Erik Loopstra and Vadim Banine
Verbessertes Verfahren zur Herstellung von Mikrochips
Gewinner des Europäischen Erfinderpreises 2018 in der Kategorie Publikumspreis
Den Erfindungen des niederländischen Ingenieurs Eric Loopstra und des russischen Physikers Vadim Banine im Bereich der Lithografie mit extrem ultravioletter Strahlung ("extreme ultraviolet lithography" (EUVL)) ist es zu verdanken, dass die nächste Generation von Mikroprozessoren in Europa hergestellt wird. Die von ihnen entwickelte Technologie, die von dem Chiphersteller ASML in den Niederlanden patentiert und auf den Markt gebracht wurde, setzt Hochenergielaser ein, um Präzision im Nanobereich zu erzielen und auf diese Weise kleinere, schnellere und leistungsfähigere Halbleiter zu produzieren.
Die Rechenleistung von Mikroprozessoren hängt davon ab, wie viele Transistoren auf einen einzelnen Chip gepackt werden können. Seit den 1960er-Jahren hat sich diese Zahl im Schnitt alle zwei Jahre verdoppelt. Waren es damals Tausende von Transistoren, so passen mittlerweile Milliarden davon auf einen Chip. Diese Entwicklung entspricht dem von Gordon Moore, Mitbegründer der Intel Corporation, aufgestellten mooreschen Gesetz.
In den letzten Jahren hat man sich in der Mikrochipindustrie hier jedoch einem Plateau genähert. Die Wellenlänge des Laserlichts, das dazu benutzt wird, präzise Transistorstrukturen auf Silikonchips zu ätzen, ist an seiner physikalischen Grenze angelangt - damit wäre dann auch das Ende des mooreschen Gesetzes eingeläutet. Und die Einnahmen der globalen Mikrochipindustrie drohten um 15 % zurückzugehen.
Hier kommen Banine und Loopstra beim Lithografiesystemanbieter ASML ins Spiel. Über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg setzten diese beiden ihre jeweiligen Talente als Physiker und als Systemarchitekt dazu ein, die Grenze bei der Wellenlänge zu durchbrechen. Ihre patentierten Erfindungen im Bereich der EUVL verringern die Wellenlänge der Strahlung um den Faktor 14 auf nur 13,5 Nanometer, Welten unterhalb der einst unüberwindbar scheinenden "Schallmauer" von 193 Nanometern. Globale Chiphersteller beginnen nun damit, die EUVL-Technologie für die Massenproduktion einzusetzen.
Gesellschaftlicher Nutzen
Immer kleinere und leistungsfähigere Mikrochips sind der Schlüssel zu neuen Anwendungen, beispielsweise in der Kommunikationstechnik, im Gesundheitsbereich oder im Verkehrswesen. EUVL ist die Technik, die Chips der nächsten Generation mit einer Präzision im Bereich von sieben bis fünf Nanometern erst möglich macht. Zur Verdeutlichung dieser Dimension: Fünf Nanometer entsprechen etwa der doppelten Dicke eines DNA-Strangs, und ein menschliches Haar ist 20 000-mal so dick wie fünf Nanometer.
In Zukunft kann man eine Speicherkapazität von 256 Gigabyte auf einem Chip in der Größe eines menschlichen Fingernagels unterbringen. Das führt uns nicht nur zu Smartphones und Tablet-PCs der nächsten Generation - auch immer kleineren und leistungsfähigeren medizinischen Implantaten, tragbarer Elektronik ("wearable electronics") und "lab-on-a-chip"-Anwendungen steht damit nichts mehr im Wege.
Die fortschrittliche EUVL-Plattform von ASML hat dazu beigetragen, Europas Position in der Technologie zu stärken. Die Region um die niederländische Stadt Eindhoven, wo ASML ansässig ist, gilt als "Brainport-Region". Die Schaffung von Synergien zwischen Unternehmen und Thinktanks wie der Technischen Universität Eindhoven (TU/e) brachte ihr 2011 den Titel "intelligenteste Region der Welt" des Intelligent Community Forums ein.
Wirtschaftlicher Nutzen
ASML bietet die patentgeschützten Erfindungen seines Teams nun im Rahmen eines Gesamtprodukts an, dem EUVL-System NXE:3400B. Vier der weltweit größten Halbleiterhersteller - Samsung, TSMC, Intel und GLOBALFOUNDRIES - werden die EUVL-Technologie von ASML in den nächsten zwei Jahren einführen. Jedes dieser Unternehmen soll von ASML ein EUVL-System zum Preis von 93 Mio. EUR erworben haben.
ASML ist schon heute der weltweit größte Anbieter von Lithografiesystemen. Sein Anteil am globalen Marktumsatz wird 2018 voraussichtlich bei mehr als 85 % liegen. Das im Jahr 1984 gegründete börsennotierte Unternehmen beschäftigte 2017 weltweit 19 200 Mitarbeiter und wies einen Umsatz von 9 Mrd. EUR sowie Gewinne von mehr als 2 Mrd. EUR aus.
Dank der unersättlichen Nachfrage nach Mikrochips boomt die Halbleiterindustrie weltweit. Nach Angaben ihres Branchenverbands lag der globale Umsatz 2017 bei mehr als 334 Mrd. EUR und übertraf damit eine Wachstumsrate von 20 % im Vergleich zum Vorjahr. Experten bei MarketsandMarkets gehen davon aus, dass der Markt für Fotolithografiesysteme bis 2020 einen Umsatz von 6,5 Mrd EUR erreicht, wobei das größte Wachstum auf EUVL-Systeme entfällt.
Funktionsweise
Das Herstellungsverfahren, mit dem moderne Mikrochips gefertigt werden, ist die Fotolithografie. Hierbei werden Laser eingesetzt, um winzige Strukturen für Transistoren und Schalter in Silizium-Wafer zu ätzen. Das Präzisionsniveau ist jedoch durch die in herkömmlichen Verfahren zum Einsatz kommende Wellenlänge begrenzt. Bis vor Kurzem lag die kürzest mögliche Wellenlänge bei 193 Nanometern.
Banine und Loopstra griffen zu einem erfinderischen Trick, um die Grenze bei der Wellenlänge zu durchbrechen. Sie wandten ein EUVL-Verfahren an. Anstatt das Laserlicht direkt für das Ätzen des Siliziums einzusetzen, wird in der EUVL-Technologie ein Hochleistungslaser auf winzige Zinntröpfchen gerichtet. Unter der Hitze des Lasers schmelzen die Metalltropfen zu strahlendem Plasma. Bei extrem hohen Temperaturen sendet das Plasma Licht im "extrem ultravioletten" Spektrum mit einer Wellenlänge von nur 13,5 Nanometern aus. Das ist 14-mal kleiner als der Wert, der bis dahin als kürzest mögliche Wellenlänge galt. Die auf diese Art erhaltene Wellenlänge ist ideal, um ultrafeine Strukturen in Silizium zu ätzen.
Um dies zu erreichen, ließen die Erfinder das Licht durch Reflektoren fallen - ultraglatte Spiegel mit makellos ebener Oberfläche. Hierfür entwickelte das deutsche Optikunternehmen ZEISS, mit dem ASML zusammenarbeitet, ein ganz neues Material. Außerdem setzten Banine und Loopstra eine Vakuumkammer ein, um den EUVL-Vorgang vor Verunreinigung zu schützen.
Um jedoch eine geometrische Chipstruktur auf einen Silizium-Wafer zu projizieren, mussten Loopstra und Banine auch eine Methode entwickeln, mit deren Hilfe sie verhindern konnten, dass kontaminierende Partikel auf die Maske - das ist der Entwurf für die Chipstruktur - im Lithografiesystem gelangen. Zwar sind solche verunreinigenden Materialpartikel 1 000-mal dünner als ein menschliches Haar, dennoch mussten sie ausgeschaltet werden - schließlich kann ein einziger Staubpartikel einen Mikrochip unbrauchbar machen. Inspiriert durch die japanischen Katanas (japanisches Langschwert) entschlossen sie sich dazu, eine dünne, geschichtete Membran zum Schutz der Maske zu entwerfen.
In den Fertigungsanlagen wird die patentierte Technologie nicht zur Herstellung der kompletten Chips eingesetzt, sondern nur für die Schichten, bei denen höchste Detailtreue und Präzision am meisten gefragt sind. Diese werden dann zusammen mit den sogenannten Belichtungsschichten auf die fertigen Halbleiter aufgebracht. Davon gibt es pro Chip etwa 100 Stück, und diese werden mithilfe anderer Lithografieverfahren hergestellt.
Die Erfinder
Seit Erik Loopstra 1991 zu ASML kam, spielte er stets eine wichtige Rolle, wenn es darum ging, neue EUVL-Lösungen auf den Markt zu bringen. Mehr als 1 000 Fachleute des Unternehmens waren an diesem Prozess beteiligt. Mit den Worten "Innovation ist ein Prozent Inspiration und neunundneunzig Prozent Transpiration", zitiert Loopstra Thomas Edison. "Niemand würde so viel Zeit und Geld investieren, wenn er nicht daran glauben würde, dass es sich am Ende lohnt."
Sein innovativer Ehrgeiz wurde größer, und damit wuchs auch seine Abteilung. Als der aus Lillestrøm in Norwegen stammende Loopstra vor mehr als 25 Jahren bei ASML anfing, bestand das Entwicklungsteam aus gerade einmal 100 Leuten. Heute ist die Zahl der Mitarbeiter in diesem Bereich auf 2 000 angewachsen. Loopstra arbeitet mittlerweile auch beim ASML-Zulieferer ZEISS in Deutschland an optischen EUV-Systemen der nächsten Generation.
Loopstras Arbeit führte zur Erteilung von 65 europäischen Patenten und brachte ihm 2012 den Martin-van-den-Brink-Preis der Niederländischen Gesellschaft für Feinwerktechnik (Dutch Society for Precision Engineering) ein. In seiner Freizeit zieht sich der Erfinder in seine Werkstatt zurück, wo er sich beim Schreinern von Holzmöbeln von der Arbeit mit Hochleistungslasern erholt.
Vadim Banine wurde in der russischen Hauptstadt Moskau geboren, wo er 1988 am Moskauer Institut für Physik und Technologie seinen Studienabschluss in Physik machte. Nach zweijähriger Forschungstätigkeit als Postdoc am Labor für Wärme- und Stoffübertragung an der TU/e, wo er seine Promotion erlangt hatte, fing er 1996 bei ASML an. Seither hat er mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den bahnbrechenden Entwicklungen in der EUVL-Technologie beigetragen.
Heute ist er in der Forschung ebenso zu Hause wie in der Welt der Unternehmensführung. 2010 wurde er Forschungsvorstand bei ASML, 2013 wurde er als Professor für Physik und EUV-Lithografie an die Abteilung für Angewandte Physik der TU/e berufen. Banine ist als Erfinder oder Miterfinder in 45 erteilten europäischen Patenten genannt und ist Autor von über 50 wissenschaftlichen Publikationen.
"Die Patente haben mir Freiheit gebracht. Sie haben dafür gesorgt, dass ich mich hundertprozentig auf meine Arbeit konzentrieren konnte und mir um nichts anderes Gedanken machen musste. Das ist wirklich großartig", findet Banine. Im Rahmen von Kooperationen mit einer Reihe unterschiedlicher Partner aus Industrie und Forschung beteiligt er sich heute mit ASML daran, die optischen Elemente und Plasmasysteme, die im Zentrum der EUVL-Technologie stehen, zu testen.
Wussten Sie das?
Erfinder patentierter Innovationen im Zusammenhang mit Mikroprozessoren waren beim Europäischen Erfinderpreis von der ersten Stunde an erfolgreich. Loopstra und Banine sind die jüngsten Beispiele einer ganzen Reihe von Finalisten und Gewinnern. Das fing schon beim allerersten Europäischen Erfinderpreis 2006 an, bei dem der legendäre Mikroprozessor 4004 seinem Erfinder Federico Faggin den Preis in der Kategorie "Lebenswerk" einbrachte. Im selben Jahr wurden auch Stephen P.A. Fodor und sein Team für ihre Mikrochips zur DNA-Analyse ausgezeichnet. Sie erhielten den Preis in der Kategorie "Kleine und mittlere Unternehmen".
2015 ging der Preis in der Kategorie "Lebenswerk" an den analytischen Chemiker und Nanowissenschaftler Andreas Manz aus der Schweiz, der die gesamte Ausrüstung eines Chemielabors so weit miniaturisierte, dass sie auf einem Wafer von der Größe eines Mikrochips Platz fand. Ein Jahr zuvor brachte ein mit einem Mikroprozessor bestückter USB-Stick, der die DNA eines Patienten innerhalb von Minuten entschlüsseln kann, dem britischen Wissenschaftler Christofer Toumazou den Preis in der Kategorie "Forschung" ein.
Weitere Finalisten, die neue Maßstäbe in der Mikroprozessor-Technologie setzten, waren beispielsweise die britische Ingenieurin Sophie Wilson mit ihrem ultraeffizienten ARM-Prozessor für mobile Endgeräte (2013, Kategorie "Lebenswerk"), oder die portugiesischen Erfinder Elvira Fortunato und Rodrigo Martins, die papierbasierte Mikrochips entwickelten (2016, Kategorie "Forschung").
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