T 1352/04 02-02-2006
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Innenausstattungsteil für Fahrzeuge und zugehöriges Herstellungsverfahren
I. Der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 850 806 wurde mit der am 26. Oktober 2004 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wurde von der Einsprechenden am 27. November 2004 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 4. März 2005 eingereicht.
Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche des erteilten Patents lautet wie folgt:
Anspruch 1
"Innenausstattungsteil für Fahrzeuge, insbesondere Kraftfahrzeuge, mit einem starren Trägerformteil (2), einer auf einer Oberfläche des Trägerformteils angeordneten Schicht aus einem Abstandsgewirke (3), und einer ersten Kleberschicht (5) zwischen Trägerformteil und Abstandsgewirke dadurch gekennzeichnet, daß es
eine auf dem Abstandsgewirke angeordnete Schicht aus Echtleder (4) sowie eine zweite Kleberschicht (6) zwischen Abstandsgewirke und Echtlederschicht (4) aufweist";
Anspruch 3
"Innenausstattungsteil für Fahrzeuge, insbesondere Kraftfahrzeuge, mit einem starren Trägerformteil (2), einer auf einer Oberfläche des Trägerformteils angeordneten Schicht aus einem Faservlies (9) und einer ersten Kleberschicht (5) zwischen Trägerformteil und Faservlies dadurch gekennzeichnet, daß es
eine auf dem Faservlies angeordnete Schicht aus Echtleder (4) sowie eine zweite Kleberschicht (6) zwischen Faservlies und Echtlederschicht aufweist";
Anspruch 12
"Verfahren zur Herstellung von Innenausstattungsteilen gemäß Anspruch 1-11 für Fahrzeuge, insbesondere Kraftfahrzeuge, mit folgenden Schritten:
a) Bilden eines Schichtverbundes durch Verkleben (6) der Rückseite eines Zuschnitts aus Echtleder (4) mit einer Oberfläche eines Flächenzuschnitts aus Abstandsgewirke (3) oder Faservlies (9);
b) Aufkleben des Schichtverbundes (4,6,3;4,6,9) auf eine Oberfläche eines separat hergestellten starren Trägerformteil (2)".
II. Es wurde am 2. Februar 2006 mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte den vollständigen Widerruf des Streitpatents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde oder hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß einem der am 2. Januar 2006 eingereichten Hilfsanträge I-III. Weiterhin stimmte die Beschwerdegegnerin der Einführung des neuen Einspruchsgrundes mangelnder Neuheit im Hinblick auf die neu im Beschwerdeverfahren vorgelegten Dokumente E6 (EP-A-763 418) und E7 (DE-U-94 21 206) unter Berufung auf die Entscheidungen G 1/95 und G 7/95 der Großen Beschwerdekammer nicht zu.
Der Hilfsantrag I weist die unabhängigen Ansprüche 1, 2 und 10 auf, wobei sich der Wortlaut des Anspruchs 1 von demjenigen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch das zusätzliche Merkmal unterscheidet, wonach "das Abstandsgewirke (3) zwei textile Deckflächen (7) aufweist, die durch ein Fadensystem (8) im Abstand voneinander verbunden sind".
Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 2 unterscheidet sich vom Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 3 gemäß Hauptantrag durch das zusätzliche Merkmal, wonach "das Faservlies (9) zwei miteinander vernadelte Faservliesschichten aufweist".
Der Wortlaut des Anspruchs 10 entspricht im wesentlichen dem Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 12 gemäß Hauptantrag.
Der Hilfsantrag II weist die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 auf.
Der Wortlaut der Ansprüche 1 und 2 unterscheidet sich vom jeweiligen Wortlaut der Ansprüche 1 und 2 nach Hilfsantrag I durch das zusätzliche Merkmal, wonach "das Echtleder (4) ein schrumpfoptimiertes Leder ist".
Der Hilfsantrag III weist die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 auf.
Der Wortlaut des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Wortlaut des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag II durch das zusätzliche Merkmal, wonach "die Schicht aus einem Abstandsgewirke (3) eine Dicke von 1-6 mm aufweist."
Der Wortlaut des Anspruchs 2 unterscheidet sich vom Wortlaut des Anspruchs 2 nach Hilfsantrag II durch das zusätzliche Merkmal, wonach "die Schicht aus einem Faservlies (9) eine Dicke von 1-6 mm aufweist."
III. Die Beschwerdeführerin bemerkte zunächst einleitend, es habe bereits vor dem Zeitpunkt der Erfindung allgemein die Tendenz bestanden, Schaumstoffschichten bei Innenausstattungsteilen von Kraftfahrzeugen mehr und mehr durch textile Träger, wie z.B. Abstandsgewirke oder Faservlies zu ersetzen. Hierzu wies sie auf die Zeitungsartikel E12 (G. F. Schmidt, "Kaschierung von Autopolsterstoffen mit Faservliesen", Melliand Textilberichte, 6/1992, S. 479-486) und E13 (G. F. Schmidt, Abstandsgewirke ohne und mit Dekorseite für Anwendungen im Automobil", Melliand Textilberichte, 2/1993, S. 129-134) hin, die lediglich den technischen Hintergrund der Erfindung erleuchten sollten. Zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 oder 3 selbst war die Beschwerdeführerin der Ansicht, dieser weise im Hinblick auf das Dokument E4 (DE-A-29 17 907) in Kombination mit den weiteren Dokumenten E11 (DE-U-93 02 479) oder E10 (DE-U 93 07 319) keine erfinderische Tätigkeit auf. E4 zeige ein Innenausstattungsteil mit einem starren Trägerteil und einem damit verklebten Laminat, bestehend aus einem mittels Klebstoff mit einem Flachmaterialstück aus Leder als Deckschicht verbundenen Flachmaterialstück aus Schaumstoff. Es habe sich nun aus der Erfahrung gezeigt, daß bei solchen Innenausstattungsteilen das Anhaften des Leders an der Schaumstoffschicht problematisch sei, insbesondere wegen der Schrumpfungsneigung des Leders. Eine Lösung hierfür werde unmittelbar durch das Dokument E11 angeboten, welches zur Lösung des genannten technischen Problems (Seite 2, erster Absatz) ein Laminat aus einer ganzflächigen Verbindung von Leder mit einem textilen Träger, wie z.B. Gewirke oder Faservlies, offenbare. Somit würde der Fachmann lediglich durch Ersetzen des Laminats aus E4 mit demjenigen aus E11 zum beanspruchten Gegenstand des Anspruchs 1 oder 3 gelangen. In ähnlicher Weise würde aber der Fachmann die Lösung des genannten Problems auch im Dokument E10 erkennen, welches, analog zu E11, ein mit einer Deckschicht aus Leder vollflächig verbundenes Untermaterial aus Gewirk oder Vlies offenbare (siehe E10, Anspruch 1). Der Fachmann könne weiterhin ebenfalls als Ausgangspunkt das Dokument E3 (DE-A-41 41 113) nehmen. Dieses zeige ein Innenausstattungsteil entsprechend dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Ausgehend hiervon würde der Fachmann bei der Suche nach der Möglichkeit einer edleren Innenausstattung aus Leder aus dem Dokument E5 (DE-A-36 06 375) entnehmen, daß das nachträgliche Aufbringen einer Lederschicht mittels Verkleben, entweder direkt auf dem in E3 gezeigten Abstandsgewirke oder auf der darauf liegenden dekorativen Folie, durchaus zu einem befriedigenden Ergebnis führen würde. Somit sei wiederum der Beweis für die mangelnde erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands erbracht. Im übrigen führe auch die Kombination von E3 mit E10 oder E11 zum selben Ergebnis. Aus diesen Ausführungen ergebe sich auch implizit die mangelnde erfinderische Tätigkeit des Verfahrensanspruchs 12.
Zu den Hilfsanträgen bemerkte die Beschwerdeführerin, diese würden lediglich naheliegende und im Rahmen des Fachüblichen liegende Maßnahmen implizieren. So sei z.B. die Konkretisierung des Begriffes "Abstandsgewirke" im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lediglich die Präzisierung einer bekannten Ausgestaltung eines Abstandsgewirkes, wie sie etwa aus der Figur 1 in E3 oder aus E1 (DE-A-42 00 825) hervorgehe. Auch die Definition des Faservlieses in Anspruch 2 könne direkt aus E10 (Seite 2, dritter Absatz) abgeleitet werden. Die weiteren Angaben in den Ansprüchen 1 und 2 der Hilfsanträge II und III, denen zufolge das verwendete Leder "schrumpfoptimiert" sein soll und das Abstandsgewirke eine Dicke von 1-6 mm haben soll, seien als für den Fachmann im spezifischen Kontext selbstverständliche Maßnahmen anzusehen, die zudem auch explizit aus einigen der zitierten Dokumenten hervorgingen (siehe z.B. die Angaben zur Dicke des Abstandsgewirkes in E1,E11 und E4).
IV. Die Beschwerdegegnerin war generell der Auffassung, die Beschwerdeführerin gehe bei ihrer Betrachtungsweise in vielerlei Hinsicht von irrtümlichen Annahmen aus. Diesbezüglich sei als erstes festzustellen, daß die vorausgesetzten Kenntnisse des Fachmanns nicht realistisch seien, da bspw. die Zeitschriftenaufsätze E12,E13 eine sehr spezifische Thematik beträfen, deren Kenntnis von einem Durchschnittsfachmann auf dem Gebiet der Fahrzeuginnengestaltung nicht erwartet werden könne. Zudem sei auch zu beachten, daß sich in diesem technischen Bereich der Stand der Technik in der Regel mit der Lösung von sehr spezifischen technischen Problemen befasse, und die hierzu angebotenen Lösungen folglich auch sehr spezifisch seien, womit sich eine Kombination nach Belieben der vorliegenden Dokumente, etwa entsprechend einem Baukastenprinzip, im allgemeinen bei solchen geschlossenen Lösungen verbiete. Zu E3 bemerkte die Beschwerdegegnerin, dieses Dokument offenbare ein Innenausstattungsteil bestehend aus der einzigen Werkstoffgruppe der Polyolefinen, da durch die Verwendung einer einzigen Polymerbasis eine Lösung des Reyclingproblems ausdrücklich angestrebt werde. Der Fachmann würde somit davon abgehalten werden, eine Schicht aus einem dieser Werkstoffgruppe fremden Material, wie Leder, als Dekorschicht auf die gemäß E3 schon vorhandene dekorative Folie aus Polyolefin zu kleben. Zusätzlich wäre auch durch die Kaschierung dieser Folie mit Leder die erwünschte Haptik nicht gegeben, weil diese Folie als Unterschichtmaterial zu hart sei. Demzufolge bestehe für den Fachmann keine Veranlassung die Dokumente E3 und E5 zu kombinieren, weil entsprechend dem "could-would" Kriterium und wie auch in der Entscheidung T 61/90 erläutert werde, die technische Möglichkeit und das Fehlen von Hindernissen wohl notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung seien für das Naheliegen einer Kombination verschiedener Dokumente.
Betreffend E4 legte die Beschwerdeführerin dar, es werde dort in der Beschreibungseinleitung zwar ein "Lederstück" erwähnt, es sei aber eigentlich nur ein Kunstleder gemeint, wie bspw. aus weiteren Stellen der Beschreibung hervorgehe (z.B. Seite 4 (handschriftlich), dritter Absatz). Die in E4 offenbarten Verfahren zur Herstellung des Laminats aus Kunststoff und Leder seien offensichtlich auch nicht für Echtleder geeignet, da das Laminat unter Druck und Wärmeeinwirkung in einer Formgebungsstation hergestellt werde. Somit, wenn E4 kein Echtleder offenbare, so sei aus E4 kein technisches Problem erkennbar, welches den Fachmann zu einer Kombination von E4 mit E10 oder mit E11 veranlassen würde. Weder die Verbesserung der Optik, noch die Verbesserung der Haptik würden den Fachmann zwingend zu einer solchen Kombination führen, da beispielsweise eine Verbesserung der Haptik bereits schon mit härteren Schaumstoffen erreicht werden könne, ohne den in E4 gestellten technischen Rahmen zu verlassen. Schließlich enthalte auch E11 keinen Hinweis, daß die Haftung durch die Verwendung von einem Abstandsgewirke oder einem Faservlies an der Stelle von Schaumstoff verbessert werde.
Zu den Hilfsanträgen brachte die Beschwerdegegnerin vor, die hinzugefügten Merkmale würden allesamt zur Lösung der gestellten Aufgabe beitragen, eine sichere Haftung der Echtlederschicht zu bewerkstelligen. Insbesondere werde durch ein Abstandsgewirke mit zwei Deckschichten das Durchsickern des Klebers in das Fadensystem des Abstandsgewirkes vermieden und gleichzeitig auch eine gleichmäßigere Verteilung des Klebers auf der Klebefläche erreicht, während ein Faservlies aus zwei miteinander vernadelten Faservliesschichten eine Optimierung der Schubelastizität der Polsterschicht erlaube. Durch ein schrumpfoptimiertes Echtleder werde Feuchtigkeit entzogen und Längenänderungen würden damit vermieden, was wiederum auch zu einer verbesserten Haftung beitrage.
Schließlich habe sich die beanspruchte Dicke des Abstandsgewirkes aus der Erfahrung bewährt und durch das synergetische Zusammenwirken mit den anderen Merkmalen ergebe sich eine optimale Lösung der gestellten Erfindungsaufgabe.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ in Verbindung mit den Regeln 1(1) sowie 64 EPÜ und ist somit zulässig.
2. Die mangelnde Neuheit im Hinblick auf die neu im Beschwerdeverfahren eingereichten Dokumente E6 und E7 ist aufgrund der Entscheidungen G 1/95 und G 7/95 als neuer Einspruchsgrund nicht zugelassen, da die Beschwerdegegnerin hierfür ihre Zustimmung nicht gegeben hat und zusätzlich die Dokumente E6 und E7 nicht den nächstliegenden Stand der Technik darstellen, von dem im Rahmen des bereits vorgebrachten Einspruchsgrunds mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgegangen wurde (siehe G 1/95, G 7/95). Angesichts des im Verfahren zugelassenen Standes der Technik ist der Gegenstand des Streitpatents neu (Art. 54 EPÜ). Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
3. Bei der Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit erscheint das Dokument E4 einen geeigneten Ausgangspunkt darzustellen, weil es nämlich allgemein ein Innenausstattungsteil für Kraftfahrzeuge und ein Verfahren für dessen Herstellung offenbart, bei dem, ähnlich dem Gegenstand des Streitpatents, ein Laminat aus zwei Flachmaterialstücken auf ein Basisteil verklebt wird. Dabei besteht laut E4 das eine Flachmaterialstück aus einem Schaumstoff und das andere beispielsweise aus Leder (siehe E4, Anspruch 1) oder aus einem halbstarren Harz, z.B. Polyvinylchlorid (siehe E4, Anspruch 3), wobei die beiden Flachmaterialstücke miteinander verklebt sind (siehe E4, Anspruch 2).
4. Bei diesem Stand der Technik besteht bekanntlich das Problem, wie in Spalte 2, Zeilen 19-36 des Streitpatents näher ausgeführt wird, daß die Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Echtleder, insbesondere bedingt durch seine Schrumpfungsneigung, stellenweise zu einer Ablösung oder zu einer welligen und ungleichmäßigen Oberflächenerscheinung des Echtleders führen, insbesondere in konkaven Bereichen des Trägers.
5. Dem Fachmann stellt sich somit die Aufgabe (siehe Spalte 2, Zeilen 37-44 der Patentschrift), die ebenfalls auch als die sich aus den Unterscheidungsmerkmalen des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument E4 ergebende objektive Aufgabe angesehen werden kann, ein Innenausstattungsteil für Fahrzeuge und ein dazugehöriges Herstellungsverfahren zu schaffen, bei dem ein Echtlederdekor mit einem starren Formträgerteil verbunden ist, in der Weise, daß es gemäß den üblichen Erfordernissen eine gewisse Nachgiebigkeit und trotzdem eine sichere Haftung und optimale Oberflächenformhaltigkeit aufweist.
6. Dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin, wonach in E4 die Verwendung von Echtleder nicht zu entnehmen sei und mit dem Wort "Leder" lediglich Kunstleder gemeint sei, konnte sich die Kammer nicht anschließen. In der Patentschrift wird nämlich E4 eindeutig (Spalte 2, Zeilen 12-36) als Ausgangspunkt für die Erfindung dargestellt und es wird insbesondere auf die Probleme hingewiesen, die durch die Verwendung von Echtleder bei einem derartigen Innenausstattungsteil entstehen können. Hiermit wird also offensichtlich in der Patentschrift von einem gemäß E4 unter anderem auch mit Echtleder ausgebildeten Innenausstattungsteil ausgegangen. Im Hinblick auf die sich bei Echtleder ergebenden spezifischen Probleme wird dann auch in der Patentschrift die oben genannte Erfindungsaufgabe formuliert (Spalte 2, Zeilen 37-44). Angesichts dieser Fakten erscheint das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, welches gerade diese wesentlichen Aspekte der Patentschrift in Frage stellt, in sich widersprüchlich. Darüberhinaus ist auch festzustellen, daß die Behauptung der Beschwerdegegnerin, wonach die in E4 beschriebenen Verfahren für die Behandlung von Echtleder ungeeignet seien, nicht erwiesen ist. Dies kann nämlich einzig und allein aus der Durchführung eines gemäß E4 unter erhöhtem Druck und Temperatur erfolgenden Verfahrensschritts nicht gefolgert werden, da gerade im Gegenteil dazu, durch einige der vorliegenden Dokumente aus dem Stand der Technik und durch die Patentschrift selbst belegt wird, daß auch Echtleder durchaus bspw. einem Verfahrensschritt bei erhöhter Temperatur, sogar über eine längere Zeitperiode, unterzogen werden kann (siehe E5, Spalte 2, Zeilen 46-51 sowie Anspruch 2; E8 (DE-C2-33 00 432), Spalte 5, Zeile 1, Zeilen 27-35; Patentschrift, Anspruch 7). Die von der Beschwerdegegnerin vertretene Auslegung von E4 entbehrt somit einer objektiven Grundlage und steht zudem, wie bereits festgestellt, im Widerspruch zu den diesbezüglichen Darlegungen in der Patentschrift. Hiermit sind auch die von der Beschwerdegegnerin geäußerten Zweifel bezüglich der Formulierung einer sinnvollen objektiven Aufgabe ausgehend von E4 gegenstandslos, da in der Offenbarung von E4 auch eine Kaschierung aus Echtleder mitumfaßt wird.
7. Im Hinblick auf die gestellte Aufgabe würde sich der Fachmann ausgehend von E4 nach einem geeigneten Material umsehen, welches als Untermaterialschicht zu einem Laminat mit Leder als Oberschicht zusammengefügt werden kann. Der weiter vorliegende Stand der Technik zeigt nun, daß die Verwendung von Abstandsgewirken oder Faservliesen als Flachmaterialstücke, insbesondere in einem Verbundwerkstoff oder Laminat, generell zur Innenausstattung von Kraftfahrzeugen (siehe E1, E2 (DE-A-195 45 596), E3, E8, E10 (Seite 1, zweiter Absatz)) und insbesondere zur Herstellung von Innenausstattungsteilen wie Armaturenbereich oder dergleichen (siehe E3, E10) üblich war. Insbesondere waren auch Lederverbundwerkstoffe, bestehend aus Leder als Oberschicht und aus einem Gewirke oder einem Faservlies als Untermaterialschicht, bereits bekannt (siehe E10 (Seite 1, erster Absatz), E11), sogar spezifisch für den Einsatz in einem Innenausstattungsteil eines Kraftfahrzeugs (siehe E10, Seite 1, zweiter Absatz). Obwohl in diesen beiden Schriften generell von "Gewirken" die Rede ist, ist es für den Fachmann ohne weiteres ersichtlich, daß für die angestrebten technischen Ziele Abstandsgewirke besonders geeignet sind.
8. Sowohl in E10 (Seite 2, vorletzter Absatz) als auch in E11 (Seite 2, Absatz 1; Seite 3, Absatz 3) findet der Fachmann wesentliche Hinweise bezüglich Reißfestigkeit und Formbeständigkeit solcher Laminate. Diese Eigenschaften, die auch eine erhöhte Zugfestigkeit und Oberflächenformhaltigkeit implizieren, hätte der Fachmann als unmittelbare Lösung des gestellten Problems erkannt, da den durch die Schrumpfungsneigung von Echtleder auftretenden Materialspannungen insbesondere durch eine erhöhte Zugbelastbarkeit und Formbeständigkeit des Materials selbst entgegengetreten werden kann. Demzufolge kommt der Fachmann in naheliegender Weise durch die Kombination von E4 mit E10 oder mit E11, indem er das Laminat aus E4 durch ein Abstandsgewirke oder ein Faservlies beinhaltendes Laminat ersetzt, zu dem Gegenstand des Anspruchs 1 oder 3 (Artikel 56 EPÜ).
9. Die Ansicht der Beschwerdegegnerin bezüglich der genaueren Definition des Fachmanns und seiner Kenntnisse kann von der Kammer nicht geteilt werden, denn gerade die Vielzahl der genannten Dokumente aus dem Stand der Technik, die eine Verwendung von Abstandsgewirken oder Faservliesen bei der Innenausstattung oder bei Innenausstattungsteilen von Kraftfahrzeugen offenbaren, belegt, daß es sich hierbei um eine dem Durchschnitts fachmann wohl bekannte technische Maßnahme gehandelt hat. Es kann gleichermaßen nicht behauptet werden, die vorliegenden Dokumente würden allesamt geschlossene Lösungen darstellen, die keinen Raum für Änderungen ließen. Im Gegenteil, gerade E4 offenbart z.B. entsprechend dem Anspruch 1 einen Gegenstand von besonderer Einfachheit hinsichtlich seiner lediglich zweiteiligen Struktur, nämlich einen auf einem Trägerteil aufgeklebten Lederverbundwerkstoff. Die Möglichkeit, bei Notwendigkeit in einem solchen Gegenstand einen spezifischen Lederverbundwerkstoff durch einen anderen zu ersetzen, dürfte wohl für jeden Fachmann selbstverständlich sein. Die Veranlassung dazu hätte der Fachmann auch gehabt, wie bereits dargelegt, insbesondere im Hinblick auf das gegebene technische Problem und auf die Vorteile der in E10 oder E11 offenbarten Lederverbundwerkstoffe.
10. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag I enthält eine genauere Definition des Abstandsgewirkes, wonach "das Abstandsgewirke zwei textile Deckflächen aufweist, die durch ein Fadensystem im Abstand voneinander verbunden sind". Hierzu ist festzustellen, daß Abstandsgewirke mit einer oder mit zwei Deckflächen im Stand der Technik bekannt und üblich sind, es sei bspw. auf E3 (Figur 1; Spalte 3, Zeilen 34-48), auf E1 (Fig. 1; Spalte 3, Zeilen 15-20) oder auf E2 (Fig. 1; Spalte 3, Zeilen 2-13) hingewiesen. Die mit der Verwendung eines Abstandsgewirkes mit zwei Deckfolien verbundenen Vorteile sind für den Fachmann unmittelbar ersichtlich, weil nämlich dadurch das Durchsickern des Klebstoffs durch das Abstandsgewirke verhindert und auch eine gleichmäßigere Verteilung des Klebers auf die ebene Deckfolie möglich wird. In Anbetracht der gestellten Aufgabe wäre hiermit das obige Merkmal zur Vermeidung des Ablösens des Leders und zur Erzielung einer verbesserten Haftung, in Kombination mit den übrigen Anspruchsmerkmalen, für den Fachmann naheliegend gewesen (Artikel 56 EPÜ).
11. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag II beinhaltet ein zusätzliches Merkmal, welches eine Echtlederschicht aus einem schrumpfoptimierten Leder vorsieht. Das Ergreifen einer solchen Maßnahme ergibt sich für den Fachmann zwingend aus der Notwendigkeit die Schrumpfungsneigung von Echtleder zu minimieren, da gerade diese Schrumpfungsneigung die Ursache für das der Erfindung zugrundeliegende technische Problem ist. Angesichts der weiteren Tatsache, daß diese Maßnahme ohnehin aus dem Stand der Technik bekannt ist (siehe z.B. E5, Spalte 2, Zeilen 46-51), so wäre sie für den Fachmann in Kombination mit den übrigen Anspruchsmerkmalen naheliegend gewesen (Artikel 56 EPÜ).
12. Im Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag III befindet sich eine zusätzliche Angabe zum Abstandsgewirke, welches "eine Dicke von 1-6 mm aufweist". Wie von der Beschwerdegegnerin selbst zugegeben, handelt es sich hierbei um einen Wertebereich, der sich aus der Erfahrung als zweckmäßig bewährt hat. Nun hätte sich der Fachmann bei der Wahl eines solchen Wertebereiches nach empirischen Kriterien gerichtet, z.B. einerseits danach, ob die Dicke ausreicht, um eine gewisse Nachgiebigkeit des Laminats zu erhalten, andererseits aber auch danach, daß die Dicke nicht zu groß gewählt wird, damit die Oberflächenformhaltigkeit oder Formbeständigkeit infolge von ständigen Druckbeanspruchungen auf der äußeren Oberfläche nicht beeinträchtigt ist. Die Wahl der Dicke von Laminaten oder Verbundwerkstoffen für die Innenausstattung oder für Innenausstattungsteile von Kraftfahrzeugen nach ebensolchen empirischen Kriterien hat bereits im Stand der Technik zu Werten geführt, die im beanspruchten Wertebereich liegen (siehe E1, Spalte 1, Zeilen 61-62; E4, Seite 5 (handschriftlich); E11 (Seite 2, letzter Absatz)). Es kann folglich dem oben genannten Merkmal, in Verbindung mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs, keine erfinderische Tätigkeit beigemessen werden, da dieser Wertebereich angesichts der obigen Feststellungen als ein üblicher Wertebereich anzusehen ist, der sich zudem aus gängigen fachmännischen Überlegungen ergibt (Artikel 56 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.