Miroslav Sedláček
Rolling fluid turbine
Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2016
Mit einer von Miroslav Sedláček entwickelten und seit 2015 vermarkteten schaufellosen Wasserturbine lassen sich Wasserströme auf neuartige Weise in elektrische Energie umwandeln. Damit erweitert sich der Anwendungsbereich der Wasserkrafttechnologie auf eine Vielzahl bislang ungenutzter Quellen, wie Meeresgezeiten und kleine Bäche. Die "Flüssigkeitsturbine" von Sedláček ist eine gangbare Alternative zu den konventionellen Wasserkraftgeneratoren, mit denen seit ihrer Entwicklung in den 1880er-Jahren Energie aus Wasser erzeugt wurde. Während bei konventionellen Generatoren Schaufeln in Wasserläufen mit hoher Fließgeschwindigkeit unter Wasser eingesetzt werden, stützt sich die Flüssigkeitsturbine auf physikalische Gesetze, um den natürlichen Wasserfluss in einen Druck nach oben umzuwandeln und auf diese Weise Strom zu erzeugen.
Sedláček erzielte seinen Durchbruch, indem er sich ein interessantes hydrodynamisches Prinzip zunutze machte: die Strömung, d. h. eine Wirbeldynamik, die enorme Mengen an Energie freisetzen kann. Sedláček nutzte den natürlichen Sog des Wassers und pumpte das Wasser durch ein speziell geformtes Turbinengehäuse. Damit konnte er Strom mit einer Leistung von bis zu 10 Kilowattstunden (kWh) täglich erzeugen und Wirkungsgrade von 50-60 % erzielen. Der Strom aus einer solchen kleinen Turbine reicht aus, um den Bedarf von fünf Familien in Europa oder eines gesamten afrikanischen Dorfs zu decken.
Gesellschaftlicher Nutzen
Die Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen stellt mit einem jährlichen Ausstoß von 10 Mrd. Tonnen CO2 (ScienceDaily) nach wie vor eine erhebliche Umweltbelastung dar. Die Europäische Union hat es sich zwar zum Ziel gesetzt, 20 % ihres Energiebedarfs bis 2020 aus nachhaltigen Ressourcen zu decken, dennoch gehen 25 % des derzeitigen Stromverbrauchs auf Kohle zurück. In Deutschland, dem größten Produzenten von Wind- und Solarenergie in der EU, werden 45 % der Energie aus Kohle erzeugt (Bloomberg).
Die Stromerzeugung aus Wasserkraft könnte jetzt für den Energiemix an Bedeutung gewinnen, da mit der Erfindung von Sedláček die Palette der nutzbaren Wasserressourcen erheblich erweitert wird. Angaben der European Ocean Energy Association zufolge wird die Energieerzeugung aus Meereswellen und Gezeitenströmungen in Europa bis 2050 rund 188 Gigawatt betragen und damit 15 % des Strombedarfs in Europa und bis zu 20 % des nationalen Strombedarfs in einigen Ländern decken können.
Wirtschaftlicher Nutzen
Die Erfindung von Sedláček wird seit Juni 2015 durch das Start-up-Unternehmen Vortex Hydrokinetics LLC unter dem Markennamen SETUR Bladeless Turbine in 16 Ländern vermarktet. Die schaufellose Turbine wird zurzeit u. a. vom deutschen Energiekonzern E.ON im Hinblick auf die kommunale Energieerzeugung geprüft. Das in Palm Beach, Florida, ansässige Unternehmen Vortex Hydrokinetics LLC beschäftigt sieben Mitarbeiter, die an Wasserkraftprojekten arbeiten, und ist ein Tochterunternehmen von Ocean Energy Industries. Mit seiner WaveSurfer-Technologie werden bereits mehr als 32 Megawatt Leistung pro Anlage erzeugt, z. B. in Avacha, Ukraine.
Darüber hinaus wird die Erfindung seit Oktober 2015 durch das in Prag ansässige Unternehmen P.F-Economy Consulting Ltd. unter dem Markennamen Bladeless Rolling Turbine (BRT) vermarktet. BRT ist für kleinere Anwendungen in Flüssen und Bächen ausgelegt.
In der Europäischen Union arbeiten zurzeit eine Million Menschen im Bereich der erneuerbaren Energien, einem Markt mit einem Jahreswert von über 130 Mrd. EUR, der jährlich erneuerbare Energien im Wert von 35 Mrd. EUR exportiert. In der EU werden zurzeit 15,3 % der Brutto-Endenergie aus nachhaltigen Energiequellen (Sonne, Wind, Wasser) gewonnen. Pike Research geht davon aus, dass in Nordamerika bis 2017 aus der Gewinnung hydrokinetischer Energie ein Umsatzvolumen von insgesamt 148,7 Mio. EUR (163,27 Mio. USD) erreicht wird.
Funktionsweise
Bei der Erfindung handelt es sich um einen rohrförmigen Behälter etwa von der Größe einer Mikrowelle, der wie eine Boje auf der Oberfläche beispielsweise eines Baches oder eines kleinen Flusses schwimmt. Unterhalb der Wasseroberfläche leitet die Turbine den natürlichen Wasserstrom durch eine runde Welle. Infolge des Wirbelstromprinzips wird der Wasserdruck mit erhöhter Saugwirkung nach oben gerichtet. In der Turbinenwelle versetzt die starke Vortexenergie eine an einer Generatorwelle befestigte Vorrichtung in Drehung, und die Rotation wird in elektrische Energie umgewandelt.
Selbst wenn die Turbine in einem kleinen Wasserlauf installiert wird, erzeugt sie mit einer Nennleistung von 100 bis 400 Watt erwiesenermaßen genügend Energie, um ein kleines Haus zu versorgen. Ein optimaler Betrieb der schaufellosen Turbine erfolgt bei Wasserdurchflussmengen zwischen 22 und 250 Litern pro Sekunde, allerdings werden sogar bei der geringen Menge von zwei Litern pro Sekunde bereits Ergebnisse erzielt.
Der Erfinder
Nach Abschluss seines Ingenieurstudiums an der Wirtschaftsuniversität Prag im Jahr 1976 forschte Miroslav Sedláček im Bereich der Energieerzeugung auf der Grundlage des hydrodynamischen Prinzips und konzentrierte sich dann zunehmend auf das Wirbelstromprinzip.
Sedláček und sein Erfinderteam an der Tschechischen Technischen Universität Prag entwickelten im Laufe von 12 Jahren eine Technologie, die das Wirbelstromprinzip nutzt, und meldeten während dieser Zeit fünf Schlüsselpatente an. Sedláček ist zurzeit Dozent am Fachbereich für Wirtschaft und Management im Bauingenieurwesen der Tschechischen Technischen Universität Prag.
Das Turbinendesign hat bereits mehrere internationale Auszeichnungen erhalten, u. a. den E.ON Energy Globe Award ČR in der Kategorie Ideen (2014), den WIPO Inventor Award (2013) und den Copper Award auf der 6. Internationalen Messe für Erfindungen in Suzhou, China (2008).
Wussten Sie das?
Die auf der Wirbeldynamik basierende Turbine gehört zum Trendsegment der Hightech-Erfindungen, die Phänomene aus der Natur nachbilden. Diese "biomimetischen" Erfindungen (aus dem Griechischen "bios" = Leben und "mimesis" = Imitation) kurbeln einen boomenden Markt an: 2025 könnte die Biomimetik einen Anteil von 272,2 Mrd. EUR (300 Mrd. USD) am jährlichen BIP der USA haben und 1,6 Millionen Arbeitsplätze auf einem globalen Markt schaffen, der einen Wert von 900,7 Mrd. EUR (1 Billion USD) hat (PointLoma).
Zu den bekannten Beispielen biomimetischer Erfindungen gehören Klettverschlüsse nach dem Vorbild der Klettfrüchte und auch frühere mit dem Europäischen Erfinderpreis ausgezeichnete Erfindungen wie die "Pyrosequenzierung", eine Methode zur DNA-Analyse, die vom nächtlichen Leuchten der Glühwürmchen inspiriert wurde, oder die "Aquaporin"-Membranen zur Wasseraufbereitung, die auf natürlich vorkommenden Proteinen basieren. Weitere mit dem Europäischen Erfinderpreis ausgezeichnete, auf Naturphänomenen basierende Erfindungen sind die Fraktalantennen und der "Fastskin"-Schwimmanzug, der sich an der Haut von Haien orientierte.
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