) EPÜ Stellung nehmen muss, wenn er sich für den Eintritt in die europäische Phase entscheidet.1 Enthält der IPER keine oder nur geringfügige Einwände, die einer Direkterteilung in der europäischen Phase nicht entgegenstehen, wird der IPER als positiv betrachtet.
2.2. Ein zweiter schriftlicher Bescheid wird unter der Voraussetzung erstellt, dass der Anmelder rechtzeitig entweder eine sachliche Erwiderung auf den vom EPA als Internationaler Recherchenbehörde erstellten schriftlichen Bescheid (WO-ISA) (s. Nr. 3) oder auf den vom EPA als IPEA erstellten ersten schriftlichen Bescheid (s. Nr. 4) einreicht. Allerdings kann das Verfahren je nach den besonderen Umständen eines Falls abweichen, und es ergeht nicht zwangsläufig ein zweiter schriftlicher Bescheid, wenn eine telefonische Rücksprache beantragt wird (s. Nr. 5).
3. Verfahren, wenn das EPA für eine internationale Anmeldung als ISA tätig war
3.1 War das EPA für eine internationale Anmeldung als ISA tätig, so gilt der von ihm erstellte schriftliche Bescheid (WO-ISA) als erster schriftlicher Bescheid für das Verfahren nach Kapitel II PCT (Regel 66.1bis a) PCT).
3.2 Ein zweiter schriftlicher Bescheid (Formblatt PCT/IPEA/408) ergeht unter den folgenden Voraussetzungen:
- der Anmelder hat Änderungen und/oder Gegenvorstellungen eingereicht, die bei der internationalen vorläufigen Prüfung berücksichtigt werden müssen (Regeln 66.1 a) - d) und 66.4bis PCT), und
- es bestehen noch Einwände, sodass der IPER negativ ausfiele, wenn er nach Aktenlage erginge.
4. Verfahren, wenn das EPA für eine internationale Anmeldung nicht als ISA tätig war
4.1 Wurde der WO-ISA von einer anderen als ISA tätigen internationalen Behörde erstellt, so gilt er nicht als (erster) schriftlicher Bescheid für das Verfahren für die internationale vorläufige Prüfung vor dem EPA als IPEA (Regel 66.1bis b) PCT).2 In diesem Fall erstellt das EPA in seiner Eigenschaft als IPEA einen ersten schriftlichen Bescheid (Formblatt PCT/IPEA/408), wenn es Einwände erhebt. Der Anmelder kann auf diese Mitteilung antworten, indem er innerhalb der darin gesetzten Frist Änderungen und/oder Gegenvorstellungen einreicht.
4.2 Ein zweiter schriftlicher Bescheid ergeht unter den folgenden Voraussetzungen:
- der Anmelder hat Änderungen und/oder Gegenvorstellungen eingereicht, um im ersten schriftlichen Bescheid erhobene Einwände innerhalb der gesetzten Antwortfrist auszuräumen (Regeln 66.1bis c) und 66.2 PCT) und
- es bestehen noch Einwände, sodass der IPER negativ ausfiele, wenn er nach Aktenlage erginge.
5. Antrag auf telefonische Rücksprache
5.1 Vor der Erstellung des IPER kann der Anmelder eine telefonische Rücksprache beantragen. Das EPA gibt einem solchen Antrag in der Regel nur einmal statt (Regel 66.6 PCT). Infolge der neuen Praxis nach Regel 66.4 PCT wird das Verfahren der telefonischen Rücksprache wie folgt geändert:
5.2 Beantragt der Anmelder eine telefonische Rücksprache vor Ergehen eines zweiten schriftlichen Bescheids, so wird ihm die Niederschrift der telefonischen Rücksprache übermittelt, und er wird aufgefordert, weitere Änderungen und/oder Gegenvorstellungen innerhalb der darin gesetzten Antwortfrist einzureichen. Es ergeht kein zweiter schriftlicher Bescheid, denn dieses Verfahren ermöglicht einen Dialog mit dem Anmelder, der mit dem in Nr. 2 beschriebenen Verfahren vergleichbar ist.
5.3 Beantragt der Anmelder eine telefonische Rücksprache und/oder einen zweiten schriftlichen Bescheid vor Ergehen eines zweiten schriftlichen Bescheids, so liegt die Entscheidung über die beste Verfahrensweise im Ermessen des EPA als IPEA, und der Prüfer konsultiert den Anmelder entweder telefonisch (s. Nr. 5.2), oder er erstellt einen zweiten schriftlichen Bescheid (s. Nr. 2).
5.4 Beantragt der Anmelder eine telefonische Rücksprache nach Ergehen eines zweiten schriftlichen Bescheids, aber vor dem Datum der Erstellung des IPER, so wird dem Anmelder die Niederschrift der telefonischen Rücksprache übermittelt; er wird jedoch nicht aufgefordert, weitere Änderungen und/oder Gegenvorstellungen einzureichen, die nur akzeptiert werden, wenn sie in der telefonischen Rücksprache vereinbart wurden.
6. Antwortfrist
Die Frist für die Erwiderung auf den zweiten schriftlichen Bescheid oder gegebenenfalls (s. Nr. 5) auf die mit der Niederschrift der telefonischen Rücksprache versandte Aufforderung beträgt normalerweise zwei Monate, mindestens jedoch einen Monat (Regel 66.2 d) PCT).
7. Inkrafttreten
Die neue Praxis wird auf internationale Anmeldungen angewandt, für die nach Regel 69.2 PCT die Frist für die Erstellung des IPER am 1. Dezember 2011 oder später abläuft, es sei denn, der IPER wird vor dem 1. Oktober 2011 erstellt3.
3 In der Praxis beträgt die anwendbare Frist für die Erstellung des IPER meistens 28 Monate ab dem (frühesten) Prioritätsdatum (Regel 69.2 i) PCT). Unter bestimmten Umständen kann diese Frist später ablaufen (Regel 69.2 ii) und iii) PCT).