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T 0566/10 07-07-2015
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Verfahren zum Herstellen eines Druckerzeugnisses
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - Änderungen nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung (nicht zugelassen)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 15. Februar 2010 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent 1 615 773 B zu widerrufen.
Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt worden und mit den Einspruchsgründen nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 der mangelnden Neuheit und der fehlenden erfinderischen Tätigkeit begründet worden.
II. Im Ladungsbescheid vom 19. Februar 2015 hat die Kammer den Parteien mitgeteilt, dass sie vorläufig den Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag im Wesentlichen aus den in der angefochtenen Entscheidung genannten Gründen als nicht erfinderisch ansieht und dass der während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren zurückgenommene und mit der Beschwerdeschrift wieder eingereichte Hilfsantrag der gängigen Rechtsprechung folgend nach Artikel 12 (4) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) unzulässig sein dürfte. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass das Zulassen von geändertem Vorbringen nach Artikel 13 VOBK im Ermessen der Kammer liegt.
III. Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 hat die Beschwerdeführerin ihren mit der Beschwerdeschrift eingereichten Hilfsantrag zurückgenommen und durch die neuen Hilfsanträge 1, 2 und 3 ersetzt.
IV. Am 7. Juli 2015 hat eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden.
V. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten, oder das Patent in geändertem Umfang auf Grundlage der als Hilfsanträge 1 bis 3 mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 als Reinschrift eingereichten Ansprüche aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die Hilfsanträge 1 bis 3 der Beschwerdeführerin nicht zum Verfahren zuzulassen, äußerst hilfsweise die Hilfsanträge 1 bis 3 zurückzuweisen.
VI. Im Beschwerdeverfahren wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: US-A-3 948 504
D3: DE-T2-691 13 613
D8: EP-A-1 211 211
VII. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Verfahren zum Herstellen eines Druckerzeugnisses, mit den Schritten:
a) Abwickeln einer Materialbahn (04) von einer ersten Rolle (02);
b) Bedrucken der Materialbahn (04)
c) Aufwickeln der bedruckten Materialbahn (04) zu einer neuen Rolle (12);
d) Abwickeln einer ersten bedruckten Materialbahn (16a) von einer Rolle (12a);
e) Abwickeln einer zweiten bedruckten Materialbahn (16b) von einer weiteren Rolle (12b);
f) Zusammenführen der beiden Materialbahnen (16a; 16b) in einem Oberbau (17);
g) Trennen der Materialbahnen (16a; 16b) jeweils in mehrere Teilbahnen (19a; 19b);
h) Mischen der Teilbahnen (19a; 19b) mittels einer Wendestangenanordnung (21);
i) Längsfalzen der gemischten Teilbahnen (19a; 19b);
j) Querschneiden und Querfalzen der Teilbahnen (19a; 19b);
k) wobei die Schritte a) bis c) mit einer höheren Geschwindigkeit der Materialbahn (04) durchgeführt werden als die Schritte d) bis j)."
VIII. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 nach dem Hilfsantrag 1 ist folgender:
"1. Verfahren zum Herstellen eines Druckerzeugnisses, mit den Schritten:
a) Abwickeln einer Materialbahn (04) von einer ersten Rolle (02);
b) Bedrucken der Materialbahn (04)
c) Aufwickeln der bedruckten Materialbahn (04) zu einer neuen Rolle (12);
d) Abwickeln einer ersten bedruckten Materialbahn (16a) von einer Rolle (12a);
e) Abwickeln einer zweiten bedruckten Materialbahn (16b) von einer weiteren Rolle (12b), wobei die Rollen (12a; 12b) mit der ersten bedruckten Materialbahn (16a) und der zweiten bedruckten Materialbahn (16b) in einer einzigen Druckmaschine erzeugt werden;
f) Zusammenführen der beiden Materialbahnen (16a; 16b) in einem Oberbau (17);
g) Trennen der Materialbahnen (16a; 16b) jeweils in mehrere Teilbahnen (19a; 19b);
h) Mischen der Teilbahnen (19a; 19b) mittels einer Wendestangenanordnung (21);
i) Längsfalzen der gemischten Teilbahnen (19a; 19b);
j) Querschneiden und Querfalzen der Teilbahnen (19a; 19b);
k) wobei die Schritte a) bis c) mit einer höheren Geschwindigkeit der Materialbahn (04) durchgeführt werden als die Schritte d) bis j)."
"2. Verfahren zum Herstellen eines Druckerzeugnisses, mit den Schritten:
a) Abwickeln einer Materialbahn (04) von einer ersten Rolle (02);
b) Bedrucken der Materialbahn (04)
c) Aufwickeln der bedruckten Materialbahn (04) zu einer neuen Rolle (12);
d) Abwickeln einer ersten bedruckten Materialbahn (16a) von einer Rolle (12a);
e) Abwickeln einer zweiten bedruckten Materialbahn (16b) von einer weiteren Rolle (12b);
f) Zusammenführen der beiden Materialbahnen (16a; 16b) in einem Oberbau (17);
g) Trennen der Materialbahnen (16a; 16b) jeweils in mehrere Teilbahnen (19a; 19b);
h) Mischen der Teilbahnen (19a; 19b) mittels einer Wendestangenanordnung (21);
Verteilen der in der Wendestangenanordnung (21) gemischten Teilbahnen auf zwei Falzapparate (22; 23); von denen der eine mit einem auf die ungeschnittenen ursprünglich bedruckten Bahnen (16a; 16b) zentrierten, sich über die gesamte Bahnbreite erstreckenden Falztrichter (24) ausgerüstet ist und der zweite Falzapparat (23) zwei Falztrichter (26) mit der Hälfte der Breite des Falztrichters (24) aufweist, die jeweils auf die durch mittiges Längsteilen der Bahn (16a) oder (16b) entstehenden Teilbahnen (19a; 19b) zentriert sind;
i) Längsfalzen der gemischten Teilbahnen (19a; 19b);
j) Querschneiden und Querfalzen der Teilbahnen (19a; 19b);
k) wobei die Schritte a) bis c) mit einer höheren Geschwindigkeit der Materialbahn (04) durchgeführt werden als die Schritte d) bis j)."
IX. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 stimmt mit jenem des Anspruchs 2 nach dem Hilfsantrag 1 überein.
X. Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 lautet wie folgt:
"Verfahren zum Herstellen eines Druckerzeugnisses, mit den Schritten:
a) Abwickeln einer Materialbahn (04) von einer ersten Rolle (02);
b) Bedrucken der Materialbahn (04)
c) Aufwickeln der bedruckten Materialbahn (04) zu einer neuen Rolle (12);
d) Abwickeln einer ersten bedruckten Materialbahn (16a) von einer Rolle (12a);
e) Abwickeln einer zweiten bedruckten Materialbahn (16b) von einer weiteren Rolle (12b);
f) Zusammenführen der beiden Materialbahnen (16a; 16b) in einem Oberbau (17);
g) Trennen der Materialbahnen (16a; 16b) jeweils in mehrere Teilbahnen (19a; 19b);
h) Mischen der Teilbahnen (19a; 19b) mittels einer Wendestangenanordnung (21);
Verteilen der in der Wendestangenanordnung (21) gemischten Teilbahnen auf zwei Falzapparate (22; 23); von denen der eine mit einem auf die ungeschnittenen ursprünglich bedruckten Bahnen (16a; 16b) zentrierten, sich über die gesamte Bahnbreite erstreckenden Falztrichter (24) ausgerüstet ist und der zweite Falzapparat (23) zwei Falztrichter (26) mit der Hälfte der Breite des Falztrichters (24) aufweist, die jeweils auf die durch mittiges Längsteilen der Bahn (16a) oder (16b) entstehenden Teilbahnen (19a; 19b) zentriert sind;
i) Längsfalzen der gemischten Teilbahnen (19a; 19b);
j) Zusammenfügen der Teilbahnen durch Querschneiden und Querfalzen zu fertigen Druckerzeugnissen in den Falzapparaten (22; 23) und Auslegen auf ein Förderband (27);
k) wobei die Schritte a) bis c) mit einer höheren Geschwindigkeit der Materialbahn (04) durchgeführt werden als die Schritte d) bis j)."
XI. Die Beschwerdeführerin hat zur erfinderischen Tätigkeit des als Hauptantrag beanspruchten Gegenstands im Wesentlichen vorgetragen, dass keines der Dokumente D1, D3 oder D8 den Schritt des Querfalzens oder die im Vergleich zur Nachbearbeitung höhere Druckgeschwindigkeit offenbare. Die von diesen Unterscheidungsmerkmalen gelöste Aufgabe bestünde darin, hohe Effizienz bei gleichzeitiger Produktvielfalt zu erreichen. Um zur beanspruchten Lösung gemäß Verfahrensschritt k) zu gelangen, müsste ein Fachmann zunächst erkennen, dass die Falzmaschinen für die begrenzte Geschwindigkeit verantwortlich seien, um dann in einem zweiten Schritt die Lehre von der höheren Druckgeschwindigkeit umzusetzen. Darüber hinaus sei kein Grund ersichtlich, warum ein Fachmann in einem weiteren Schritt das an sich bekannte Querfalzen nach Merkmal j) in den vollständigen zweistufigen Prozess der nächstliegenden Entgegenhaltung D1 einfügen sollte, obwohl dies dort offenbar gar nicht notwendig gewesen sei, die Produktionsgeschwindigkeit herabsetze und zudem bekanntermaßen fehleranfällig sei. Auch wirkten die Merkmale j) und k) im Sinne der Lösung der gestellten Aufgabe auf synergistische Weise zusammen. Folglich sei der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
Die Hilfsanträge 1, 2 und 3 seien im Beschwerdeverfahren zuzulassen, da ihre Vorlage eine Reaktion auf den Ladungsbescheid sei, in dem der Gegenstand des Hauptantrags als nicht erfinderisch und der ursprüngliche, mit der Beschwerdebegründung vorgelegte Hilfsantrag als möglicherweise unzulässig angesehen worden sei. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die gültigen Hilfsanträge 1 bis 3 schon sechs Wochen vor dem Termin der mündlichen Verhandlung, also unter Beachtung der von der Kammer im Ladungsbescheid gesetzten Frist, vorgelegt wurden, wodurch allen Beteiligten genügend Zeit für die Vorbereitung geblieben sei.
XII. Die Beschwerdegegnerin verweist hinsichtlich des Hauptantrags im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren.
Die Hilfsanträge 1 bis 3 hätten bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung eingereicht werden können. Ihre Vorlage kurz vor dem Termin der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer sei als verspätet anzusehen und unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie nicht zu rechtfertigen. Zudem habe die Beschwerdeführerin nicht ausreichend erläutert, warum man diesen, offenbar mit Merkmalen aus dem Absatz [0022] der Beschreibung eingeschränkten Hilfsanträgen folgen sollte. Die Hilfsanträge 1 bis 3 seien daher nicht ins Verfahren zuzulassen.
1. Hauptantrag - Neuheit und erfinderische Tätigkeit
1.1 Die Kammer stellt zunächst fest, dass im Beschwerdeverfahren nicht bestritten wird, dass das Dokument D1 den nächstkommenden Stand der Technik bildet, von dem sich der Gegenstand von Anspruch 1 im Wesentlichen dadurch unterscheidet, dass
- das die Teilbahnen quergefalzt werden (vgl. Verfahrensschritt j)), und
- die dem Druckvorgang zugeordneten Verfahrensschritte Schritte a) bis c) mit einer höheren Geschwindigkeit der Materialbahn (04) durchgeführt werden als die dem nachfolgenden Vereinzelungsvorgang zugeordneten Schritte d) bis j) (vgl. Verfahrensschritt k)).
Der Gegenstand von Anspruch 1 ist also unbestritten neu, Artikel 54 (1) und (2) EPÜ 1973.
1.2 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin habe ein Fachmann keinerlei Veranlassung, die in den beiden Unterscheidungsmerkmalen definierten Schritte in das spezielle Verfahren nach dem Dokument D1 einzufügen. Sie wendet sich damit gegen die Schlussfolgerung in der angefochtenen Entscheidung, in der diese Maßnahme unter Hinweis auf das allgemeine Fachwissen und die Dokumente D3 oder D8 als naheliegend angesehen wird.
1.3 Hinsichtlich des ersten Unterscheidungsmerkmals ist festzuhalten, dass das Querfalzen für sich genommen mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen bekannt ist. Es bietet einerseits eine größere Flexibilität hinsichtlich der herstellbaren Produktformate, beschränkt jedoch andererseits die Produktionsgeschwindigkeit, da es am geschnittenen Produkt vorgenommen wird. Die Tatsache, dass das Querfalzen im konkreten Ausführungsbeispiel des Dokuments D1 nicht implementiert ist, ändert nichts daran, dass es sich dabei um eine im Rahmen der Herstellung von Druckerzeugnissen fachübliche, durch das Format des herzustellenden Produkts bedingte Maßnahme handelt, die ein Fachmann im Bedarfsfall nach Abwägung der genannten Vor- und Nachteile ergreifen wird. Insofern ist das Querfalzen weder mit einer überraschenden Wirkung noch mit einem technischen Vorurteil verbunden. Folglich kann das Querfalzen im beanspruchten Verfahren für sich genommen keine erfinderische Tätigkeit begründen.
1.4 Bezüglich des zweiten Unterscheidungsmerkmals ist festzuhalten, dass in der nächstkommenden Entgegenhaltung D1 der Druckvorgang abgeschlossen ist, bevor mit der Vereinzelung begonnen wird (D1, Spalte 1, Zeilen 58 bis 65). Aufgrund dieser Entkopplung der Prozesse sind die Bahngeschwindigkeiten während des Druck- und des Vereinzelungsvorgangs unabhängig voneinander wählbar. Für einen Fachmann auf dem Gebiet der Drucktechnik, der mit der Aufgabe konfrontiert ist, die Effizienz des Herstellungsverfahrens zu erhöhen, folgt daraus unmittelbar, dass er die Arbeitsgeschwindigkeit während des Druckens ohne Rücksichtnahme auf die (niedrigere) Vereinzelungsgeschwindigkeit einstellen und so die optimale, mit der Rollendruckmaschine erreichbare Verarbeitungsgeschwindigkeit ausnutzen kann. Das zweite Unterscheidungsmerkmal stellt somit das Ergebnis einer für einen Fachmann selbstverständlichen Produktivitätsoptimierung dar, die schon im Stand der Technik, beispielsweise im Dokument D3, Seite 4, zweiter und dritter Absatz im Grundsatz diskutiert wird.
1.5 Zur Frage eines möglichen Zusammenwirkens der beiden Unterscheidungsmerkmale ist zu berücksichtigen, dass insbesondere der quer zur Bahnlaufrichtung stattfindende Prozessschritt des Falzens die Geschwindigkeit des gesamten Vereinzelungsvorgangs begrenzt und somit die Differenz zur maximalen Druckgeschwindigkeit erhöht. Insofern wird durch das Vorsehen des ersten Unterscheidungsmerkmals in dem aus dem Dokument D1 bekannten Verfahren die Veranlassung des Fachmanns zur Produktivitätsoptimierung nach dem zweiten Unterscheidungsmerkmal noch verstärkt, sodass er die gestellte technische Aufgabe, hohe Produktionseffizienz bei gleichzeitiger Produktvielfalt zu erreichen, ohne erfinderische Tätigkeit lösen und dabei zum Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag gelangen würde, Artikel 56 EPÜ 1973.
2. Zulässigkeit der Hilfsanträge 1, 2 und 3
2.1 Die Ansprüche der Hilfsanträge 1, 2 und 3 wurden mit Schreiben vom 19. Mai 2015, also etwa sechs Wochen vor der mündlichen Verhandlung und etwa drei Monate nach deren Anberaumung eingereicht. Die Beschwerdegegnerin beantragt, diese Hilfsanträge wegen der späten Vorlage nicht zum Verfahren zuzulassen.
2.2 Grundsätzlich steht es gemäß Artikel 13 (1) VOBK im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Nach Artikel 13 (3) VOBK werden Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung jedoch nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.
2.3 Im vorliegenden Fall weisen sämtliche Hilfsanträge 1, 2 und 3 jeweils einen unabhängigen Verfahrensanspruch auf, der auf dem Anspruch 1 des Hauptantrags basiert und weitere, dem letzten Absatz der Seite 5 und ersten Absatz der Seite 6 der ursprünglichen Anmeldung entnommene Merkmale umfasst. Die auf Grundlage der Beschreibung in den unabhängigen Anspruch eingeführten Einschränkungen stellen im Wesentlichen auf die konkrete Ausgestaltung der Falztrichter der beiden Falzapparate ab, auf die die beiden Teilbahnen nach dem Mischen verteilt werden. Somit verlagert die Beschwerdeführerin mit den Hilfsanträgen 1 bis 3 ihr Schutzbegehren in einem späten Verfahrensstadium, nämlich etwa drei Monate nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren, auf Aspekte, deren Bedeutung bisher weder im Einspruchs- noch im Beschwerdeverfahren absehbar war. Hinzu kommt, dass sie nur rudimentär begründet, warum die so geänderten Ansprüche die bestehenden Defizite hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit beheben sollen. Die Kammer und die Beschwerdegegnerin sind folglich damit konfrontiert, diese Frage ohne umfassende Substantiierung vor allem im Hinblick auf Merkmale beurteilen zu müssen, die weder die Einspruchsabteilung noch die Beschwerdegegnerin auf ihren Beitrag zur Patentfähigkeit hin haben bewerten können, da sie nicht als mögliche Rückzugspositionen, beispielsweise als Gegenstand eines (abhängigen) Anspruchs, erkennbar waren. Dies kollidiert mit dem Hauptzweck des mehrseitigen Beschwerdeverfahrens, der unterlegenen Partei eine Möglichkeit zu geben, die ihr nachteilige Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich anzufechten, und die Richtigkeit dieser Entscheidung in einem vom erstinstanzlichen Verfahren vollständig getrennten, unabhängigen Verfahren überprüfen zu lassen (siehe G 9/91 und G 10/91, ABl. EPA 1993, 408, 420, Entscheidungsgründe 18). Damit soll in einem Verfahren vor der Beschwerdekammer, dem ein verwaltungsgerichtlicher Charakter zuzusprechen ist (siehe G 7/91, ABl. EPA 1993, 356 und G 8/91, ABl. EPA 1993, 346), die Entscheidung im Prinzip auf der Basis des Streitstoffs erster Instanz ergehen, was im Falle der neu vorgelegten Hilfsanträge 1 bis 3 nicht möglich wäre.
2.4 Unter diesen Umständen müsste die Sache zur Sicherstellung eines ausgewogenen Verfahrens an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werden, auch um der Beschwerdegegnerin die Möglichkeit einer zusätzlichen Recherche zu geben. Dem steht jedoch die nach Artikel 13 (1) VOBK zu beachtende Verfahrensökonomie entgegen. Da die Zurückverweisung der vorliegenden Beschwerdesache einer Verlegung der mündlichen Verhandlung gleichkäme, wäre sie zudem in Widerspruch zu den Bestimmungen von Artikel 13 (3) VOBK, wonach Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen werden, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem anderen Beteiligten nicht ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung zuzumuten ist. Hier räumt die Verfahrensordnung den Kammern beim Zulassen von geändertem Vorbringen in der Regel also keinen Ermessensspielraum mehr ein.
2.5 Der Vollständigkeit halber stellt die Kammer in diesem Zusammenhang noch fest, dass das Vorbringen der Beschwerdegegnerin im Wesentlichen immer noch ihrem Vortrag vor der ersten Instanz entspricht. Damit sind die Hilfsanträge 1 bis 3 der Beschwerdeführerin auch nicht als eine adäquate Reaktion auf ein ins Verfahren zugelassenes, geändertes Vorbringen der Beschwerdegegnerin zu werten, die zur Wahrung des Grundrechts auf rechtliches Gehör abweichend von den Vorschriften des Artikels 13 (3) VOBK unter Umständen selbst dann ins Verfahren zugelassen werden könnte, wenn dies eine Verlegung der bereits anberaumten mündlichen Verhandlung nach sich ziehen würde (vgl. "Die Behandlung verspäteten Vorbringens in den Verfahren vor den Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", B. Günzel, Sonderausgabe 2 ABl. EPA 2007, 30, Nr. 10.2).
2.6 Aus den genannten Gründen können die vorliegenden Hilfsanträge 1 bis 3 gemäß Artikel 13 (1) und (3) VOBK nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
2.7 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die Vorlage der Hilfsantrage 1 bis 3 eine unmittelbare Folge der im Ladungsbescheid geäußerten vorläufige Auffassung der Kammer sei, nach der der ursprüngliche, während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren zurückgenommene und mit der Beschwerdeschrift wieder eingereichte Hilfsantrag der gängigen Rechtsprechung folgend nach Artikel 12 (4) VOBK unzulässig sein dürfte. Dem hält die Kammer entgegen, dass die Ursache für diese von der Beschwerdeführerin offenbar als unerwartet wahrgenommene Entwicklung in ihrer eigenen Verfahrensführung im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren zu suchen ist und, im Unterschied zur oben im Abschnitt 2.52.5 beschriebenen Situation, nicht bei der Beschwerdegegnerin (oder der Beschwerdekammer). Im Übrigen gibt der Ladungsbescheid keinerlei Veranlassung dafür, als Ersatz für den möglicherweise unzulässigen Hilfsantrag drei neue Hilfsanträge vorzulegen, in denen der vorläufig als nicht erfinderisch angesehene Hauptantrag nicht mit Merkmalskombinationen aus den als Rückfallpositionen prädestinierten abhängigen Ansprüchen eingeschränkt ist, sondern dafür trotz des fortgeschrittenen Verfahrensstandes auf ausschließlich in der Figurenbeschreibung offenbarte Merkmale zurückgegriffen wird, was für das Nichtzulassen der Hilfsanträge 1 bis 3, wie oben dargelegt, entscheidungserheblich war.
2.8 Schließlich kann auch der Hinweis der Beschwerdeführerin, dass sie beim Einreichen der Hilfsanträge die von der Kammer im Ladungsbescheid gesetzte einmonatige Frist eingehalten habe, nicht überzeugen, da die Kammer dort im Abschnitt 8. ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass das Zulassen von geändertem Vorbringen auch bei Beachtung der dafür gesetzten Frist nach Artikel 13 VOBK grundsätzlich im Ermessen der Kammer liegt. Insofern begründet eine fristgerechte Vorlage allein kein Anrecht auf Berücksichtigung eines geänderten Vorbringens. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass das geänderte Vorbringen von der Art ist, dass es zumindest eine Verlegung der mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte, weshalb die Kammer trotz des fristgerechten Einreichens nach Artikel 13 (3) VOBK kein Ermessen mehr hatte, es zuzulassen (vgl. Punkt 2.32.3 oben).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.