D 0001/82 (Ausbildung bei deutschen Patentbehörden) 22-04-1982
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I. Die Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung des Europäischen Patentamts hat mit Entscheidung vom 18. Januar 1982 die Zulassung des Beschwerdeführers zur europäischen Eignungsprüfung abgelehnt. Zur Begründung führte sie aus, daß der Bewerber die Zulassungsbedingung eines vierjährigen Praktikums gemäß Artikel 7 (1) b) der "Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für die beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter" (ABl EPA 1978, 101; nachstehend VEP) nicht erfülle. Die geforderte Praktikumszeit von vier Jahren liege, was unstreitig ist, noch nicht vor. Eine Verkürzung dieser Zeit aufgrund Art. 8(2) VEP in Verbindung mit der Mitteilung der Prüfungskommission in ABl EPA 1980, 218, 221- 5.4.3 sei jedenfalls bis zum Beginn der europäischen Eignungsprüfung am 12. Mai 1982 nicht möglich. Die Ausbildung des Bewerbers könne nämlich bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr "mit der Zulassung zur Patentanwaltsprüfung abgeschlossen" werden.
II. Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 9. Februar 1982 Beschwerde ein. Im Beschwerdeverfahren legte er schriftlich und mündlich im wesentlichen dar, daß eine Berücksichtigung seiner Kandidatenausbildung in dem zeitlichen Umfang, in dem sie bis zum Beginn der europäischen Prüfung schon abgeleistet sei, möglich erscheine. Der geforderte Abschluß dieser Kandidatenzeit sei keine zwingende Voraussetzung für eine Anerkennung bereits geleisteter Ausbildungszeit. Der planmäßige Abschluß der Kandidatenzeit sei mit Sicherheit zu erwarten. Wenn jedwede Anerkennung bereits geleisteter Ausbildungszeit vor diesem förmlichen Abschluß versagt würde, so würde dadurch der Gleichheitsgrundsatz verletzt. Ein Bewerber, der sich der Kandidatenausbildung bei DPA/BPatG nicht unterziehe, sondern sein Praktikum in Sinne von Art. 7(1) b) i) VEP fortsetze, würde diese Zeit voll angerechnet bekommen. Darin liege auch eine Ungerechtigkeit, die um so größer würde, je ungünstiger sich für den einzelnen Bewerber die Umstände darstellen. Je nach dem, wann ein Bewerber sein Praktikum beginne, wann die Zulassung zur nationalen oder europäischen Prüfung zu beantragen sei, welchen nationalen oder europäischen Zeiterfordernissen er dann entspreche, wann die Prüfungen stattfänden und wie lange sie in Anspruch nähmen, müsse der einzelne Bewerber eine äußerst unterschiedliche Zeit aufwenden; diese würde von 4 Jahren bis zu 6 Jahren reichen. Zur Begründung seines Hilfsantrags führte der Beschwerdeführer aus, daß die Zulassung zur europäischen Prüfung jedenfalls auflösend bedingt ausgesprochen werden könne. Er könne sich dann der europäischen Prüfung unterziehen und gleichzeitig die deutsche Kandidatenzeit zu Ende führen. Nur in dem unwahrscheinlichen Fall, daß die letztere nicht zum Abschluß komme, würde die Zulassung zur europäischen Prüfung rückwirkend entfallen und die Prüfung ihre Gültigkeit verlieren.
III. In der mündlichen Verhandlung vom 22. April 1982 hob der Beschwerdeführer hervor, daß seinem Antrag jedenfalls unter zwei rechtlichen Gesichtspunkten entsprochen werden könne. Einmal könne man die Übergangsbestimmung des Artikels 24(2) VEP auch auf Beschäftigungen, iSv Artikel 8(2) VEP anwenden. Dies würde bedeuten, daß solche Beschäftigungen zwar mit den zeitlich vorgesehenen Grenzen anzurechnen sein, es aber eines formalen Abschlusses der Beschäftigung nicht bedürfe. Abgesehen davon aber, sei es als ermessensmißbräulich anzusehen, wenn die Prüfungskommission bei der Anwendung von Artikel 8(2) VEP für die Kandidatenzeit bei den deutschen Patentbehörden auf den Gesamtabschluß abstelle und die in der deutschen Ausbildungsordnung formell vorgesehenen Teilabschnitte nicht bereits dann berücksichtige, wenn diese mit einem durch die Beurteilung bestätigten Erfolg abgeschlossen seien. Dieses Prinzip führe zu einer unnötigen Härte für Bewerber, die bis zum Beginn der europäischen Eignungsprüfung die deutsche Ausbildung zwar noch nicht beendet, aber doch so viele der offiziellen Teilabschnitte abgeschlossen hätten, daß deren proportionale Anrechnung für eine Zulassung zur europäischen Prüfung ausreichen würde.
IV. Hinsichtlich des Sachverhalts wird im übrigen auf die Akten Bezug genommen, insbesondere hinsichtlich der Tatsachen, die die Zulässigkeit der Beschwerde begründen und hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beschwerdeführers.
V. Der Beschwerdeführer stellte am Ende der mündlichen Verhandlung den Hauptantrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ihn zur dritten europäischen Eignungsprüfung im Mai 1982 zuzulassen. Hilfsweise beantragte er, seine Zulassung mit der Maßgabe auszusprechen, daß seine Eintragung in die Liste der zugelassenen Vertreter gemäß Artikel 134(2) EPÜ erst erfolgt, wenn die Kandidatenzeit bei DPA/BPatG in ihrer Gesamtheit abgeschlossen ist.
1. Die Beschwerde entspricht Artikel 23 VEP und Artikel 6 der Ergänzenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten; sie ist daher zulässig.
2. Die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten ist gemäß Artikel 23(1) und (3) VEP zuständig zu prüfen, ob durch Entscheidungen der Prüfungskommission die Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für die beim EPA zugelassenen Vertreter verletzt wurden. Zur Entscheidung steht hier einmal die Frage, ob die Prüfungskommission die VEP dadurch verletzt hat, daß sie deren Artikel 8(2) und 24(2) nicht in der vom Beschwerdeführer dargelegten Weise angewendet hat. Des weitere ist zu entscheiden, ob die Prüfungskommission durch ihre Mitteilung in ABl EPA 1980, 218, 221-5.4.3, in der richtigen Weise von der Ermächtigung nach Artikel 8(2) VEP Gebrauch gemacht hat, also den Abschluß der Ausbildung bei den deutschen Patentbehörden fordert und eine abschnittsweise Berücksichtigung dieser Ausbildung ablehnt.
3. Der Argumentation des Beschwerdeführers, daß es in der Übergangszeit nach Artikel 24(2) VEP auf einen Abschluß der Spezialpraktika iSv Artikel 8(2) VEP nicht ankomme, sondern diese in dem Umfang, in dem sie vorliegen, angerechnet werden könnten, kann nicht gefolgt werden. Dies ist bereits in der Entscheidung D 02/81 vom 4. Februar 1982 gesagt. Artikel 24(2) VEP bezieht sich in seinem Wortlaut nur auf Artikel 7 VEP. Es wäre sinnwidrig, diese Übergangsbestimmung in eine Verbindung mit Artikel 8 VEP zu bringen, wo es keine regelungsbedürftige Übergangssituation gibt.
4. Was die Berücksichtigung der Ausbildung bei den deutschen Patentbehörden anbelangt, so begegnet es zunächst keinen Bedenken, daß die Prüfungskommission als erfolgreichen Abschluß des Spezialpraktikums nicht da s bestandene Examen fordert, sondern die Zulassung zu diesem Examen verbunden mit dem zeitlichen Abschluß der Ausbildungszeit genügen läßt. Nach der deutschen "Ausbildungs- und Prüfungsordnung gemäß § 12 der Patentanwaltsordnung" sind der Abschluß der Ausbildung und die Zulassung zur Prüfung zusammengehörende Elemente. Dem steht nicht entgegen, daß die Zulassung zur Prüfung schon zwei Monate vor Ablauf der Ausbildungszeit beantragt werden kann. Die Zulassung kann nämlich widerrufen werden, wenn ein letzter Ausbildungsabschnitt nicht mit Erfolg beendet wird. Die Zulassung zur Prüfung und der Abschluß der Ausbildung verbürgen daher zusammen, daß das Ziel der Ausbildung im Sinne von § 6 der genannten Ausbildungs- und Prüfungsordnung erfüllt ist. Die Ausbildung bei den deutschen Patentbehörden kann daher auf jeden Fall dann als im Sinne von Artikel 8(2) VEP erfolgreich abgeschlossen angesehen werden, wenn sie "mit der Zulassung zur Patentanwaltsprüfung abgeschlossen" ist. Dies bedeutet, daß die Zulassung zur Patentanwaltsprüfung vorliegt und die Ausbildung in ihrer Gesamtheit zeitlich beendet ist.
5. Es mag sein, daß eine Anrechnung der deutschen Ausbildung nur in ihrer Gesamtheit von 12 Monaten mit der Wirkung einer Verkürzung der Beschäftigungszeit um 10 Monate im Einzelfall für den Bewerber zu einem unbefriedigenden Ergebnis führt. Dies ist dann der Fall, wenn der Bewerber bei proportionaler Anrechnung von Teilabschnitten der deutschen Ausbildung schon zu einer früheren europäischen Eignungsprüfung zugelassen werden könnte. Im Grenzfall kann dabei die Situation eintreten, daß ein Bewerber seine deutsche Ausbildung nur wenige Tage nach Beginn einer europäischen Eignungsprüfung abschließt. Falls ihm die Berücksichtigung von Teilabschnitten der deutschen Ausbildung versagt bleibt, kann er nur zur nächstfolgenden europäischen Eignungsprüfung zugelassen werden, muß also in der Regel ein volles Jahr warten.
6. Trotz dieser praktisch gegebenen Situation kann es nicht als ermessensmißbräuchlich angesehen werden, wenn die Prüfungskommission von der Berücksichtigung von Teilabschnitten, sei es der deutschen Ausbildung, sei es des Studiums beim CEIPI in Straßburg abgesehen hat. Artikel 8(2) VEP verlangt, daß ein Spezialstudium oder -praktikum erfolgreich abgeschlossen ist. Unter einem derartigen Studium oder Praktikum muß daher wohl ein Bildungsabschnitt verstanden werden, der in sich einen eigenen Bildungswert hat. Es erscheint daher eher zweifelhaft, ob die Anerkennung von Teilabschnitten Artikel 8(2) VEP entsprechen würde. Dabei ist zu bedenken, daß auch Artikel 8(1) VEP die Vollendung von 4 Prüferjahren beim EPA verlangt, bevor überhaupt eine Verringerung der Beschäftigungszeit eintreten kann.Die Prüfungskommission darf auch darauf bedacht sein, daß das von ihr gewählte System in der Gesamtheit der Fälle praktikabel ist, auch wenn es nicht in jedem Einzelfall zu einem befriedigenden Ergebnis führt. Eine Berücksichtigung von Teilabschnitten eines Spezialstudiums oder -praktikums ist allerdings im Sinne einer richtigen Anwendung von Artikel 8(2) VEP nicht als zwingend anzusehen. In der Handhabung dieser Bestimmung durch die Prüfungskommission kann daher ein Ermessensmißbrauch nicht erkannt werden.
7. Die gerügte Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kann weder in Artikel 8(2) VEP selbst, noch in der Art seiner Handhabung durch die Prüfungskommission gesehen werden. Es trifft zwar zu, daß im Hinblick auf die Erfüllung von Beschäftigungszeiten iSv Artikel 7(1)b) VEP ein Bewerber, der sich im nationalen Bereich Spezialstudien oder -praktika unterzieht, schlechter steht, als ein Bewerber, der lediglich Tätigkeiten iSv Artikel 7(1)b) erfüllt. Es mag such zutreffen, daß die Spezialstudien oder -praktika von besonderem Wert sind. Tätigkeiten nach Artikel 7(1)b) und nach Artikel 8(2) VEP sind aber verschiedener Art und die Tätigkeiten nach Artikel 7(1)b) sind diejenigen, die grundsätzlich als Zulassungsbedingung für die europäische Eignungsprüfung vorgeschrieben sind. In diesen Tätigkeiten werden die gewünschten Erfahrungen in dem angestrebten Beruf eines zugelassenen Vertreters vor dem EPA gesammelt. Die europäische Eignungsprüfung ist darauf abgestellt, festzustellen, ob ausreichende Erfahrungen und praktisches Können in solchen Tätigkeiten vorliegen. Nach der Konzeption der VEP, die ua auch von den gegebenen Verhältnissen und Möglichkeiten in der Gesamtheit der Vertragsstaaten des EPÜ ausgehen muß, bedarf es der genannten Spezialstudien und -praktika für die Zulassung zur europäischen Eignungsprüfung grundsätzlich nicht. Sie können lediglich in zeitlich beschränktem Umfang berücksichtigt werden. Es kann daher nicht die Rede davon sein, daß Artikel 8(2) VEP oder die Art seiner Handhabung gleiche Tatbestände ungleich behandelt, also den Gleichheitsgrundsatz verletzen.
8. Dem Beschwerdeführer kann allerdings darin zugestimmt werden, daß es je nach Lage des Einzelfalles vom Bewerber als Härte empfunden werden kann, wenn die Erfüllung nationaler Prüfungsvoraussetzungen auf der einen Seite und die Erfüllung europäischer Prüfungsvoraussetzungen auf der anderen Seite zu einer Verlängerung der Gesamtbildung führen und diese Verlängerung von Fall zu Fall sehr unterschiedlich ist. Solche mögliche Härten, die sich im Einzelfall für den Bewerber ergeben mögen, können aber für die Disziplinarkammer als Rechtsprechungsinstanz kein Grund sein, den Artikel 8(2) VEP oder seine Handhabung durch die Prüfungskommission zu beanstanden. Eine größere Harmonisierung nationaler und europäischer Prüfungsvoraussetzungen mit dem Ziel, daß einem Bewerber, der beide Prüfungen ablegen will, nicht unverhältnismäßig lange Ausbildungs- und Wartezeiten zugemutet werden, muß anderen Stellen überlassen bleiben.
9. Was den Hilfsantrag des Beschwerdeführers anbelangt, so ist zu sagen, daß eine bedingte Zulassung zur europäischen Prüfung den Artikeln 7 und 8 VEP nicht entsprechen würde. Artikel 7 VEP geht davon aus, daß das vierjährige Praktikum Voraussetzung für die Zulassung zur europäischen Eignungsprüfung ist, also vor ihrem Beginn abgeleistet sein muß. Auch Tatbestände, die nach Artikel 8 VEP eine Verkürzung dieses Praktikums ermöglichen, müssen daher vor Beginn der europäischen Prüfung vorliegen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
10. Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung des Europäischen Patentamts vom 18. Januar 1982 wird zurückgewiesen.