J 0007/97 11-12-1997
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Verfahren zur Überwachung von Produkteigenschaften und Verfahren zur Regelung eines Herstellungsprozesses
Vertrauensschutz - Voraussetzungen nicht erfüllt
Berichtigung der Offenbarung - Eingangsstelle unzuständig
I. Am Montag, 22. April 1996, wurde die europäische Patentanmeldung Nr. 96 106 264.3 mittels Telefax beim Europäischen Patentamt eingereicht. Für diese Anmeldung wurde die Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 20. April 1995 in Anspruch genommen.
II. Die Telefax-Übermittlung erfolgte durch einen Mitarbeiter der bevollmächtigten Vertreter, einen Patentanwaltskandidaten. Gemäß seiner eidesstattlichen Versicherung vergewisserte er sich, daß die zu übermittelnden Anmeldungsunterlagen insgesamt 44 Seiten umfaßten. Eine Übermittlung der zum Antragsformular gehörenden Empfangsbescheinigung erachtete er als nicht notwendig, da die Anmeldungsunterlagen noch gleichentags per Post an das Europäische Patentamt abgesandt wurden.
III. Während der Übermittlung fiel dem Mitarbeiter auf, daß Figur 1b der Anmeldung verhältnismäßig kleine Schriftzeichen enthielt. Um deren Lesbarkeit sicherzustellen, fertige er eine Vergrößerung dieser Figur an und übermittelte sie am Ende des Telekopiervorgangs ebenfalls an das Europäische Patentamt. Nach Abschluß dieses Vorgangs fand er auf dem Sendeprotokoll die Seitenzahl von 44 bestätigt.
IV. Anschließend erfragte der Mitarbeiter telefonisch beim Europäischen Patentamt den ordnungsgemäßen Eingang der Anmeldungsunterlagen. Nach seiner Erinnerung und einer damals erstellten Telefonnotiz wurde ihm auf den Hinweis, es seien 44 Seiten gesendet worden seien, bestätigt, daß alles lesbar eingegangen sei, auch Figur 1b. Lediglich Seite 6 des Antrags, d. h. die Empfangsbescheinigung, fehle noch. Daraufhin reichte er die Empfangsbescheinigung mittels Telefax nach, deren Empfang ihm ebenfalls bestätigt wurde. V. Mit Bescheid vom 10. Juni 1996 teilte die Eingangsstelle den Anmeldern mit, bei der Überprüfung der mittels Telefax eingereichten Anmeldungsunterlagen sei festgestellt worden, daß die Beschreibungsseite 19 fehle. Die Anmeldung werde deshalb ohne diese Seite veröffentlicht. Liege rechtzeitig ein Berichtigungsantrag vor, so werde auf der Titelseite der Veröffentlichung auf diesen Antrag hingewiesen.
VI. Auf diesen Bescheid hin beantragten die Anmelder mit Brief vom 28. Juni 1996, es sei die vollständige Beschreibung, einschließlich Seite 19, zu veröffentlichen. Hilfsweise stellten sie einen Antrag auf Berichtigung der Beschreibung nach Regel 88 EPÜ noch vor Abschluß der technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung. Weiter hilfsweise verlangten sie die Berichtigung der Beschreibung durch die Prüfungsabteilung. Sie beriefen sich dabei einerseits auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes und andererseits darauf, daß alle Voraussetzungen für eine Berichtigung nach Regel 88 EPÜ vorlägen.
VII. In einem Bescheid vom 4. September 1996 lehnte es die Eingangsstelle ab, einem dieser Anträge stattzugeben. Sie wies darauf hin, daß es nach Regel 24 (2) EPÜ nicht in den Aufgabenbereich der Annahmestelle falle, die Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen zu überprüfen bzw. zu bestätigen. Bezüglich der Berichtigungsanträge verwies sie auf die Zuständigkeit der Prüfungsabteilung im späteren Prüfungsverfahren.
VIII. Nachdem die Anmelder in einem Schreiben vom 11. September 1996 an ihren Anträgen festgehalten hatten, erließ die Eingangsstelle am 6. Dezember 1996 eine beschwerdefähige Entscheidung, mit welcher sie den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag zurückwies. Über den zweiten Hilfsantrag wurde nicht entschieden. Zur Begründung führte die Eingangsstelle im wesentlichen aus, die Anmelder könnten unter den konkreten Umständen dieses Falls keinen Vertrauensschutz geltend machen. Die Bestätigung des EPA-Bediensteten habe sich lediglich auf die Lesbarkeit der übermittelten Unterlagen bezogen, nicht auf deren Vollständigkeit. Sie könne deshalb nicht als objektiv irreführend angesehen werden. Jedenfalls sei sie aber nicht ursächlich gewesen für das Nichtübermitteln der Seite 19. Der Mitarbeiter des Vertreters sei auf Grund des Sendeprotokolls selbst der Meinung gewesen, mit der Übermittlung von 44 Seiten die Anmeldung vollständig übermittelt zu haben. Der Hinweis des Bediensteten auf das Fehlen der Empfangsbescheinigung ändere daran nichts. Das Nichteinreichen der Seite 19 sei auf einen Übermittlungsfehler außerhalb des EPA zurückzuführen, was ausschließlich in die Risikosphäre der Anmelder falle.
Was die Berichtigung von Anmeldungsunterlagen betreffe, so habe die Prüfung in den von der Rechtsprechung (G 0003/89 und G 0002/95) vorgegebenen engen Grenzen zu erfolgen und könne nicht durch die Eingangsstelle vorgenommen werden.
IX. Gegen diese Entscheidung wurde am 7. Februar 1997 Beschwerde eingelegt. In der gleichzeitig eingereichten Begründung machten die Beschwerdeführer geltend, der für die Übermittlung zuständige Mitarbeiter habe aufgrund der mündlichen Auskunft des EPA-Bediensteten darauf vertrauen können, daß sowohl die Lesbarkeit als auch die Vollständigkeit der Anmeldungsunterlagen geprüft worden sei. Besonders der Umstand, daß der Bedienstete des EPA ungefragt auf das Fehlen von Seite 6 des Antrags, d. h. der Empfangsbescheinigung, hingewiesen habe, habe zwingend den Eindruck erwecken müssen, daß die übermittelten Anmeldungsunterlagen im Amt sorgfältig geprüft worden seien. Dies sei der Grund dafür gewesen, daß der Mitarbeiter es unterlassen habe, nochmals zu prüfen, ob die übersandte Blattzahl unter Berücksichtigung der doppelt übermittelten Figur richtig war. Für den Mitarbeiter sei aber auch objektiv nicht erkennbar gewesen, daß und gegebenenfalls welche Seite fehlte. Er habe somit auf die Vollständigkeit der Offensichtlichkeitsprüfung durch die Annahmestelle des Europäischen Patentamts vertrauen dürfen und müssen.
X. In einem Bescheid vom 21. Juli 1997 wies die Kammer darauf hin, daß im vorliegenden Fall die Anmeldungsunterlagen am letzten Tag der Prioritätsfrist per Telefax übermittelt wurden. Damit sei klar gewesen, daß die Telefaxsendung vor Fristablauf lediglich noch von der Annahmestelle des EPA bearbeitet werden konnte. Eine Prüfung der übermittelten Anmeldungsunterlagen auf Vollständigkeit habe unter diesen Umständen nicht erwartet werden können. Im übrigen sei auch nicht die Vollständigkeit, sondern bloß die Lesbarkeit der Unterlagen und die übermittelte Seitenzahl bestätigt worden.
XI. Dem widersprachen die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22. September 1997 unter Hinweis darauf, daß der Bedienstete der Annahmestelle sehr wohl eine gründliche inhaltliche Prüfung der Unterlagen vorgenommen habe, da er sonst nicht festgestellt hätte, daß die Empfangsbescheinigung fehlte.
Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß der Anmelder bei der Einreichung von Anmeldungsunterlagen mit der Post erst bei Rücklauf der Empfangsbescheinigung erfahre, ob alle zur Anmeldung gehörenden Seiten beim Amt eingegangen seien. Dies verdeutliche, daß bei voller Ausschöpfung der Prioritätsfrist eine Übersendung mittels Telefax und telephonischer Bitte um Überprüfung auf Vollständigkeit der sicherste Weg für den Anmelder sei, um allenfalls innerhalb der Frist noch eine fehlende Seite nachreichen zu können.
Als Hauptantrag beantragen die Beschwerdeführer, es sei festzustellen, daß die am 22. April 1996 übermittelten Anmeldungsunterlagen als vollständig, d. h. mit Seite 19 eingereicht gelten. Hilfsweise wird eine entsprechende Berichtigung der Beschreibung nach Regel 88 EPÜ beantragt. Ferner wird die Rückerstattung der Beschwerdegebühr beantragt.
1. Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingelegt. Sie ist damit zulässig.
2. Der vorliegende Fall betrifft die Einreichung einer europäischen Patentanmeldung mittels Telefax beim Europäischen Patentamt. Die Anmelder machten dabei von einer Möglichkeit Gebrauch, die der Präsident des Europäischen Patentamts den Benutzern des EPÜ gestützt auf Artikel 75 und Regel 24 (1) EPÜ eröffnet hat (vgl. Beschluß des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 26. Mai 1992, ABl 1992, 299). Nach Artikel 1 dieses Beschlußes können europäische Patentanmeldungen bei den Annahmestellen des Europäischen Patentamts in München, Den Haag oder Berlin durch Telefax eingereicht werden. Gemäß Artikel 3 gelten so eingereichte Schriftstücke, die unleserlich oder unvollständig übermittelt wurden, als nicht eingegangen, "soweit sie unleserlich sind oder der Übermittlungsversuch fehlgeschlagen ist". In diesen Fällen ist vorgesehen, daß der Absender unverzüglich benachrichtigt wird.
3. Wie sich aus der Darstellung des Sachverhalts ergibt, handelt es sich im vorliegenden Fall weder um einen fehlgeschlagenen Übermittlungsversuch, noch waren übermittelte Schriftstücke unleserlich. Vielmehr verlief die Übermittlung am 22. April 1996 ungestört und alle übermittelten Seiten waren lesbar. Erst später wurde im Rahmen der Eingangs- bzw. Formalprüfung festgestellt, daß Seite 19 der Beschreibung fehlte. Durch Vergleich der Sende- und Empfangsvermerke der Telefax-Übermittlung ergibt sich zweifelsfrei, daß diese Seite am 22. April 1996 nicht an das Amt übermittelt wurde. Damit war Seite 19 der Beschreibung nicht Bestandteil der am 22. April 1996 eingereichten Unterlagen.
4. Die Beschwerdeführer bestreiten dies nicht, sie berufen sich jedoch im Hinblick auf die telefonischen Auskünfte des EPA-Bediensteten an den für die Übermittlung zuständigen Mitarbeiter auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes, der im Verhältnis zwischen dem EPA und seinen Benutzern gilt (G 0005/88, G 0007/88, G 0008/88, ABl 1991, 137, Ziff. 3.2 der Gründe).
5. Aus diesem Grundsatz ergibt sich einerseits eine Pflicht des Amtes, die Benützer des EPÜ auf offensichtliche leicht behebbare Mängel einer Verfahrenshandlung aufmerksam zu machen, wenn deren fristgerechte Beseitigung noch erwartet werden kann (T 0014/89, ABl EPA 1990, 432). Das Fehlen einer einzelnen Seite in einer umfangreichen Beschreibung kann jedoch, zumindest unter den Gegebenheiten des vorliegenden Falls, nicht als offensichtlicher Mangel im Sinne der genannten Rechtsprechung angesehen werden. Die Anmelder konnten nach Treu und Glauben nicht erwarten, daß das Amt die Anmeldungsunterlagen derart kurzfristig, d. h. noch am Tag des Eingangs der Unterlagen, auf Vollständigkeit überprüft. Eine solche Pflicht ergibt sich auch nicht aus dem oben erwähnten Beschluß des Präsidenten bezüglich Telefax-Übermittlungen (vgl. oben Ziff. 2). Nach dessen Artikel 3 hat die Annahmestelle den Absender unverzüglich zu benachrichtigen, falls die durch Telefax übermittelten Unterlagen "unleserlich oder unvollständig übermittelt worden" sind. Der zweite Fall bezieht sich offensichtlich nicht auf die Vollständigkeit der Unterlagen, sondern auf die Vollständigkeit der Übermittlung. Zu benachrichtigen ist der Absender dann, wenn die Übermittlung z. B. durch vorzeitige Unterbrechung der Verbindung fehlschlägt. Im vorliegenden Fall erfolgte die Übermittlung jedoch ohne Störung und alle übermittelten Seiten trafen lesbar ein, was der Bedienstete der Annahmestelle auf Anfrage auch bestätigte. Eine weitergehende Pflicht für die Annahmestelle läßt sich aus der genannten Bestimmung nicht ableiten.
6. Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, der Bedienstete der Annahmestelle habe aber auf die Anfrage des Mitarbeiters hin die Vollständigkeit der übermittelten Anmeldungsunterlagen im Sinne einer freiwilligen Dienstleistung tatsächlich überprüft und bestätigt. Zumindest habe der Mitarbeiter aufgrund der Aussagen des Bediensteten davon ausgehen müssen.
6.1. Es trifft zu, daß nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern der Vertrauensschutz auch für freiwillige Dienstleistungen des EPA gilt, wenn diese nicht so abgefaßt sind, daß Mißverständnisse bei einem vernünftigen Adressaten ausgeschlossen sind (J 0001/89, ABl. EPA 1992, 17). Erteilt das EPA einem Anmelder in diesem Rahmen eine irreführende Auskunft und veranlaßt ihn damit unmittelbar zu einer bestimmten Handlung bzw. Unterlassung, so darf ihm daraus kein Nachteil erwachsen (J 0027/92, ABl. EPA 1995, 288, mit weiteren Hinweisen). Dabei muß die Tatfrage geprüft werden, ob tatsächlich eine irreführende Auskunft gegeben wurde (vgl. J 0027/92, Erwägung 3.3).
6.2. Soweit im vorliegenden Fall der Inhalt des Telefongesprächs zwischen dem für die Übermittlung zuständigen Mitarbeiter und dem Bediensteten des EPA durch eine Telephonnotiz belegt ist, wurde folgendes bestätigt: "44 Seiten gesendet" - "Alles ist lesbar, auch Fig. 1b" - "nachgesandte Seite 6 ist ebenfalls eingegangen". Gemäß der eidesstattlichen Versicherung des Mitarbeiters erfolgten die beiden ersten Auskünfte anläßlich eines ersten Telephongesprächs, in dem der Bedienstete zudem noch auf das Fehlen der Seite 6 "Empfangsbescheinigung" des Antragsformulars (EPA Form 1001) hinwies. In einem zweiten Gespräch bestätigte er deren Eintreffen. Daß diese Auskünfte des Bediensteten des EPA sachlich richtig waren, wird von den Beschwerdeführern nicht bestritten.
Es wird jedoch geltend gemacht, gerade der Hinweis des Bediensteten auf das Fehlen der "Empfangsbescheinigung" (Seite 6 des Antrags) belege, daß dieser die Anmeldungsunterlagen sehr wohl - freiwillig - auf Vollständigkeit überprüft habe. Jedenfalls habe dieser Hinweis beim Gesprächspartner zwingend den sicheren Eindruck erwecken müssen, der Bedienstete des EPA habe die übermittelten Unterlagen sehr sorgfältig geprüft, wobei ihm auch eine mitten in der Beschreibung fehlende Seitennumerierung hätte auffallen müssen.
6.3. Die Kammer kann sich dieser Beurteilung nicht anschließen. Das Blatt 6 des Antragsformulars mit der Überschrift "Empfangsbescheinigung/Receipt for documents/Récépissé de documents" (EPA Form 1001.6) dient zur Bescheinigung des Empfangs der Anmeldungsunterlagen gemäß Regel 24 (2) EPÜ. Dazu wird es mit darauf vermerkter Anmeldenummer, dem Tag des Eingangs und der Art und Zahl der Unterlagen unmittelbar nach deren Eingang an den Anmelder zurückgesandt. Dieser Vorgang ist zumindest denjenigen Personen in Patentanwaltskanzleien geläufig, die mit der Einreichung europäischer Patentanmeldungen betraut sind. Damit mußte es auch im vorliegenden Fall dem Mitarbeiter klar sein, daß dieses Blatt für die Annahmestelle von besonderem Interesse war. Unter den gegebenen Umständen war zu erwarten, daß die Annahmestelle nach dem Eingang der Anmeldungsunterlagen nach diesem Blatt suchte. In Kenntnis dieses Zusammenhangs konnte er aus dem Hinweis der Annahmestelle auf des Fehlen der Empfangsbestätigung vernünftigerweise nicht schließen, sie habe sämtliche Bestandteile der Anmeldungsunterlagen auf Vollständigkeit geprüft.
6.4. Es mußte dem Mitarbeiter damals aber auch klar sein, daß die Annahmestelle zum Zeitpunkt des ersten Telefongesprächs mangels Empfangsbescheinigung gar nicht in der Lage gewesen wäre, die Vollständigkeit der einzelnen Bestandteile der Anmeldung (Beschreibung, Patentansprüche, Zeichnungen, Zusammenfassung etc.) zu bestätigen. Dafür hätte sie die Angaben in der Empfangsbescheinigung benötigt, wo die Blattzahl jedes Bestandteils der Anmeldung aufgeführt ist. Die Telephonnotiz des Mitarbeiters vermerkt denn auch nur eine Bestätigung der Gesamtzahl (44 Seiten) und der Lesbarkeit der übermittelten Seiten. Das zweite Telephongespräch betraf, wie sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Mitarbeiters ergibt, bloß noch den Eingang der nachgesandten Empfangsbescheinigung. Auch aus dieser Bestätigung konnte nicht auf eine Vollständigkeitsprüfung durch die Annahmestelle geschlossen werden.
6.5. Die Beschwerdeführer scheinen in ihrer Argumentation von der Annahme auszugehen, das Amt bestätige mit der Empfangsbescheinigung jeweils, daß alle zur Anmeldung gehörenden Seiten eingegangen seien. Wie sich aber aus der Fußnote der "Empfangsbescheinigung" (EPA Form 1001.6) ergibt, wird von der Annahmestelle die Richtigkeit der Angabe der Blattzahl und der Gesamtzahl der Abbildungen gerade nicht geprüft. Geprüft wird bloß, ob die einzelnen Bestandteile der Anmeldungsunterlagen in der angegebenen Stückzahl vorliegen. Der Mitarbeiter konnte auch aus diesem Grund nicht erwarten, bei einer telephonischen Anfrage von der Annahmestelle mehr bestätigt zu bekommen als das, was sie routinemäßig zu überprüfen und zu bestätigen hat.
6.6. Insgesamt läßt sich aus dem nachgewiesenen Sachverhalt nicht ersehen, daß die mündlichen Auskünfte der Annahmestelle anläßlich der genannten Telephongespräche objektiv unrichtig oder irreführend waren. Der Sachverhalt stellt sich vielmehr so dar, daß der Mitarbeiter aus sachlich zutreffenden Auskünften zu weitgehende Schlüsse gezogen hat. Daher fehlt auch im Zusammenhang mit der freiwilligen Serviceleistung des Amtes die Voraussetzung für die Anwendung des Vertrauensschutzes.
7. Aus diesen Gründen kann dem Hauptantrag der Beschwerdeführer nicht stattgegeben werden. Die Seite 19 der Beschreibung, die in den am 22. April 1996 mittels Telefax eingereichten Unterlagen fehlte, ist damit nicht Teil der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung.
8. Der Hilfsantrag betrifft die Berichtigung der Beschreibung nach Regel 88 EPÜ durch Aufnahme der Seite 19 in die Beschreibung der europäischen Anmeldung. Die Eingangsstelle hat sich für die Entscheidung dieses Hilfsantrags als unzuständig erklärt.
8.1. Dieses Vorgehen der Eingangsstelle steht in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen und der Rechtsprechung zu Regel 88 EPÜ. Gemäß der Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer G 0003/89, EPA ABl 1993, 117, darf eine Berichtigung der die Offenbarung betreffenden Teile einer europäischen Patentanmeldung nur im Rahmen dessen erfolgen, was der Fachmann der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig entnehmen kann. Da es im vorliegenden Fall um die Berichtigung der Beschreibung geht, erfordern die dazu nötigen Feststellungen eine technische Überprüfung des Sachverhalts. Dafür fehlt der Eingangsstelle die Zuständigkeit (J 0004/85, EPA ABl 1986, 205; J 00033/89, EPA ABl 1991, 288).
8.2. Da die juristische Beschwerdekammer im vorliegenden Fall im Rahmen der Eingangsstelle tätig wird (Artikel 21 (2) und 111 EPÜ), fehlt ihr ebenfalls die Zuständigkeit, über den Hilfsantrag zu entscheiden. Dieser Antrag ist deshalb im Rahmen der Sachprüfung erneut zu stellen und von der zuständigen Prüfungsabteilung zu beurteilen.
9. Der Beschwerde kann deshalb nicht stattgegeben werden. Es fehlt folglich auch die Voraussetzung für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ, sodaß dem entsprechenden Antrag ebenfalls nicht stattgegeben werden kann.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.