T 1451/10 (Fällungskieselsäure/EVONIK DEGUSSA GMBH) 28-10-2013
Download und weitere Informationen:
Effiziente Mattierungsmittel basierend auf Fällungskieselsäuren
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit -Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nachgewiesene Verbesserung
I. Das europäische Patent EP-B-1 398 301 wurde am 12. September 2007 (Datum der Bekanntmachung im Patentblatt 2007/37) mit 9 Patentansprüchen erteilt. Es hat zum Gegenstand Mattierungsmittel auf Basis von Fällungskieselsäuren.
II. Die erteilten Ansprüche 1, 5, 6 und 9 lauten:
"1. Fällungskieselsäure, gekennzeichnet durch
BET 350 - 550 m**(2)/g
DBP-Zahl 350 - 400 g/100g
d50 5 - 15 mym
Stampfdichte 20 - 70 g/l."
"5. Verwendung der Fällungskieselsäure nach Anspruch 1 bis 4 als Mattierungsmittel in Lacken."
"6. Wachsbeschichtete Fällungskieselsäure, gekennzeichnet durch
BET 350 - 550 m2/g
DBP-Zahl 350 - 400 g/100g
d50 5 - 15 mym
Stampfdichte 20 - 70 g/l
Kohlenstoffgehalt 2 - 18 Gew.-%."
"9. Verwendung der nachbeschichteten Fällungskieselsäure gemäß der Ansprüche 6 bis 8 als Mattierungsmittel in Lacken."
III. Gegen das erteilte Patent wurde unter Hinweis auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100(a), (b) und (c) EPÜ Einspruch eingelegt.
IV. Der Einspruch stützte sich u.a. auf folgende Dokumente:
D1: EP-A-0 922 671
D2: EP-A-0 078 909
D2a: DE-A-31 44 299
D3: EP-A-0 341 383
D5: DE-A-100 58 616
V. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent zurückzuweisen.
Die Einspruchsabteilung entschied in der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe und für den Fachmann ausführbar sei.
Die Neuheit im Hinblick auf die Dokumente D1 und D2 wurde ebenfalls anerkannt, da Fällungskieselsäuren mit den beanspruchten Stampfdichten, BET-Oberflächen und DBP-Zahlen nicht aus diesen Dokumenten hervorgingen. D1 offenbare auch nicht den Parameter Siebrückstand auf einem 63 mym Sieb.
Den nächstliegenden Stand der Technik sah die Einspruchsabteilung in D1. Die Aufgabe bestand darin, ein hocheffizientes Mattierungsmittel für Lacke auf der Grundlage von Fällungskieselsäuren bereitzustellen.
Diese Aufgabe sei erfolgreich gelöst. Das Vergleichsbeispiel des Streitpatents zeige, dass die erfindungsgemäßen Kieselsäuren einen hohen Mattierungseffekt erbrächten, der bei höheren Einsatzmengen denjenigen der Produkte aus D1 übertreffe.
Die erfinderische Tätigkeit schließlich wurde anerkannt, weil der aus D2 und D3 bekannte Stand der Technik keinen Hinweis darauf gebe, ausgehend von D1 eine Kieselsäure mit niedrigerer Stampfdichte, relativ hoher DBP-Zahl und einem d50- Wert von 5 bis 15 mym auszuwählen, um ein effizientes Mattierungsmittel zu erhalten.
Der Einspruch wurde folglich zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin wurde mit Schreiben vom 29. Juni 2010, ergänzt durch Schreiben vom 2. Juli 2010, eingelegt. Die Beschwerdebegründung vom 7. September 2010 enthielt die Argumente der Beschwerdeführerin und das neue Dokument
D7: Malvern Mastersizer 2000 Application Note
"Method validation for laser diffraction measurements",
Malvern Instruments Ltd., 7 Seiten, undatiert
VI. Die Beschwerdegegnerin erwiderte auf den Beschwerdeschriftsatz mit ihrem Schreiben vom 9. Februar 2011. Sie reichte im Anhang dazu die Dokumente A bis J betreffend ACEMATT® Mattierungsmittel für die Lackindustrie (Firma Degussa) ein.
VII. Mit Schreiben vom 19. August 2013 legte die Beschwerdegegnerin neue Ansprüche als Hilfsantrag vor.
Anspruch 1 des Hilfsantrags lautet:
"1. Fällungskieselsäure, gekennzeichnet durch
BET 350 - 550 m**(2)/g
DBP-Zahl 350 - 400 g/100g
d50 5 - 15 mym
Stampfdichte 20 - 70 g/l
Teilchengrößenverteilung
(d90-d10)/d50 zwischen 0.90 und 1.5."
"4. Verwendung der Fällungskieselsäure nach Anspruch
1 bis 3 als Mattierungsmittel in Lacken."
"5. Wachsbeschichtete Fällungskieselsäure,
gekennzeichnet durch
BET 350 - 550 m2/g
DBP-Zahl 350 - 400 g/100 g
d50 5 - 15 mym
Stampfdichte 20 - 70 g/l
Kohlenstoffgehalt 2 - 18 Gew.-%."
"8. Verwendung der nachbeschichteten
Fällungskieselsäure gemäß der Ansprüche 5 bis 7
als Mattierungsmittel in Lacken."
(Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 in Fettdruck).
VIII. Am 28. Oktober 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
IX. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ
Die Parameterkombination in den erteilten Ansprüchen 1 und 6 finde keine Basis in den ursprünglichen Unterlagen. Diese Kombination der Werte für die bevorzugten Kieselsäuren mit den breiteren Bereichen aus Anspruch 1 sei unzulässig, insbesondere was die DBP-Werte und Stampfdichte betreffe. Die getroffene Auswahl aus mehreren Gruppen von Parameterwerten sei im Lichte der Rechtsprechung neu im Bezug auf die ursprüngliche Offenbarung und stelle daher eine unzulässige Erweiterung dar.
Die Beschwerdeführerin verwies auf Entscheidung T 1511/07, wonach eine Vermischung von Werten aus einem breiten Bereich eines Werteverhältnisses mit Werten eines anderen Bereiches eines anderen Werteverhältnisses über die ursprüngliche Offenbarung hinausgehe.
Derselbe Einwand treffe auch auf die Ansprüche 1 und 5 des Hilfsantrages zu.
Mangelnde Ausführbarkeit
Das Streitpatent enthalte keine Offenbarung betreffend die Probennahme und -vorbereitung, die Messbedingungen und das spezifische zu verwendende Coulter-LS-230 Messgerät zur Bestimmung der d50-Partikelgröße. Alle diese Bedingungen hätten aber Einfluss auf das Messergebnis. Gutachtlich wurde auf D7 verwiesen, das zeige, dass je nach Probennahme die Standardabweichung der bestimmten Partikelgröße bis zu 6,81 % betrage. Weitere Variablen, wie trockene oder nasse Probennahme oder Ultraschallbehandlung würden auch diskutiert.
Außerdem beziehe sich die Erfindung sowohl auf die Fällungskieselsäuren nach Anspruch 1 als auch auf die mit Wachs beschichteten Produkte nach Anspruch 6. Diese beschichteten Fällungskieselsäuren wiesen identische Produktparameter (DBP, BET, d50 und Stampfdichte) auf. Mit Wachs beschichtete Kieselsäuren müssten sich aber mindestens in den BET- und DBP-Werten von den unbeschichteten Produkten gemäß Anspruch 1 unterscheiden. Es sei daher nicht offenbart, wie man ausgehend von den Produkten nach Anspruch 1 zu einer wachsbeschichteten Kieselsäure mit denselben Produktparametern gelangen könne.
Des weiteren brachte die Beschwerdeführerin vor, es sei nicht ersichtlich, worin der Unterschied zwischen den Beispielen 1, 3 und 5 und dem Vergleichsbeispiel 2 bestehe, außer in der Vermahlung auf d50 = 9,3 mym (statt 9,5 bis 10,6), einen Wert, der auch in den beanspruchten Bereich falle. Was die Änderung der anderen Parameter bedingt habe, sei nicht offenbart.
Die Beschwerdeführerin wies die von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Dokumente A bis J als nicht konsistent, was die Angaben zu ACEMATT**(®) betreffe, und zum Teil undatiert, zurück.
Mangelnde Neuheit gegenüber D1 und D2
D1 offenbare eine Fällungskieselsäure mit folgenden Eigenschaften:
BET 400 bis 600 m**(2)/g
DBP Zahl 300 bis 360 g/100g
Stampfdichte 70 bis 140 g/l
Kornverteilungsindex I = (d90-d10)/2d50 < 1
Aus den Figuren 1 und 2 sei ersichtlich, dass die
d50 - Werte für alle Proben und Vergleichsproben im Anspruchsbereich von 5 bis 15 mym lägen. Es mache keinen signifikanten Unterschied, dass die Partikelgröße in D1 mit einem Laser-Diffraktometer der Firma Malvern bestimmt wurde anstatt mit einem Gerät von Coulter. D1 offenbare auch mit Wachs beschichtete Kieselsäuren, sodass auch der Gegenstand der Ansprüche 6 bis 9 vorweggenommen sei.
Die Kieselsäure aus Vergleichsbeispiel 5, hergestellt nach der DE 31 44 299 (= Prioritätsdokument zu D2), weise laut Tabelle 4 eine Teilchengrößenverteilung von d50 = 6,2 mym auf. Dieselbe Kieselsäure sei auch in D2 aufgeführt (Seite 9, Beispiel 9); die Kenndaten für die BET-Oberfläche betrugen 522 m**(2)/g, für DBP 357 % und für die Stampfdichte 45 g/l (siehe D2, Tabelle 2). Daher sei dieses Produkt neuheitsschädlich für Anspruch 1.
Aus D2 seien Fällungskieselsäuren mit folgenden Produkteigenschaften bekannt:
BET 400 bis 600 m**(2)/g
DBP Zahl 310 bis 360 g/100 g
Stampfdichte 35 bis 70 g/l
Siebrückstand > 63 mym < 0,01 Gew.-%
Die Vermahlung in einer Luftmühle vom Typ Microgrinding MC 50 sei dieselbe wie in D1 und erzeuge eine Partikelgrößenverteilung d50 von 6,2 mym.
Solche Kieselsäuren mit einer hohen DBP Zahl von
> 300 % und BET > 400 m**(2)/g seien als effektive Mattierungsmittel für Lacke bekannt (Seite 2, Zeilen 21 bis 25).
Zur erfinderischen Tätigkeit:
D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Die Aufgabe bestehe darin, alternative Fällungskieselsäuren mit hoher Mattierungseffizienz zur Verfügung zu stellen. Diese Aufgabe werde gelöst durch eine Auswahl unter den in D1 offenbarten Produkten. Da alle Parameter-Werte sich im Rahmen der Offenbarung von D1 bewegten, habe es für die getroffene Auswahl keiner erfinderischen Tätigkeit bedurft.
Aus D2 sei es zudem bekannt, dass insbesondere die Kieselsäuren mit
BET 400 bis 600 m**(2)/g
DBP Zahl 310 bis 360 g/100g
Stampfdichte 35 bis 70 g/l
besonders effektive Mattierungsmittel für Lacke darstellten. Ein besonders effektives Produkt sei dasjenige aus Beispiel 9 der D2.
Weitere Hinweise könne der Fachmann aus D3 entnehmen, insbesondere was die Partikelgröße von bis zu 6 mym und die optionale Beschichtung mit einem Wachs betreffe (siehe zum Beispiel Tabellen 3 und 4, Produkt Nr. 7).
X. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Zu Artikel 123(2) EPÜ
Gemäß der etablierten Rechtsprechung der Beschwerdekammern sei es durchaus zulässig, aus den Grenzwerten eines allgemeinen offenbarten Bereiches und denen eines offenbarten bevorzugten Bereiches einen Wertebereich zu bilden. Dies gelte auch dann, wenn bei zwei Parametern jeweils neue Bereiche aus den Grenzwerten des allgemeinen und des bevorzugten Bereiches gebildet würden. Die Beschwerdegegnerin verwies hierzu auf T 1197/03, T 2/81, T 571/89 und T 947/96.
Mangelnde Ausführbarkeit
Im Streitpatent sei die Messmethode (Laserbeugung) und das Messgerät (Coulter LS-230) zur Bestimmung der d10, d50 und d90 Werte angegeben. Das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Dokument D7 sei undatiert und daher als Beweismittel untauglich. Außerdem sei die Bestimmung der Partikelgrößenverteilung mittels Coulter-Counter auf dem technischen Gebiet üblich und die technischen Einstellungen leicht zu ermitteln, beispielsweise durch Nacharbeiten des Beispiels 2 des Streitpatents oder des Handelsprodukts ACEMATT® HK 450. Angaben zum Teilchendurchmesser zu diesem Produkt seien dem Fachmann ab dem Prioritätstag des Streitpatents zur Verfügung gestanden (siehe Anlagen A bis J).
Zur Neuheit:
D1 offenbare Produkte mit einer Stampfdichte von 70 bis 140 g/l. Die genauen Vermahlungsbedingungen seien nicht offenbart. Die Beschwerdeführerin habe keine weiteren Einwände oder Argumente hinsichtlich D1 vorgebracht, sodass an den sachlich richtigen Entscheidungen der Prüfungs- und Einspruchsabteilungen nichts zu ändern sei.
In D2 seien keine d50 Werte angegeben. Der offenbarte Siebrückstand von < 0,01 Gew.-% bei > 63 mym habe keinen Bezug zum d50 Wert. Die beanspruchten Produkte seien daher neu gegenüber D2.
Zur erfinderischen Tätigkeit:
Die gemäß Streitpatent erzielten Glanzwerte seien wegen unterschiedlicher Bestimmungsmethoden nicht mit D1 vergleichbar. Eine Verbesserung im Vergleich zu den ACEMATT® HK 450 Produkten sei jedenfalls nachgewiesen (siehe Tabelle auf Seite 4 des Streitpatents).
Auch vor dem Hintergrund einer Zusammenschau von D1 mit D2 sei die erfinderische Tätigkeit gegeben. In D2 würden drei Kieselsäuretypen offenbart, die je nach Kornverteilung als hochwirksame Träger, als Verdickungsmittel, als Mattierungsmittel und als Katalysatorträger verwendet werden könnten. Welche darunter als Mattierungsmittel geeignet seien, sei nicht offenbart. Der Fachmann müsse daher erst herausfinden, ob diejenigen Produkte mit Stampfdichte 180 bis 220 g/l, oder diejenigen mit Stampfdichte von 75 bis 120 g/l oder gar diejenigen mit Stampfdichte von 35 bis 70 g/l als Mattierungsmittel geeignet seien, wofür eine große Zahl an Versuchen notwendig sei. Er müsse daher diesbezüglich eine Auswahlerfindung vornehmen. Das Produkt gemäß Vergleichsbeispiel 5 aus D1 würde der Fachmann jedenfalls nicht als Ausgangspunkt für ein möglicherweise verbessertes Produkt nehmen.
D3 offenbare Kieselsäuren mit einer BET-Oberfläche von bevorzugt < 350 m**(2)/g. D3 lege außerdem sehr niedrige d50 Werte von 1 bis 6 nahe. Damit stehe D3 aber im Widerspruch zu D1, wo offenbart sei, dass sehr feine Kieselsäuren mit sehr niedrigem d50 eher nachteilig seien und schlechtere Glanzwerte aufwiesen. Daher könne auch die Zusammenschau von D1 mit D3 den Erfindungsgegenstand nicht nahelegen.
XI. Anträge:
Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen oder hilfsweise, das Patent im geänderten Umfang auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 19. August 2013, aufrecht zu erhalten.
1. Ausführbarkeit
Die Kammer hält die Einwände der Beschwerdeführerin nicht für stichhaltig.
Die Beschwerdeführerin hat einerseits eingewandt, das Patent enthalte keine oder unzureichende Angaben zur Probennahme und -vorbereitung, und zu den Messbedingungen der Bestimmung der d50-Partikelgröße. Alle diese Umstände hätten aber Einfluss auf das Messergebnis, was die Ausführbarkeit der Erfindung in Frage stelle.
Es steht für die Kammer fest, dass der Fachmann mit Hilfe der Offenbarung des Streitpatents in der Lage ist, Fällungskieselsäuren gemäß dem Streitpatent herzustellen und deren Partikelgrößenverteilung mittels eines Laserbeugungsmessgeräts vom weitverbreiteten Typ Coulter-Counter zu bestimmen. Dabei verwendet er die ihm bekannten, üblichen Arten von Probennahme und Aufbereitung und zieht gegebenenfalls die vom Hersteller gegebenen Instruktionen zu Rate. Bei fachgerechter Durchführung können daher, unabhängig vom Messgerät, die d50-, d10- und d90-Werte mit den üblichen, der Messmethode anhaftenden Schwankungen gemessen werden. Die Beschwerdeführerin hat keine Belege, beispielsweise experimenteller Art, für das Gegenteil vorgelegt.
Das zweite Argument der Beschwerdeführerin, wonach die Produkte nach Anspruch 1 und 6 (bzw. Anspruch 5 des Hilfsantrags) identische Produktparameter (DBP, BET, d50 und Stampfdichte) aufwiesen, die wachsbeschichtete Kieselsäuren sich aber mindestens in den BET- und DBP-Werten von den unbeschichteten Produkten gemäß Anspruch 1 unterscheiden müssten, vermag die Kammer ebenfalls nicht von der Nichtausführbarkeit der Erfindung zu überzeugen. Die Beschwerdeführerin hat nicht behauptet, dass die Kieselsäuren nicht herstellbar seien, sondern sie wendet ein, dass Anspruch 1 mit Anspruch 6 (bzw. 5) nicht "kompatibel" sei. Dies ist aber kein Einwand nach Artikel 83 EPÜ.
Des weiteren stellte die Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren die Frage, worin der Unterschied zwischen den Beispielen 1, 3 und 5 und dem Vergleichsbeispiel 2 bestehe, außer in der Vermahlung auf d50 = 9,3 mym (statt auf 9,5 bis 10,6 mym), wobei dieser Wert auch in den beanspruchten Bereich falle. Was die Änderung in den anderen Parametern bedingt habe, sei nicht offenbart.
Nach Ansicht der Kammer ist aber aus der Tabelle in Abschnitt [0024] des Streitpatentes klar, dass das Produkt gemäß Vergleichsbeispiel 2 sich in der zu niedrigen BP-Zahl von den erfindungsgemäßen Produkten unterscheidet. Solche Kieselsäuren sind laut Streitpatent gemäß DE 100 58 616 erhältlich (siehe Abschnitt [0015]). Außerdem betrifft der Einwand der Beschwerdeführerin nicht die erfindungsgemäßen Produkte, sondern eine Vergleichsprobe. Die Kammer sieht daher die Ausführbarkeit der Erfindung nicht in Frage gestellt.
Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ sind somit erfüllt.
2. Änderungen
2.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist gegenüber dem ursprünglich offenbarten Anspruch 1 in zweierlei Hinsicht geändert worden: Der Bereich der DBP-Werte wurde von 320 bis 400 g/100 g auf den Bereich von nunmehr 350 bis 400 g/100 g eingeschränkt; gleichzeitig wurde der Bereich der Stampfdichte-Werte von 20 bis 90 g/l auf 70 bis 90 g/l eingeschränkt.
Der DBP-Wert von 350 g/100 g und der Stampfdichte-Wert von 70 g/l ist offenbart auf Seite 2, Zeilen 13 bis 15, der ursprünglich eingereichten Unterlagen, wo bevor-zugte Bereiche der DBP-Zahl von 350 bis 380 g/100 g und der Stampfdichte von 60 bis 70 g/l genannt sind. Im geänderten Anspruch wird also jeweils eine Kombination von einem allgemeinen Bereich mit einem Eckpunkt eines bevorzugten Bereichs beansprucht.
Diese Änderungen sind jede für sich genommen statthaft (siehe T 1197/03 vom 14. Juni 2005, Gründe, Punkt 3.1; und T 925/98 vom 13. März 2001, Gründe, Punkt 2).
Allerdings gibt es keinen Hinweis in der ursprünglichen Unterlagen auf die Kombination der beiden in der vorbeschriebenen Art geänderten Bereiche. Es scheint also eine Situation vorzuliegen, wie sie in T 1511/07 (vom 31. Juli 2009; siehe Gründe, Punkt 2.1, letzter Absatz), als unzulässig im Hinblick auf Artikel 123(2) EPÜ erkannt wurde.
Die Kammer hält aber die Entscheidung T 1511/07 aus folgenden Gründen auf den vorliegenden Fall für nicht anwendbar. Die zugrundeliegende Anmeldung EP 99917839.5 hatte einen metastabilen Komplex, gebildet durch Wechselwirkung von Calciumhydroxid mit einer Mischung von Milch- und Zitronensäure, zum Gegenstand. Dieser ursprünglich beanspruchte Gegenstand war nicht durch irgendwelche Parameter wie z.B. Mengenanteile oder Mischungsverhältnisse der Komponenten gekennzeichnet. Unter diesen Umständen hielt die Kammer in T 1511/07 zwar die Änderung des Anspruchs durch Aufnahme zweier jeweils bevorzugter Bereiche für die Mischungsverhältnisse der Milch- und Zitronensäure untereinander und zur Calciumquelle gemäß Hilfsantrag für zulässig, nicht aber den geänderten Hauptantrag, der eine Kombination vor zwei eingeschränkten Bereichen von Mischungsverhältnissen aufwies, auf die kein Hinweis in der ursprünglichen Anmeldung enthalten war.
Im gegenständlichen Fall jedoch war der Anspruchsgegenstand bereits durch vier Parameterbereiche gekennzeichnet, von denen zwei gänzlich unverändert übernommen wurden und die anderen zwei Parameterbereiche eingeschränkt wurden. Es fand also keine neue Charakterisierung eines Gegenstandes durch aus der Beschreibung abgeleitete Parameterbereiche statt, deren Kombinationsmöglichkeit nicht bereits in der ursprünglichen Anmeldung vorgelegen hätte.
2.2 Die Änderungen in Anspruch 1 des Hilfsantrags umfassen dieselben wie in Anspruch 1 des Hauptantrags, sowie zusätzlich die Aufnahme der Merkmale des erteilten Anspruchs 3. Gegen letzteres bestehen ebenfalls keine Bedenken unter Artikel 123(2) EPÜ.
2.3 Eine Erweiterung des Schutzumfangs ist ersichtlich nicht gegeben.
2.4 Die Bedingungen des Artikels 123(2) und (3) EPÜ sind daher für Haupt- und Hilfsantrag erfüllt.
3. Neuheit
Hauptantrag
3.1 Aus Dokument D1 sind Fällungskieselsäuren mit folgenden Eigenschaften bekannt (siehe Anspruch 1):
BET 400 bis 600 m**(2)/g
DBP Zahl 300 bis 360 g/100g
Stampfdichte 70 bis 140 g/l
Grindometer-Wert nach ISO 1524 15 - 50 mym
Kornverteilungsindex I = (d90-d10)/2d50, gemessen mit Malvern < 1
Die d50 - Teilchengröße dieser Produkte liegt zwischen 4,20 mym und 12,90 mym (siehe Tabelle 7).
3.2 Im Vergleich mit den Fällungskieselsäuren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents ergibt sich folgendes Bild:
|D1 |Streitpatent, Anspruch 1|
BET, [m**(2)/g] |400 - 600 |350 - 550 |
DBP-Zahl, [g/100g] |300 - 360 |350 - 400 |
d50, [mym] | - |5 - 15 |
Stampfdichte, [g/l] |70 - 140 |20 - 70 |
3.3 Es besteht also Überlappung der Bereiche für den BET-Wert im Bereich von 400 bis 550 m**(2)/g, für die DBP-Zahl von 350 bis 360 g/100g und für die Stampfdichte eine punktförmige Überschneidung am Wert von 70 g/l.
Es ist in D1 kein konkretes Produkt beschrieben, das hinsichtlich aller Parameter in die Bereiche der nunmehr beanspruchten Fällungskieselsäuren fiele. Insbesondere ist bei den aus D1 konkret bekannten Produkten gemäß Beispielen 1 bis 3, die laut Tabelle 7 Teilchengrößen d50 zwischen 4,20 und 12,90 mym aufweisen, ein solches mit einer Stampfdichte von 70 g/l nicht offenbart. Diese Produkte fallen also nicht unter die gegenwärtigen Ansprüche 1 oder 6.
Daher ist der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 gemäß Hauptantrag neu gegenüber der allgemeinen Offenbarung von D1.
3.4 D1 beschreibt auf Seite 6, Abschnitt [0025], und Tabelle 4 auch eine zu Vergleichszwecken hergestellte Fällungskieselsäure (bezeichnet als Vergleichsbeispiel 5). Sie wurde nach Beispiel 9 der DE-A-31 44 299
(= Prioritätsdokument zu D2) hergestellt und mittels einer Luftstrahlmühle vom Typ "Microgrinding MC500" vermahlen. Die Teilchengrößenverteilung ist folgende (siehe Tabelle 4):
d10 3,4 mym
d50 6,2 mym
d90 20,7 mym
bzw. (d90-d10)/d50 = 2,79.
Aus D2, Seite 9, Beispiel 9, und Tabelle 2, vorletzte Spalte, geht hervor, dass man durch Vermahlen der in Beispiel 1 hergestellten Fällungskieselsäure in einer Luftstrahlmühle vom Typ Microgrinding MC 500 eine Kieselsäure mit folgenden Kenndaten erhält:
BET 522 m**(2)/g
DBP Zahl 357 g/100 g und
Stampfdichte 45 g/l.
Laut Beschwerdeführerin ist dieses Produkt ident mit dem in D1, Vergleichsbeispiel 5, beschriebenen.
3.5 Die Beschwerdegegnerin hält dem entgegen, dass D1 zwar das Mühlenmodell beschreibe, aber die genauen Vermahlungsbedingungen im Unklaren lasse. Daher sei der Schluss, dass D1 die gleiche Kieselsäurepräparation wie D2 offenbare, nicht erlaubt.
Dem steht nach Auffassung der Kammer die Tatsache entgegen, dass D1 ausdrücklich festhält, die betreffende Vergleichs-Kieselsäure sei nach DE 31 44 299 (welches das Prioritätsdokument zu D2 ist und inhaltsgleich mit D2 ist) hergestellt. Der von der Einspruchsabteilung geäußerten Meinung, es sei möglicherweise eine zweite Vermahlung in der besagten Luftstrahlmühle erfolgt, kann die Kammer nicht folgen, da jede technische Veranlassung zu einer solchen Vorgangsweise fehlt. Die zitierte Stelle in D1, Abschnitt [0025], ist nach Ansicht der Kammer vielmehr so zu verstehen, dass "die unvermahlene, sprühgetrocknete Kieselsäure, hergestellt nach DE 31 44 299, mittels einer Luftstrahlmühle vom Typ Microgrinding MC 500 gemäß Beispiel 9 vermahlen wird".
Die Beschwerdegegnerin hat außerdem eingewandt, die Partikelgrößenverteilungen in D1 sei nicht mit einem Coulter-Counter, sondern mit einem Messgerät der Firma Malvern gemessen worden. Die gefundenen Werte seien daher nicht vergleichbar. Die Kammer hält dieses Argument aber nicht für ausschlaggebend. Beide Messgeräte beruhen auf demselben Prinzip der Laserbeugung. Falls es messgerätspezifische Abweichungen gibt, so liegen diese nach Überzeugung der Kammer höchstens in einer Größenordnung wie diejenigen Abweichungen, die sich durch unterschiedliche Techniken der Probennahme, der Probenvorbereitung und durch unterschiedliche Messbedingungen ergeben. Da letztere aber im Streitpatent nicht spezifiziert sind, sind die Angaben der Partikelgrößenverteilung im Streitpatent von vornherein mit einer entsprechenden Variation behaftet. Die Beschwerdegegnerin kann sich daher ohne weiteren Nachweis nicht darauf berufen, dass auf einem anderen Messgerät, aber mit demselben Messprinzip gewonnene Messwerte außerhalb dieser Toleranzen liegen.
3.6 Folglich offenbart D2 in Beispiel 9 eine Fällungskieselsäure, die in allen relevanten Produkteigenschaften unter den Anspruch 1 gemäß Hauptantrag fällt.
Der Hauptantrag ist daher mangels Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 nicht gewährbar (Artikel 54 EPÜ).
Hilfsantrag
3.7 Gegen die Ansprüche des Hilfsantrags hat die Beschwerdeführerin keinen Neuheitseinwand erhoben.
Die Kammer ist ebenfalls der Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag neu ist im Hinblick auf D1 und auch im Hinblick auf D2, Beispiel 9, und zwar aufgrund des abweichenden Span-Wertes ((d90-d10)/d50). Berechnet man diesen unter Zuhilfenahme der entsprechenden Angaben aus D1, Tabelle 4, so ergibt sich mit 2,79 ein Wert, der außerhalb des beanspruchten Bereichs von 0,9 bis 1,5 liegt. Der beanspruchte Gegenstand ist daher neu.
3.8 Die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ sind damit erfüllt.
4. Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag)
4.1 Die Erfindung befasst sich mit Fällungskieselsäuren und wachsbeschichteten Fällungskieselsäuren, mit ihrer Herstellung und mit ihrer Verwendung als Mattierungsmittel für Lacke.
Die Erfindung beruht auf der Erkenntnis, dass besonders Kieselsäuren mit hoher DBP-Aufnahme und niedriger Stampfdichte und möglichst enger Teilchengrößenverteilung effiziente Mattierungsmittel darstellen.
4.2 Als nächstliegender Stand der Technik wird von den Parteien und der Kammer das Dokument D1 angesehen. Dieses Dokument befasst sich mit Fällungskieselsäuren, die ähnliche Kenndaten aufweisen und ebenfalls als Mattierungsmittel für Lacke geeignet sind.
4.3 Laut Streitpatent bestand die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin, die Effizienz dieser Mattierungsmittel zu verbessern (vgl. Abschnitte [0004] und [0005] des Streitpatents). Unter Effizienz ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, dass bereits geringere Anteile an Mattierungsmittel im Lack zu dem erwünschten seidenmatten Glanz führen.
4.4 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent Fällungskieselsäuren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags vor, die durch folgende Kenndaten gekennzeichnet sind:
d50 5 - 15 mym
Stampfdichte 20 - 70 g/l
Teilchengrößenverteilung
(d90-d10)/d50 zwischen 0.90 und 1.5."
Das Streitpatent schlägt außerdem wachsbeschichtete Fällungskieselsäuren gemäß Anspruch 5 des Hilfsantrags vor, die durch folgende Kenndaten gekennzeichnet sind:
d50 5 - 15 mym
Stampfdichte 20 - 70 g/l
Kohlenstoffgehalt 2 - 18 Gew.-%
4.5 Die Kammer hat nun zu untersuchen, ob die oben gestellte Aufgabe einer Verbesserung gelöst wurde.
Das Streitpatent enthält dazu die Kenndaten und anwendungsspezifischen Daten zu den Beispielen 1, 3, 4 und 5, dem Vergleichsbeispiel 2 und als Referenzbeispiel zur Fällungskieselsäure ACEMATT® HK 450. Dieses Handelsprodukt liegt bezüglich der Kenndaten BET, DBP, d50 und Stampfdichte im Rahmen der Kenndaten aus D1 und kann somit als Vergleichsbeispiel für den dort beschriebenen Stand der Technik herangezogen werden.
Der Tabelle auf Seite 4 des Streitpatents entnimmt man, dass die erfindungsgemäßen Fällungskieselsäuren bei jeweils gleicher Einwaage im Lack (4,5 g bzw. 5,5 g) regelmäßig zu niedrigeren Glanzwerten bei 60° und bei 85° Beobachtungswinkel als die Vergleichsprobe 2 und das Referenzprodukt ACEMATT® HK 450 (entsprechend D1) führen. Davon weichen nur zwei Werte ab, nämlich Probe 1 mit 1,5 Punkten Verschlechterung (höherer Glanz) und Probe 5 mit gleichem Glanzwert, jeweils gemessen bei 85° Beobachtungswinkel und einer Einwaage von 4,5 g, im Vergleich mit ACEMATT® HK 450 als Standard. Bei der höheren Einwaage von 5,5 g werden durchwegs signifikante Verbesserungen der Effizienz erzielt (60°-Glanz: 10,7 bis 12,0 im Vergleich zu 15,6 für ACEMATT®; 85°-Glanz: 22,9 bis 26,6 im Vergleich zu 43,6 für ACEMATT®). Bei diesen Messungen bedeutet ein niedriger Glanzwert bei gleicher Einwaage an Mattierungsmittel eine Verbesserung der Effizienz.
Die Kammer kann aufgrund dieser ganz überwiegend positiven Ergebnisse feststellen, dass die Aufgabe einer Verbesserung der Effizienz erfolgreich gelöst wurde.
Somit kann die oben gestellte Aufgabe im Lichte der D1 beibehalten werden und eine Umformulierung ist nicht vonnöten. Es kommt auch eine Formulierung der Aufgabe als bloße Bereitstellung von alternativen Fällungskieselsäuren, wie die Beschwerdeführerin vorgetragen hat, nicht in Betracht.
4.6 Es bleibt zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung im Hinblick auf den Stand der Technik nahegelegen hat.
In D2 sind in Ansprüchen 1, 3 und 5 drei verschiedene Typen von Fällungskieselsäuren offenbart, die je nach DBP-Zahl, Kornverteilung und Stampfdichte als hochwirksame Trägerkieselsäuren für Wirkstoffe aller Art, als Verdickungsmittel, als Antiblockingmittel für Polyethylen- und Polypropylenfolien, als Mattierungsmittel und als Katalysatorträger verwendet werden können (siehe Seite 4, Zeilen 12 bis 25). Welche darunter als Mattierungsmittel geeignet sind, ist jedoch nicht offenbart. Um herauszufinden, ob diejenigen Produkte mit Stampfdichte 180 bis 220 g/l oder diejenigen mit Stampfdichte von 75 bis 120 g/l oder gar diejenigen mit Stampfdichte von 35 bis 70 g/l als Mattierungsmittel geeignet sind, bedürfte es ersichtlich einer großen Zahl an Versuchen. Der Fachmann hatte dabei keine Anleitung, auf naheliegende Weise zu den beanspruchten Fällungskieselsäuren zu gelangen. Es gibt auch keinen Hinweis dafür, dass darunter Fällungskieselsäuren mit einer verbesserten Effizienz zu finden wären.
Die Beschwerdeführerin hat zwar argumentiert, dass in D1 in Gestalt der Vergleichsprobe 5 ein Hinweis auf die besondere Eignung von Fällungskieselsäuren mit hoher DBP-Zahl und niedriger Stampfdichte als Mattierungsmittel vorliege. Dieses Argument überzeugt jedoch nicht, da es sich hierbei um ein Vergleichsprodukt mit (im Rahmen der Lehre der D1) schlechteren Eigenschaften handelt (siehe Tabelle 4: "Stippenbildung und Luftblasen im trockenen Lackfilm"). Der Fachmann würde es daher nicht als Ausgangspunkt für seine Suche nach einem Produkt mit verbesserter Mattierungseffizienz nehmen.
Aus Dokument D5 sind Fällungskieselsäuren mit hoher Struktur bekannt, die in unvermahlenem Zustand eine BET -Oberfläche von 400 bis 600 m**(2)/g, eine DBP-Zahl von 380 bis 420 g/100g und eine Stampfdichte von 100 bis
200 g/l aufweisen (siehe Anspruch 1). Laut Abschnitten [0024] und [0025] können solche Kieselsäuren als Träger zur Überführung von Flüssigkeiten in Pulverform, als Anticaking-Mittel, in Elastomeren wie Reifen und zur Herstellung von Katalysatorträgern verwendet werden. Da eine besondere Eignung als Mattierungsmittel in Lacken in D5 nicht angedeutet wird, hätte der mit der Aufgabe des Streitpatents beschäftigte Fachmann keine Veranlassung, derartige Kieselsäuren beispielsweise durch Vermahlen in Richtung einer wesentlich geringeren Stampfdichte zu modifizieren. Auch D5 kann daher den Anspruchsgegenstand nicht nahelegen.
Aus D3 sind Fällungskieselsäuren mit hoher Struktur und relativ geringerer spezifischer Oberfläche (BET-Oberfläche 150 bis 350 m**(2)/g) bekannt, die besonders als Mattierungsmittel geeignet sind. Mindestens 70% der Teilchen haben einen Durchmesser von 1 bis 6 mym (gemessen mit Coulter Counter) (siehe Seite 2, Zeilen 41 bis 49). D3 legt also sehr niedrige d50 - Werte nahe und steht damit im Widerspruch zu D1, wo gelehrt wird, dass die Mattierungseffizienz der Fällungskieselsäure mit abnehmender Teilchengröße abnimmt (siehe Abschnitt [0039] und Tabellen 3 und 4). Der Fachmann würde die widersprüchlichen Lehren dieser beiden Druckschriften nicht kombinieren.
Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Gleiches gilt für den Anspruch 5, der auf die mit Wachs beschichteten Kieselsäuren gerichtet ist, für den Verwendungsanspruch 8 und für die abhängigen Ansprüche.
Die Bestimmungen des Artikels 56 EPÜ sind erfüllt.
4.7 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Gleiches gilt für den Anspruch 5, der auf die mit Wachs beschichteten Kieselsäuren gerichtet ist, für den Verwendungsanspruch 8 und für die abhängigen Ansprüche.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz
zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geänderter Form auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 19. August 2013, und einer anzupassenden Beschreibung aufrecht zu erhalten.