https://www.epo.org/de/news-events/european-inventor-award/meet-the-finalists/alim-louis-benabid

Alim-Louis Benabid

Treatment for Parkinson's disease

Preiskategorie
Forschung
Technisches Gebiet
Medizintechnik
Organisation
Commissariat Energie Atomique
Die von dem französischen Neurochirurgen und Physiker Alim-Louis Benabid entwickelte Tiefe Hirnstimulation (THS) zur Behandlung der Parkinson-Krankheit sowie von anderen neurologischen Erkrankungen durch hochfrequente Impulse ermöglicht es Patienten auf der ganzen Welt, ein von Einschränkungen freies und erfülltes Leben zu führen, ohne sich einer radikalen Operation unterziehen zu müssen.

Gewinner des Europäischen Erfinderpreis 2016

Die von dem französischen Neurochirurgen und Physiker Alim-Louis Benabid entwickelte Tiefe Hirnstimulation (THS) zur Behandlung der Parkinson-Krankheit sowie von anderen neurologischen Erkrankungen durch hochfrequente Impulse ermöglicht es Patienten auf der ganzen Welt, ein von Einschränkungen freies und erfülltes Leben zu führen, ohne sich einer radikalen Operation unterziehen zu müssen.

Bei der THS-Methode wird eine elektrische Sonde dauerhaft in das Gehirn eingesetzt – ähnlich einem Herzschrittmacher, wie er bei kardiovaskulären Erkrankungen zum Einsatz kommt. Die THS hat die Art der Behandlung von Menschen, die die Diagnose Parkinson erhalten haben, sowie deren Aussichten auf eine hohe Lebensqualität grundlegend verändert. Früher mussten sich Patienten, die aufgrund ihrer Parkinson-Erkrankung bereits an einem fortgeschrittenen Tremor litten, häufig einer radikalen Operation unterziehen, die bereits seit den 1940er-Jahren angewendet wurde – beim sogenannten "Läsionsverfahren" wurden ganze Teile des Gehirns entfernt. Die dopamingestützte Therapie durch oral verabreichte Medikamente erwies sich zwar als sanftere Alternative zum Läsionsverfahren, konnte jedoch unter Umständen sogar zu einer Verschlimmerung der Symptome führen.

Die hochfrequente THS als weltweit erste Alternative zum Läsionsverfahren und zur medikamentösen Behandlung wurde rein zufällig entdeckt. Bei einer Gehirn-OP an einem an Parkinson erkrankten Patienten im Jahr 1987 führte Prof. Alim-Louis Benabid eine elektrische Sonde mit einer Frequenz von 50 Hz in den Thalamus des Patienten ein. Als Benabid die Frequenz dann auf 100 Hz erhöhte, ließ der Tremor – ein im fortgeschrittenen Stadium von Parkinson auftretendes Muskelzittern – vollständig nach. Dieses Aha-Erlebnis führte schließlich dazu, dass die THS zum Standard bei der klinischen Behandlung einer fortgeschrittenen Parkinson-Erkrankung und anderen neurologischen Störungen wie Epilepsie, essentiellem Tremor oder Dystonie wurde.

Die THS wurde bereits in den 1960er-Jahren als mögliche Behandlung der Parkinson-Krankheit erforscht. Die Wissenschaftler verwendeten jedoch andere Frequenzen und erzielten nur sehr bescheidene Ergebnisse, weshalb die Methode nicht weiterverfolgt wurde. Das Interesse erwachte aber wieder, nachdem Benabid herausgefunden hatte, welcher Hochfrequenzbereich zum Nachlassen des Tremors führt. Er entwickelte anschließend die passende Technologie und machte die Behandlung bereit für die praktische Anwendung.

Gesellschaftlicher Nutzen

Die Parkinson's Disease Foundation (PDF) schätzt, dass aktuell rund 7 bis 10 Millionen Menschen weltweit an Parkinson erkrankt sind. Im fortgeschrittenen Stadium dieser Krankheit sind die Patienten nicht mehr in der Lage, ihren eigenständigen Lebensstil weiterhin aufrechtzuerhalten. Die THS kann lebensverändernd sein, da Patienten, die zuvor aufgrund ihrer Parkinson-Erkrankung bewegungsunfähig waren, nun wieder in der Lage sind, ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Die THS erhielt 1989 das CE-Zeichen für die Behandlung in Europa und wurde 2002 von der FDA in vollem Umfang für die USA zugelassen. Seitdem wurden mehr als 150 000 Patienten operativ versorgt. Inzwischen gilt die THS weltweit als Standardbehandlung bei Parkinson und ähnlichen Symptomen.

Das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer solchen Behandlung ist äußerst günstig. Die US-amerikanische National Parkinson Foundation schätzt die Kosten für eine THS-Operation auf 31 700 EUR (35 000 USD) bis 45 300 EUR (50 000 USD) und bei einer bilateralen Stimulation auf 63 500 EUR bis 90 700 EUR (70 000 bis 100 000 USD); der Movement Disorder Society zufolge beläuft sich das inkrementelle Kosten-Nutzwert-Verhältnis der THS über die gesamte Lebenszeit dagegen auf 6 700 EUR pro qualitätskorrigiertem Lebensjahr (QALY).

Wirtschaftlicher Nutzen

Benabid war Mitbegründer des Start-up-Unternehmens Clinatec, dessen Ziel es ist, Erfindungen rund um die THS auf den Markt zu bringen, darunter auch eine Halterung für transkranielle Verfahren, die im Jahr 2010 patentiert wurde. Die ursprüngliche Erfindung wurde in einer Kooperation zwischen Benabids Firma Clinatec und dem großen irischen Medizintechnik-Unternehmen Medtronic auf den Markt gebracht. Medtronic hat insgesamt 85 000 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2014 einen Gesamtumsatz in Höhe von 25,5 Mrd. EUR.

Die Technologie ist dem florierenden weltweiten Markt für neurologische Stimulationstherapien zuzuordnen. Eine kürzlich durchgeführte Studie schätzt, dass der globale Markt für Neuromodulation, einschließlich der Tiefen Hirnstimulation und weiterer Technologien wie der Rückenmarksstimulation und der Transkraniellen Magnetstimulation, im Jahr 2015 einen Gesamtwert von 3,31 Mrd. EUR (3,65 Mrd. USD) hatte (MarketsandMarkets). Bis 2020 wird der Marktwert bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 11,2 % voraussichtlich auf 5,62 Mrd. EUR (6,20 Mrd. USD) steigen.

​​​​Funktionsweise

Die THS basiert auf einer chirurgischen Methode, bei der die Ärzte durch ein kleines Loch in der Schädeldecke des Patienten eine elektrische Sonde in das Gehirn einführen. Diese Sonde verbleibt dauerhaft im Gehirn des Patienten und fungiert dort als eine Art Schrittmacher. Über einen Verbindungsdraht können elektrische Impulse mit kontrollierten Intensitäten von 130 Hz gezielt an bestimmte Regionen des Thalamus und der umgebenden Bereiche gesendet werden.

Nach der Entdeckung des Grundprinzips hinter der hochfrequenten THS hat Benabid die Methode durch neue Erfindungen, wie neue Sonden oder eine Halterung für eine sichere transkranielle Einführung des Schrittmachers für die THS durch eine Hülse mit Führungsschienen, stetig verbessert.

Der Erfinder

Alim-Louis Benabid bringt eine äußerst seltene Kombination mit: Er ist sowohl promovierter Physiker als auch Neurochirurg - und somit perfekt geeignet für die Welt neurochirurgischer Erfindungen. Nach seinem Abschluss in Medizin an der Universität Joseph Fourier Grenoble I im Jahr 1970 promovierte er 8 Jahre später in Physik. Sein einzigartiger Blickwinkel ebnete den Weg für zahllose Verbesserungen an den therapeutischen Geräten für die THS, darunter das Design der Sonden, der Elektroden und der Halterungen.

Während seiner mehr als 45-jährigen medizinischen Laufbahn war Benabid als Neurochirurg an der Universität Joseph Fourier (ab 1972), als Professor für experimentelle Medizin (ab 1978) sowie zwischen 1983 und 2007 als Professor der Biophysik tätig. Darüber hinaus war er von 1988 bis 2006 Direktor der Forschungsgruppe "Präklinische Neurobiologie" bzw. "Präklinische Neurowissenschaften" am französischen Institut für Gesundheit und medizinische Forschung (INSERM).

Alim-Louis Benabid hat 12 Patente eingereicht, die alle erteilt wurden, und 523 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht (h-Index: 67). 2007 zog er sich von seinem langjährigen Posten als Leiter der Abteilung für Neurochirurgie am Hospital Grenoble in den Ruhestand zurück. Der passionierte Hobbymaler ist nun emeritierter Professor für Biophysik und Vorsitzender seines Start-up-Unternehmens Clinatec.

Für sein Lebenswerk, mit dem er entscheidend zur Weiterentwicklung der Technologie im Bereich der Neurowissenschaften beigetragen hat, erhielt Alim-Louis Benabid 23 Medaillen und Auszeichnungen, darunter auch den Robert-A.-Pritzker-Preis der Michael J. Fox Foundation (MJFF) (2013), den Lasker~DeBakey Clinical Medical Research Award (2014), den Movement Disorders Research Award der American Academy of Neurology (AAN) (2008) und den Breakthrough Prize in Life Sciences (2015). Außerdem wurde er zum Ritter des Ordre des Palmes Académiques sowie zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt.

Wussten Sie das?

Es heißt zwar, Not mache erfinderisch, doch sind zahlreiche bahnbrechende Entdeckungen auf Zufallsbeobachtungen zurückzuführen. Prof. Benabid stolperte rein zufällig über die Wirksamkeit der Tiefen Hirnstimulation bei einer Frequenz von 100 Hz - und nutzte diese Entdeckung, um seinen neuen Behandlungsansatz weiterzuentwickeln.

Dies stellt die THS auf eine Stufe mit verschiedenen anderen Erfindungen, die durch Zufall entdeckt wurden und dann Geschichte schrieben, darunter die Entdeckung des Penicillin durch Alexander Fleming (1928), Wilhelm Conrad Röntgens Beobachtung der nach ihm benannten Röntgenstrahlen (1895) oder auch die Entwicklung des Pap-Abstrichs durch George Nicholas Papanicolaou (1923).

 

Kontakt

Fragen zum Europäischen Erfinderpreis und zum Young Inventors Prize:

european-inventor@epo.org Erfinderpreis Newsletter abonnieren

Medienanfragen:

Kontaktieren Sie unser Presse-Team
#InventorAward #YoungInventors