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T 0002/81 (Methylene-bis-(phenylisocyanat)) 01-07-1982
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1. Es ist zwar unzulässig, nicht zueinander in Beziehung stehende oder einander widersprechende Dokumente mosaikartig zu kombinieren, um die erfinderische Tätigkeit zu verneinen; es ist jedoch erlaubt, verschiedene Veröffentlichungen und Kenntnisse zusammen zu betrachten, um ein Vorurteil oder eine von der Erfindung wegweisende allgemeine Tendenz in der Technik zu belegen.
2. Die Offenbarung eines quantitativen Wertbereiches (z.B. von Konzentrationen oder Temperaturen) zusammen mit einem eingeschlossenen bevorzugten engeren Bereich offenbart unmittelbar auch die möglichen zwei Teilbereiche, die vor und nach dem engeren Bereich innerhalb des Ganzen liegen. Folglich ist eine einfache Kombination des bevorzugten engeren Bereichs und eines jener Teilbereiche auch eindeutig herleitbar und wird gestützt durch die Offenbarung.
Erfinderische Tätigkeit
Mosaikierung
Offenbarung
Stützung durch Beschreibung
I. Die am 25. April 1979 eingegangene und am 14. November 1979 veröffentlichte Patentanmeldung 79 101 243.8 mit der Veröffentlichungsnummer 0 005 223, für welche die Priorität der Voranmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 5. Mai 1978 in Anspruch genommen wird, wurde durch die Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 19. November 1980 zurückgewiesen. Der Entscheidung lagen neue Patentansprüche 1 bis 7 (eingereicht mit Schreiben vom 21. Februar 1980) bzw. Hilfsansprüche 1 bis 7 (eingereicht am 15. Juli 1980) zugrunde.
Der Hauptanspruch hatte folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Herstellung von flüssigem, lagerstabilem Methylen-bis-(phenylisocyanat) durch Erhitzen von Methylen-bis-(phenylisocyanat) in Gegenwart von Phospholinoxid, dadurch gekennzeichnet, daß man Methylen-bis-(phenylisocyanat) in Gegenwart von 1 ppb bis 10 ppm eines Phospholinoxids auf 150°C bis 300°C erhitzt und das Reaktionsgemisch nach Erreichen des gewünschten Isocyanatgehalts auf 100°C oder eine niedrigere Temperatur abschreckt."
II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß der Gegenstand der Ansprüche nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die drei neuen Maßnahmen des Verfahrens - nämlich (1) geringe Katalysatormengen, (2) die relative erhöhte Temperatur und (3) das Abschrecken des Reaktionsgemisches - seien für den Fachmann im Hinblick auf den Stand der Technik naheliegend gewesen. Es sei erforderlich, möglichst kleine Katalysatormengen zu benutzen, um das Produkt von unerwünschten Begleitprodukten freizuhalten. Es ergebe sich aus dem Stand der Technik, daß man dann höhere Arbeitstemperaturen anwenden müsse. Der Ersatz der Methode des Abkühlens durch die schnellere des Abschreckens gehöre zur Routinearbeit des Fachmanns, weil man so Seitenreaktionen offensichtlich vermeiden könne. Die Entdeckung, daß sich diese Katalysatoren bei höheren Temperaturen zersetzen, sei eine automatische Folgerung der auf der Hand liegenden Kombination der Bedingungen.
III. Gegen die Entscheidung vom 19. November 1980 hat die Anmelderin am 5. Januar 1981 unter Zahlung der Gebühr Beschwerde erhoben und diese - unter Vorlage von vier neuen Vergleichsversuchen - gleichzeitig begründet.
IV. Auf die Aufforderung des Berichterstatters, weitere Erläuterungen des Sachverhalts zu geben und die Ansprüche entsprechend zu beschränken, hat die Beschwerdeführerin fristgerecht geantwortet. Zusätzliche Vergleichsversuche und die folgenden enger gefaßten Ansprüche wurden vorgelegt:
1. Verfahren zur Herstellung von flüssigem, lagerstabilem, teilweise carbodiimidisiertem Methylen-bis-(phenylisocyanat) durch Erhitzen von Methylen-bis-(phenylisocyanat) in Gegenwart von Phospholinoxid, dadurch gekennzeichnet, daß man Methylen-bis-(phenylisocyanat) in Gegenwart von 0,05 bis 10 ppm eines Phospholinoxids auf 180°C bis 300°C erhitzt und das Reaktionsgemisch nach Erreichen des gewünschten Isocyanatgehalts auf 100°C oder eine niedrigere Temperatur abschreckt.
2. Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man als Phospholinoxid ein p-Methyl-phospholinoxid-Isomerengemisch verwendet.
3. Verfahren gemäß Anspruch 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß man die Umsetzung im Temperaturbereich von 180°C bis 240°C durchführt.
4. Verfahren gemäß Anspruch 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß man die Umsetzung im Temperaturbereich von 190 bis 210°C durchführt.
5. Verfahren gemäß Anspruch 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß man die Umsetzung durch Abschrecken auf 10 bis 60°C abbricht.
6. Verwendung des gemäß Anspruch 1 bis 5 erhaltenen Methylen-bis-(phenylisocyanats) als Isocyanatkomponente bei der Durchführung des Isocyanat-Polyadditionsverfahrens. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage dieser Patentansprüche zu erteilen.
V. Zur Begründung führte die Beschwerdeführerin letztlich folgendes aus: Was die Änderung des Hauptanspruchs betreffe, müsse anerkannt werden, daß "Abschreckung" gemäß der ursprünglichen Beschreibung als bevorzugte Maßnahme herausgestellt worden sei. Die Anmelderin habe ein Recht, sich auf den bevorzugten Bereich zurückzuziehen. Wie die Beispiele und die eingereichten Vergleichsversuche zeigten, sei dieses Merkmal wesentlich, weil die Reinheit und Lagerstabilität auch von dieser Bedingung günstig beeinflußt würden.
Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit bestätigte die Beschwerdeführerin, daß Aufgabe der Erfindung die Verbesserung des bekannten Verfahrens zur Herstellung von flüssigem und lagerstabilem Methylen-bis-(phenylisocyanat) (abgekürzt MBP) durch dessen Erhitzen in Gegenwart eines Phospholinoxid-Katalysators (PO) gewesen sei. Dabei habe man beabsichtigt, eine Steuerung des Carbodiimidisierungsgrads ohne die übliche Benutzung eines Katalysatorgifts zu verwirklichen und unerwünschte Begleitprodukte, wie die Reste des Katalystors selbst oder bestimmte schwerlösliche Uretonine als Nebenprodukte zu vermeiden. Diese Aufgabe werde durch die o.g. wesentlichen Maßnahmen gelöst, nämlich durch die relative verminderte Katalysatormenge, die Erhöhung der Reaktionstemperatur und die plötzliche Abschreckung des Reaktionsgemisches statt bloße Abkühlung. Die Kombination dieser Bedingungen sei neu und erfinderisch. Die angezogenen üblichen Methoden mit einem PO-Katalysator bedienten sich niedriger Temperaturen und verschiedener Katalysator gifte. Verzichtet man auf einen Katalysator, so müsse man bei hohen Temperaturen arbeiten und mit Qualitätsverlust rechnen. Keines dieser Verfahren wende Abschreckung an. Nur durch die Erkenntnis, daß der Katalysator in erhöhtem Temperaturbereich völlig zerfällt, sei die erwünschte Kontrolle und die Vermeidung der Katalysatorgifte möglich geworden. Auch sei es unerwartet, daß die Abschreckung die Reinheit und Stabilität weiter verbessere. Die Versuchsergebnisse zeigten, daß ohne Katalysator und Abschreckung starke Verfärbung oder Trübung, Bodenbelag und Kristallisation aufträten. Nach dem Stand der Technik könnte man sogar mit Überschuß an Katalysatorgiften keine zufriedenstellende Lagerstabilität erreichen.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2.1. Alle Ansprüche sind auf ein Abschrecken des Reaktionsgemisches nach Erreichen des gewünschten Isocyanatgehalts eingeschränkt. Bereits in den Erstunterlagen war diese Maßnahme als bevorzugte Art des Abkühlens hervorgehoben. Alle Beispiele, die das Gesamtverfahren erläutern, sind unter solchen Bedingungen durchgeführt worden. Die Anmelderin hat ein Recht, die Ansprüche und die Beschreibung auf solche Gegenstände zu beschränken, die begrifflich deutlich und in Kombination mit anderen Merkmalen durch die Beschreibung gestützt sind. Die Beschwerdeführerin hat mit weiteren Erläuterungen die Grenzen des Ausdrucks gemäß dem allgemeinen Fachwissen klargemacht. In formeller Hinsicht ist die Änderung daher zulässig.
2.2. Die Prüfungsabteilung kann natürlich, gestützt auf Unterlagen, Literatur oder allgemeines Fachwissen, die Änderung oder Einfügung eines Merkmals als tatsächlich technisch relevant bezweifeln, besonders dann, wenn eine solche Berichtigung des Anspruchs für Neuheit oder erfinderische Tätigkeit kritisch sein sollte. Die Beweislast liegt dann bei der Anmelderin, die Zweifel auszuräumen und das Gegenteil glaubhaft zu machen. Dem ist im vorliegenden Fall im Beschwerdeverfahren durch Vorlage von Vergleichsversuchen mit Abschrecken gegenüber Abkühlen entsprochen worden. Der Sachverhalt stützt das Argument, daß diese Maßnahme wesentlich sei.
3. Der geltende Hauptanspruch wurde auch im Hinblick auf die PO-Konzentration und Reaktionstemperatur eingeschränkt. Der beanspruchte Bereich (von 0,05 bis 10 ppm) findet seine Stütze in der Beschreibung (Seite 7, Zeilen 28 und 29). Obwohl dort ein allgemeiner Bereich "von 1 ppb bis 10 ppm, vorzugsweise von 0,05 bis 5 ppm" angegeben ist, kann der nunmehr beanspruchte Teilbereich als offenbart betrachtet werden. Die Endpunkte sind spezifisch genannt, und dem Fachmann waren auch die außerhalb des bevorzugten Gebiets liegenden beiden Teilbereiche des allgemeinen Bereichs eindeutig und unmittelbar erkennbar. Die beanspruchte einfache Unterkombination dieser Teilbereiche der Konzentrationswerte würde als eine "Auswahl" keine Neuheit genießen, so daß die Beschränkung keinen neuen Gegenstand im Sinne des Artikels 123(2) bedeutet. Dasselbe gilt für den nunmehr beanspruchten Temperaturbereich von 180 bis 300°C, der ähnlicherweise unmittelbar herleitbar ist durch Kombination des allgemeinen Bereichs von 150 bis 300°C mit dem bevorzugten Temperaturbereich von 180 bis 240°C (Originaltext Seite 6, Zeile 26). Die Änderungen des Anspruchs sind daher zulässig. Die übrigen Patentansprüche stimmen bis auf die zulässige Änderung von Abkühlen in Abschrenken mit der Originalfassung überein und sind gleichfalls nicht zu beanstanden.
3.1. Die Neuheit des Anmeldungsgegenstandes gegenüber den fünf zitierten Patentschriften wurde durch die Vorinstanz anerkannt. Diese Dokumente weisen auch auf andere Patentschriften hin, und die Anmelderin hat selbst weitere Veröffentlichungen, die den Stand der Technik charakterisieren, eingeführt. Alle diese Dokumente geben keine Veranlassung, die Neuheit des Anmeldungsgegenstandes in Frage zu stellen.
3.2. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Anmeldungsgegenstandes ist die Entwicklung des Standes der Technik von Bedeutung. Es war wohlbekannt, daß MBP durch teilweise Carbodiimidisierung in ein flüssiges Gemisch mit einem gegenüber reinem MBP niedrigeren Schmelzpunkt übergeführt werden kann. Das Gemisch kann jedoch für alle üblichen Polykondensationsreaktionen als Ersatz für das reine Material eingesetzt werden, ohne daß vorher die Flüssigkeit filtriert oder vorerwärmt werden muß. Die Technik war stark bemüht, solche MBP-Derivate in guter Qualität zu erzeugen. Die US-A-3 152 162(1) verwendet hohe Temperaturen (150° bis 300°, vorzugsweise 180° bis 220°C) für einen längeren Zeitraum (10 bis 15 Stunden), um die gewünschte Carbodiimidisierung ohne Katalysator zu erreichen. Die Reaktion wurde durch Kühlen abgebrochen. Das Erzeugnis war flüssig im Falle von Isomerengemischen, kristallisierte aber, wenn reines MBP benutzt worden war (Beispiel 3). Dieses Beispiel zielte auf einen höheren Umwandlungsgrad, anscheinend wurde aber kein annehmbares Produkt erhalten, wie auch Versuche der Beschwerdeführerin zeigen (s. Anlage zur Beschwerdebegründung).
3.3. Die Weiterentwicklung der Carbodiimidisierung wendet sich dann der Beschleunigung der Reaktion mittels eines Katalysators zu. Hierfür wurden wesentliche Katalysatormengen (3-5), z.B. Triethylphosphat oder Biuret, bei Temperaturen über 150°C verwendet (s. DE-A-1 593 619(2) oder DE-A-1 668 083 (3)). Die zuletzt genannte Patentschrift betont die Notwendigkeit, einen Katalysator einzusetzen, der bei Zimmertemperatur vollständig unwirksam ist, und bedient sich der Methode des Abschreckens, um die Bildung der Dimeren zu vermeiden.
3.4. Es ist bedeutungsvoll, daß man nach der ersten Phase der Arbeitsweise bei hohen Temperaturen ohne oder mit einem verhältnismäßig unwirksamen Katalysator zu den hochwirksamen Phospholinoxiden (PO) überging. Die Absicht war, die Reaktionstemperatur unter 150°C, bes. unter 100°C zu senken. Die Verfahren nach der FR-A-2 306 197(4), dar FR-A-2 322 129(5) und der FR-A-2 341 605(6) verwenden alle PO in Kombination mit verschiedenen Katalysatorgiften, um die weitere Wirksamkeit des Katalysators während der Lagerung bei Zimmertemperatur zu vermeiden. Die einzige alternative Lösung hierzu war die Umwandlung das permanent wirksamen PO-Katalysators in einen unlöslichen und abtrennbaren Zustand, d.h. in einen heterogenen Katalysator-Komplex (FR-A-229 353(7)).
3.5. Aus den Bemerkungen in den o.g. Dokumenten des Standes der Technik und aus entsprechenden Querverweisungen in Patentschriften schließt die Kammer, daß bestimmte Tatsachen in diesem Spezialfeld der Technologie allgemein erkennbar waren. Erstens, der Katalysator entspricht entweder dem Typ, der wegen seiner vergleichsweise viel geringeren Wirksamkeit nur bei höheren Temperaturen aktiv ist, oder er stellt ein hochwirksames PO dar, das (a) als ein homogener Katalysator bei niedrigen Temperaturen und (b) in Verbindung mit einem Gift zu benutzen ist, wenn es nicht in einer unlöslichen und leicht trennbaren Form eingesetzt wird. Zweitens, der ersterwähnte Typ muß durch Kühlung oder Abschrecken (3) inaktiviert werden, während dagegen der letztere keine künstliche Kühlung erfordert (4,5 und 6).
3.6. Die dritte Folgerung betrifft die ungünstige Qualität der Umwandlungsprodukte, denn kein oder weniger Katalysator erfordern eine höhere Temperatur oder eine längere Reaktionszeit (1,4 usw.). Es wurden auch Zweifel über die Wirksamkeit dieser Gifte zum Ausdruck gebracht und sogar auch über die vollständige Inaktivität des Katalysators des ersterwähnten Typs bei Zimmertemperaturen. All diese Tatsachen waren auf diesem Gebiet technisches Allgemeingut.
4.1. Die Beschwerdeführerin sieht im wesentlichen drei Merkmale zur Lösung der o.g. Aufgabe als erfindungswesentlich an: (1) kleine PO-Mengen, (2) erhöhte Temperaturen und (3) Abschrecken statt Abkühlen. Es ist durch Vergleich mit dem relevanten Stand der Technik auch erkennbar, daß die Abwesenheit des Katalysatorgifts ein wichtiges zusätzliches Charakteristikum sein könnte. Eigentlich ist die Verwendung von verminderten PO-Mengen an sich nicht neu, wenngleich der anmeldungsgemäß bevorzugte Konzentrationsbereich etwas niedriger ist als der nach dem Stand der Technik. Vorher wurden niedrigere Temperaturen vorgezogen und Katalysatorgift war unvermeidbar. Die früheren PO-Verfahren stellten eine Abkehr von der Hochtemperatur-Technik mit Katalysatoren dar, die durch Abkühlung wesentlich inaktiviert werden konnten. Man war sich bewußt, daß unter solchen Bedingungen mit dunkleren Produkten zu rechnen wir. Die Entwicklungstendenz ging in die Richtung immer besserer Gifte (4, 5 und 6), oder der Komplex-Bildung (7). Sie zielte aber gerade nicht auf das Weglassen des Katalysatorgiftes.
4.2. Die anmeldungsgemäß gefundene Lösung basiert auf der Entdeckung, daß PO bei erhöhten Temperaturen stufenweise vollständig eliminiert wird; denn ohne diese reproduzierbare und kontrollierbare Zersetzung des Katalysators wäre die Lösung der Aufgabe, d.h. eine verbesserte Lagerstabilität nicht möglich. Es gab schon Zweifel über die Zuverlässigkeit des Reaktionsabbruchs mit Gift, aber keinesfalls hätte man das Reaktionsgemisch ohne Gift gelassen. Die Versuchsergebnisse der Anmelderin (s. mit Schreiben vom 21. Febr. 1980) zeigen, daß sich bei der Nacharbeitung der Verfahren nach (4) und (5) mit einem Überschuß an Giften nur eine zweifelhafte langfristige Stabilität einstellt.
4.3. Ohne die Erkenntnis, daß sich PO bei höheren Temperaturen vollständig eliminieren läßt, würde die Anwendung des Giftes noch immer die beste Lösung geblieben sein. Durch Temperaturerhöhung konnte man nur Nachteile erwarten, so daß kein Anreiz in dieser Richtung - auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Optimierung - bestand. Dem Argument der Prüfungsabteilung, daß ein Bedürfnis zur Verringerung der PO-Konzentration existierte, woraus die Temperaturerhöhung automatisch folgte, kann nicht zugestimmt werden. Hierbei handelt es sich um eine unzulässige ex-post-Betrachtung. Vielmehr ergibt sich aufgrund der oben gemachten Ausführungen, daß gegen die Verringerung der Katalysatormenge mit gleichzeitiger Temperaturhöhung eher ein Vorurteil bestand.
5.1. Während die Verbesserung der langfristigen Stabilität als Hauptaufgabe durch die vollständige Zerstörung des Katalysators gelöst wird, stellt das Abschrecken gegenüber dem viel langsameren Abkühlen selbst die Lösung einer weiteren Teilaufgabe mit sofortigen Vorteilen dar. Die Vergleichsversuche wurden unter sonst identischen Bedingungen durchgeführt, so daß die Abwesenheit von Trübung und Verbräunung der Geschwindigkeit des Abkühlens zugeschrieben werden muß.
5.2. Keine der drei PO-Methoden des Standes der Technik deuten die Notwendigkeit einer künstlichen Abkühlung an, geschweige denn Abschrecken. Die Patentschrift (6) erwähnt (3) als den Stand der Technik, und das letztere Dokument empfiehlt Abschrecken, um Nebenreaktionen zu vermeiden. Dieses Verfahren wendet jedoch keinen PO-Katalysator, sondern einen Katalysator das o.g. Typs an (s.3.3) mit ganz anderen Eigenschaften und Wirkungen. Das konnte auch für die Richtung und Art der Nebenreaktionen von Bedeutung sein. Es war bekannt, daß einerseits die PO-Verfahren und andererseits die früheren katalytischen Methoden einander gegenseitig ausschließende Bedingungen anwenden. Daher ist es nicht gerechtfertigt, eine Kombination dieser Dokumente, d.h. (6) mit (3) vorzunehmen. Der vorteilhafte Effekt liefert daher einen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit des Gasamtverfahrens.
6. Zusammenfassend ergibt sich, daß angesichts der Aufgabenstellung weder die Methoden des Standes der Technik im einzelnen, noch ihre Kombination jeweils zusammen mit dem allgemeinen Fachwissen die erfindungsgemäße Lösung mit den erzielten vorteilhaften Effekten vorhersehbar machten. Obwohl es unzulässig ist, nicht rückbezogene oder einander widersprechende Dokumente miteinander zu kombinieren, um die erfinderische Tätigkeit zu verneinen, ist jedoch erlaubt, verschiedene Dokumente mosaikartig zusammen zu betrachten, um ein Vorurteil oder eine von der Erfindung wegweisende allgemeine Tendenz zu belegen. Die Idee, von dem als unverzichtbar angesehenen Katalysatorgift abzugehen, stellt in Verbindung mit der Lehre, die PO-Katalysatoren bei höherer Temperatur zu zersetzen, eine wertvolle Vereinfachung der Technik dar, die nicht ohne erfinderische Tätigkeit aufgefunden werden konnte.
7. Die Beschwerdeführerin hat den Wortlaut der Ansprüche mit Schreiben vom 29. März 1982 gebührend eingeschränkt. Die beanspruchten Varianten sind durch die Beispiele und die vorgelegten Versuchsergebnisse glaubhaft gestützt und erscheinen für die Lösung der gestellten Aufgabe entsprechend geeignet. Die Abwesenheit des Katalysatorgifts ist zwar nicht anspruchsgemäß erwähnt. Sie schien der Kammer als Negativ-Merkmal auch nicht notwendig.
8. Aus den dargelegten Gründen hält die Kammer die Beschwerde für begründet.
9. Es ist kein Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ gestellt worden. Da entscheidendes Beweismaterial erst im Beschwerdeverfahren vorgelegt wurde, würde der hier vorliegende Sachverhalt eine solche Maßnahme nicht rechtfertigen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 19. Nov. 1980 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, ein europäisches Patent aufgrund der folgenden Unterlagen zu erteilen:...