T 0244/07 29-09-2009
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Stent
Unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Mit ihrer am 1. Dezember 2006 zugestellten Zwischenentscheidung hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts entschieden, dass das Europäische Patent Nr. 0 983 752 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, unter Berücksichtigung der gemäss Hauptantrag der Patentinhaberin vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des EPÜ genügt. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent u.a. wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden.
II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte hiergegen am 8. Februar 2007 Beschwerde ein und entrichtete am selben Tag die Beschwerdegebühr. Die Beschwerdebegründung wurde am 11. April 2007 eingereicht.
III. Von den zitierten Dokumenten sind die folgenden für diese Entscheidung von Relevanz:
D2: EP-B-0 878 173
D2': EP-A-0 878 173
D4: EP-A-0 830 853
D6: DE-A-195 37 872.
Der Antrag auf Zulassung des verspätet eingereichten Dokuments D12 (US-A-5 064 435) wurde von der Beschwerdeführerin zurückgezogen.
IV. Am 29. September 2009 fand eine mündliche Verhandlung statt, wobei die abschliessende Antragslage folgendermassen war:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Die geltende Fassung des unabhängigen Anspruchs 1 lautet wie folgt:
"Stent (1) mit einem aufweitbaren Stentkörper (2), welcher mindestens zwei unterschiedliche Wandstärken aufweist, wobei der Stentkörper (2) wenigstens einen Endbereich (3, 4) aufweist, dessen Wandstärke (WE) kleiner als eine Wandstärke (WH) eines Hauptbereichs (5) ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Hauptbereich (5) eine konstante Wandstärke (WH) aufweist und der Endbereich (3, 4) eine konstante Wandstärke (WE) aufweist."
VI. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten entscheidungsrelevanten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Konstanz der Wandstärken gemäss dem kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 sei den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht zu entnehmen und stelle somit eine nach Artikel 123 (2) EPÜ unzulässige Erweiterung dar. Die Zeichnungen seien rein schematisch und könnten daher nicht als Basis für dieses Merkmal angesehen werden. Überdies erforderten konstante Wandstärken, die bei Stents im Mikrometer-Bereich liegen könnten, besondere Herstellungsverfahren, die in der Anmeldung jedoch nicht angegeben seien.
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei insbesondere durch die Ansprüche 7 und 3 von D4 neuheitsschädlich vorweggenommen. Die Verwendung des unbestimmten Artikels für die Wandstärke ("a thinner gauge") impliziere deren Konstanz. Die Zellen der distalen Reihe seien beispielsweise in Fig. 2 mit dem Bezugszeichen 3' bezeichnet, die Zellen der zwischen der distalen Reihe und dem proximalen Ende des Stents mit dem Bezugszeichen 3. In Spalte 6, Zeile 54 bis 56, sei angegeben, dass die Stege 4 bis 7 zur Zelle 3 bzw. 3 gehören. Die mit 4' bis 7' bezeichneten Stege gehörten hingegen zu den Zellen 3' der distalen Reihe 25, die nach Anspruch 3 eine geringere Wandstärke aufweise.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin klargestellt, dass der zweite von ihr erhobene Neuheitseinwand sich nicht direkt auf das (nachveröffentlichte) Dokument D2 beziehen soll, sondern auf die vorveröffentlichte korrespondierende Anmeldung D2'. Da nicht das Prioritätsdokument, sondern D2' die "erste Anmeldung" im Sinne von Artikel 87 (1) EPÜ 1973 gewesen sei, sei die von der Streitpatentschrift in Anspruch genommene Priorität nicht gültig. D2' sei daher für den angefochtenen Anspruch 1 Stand der Technik unter Artikel 54 (3) EPÜ. Der in der Figur von D2' dargestellte "Stent-Graft" sei neuheitsschädlich für Anspruch 1. Dessen Wortlaut lasse es zu, dass der Stent aus zwei einzelnen Stents mit einer dazwischen liegenden Folie bestehe, wie dies in D2' (siehe Bezugszeichen 11 und 12 bzw. 13) offenbart sei.
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei ausgehend von D4 mit dem allgemeinen Wissen des Fachmanns insbesondere aufgrund der in den Ansprüchen 3 und 7 von D4 sowie in Spalte 2, Zeile 6 bis 9, gegebenen allgemeinen Hinweise auf eine dünnere Wandstärke im Endbereich zumindest nahegelegt. Eine Verringerung der Wandstärke der Endbereiche liefe auch nicht dem in D4 genannten Ziel entgegen, Endeffekte ("flaring out") zu vermeiden, da diese gemäss Spalte 1, Zeile 26 bis 28, auch bei den bekannten Stents mit gleichmässig konstanter Wandstärke aufträten.
Ausgehend von D6 als nächstem Stand der Technik sieht die Beschwerdeführerin in Fig. 5 auch die Konstanz der Wandstärke im Hauptbereich offenbart. Der Übergang zu den dünneren Endbereichen sei in D6 fliessend, wobei die im zweiten Absatz von Spalte 3 genannte Zielsetzung die gleiche wie im Streitpatent sei. Ein besonderer technischer Effekt, der durch die Merkmale von Anspruch 1 erreicht werden soll, sei dem Streitpatent nicht zu entnehmen. Die zu lösende Aufgabe sei die Schaffung eines Stents mit stufenförmig verringerter Wandstärke in den Endbereichen. Ein Hinweis auf die Lösung sei in D6 schon in Zeile 1 bis 2 von Spalte 5 dadurch gegeben, dass die Abnahme der Wandstärke "mehr oder minder stetig" sei. Durch einen stufenförmigen Übergang werde aber keinerlei technische Wirkung erzielt. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei also ausgehend von D6 schon durch das Allgemeinwissen des Fachmanns nahegelegt. Weiterhin fehle die erfinderische Tätigkeit zumindest dann, wenn die in Anspruch 7 von D4 gegebene Lehre berücksichtigt werde.
VII. Die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten entscheidungsrelevanten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Anspruch 1 entspreche den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ, da die Konstanz der Wandstärken aus den Figuren 1 bis 3 sowie aus Absatz [0013] der ursprünglichen Anmeldung hervorgehe.
D4 sei nicht neuheitsschädlich, da eine verringerte Wandstärke dort nur für den - nicht das Ende des Stents bildenden - Bereich der Gelenke bzw. Loops 8' und 9' im Vergleich zu den Loops 8 und 9 offenbart sei, nicht aber für den Endbereich selbst, der durch die Stege 4' und 6' und das Verbindungsglied 10' gebildet sei. Entsprechend sei auch die Lehre der Ansprüche 3 und 7 von D4 zu verstehen. Die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Interpretation dieser Ansprüche stehe nicht im Einklang mit der durch sämtliche Ausführungsbeispiele gegebenen Lehre.
D2' sei nicht neuheitsschädlich, da der dort beschriebene "Stent-Graft" nicht als "Stent" bzw. "Stentkörper" im Sinne von Anspruch 1 angesehen werden könne. Beides fiele zwar unter den Begriff "Gefäss-Stütze", aber ein "Stent" sei nach fachmännischem Verständnis ein Einzelteil und könne daher nur jedem einzelnen der beiden Stents 11 und 12 in D2' entsprechen. Über deren Wandstärke mache D2' jedoch keine Aussage.
Wenn D4 als nächster Stand der Technik betrachtet werde, würde eine Verringerung der Wandstärke im gesamten Endbereich, also ausgehend von den Loops 8', 9' bis zum distalen Ende des Stents, dem in diesem Dokument genannten Ziel zuwiderlaufen, ein "flaring out" durch Verstärkung des Endbereichs zu vermeiden. D4 führe also vom Erfindungsgegenstand weg.
Der nächstliegende Stand der Technik sei vielmehr durch Dokument D6 gegeben, gegen das Anspruch 1 auch abgegrenzt sei. Es sei vollkommen hypothetisch, die in D6 explizit erwünschte stetige Abnahme der Wandstärke in Richtung auf die Enden durch Bereiche konstanter Wandstärke zu ersetzen. Dies werde auch nicht unter Heranziehung von Dokument D4 nahegelegt, da, wie bereits erwähnt, eine konstante und verringerte Wandstärke des Endbereiches dort weder offenbart noch erwünscht sei.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
Der Oberbegriff von Anspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 bis 3, wobei das zusätzlich eingefügte und an sich bekannte Merkmal der Aufweitbarkeit aus den Absätzen [0001] und [0002] der ursprünglichen Beschreibung in der veröffentlichen Fassung hervorgeht. Das Merkmal konstanter Wandstärke des Haupt- und Endbereichs im kennzeichnenden Teil ist implizit offenbart, da der Begriff "Wandstärke" in der Beschreibung durchgehend mit dem bestimmten Artikel verwendet wird. Die Konstanz der Wandstärken geht auch eindeutig aus Absatz [0013] der ursprünglichen Beschreibung hervor, insbesondere aus den in Zeile 47 genannten Wandstärkenverhältnissen WE/WH. Eine solche Angabe ist nur sinnvoll, wenn die Wandstärken der jeweiligen Bereiche konstant sind.
Weiterhin vermitteln die in den Figuren 1 bis 3 mit Pfeilen versehenen Symbole WH und WE dem Fachmann eindeutig und zweifelsfrei, dass es sich bei der in den Zeichnungen dargestellten Wandstärken jeweils um eine einzige und damit konstante Wandstärke der gekennzeichneten Bereiche handelt. Die Tatsache, dass Zeichnungen in der Regel nur als schematisch anzusehen sind und in der Anmeldung explizit auch so bezeichnet sind, ändert hieran nichts, da den Figuren keine konkrete Abmessung (wie in den den Entscheidungen T 857/91 und T 272/92 zugrundeliegenden Fällen), sondern lediglich eine Eigenschaft entnommen wird, nämlich die Konstanz der jeweiligen Wandstärken. Die erforderlichen Herstellungsmassnahmen zur Erzielung konstanter Wandstärken, die bei Stents im Mikrometer-Bereich liegen können, sind dem Fachmann auf diesem Gebiet geläufig und bedürfen daher keiner besonderen Erwähnung.
Die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ sind daher erfüllt.
3. Neuheit
3.1 Dokument D4
D4 beschreibt einen Stent, der aus ineinander greifenden Reihen 25-28 bzw. 29 von Zellen 3 gebildet wird, die aus Stegen ("members" 1 bis 4) bestehen, die durch C-förmige Loops 10, 11 sowie U-förmige Loops 8, 9 verbunden sind. Letztere können auch Z- oder S-förmig sein. Im folgenden wird Begriff "Loop" für letztere verwendet.
Die in den Ausführungsbeispielen von D4 offenbarte konkrete Lehre umfasst zwei wesentliche Aspekte.
Dies ist zum einen (vorletzter Absatz in Spalte 7) die Verringerung der axialen Zell-Länge durch verkürzte Stege im Endbereich (D1' < D2', siehe z.B. Fig. 2), wodurch eine höhere radiale Widerstandsfähigkeit in diesem (ja halbseitig nicht durch angrenzende Zellen gestützten) Bereich zur Vermeidung von Endeffekten ("flaring out", siehe Spalte 1, Zeile 26 bis 29 und Spalte 2, 2. Absatz) erreicht werden soll.
Zum anderen soll durch die besondere Gestaltung der Loops 8', 9' in einem (Reihe 25 in Fig. 2 und 7) oder in beiden Endbereichen (Reihen 25 und 29 in Fig. 10) die Flexibilität des Stents zur besseren Anpassung an den Verlauf des Gefässlumens erhöht werden (Spalte 1, Zeile 30 bis 34, und der die Spalten 7 und 8 überbrückende Absatz). Dies kann insbesondere durch eine Verringerung der Breite der Stege - bei gleichbleibender Dicke bzw. Wandstärke - in diesen Bereichen erreicht werden: die Stegbreite der Loops 8' und 9' ist also geringer als die der Loops 8 und 9 (W1 < W2, siehe Spalte 8, Zeile 11 bis 23).
Wenn man überdies die generelle Lehre des die Spalten 1 und 2 überbrückenden Absatzes ("reducing the gauge of material", Spalte 2, Zeile 8) heranzieht, kann eine solche Flexibilitätserhöhung alternativ auch durch eine Reduzierung der Wandstärke in diesen Bereichen realisiert werden. Dies bedeutet, dass der in D4 beschriebene Stent auch Loops (z.B. 8' und 9') - und damit Bereiche - mit einer Wandstärke umfassen kann, die geringer ist als die der vom distalen Ende weiter weg befindlichen Loops (z.B. 8 und 9). Diese Bereiche verringerter Wandstärke sind aber nicht die Endbereiche des Stents. Dass diese Endbereiche (beispielsweise bestehend aus den Stegen 4' und 6' sowie der Schleife 10' in Fig. 2) ebenfalls eine verringerte Wandstärke aufweisen sollen, ist D4 nicht zu entnehmen. Auch in dem die Spalten 1 und 2 überbrückenden Satz ist lediglich erwähnt, dass die höhere Flexibilität in einem vom Ende des Stents beabstandeten Bereich erzeugt werden soll. Ebenso ist in Spalte 1, Zeile 44 bis 45, von einer Variation der Flexibilität zwischen axialen Bereichen des Stents die Rede. D4 kann somit nicht das im Oberbegriff von Anspruch 1 enthaltene Merkmal entnommen werden, dass der Stentkörper wenigstens einen Endbereich aufweist, dessen Wandstärke kleiner ist als eine Wandstärke eines Hauptbereichs.
Dieses Merkmal kann - im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin - auch nicht aus Anspruch 7 von D4 hergeleitet werden, wonach die Zellen der distalen und proximalen Reihe eine dünnere Materialstärke ("ein geringeres Dickenmass" gemäss der deutschen Übersetzung des entsprechenden Anspruchs in der aus D4 resultierenden Patentschrift) als die Zellen der dazwischen liegenden Reihen besitzen sollen. Der Wortlaut von Anspruch 7 in D4 in seiner allgemeinen Form liesse sich isoliert möglicherweise zwar so auslegen, dass das Merkmal eines Endbereiches mit geringerer Wandstärke im Streitanspruch 1 hiervon umfasst werden könnte. Eine solche Interpretation steht jedoch nicht im Einklang mit dem Rest der Offenbarung in D4. Insbesondere gibt keines der in den Figuren 1 bis 11 gezeigten konkreten Ausführungsbeispiele und die dazugehörige Beschreibung irgendeinen Hinweis, der diese Lesart von Anspruch 7 stützen könnte. Eine dünnere Materialstärke ist in D4 nur, wie oben erwähnt, für den Bereich der Loops offenbart.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die technische Lehre eines Dokuments als Ganzes zu betrachten. Einzelne Teile dürfen nicht willkürlich herausgegriffen werden, um ihnen eine von der Gesamtlehre abweichende oder sogar im Widerspruch dazu stehende technische Information zu entnehmen (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 5. Auflage, I.C.2.1, 2. Absatz, und I.C.3.1, vorletzter Absatz). Insbesondere ist auch der Informationsgehalt eines in einer Vorveröffentlichung enthaltenen Patentanspruchs nur unter sorgfältiger Betrachtung des Restes dieses Dokuments zu ermitteln (T 969/92, Punkt 3 der Entscheidungsgründe). Die von der Beschwerdeführerin vorgenommene isolierte Auslegung von Anspruch 7 von D4 entspricht nicht der Gesamtoffenbarung dieses Dokuments und kann daher nicht als neuheitsschädliche Vorwegnahme des genannten Merkmals herangezogen werden. Das gleiche gilt für Anspruch 3 von D4.
Überdies ist zu berücksichtigen, dass die in D4 beschriebenen Zellen ineinandergreifen und sich daher die angrenzenden Zell-Reihen jeweils axial überlappen. Daher ist unklar, welcher der beiden angrenzenden Zellen die Stege im Überlappungsbereich zuzuordnen sind: der in Fig. 10 gezeigte Steg 7' gehört beispielsweise sowohl zur Zelle 3' der Reihe 25 als auch zur angrenzenden Zelle 3 der Reihe 26. Es ist daher D4 nicht eindeutig und zweifelsfrei zu entnehmen, wie das in Anspruch 7 allgemein definierte Merkmal, dass die Zellen der distalen und proximalen Reihe (entsprechend 25 bzw. 29 in Fig. 10) eine dünnere Materialstärke als die Zellen der dazwischen liegenden Reihen (26 bis 28) besitzen sollen, konkret realisiert sein soll.
Der Gegenstand von Anspruch 1 ist somit neu gegenüber D4 im Sinne von Artikel 54 (1) und (2) EPÜ 1973.
3.2 Dokument D2 bzw. D2'
D2' offenbart einen "Stent-Graft", der aus zwei zueinander koaxial angeordneten, radial aufweitbaren Stents 11, 12 besteht, zwischen denen eine Materialschicht 13 eingeklemmt ist. Als "aufweitbarer Stentkörper" im Sinne von Anspruch 1 kann bei fachmännischer Betrachtungsweise von D2' nur jeder einzelne der beiden Stents 11 und 12 angesehen werden (siehe auch Spalte 1, Zeile 6 bis 11). Über deren Wandstärke macht D2' jedoch keine Aussage, sodass das Merkmal eines Endbereiches mit kleinerer Wandstärke nicht als vorweggenommen angesehen werden kann.
Da D2' somit für den Gegenstand von Anspruch 1 nicht neuheitsschädlich im Sinne von Artikel 54 (3) EPÜ ist, erübrigt sich eine Klärung der Gültigkeit der in Anspruch genommenen Priorität des Streitpatents.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Dokument D4 als Ausgangspunkt
Die in den Ansprüchen 3 und 7 von D4 sowie in Spalte 2, Zeile 45 bis 50, gegebenen allgemeinen Hinweise stellen keine Anregung für den Fachmann dar, den dort beschriebenen Stent so zu modifizieren, dass er wenigstens einen Endbereich mit kleinerer und konstanter Wandstärke aufweist. Eine Verringerung der Wandstärke im gesamten Endbereich, also bis zum distalen oder proximalen Ende des Stents (z.B. im Bereich der Stege 4' und 6' sowie der Schleife 10' in Fig. 2), würde nämlich dem oben genannten Ziel von D4 zuwiderlaufen, ein "flaring out" durch Verstärkung dieses Bereichs zu vermeiden. Der durch die Verkürzung der Stege in diesem Bereich beabsichtigte Effekt würde durch eine Verringerung der Wandstärke zumindest teilweise wieder aufgehoben. Die zitierte Passage in Spalte 2 besagt lediglich, dass neben einer Verstärkung der Endbereiche ("section at the stent end", Fettdruck hinzugefügt) auch die Erhöhung der Flexibilität durch Reduzierung der Breite oder Biege-Steifigkeit in vom Stent-Ende beabstandeten Abschnitten ("sections adjacent to the stent end", Fettdruck hinzugefügt) zur Vermeidung des "flaring out" beitragen kann. Die letztgenannte Massnahme bezieht sich offensichtlich auf den oben bereits diskutierten Bereich der Loops und damit nicht auf die Endbereiche.
Ausgehend von D4 mit dem allgemeinen Wissen des Fachmanns ist der Gegenstand von Anspruch 1 somit nicht nahegelegt.
4.2 Dokument D6 als Ausgangspunkt
D6 ist als nächstliegender Stand der Technik anzusehen und offenbart unstreitig einen Stent mit den Merkmalen des Oberbegriffs von Anspruch 1. Gemäss dem in Fig. 5 gezeigten Ausführungsbeispiel nimmt die Wandstärke in Längsrichtung von der Mitte zu den Enden hin stetig ab, um dort möglichst der natürlichen Compliance des Gefässes zu entsprechen, während in der Mitte die Stützfunktion vorrangig ist (Spalte 3, 2. Absatz). Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin enthält D6 keinen Hinweis auf die Konstanz der Wandstärke im Hauptbereich. Der die Spalten 4 und 5 überbrückende Absatz besagt lediglich, dass die Wandstärke zu den Enden hin "mehr oder minder stetig", d.h. in jedem Fall aber stetig und nicht diskontinuierlich, abnimmt. Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich also von D6 durch die im kennzeichnenden Teil genannte Konstanz der Wandstärke im Haupt- und Endbereich.
Die hierdurch zu lösende objektive Aufgabe besteht darin, einen Stent mit fest definierten axialen Bereichen zu schaffen, die jeweils an unterschiedliche anatomische bzw. physiologische Anforderungen in dem zu stützenden Gefäss angepasst werden können. Diese Aufgabe ist - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin - aus der Streitpatentschrift bzw. der ursprünglichen Anmeldung herleitbar (siehe die Absätze [0009] sowie auch [0015] und [0020] der veröffentlichten Anmeldung). Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin liegt die objektive Aufgabe nicht in der Schaffung eines Stents mit stufenförmiger Änderung der Wandstärke, da dies zum einen die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs definierte Lösung nicht zwingend erfordert (siehe zum Beispiel Fig. 2 der Patentschrift) und zum anderen eine solche Formulierung auch Lösungsansätze enthielte.
D6 gibt zwar im 2. Absatz von Spalte 3 einen in Richtung auf die obengenannte objektive Aufgabenstellung gehenden Hinweis, nicht aber auf die Lösung gemäss Anspruch 1. Die oben erwähnten Formulierung "Wandstärke ... mehr oder weniger stetig abnimmt" ist vielmehr ein Hinweis darauf, dass die Wandstärke gerade nicht konstant sein soll. Dass der Fachmann die Bereiche mit konstanter Wandstärke gestalten würde, ist hypothetisch und beruht auf rückschauender Betrachtungsweise. Ausgehend von D6 mit dem allgemeinen Wissen des Fachmanns ist der Gegenstand von Anspruch 1 somit nicht nahegelegt.
D4 gibt zwar in dem die Spalten 1 und 2 überbrückenden Absatz einen Hinweis auf die im Streitpatent in Absatz [0005] genannte allgemeine Aufgabenstellung, die dem ursprünglichen Anspruch 1 zugrunde lag, nicht aber auf die obengenannte objektive Aufgabenstellung. Eine Kombination der Dokumente D6 und D4 ist folglich schon deshalb nicht nahegelegt. Überdies ist D4 zwar eine konstante Wandstärke des Hauptbereichs zu entnehmen, nicht aber eine konstante, kleinere Wandstärke des Endbereichs. Wie bereits oben unter Punkt 4.1 dargelegt, würde eine solche Ausgestaltung auch dem diesbezüglich in D4 genannten Ziel entgegenstehen. Ausgehend von D6 würde der Fachmann auch unter Hinzuziehung von D4 nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen.
4.3 Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand von Anspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.