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Thomas Tuschl

Methode für die Abschaltung krankmachender Gene

Preiskategorie
Forschung
Technisches Gebiet
Medizintechnik
Organisation
The Max Planck Society; EMBL; Rockefeller University
Thomas Tuschls revolutionäres Verfahren, menschliche Gene "abzuschalten", ist zu einem entscheidenden Tool bei der Entwicklung neuer Diagnose- und Behandlungsverfahren für verschiedenste Erkrankungen von Hämophilie bis zu erhöhtem Cholesterinspiegel geworden. Dem Biochemiker Tuschl ist es gelungen, das als RNA-Interferenz (RNAi) bekannte Phänomen so anzupassen, dass es in menschlichen Zellen eingesetzt werden kann.

Finalist des Europäischen Erfinderpreises 2014

Die Proteine, die in unseren Zellen gebildet werden, sind für unsere biologischen Funktionen unentbehrlich. Veranlassen Gene jedoch die Synthese vom normalen Muster abweichender Proteine, so können diese fehlerhaften Proteine verschiedene Krankheiten oder Syndrome hervorrufen. Ließe sich die Aktivierung solcher krankheitsverursachenden Gene also stoppen, könnten bestimmte Krankheiten verhindert werden.

Thomas Tuschl hat sich bei seinen Forschungen die spezielle Funktion und das spezielle Verhalten von Ribonukleinsäuren (RNA) zunutze gemacht, die die Zahl der in einer Zelle gebildeten Proteine steuern. Der Durchbruch gelang ihm, als er doppelsträngige RNA einer ganz bestimmten Länge in Zellen injizierte, die einerseits lang genug war, um eine RNAi zu bewirken und so das betreffende Gen auszuschalten, und andererseits kurz genug war, um nicht den Selbstschutzmechanismus der Zelle auszulösen und Nebeneffekte zu verur¬sachen. Mit seiner Erfindung hat Tuschl den Grundstein für zahlreiche vielversprechende Therapien gelegt und unser Verständnis der Humangenetik ein großes Stück vorangebracht.

Gesellschaftlicher Nutzen

Die Nutzung der RNAi ist heute aus der genetischen Grundlagenforschung nicht mehr wegzudenken und gehört zum Standardinstrumentarium von Laboratorien weltweit. Die von Tuschl 2002 mitgegründete Firma Alnylam und weitere Biotech-Unternehmen arbeiten inzwischen an der Entwicklung innovativer Diagnose- und Therapieverfahren. Erste Labor-erfolge bei verschiedenen Krankheiten geben Anlass zur Hoffnung; in Zukunft könnten Millionen Patienten von der RNAi profitieren.

Wirtschaftlicher Nutzen

Das US-Unternehmen Alnylam, bei dem Tuschl nach wie vor als wissenschaftlicher Berater tätig ist, ist alleiniger Lizenzinhaber für das Verfahren. Auf RNAi spezialisierte Biotech-Start-ups haben Investitionen in Milliardenhöhe aus verschiedensten Quellen eingeworben, darunter auch von großen Pharmakonzernen. Alnylam selbst konnte 2007 das Interesse des Branchenriesen Roche wecken, dem eine nicht ausschließliche Lizenz für die Alnylam-Technologie angeblich 300 Mio. Dollar wert war.

Bislang sind noch keine auf der RNAi basierenden Produkte oder Therapien zugelassen, doch mehrere befinden sich bereits in der klinischen Prüfung, darunter 11 von Alnylam entwickelte. Der globale Markt für auf RNAi basierende Forschungsreagenzien, Therapie- und Diagnoseverfahren sowie landwirtschaftliche Produkte wurde 2012 auf fast 210,2 Mio. Dollar geschätzt und soll bis 2018 auf 290 Mio. Dollar anwachsen.

Funktionsweise

Jedes Gen codiert ein bestimmtes Protein, das in der DNA verschlüsselt ist. Die DNA wird in Boten-RNA (mRNA) umgeschrieben, die aus dem Zellkern in das Zytoplasma der Zelle wandert und dort decodiert und in ein Protein umgesetzt wird.

Tuschl hat den als RNA-Interferenz (RNAi) bekannten Mechanismus zur Stilllegung von Genen so angepasst, dass er in menschlichen Zellen einsetzbar ist. Dazu injizierte er spezielle doppelsträngige RNA von außerhalb der Zelle, die genau die richtige Länge (21 Nucleotide) und Struktur (2-nt-3'-Überhang) hat, um eine RNAi auszulösen und die Proteincodierung des Zielgens "lahmzulegen". Gleichzeitig war die RNA kurz genug, um nicht den Selbstschutzmechanismus der Zelle und damit Nebeneffekte auszulösen. Bei diesem Verfahren wird nicht das Gen eliminiert, sondern lediglich seine funktionellen Produkte: die mRNA und das Protein.

Der Erfinder

Thomas Tuschl gilt als einer der besten RNA-Biochemiker der Welt. Aufgewachsen in Bayern, studierte und arbeitete er zunächst an der Universität Regensburg und später am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin und biophysikalische Chemie in Göttingen sowie am Massachusetts Institute of Technology (MIT). 2003 wurde er Professor und Leiter des Labors der Rockefeller University in New York und 2005 Investigator am Howard Hughes Medical Institute.

Wussten Sie das?

Tuschls Verfahren ist nur ein Beispiel von vielen für die bahnbrechenden Fortschritte in der medizinischen Biotechnologie, die die Hoffnung wachsen lassen, dass radikal neue Behandlungs¬methoden und Therapien für genetische Erkrankungen entwickelt werden könnten. Damit gehört die Biotechnologie nicht nur zu den innovativsten Gebieten der Technik im 21. Jahrhundert, sondern die medizinische bzw. "rote" Biotechnologie ist auch zu einem der Wachstumsmotoren unserer Zeit geworden.

 

Inventors revisited

In 2020 hat das EPA ehemalige Finalist(inn)en und Gewinner(inn)en erneut kontaktiert, nach ihren Ansichten zu den Trends bei Innovationen und geistigem Eigentum befragt und dabei seltene Einblicke in die neuesten Forschungsprojekte und Erfindungen gewonnen.

Thomas Tuschl
Die Zukunft der RNA-basierten Forschung

Thomas Tuschl ist ein weltweit führender Biochemiker. Er erfand eine Technik zur Stilllegung von Genen, die als RNA-Interferenz (RNAi) bekannt und in der Medizin im Einsatz ist. Nach der erfolgreichen Kommerzialisierung dieser Erfindung beschloss Professor Tuschl, sich der Grundlagenforschung zu widmen und sich auf ein neues Gebiet zu konzentrieren: die angeborene Immunantwort.

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Als die Corona-Pandemie die "Stadt, die niemals schläft", in die Zwangspause schickte, nahm der in New York lebende und weltweit führende Biochemiker Thomas Tuschl den Kampf mit Corona auf und widmete sich potenziellen neuen Behandlungsmethoden. Mit seinen Innovationen, die auch zu Lösungen für Autoimmunerkrankungen führen könnten, schiebt der Finalist des Europäischen Erfinderpreises die Grenzen der Forschung weiter hinaus.

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