T 0268/13 07-07-2017
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Herstellungsverfahren für ein mehrlagiges Dekorband mit einer Reliefstruktur und einer Aluminiumschicht
Anspruchsauslegung
Klarheit (ja)
Unzulässige Erweiterung (nein)
Zulässigkeit der Entgegenhaltungen (ja)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Bedeutung von Produktmerkmalen für die Auslegung eines Verfahrensanspruchs (siehe Punkt 2.8)
Klarheit und Symbolwert eines Zeichens (siehe Punkt 3.)
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das europäische Patent Nr. 1 880 869 in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann, Beschwerde eingelegt.
II. In ihrer Entscheidung hat sich die Einspruchsabteilung unter anderem auf folgende Druckschriften bezogen:
E1: GB 2 360 011 A;
E2: US 3,565,734;
E3: JP 40-26290 mit englischer Übersetzung;
E4: US 3,136,676;
E7: GB 1 076 033;
E9: DE-U 1 800 639;
E10: DE-U 200 16 842;
E13: DE 1 943 138;
E14: US 3,780,152;
E15: DE 1 288 298;
E16: DE 40 29 701 A1;
E19: US 3,246,066.
III. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer hat am 7. Juli 2017 stattgefunden.
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des Hauptantrags oder einer der Hilfsanträge 1 bis 11, alle eingereicht mit Schreiben vom 7. Juni 2017 eingereicht, aufrechtzuerhalten.
V. Antrag 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (die von der Kammer benützte Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern angegeben):
"[A] Verfahren zur Herstellung eines mehrlagigen Dekorbandes [B] mit reliefartiger Struktur [C] aus Text oder graphischem Symbol, umfassend [D] eine Oberlage (12) [E] aus Metall, vorzugsweise Aluminium, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst:
a) [F] Einführen eines dünnen Metallbands (121) zur Ausbildung der Oberlage in eine Prägeeinheit (30) und Einprägen der reliefartigen Struktur (18) in die Oberseite (22) und [G] einer komplementären reliefartigen Struktur in die Unterseite (24) der Oberlage (12) und
b) [H] nachfolgend Anbringen einer Verstärkungslage (14) aus Kunststoff [I] an die komplementäre reliefartige Struktur der Oberlage (12) [J] derart, dass die Verstärkungslage (14) an der gesamten Unterseite (24) der Oberlage (12) fest anliegt und die reliefartige Struktur der Oberseite (22) nicht mehr verändert wird."
VI. Die Beschwerdeführerin hat Folgendes vorgetragen:
a) Klarheit
Das Merkmal, dass das herzustellende Dekorband eine reliefartige Struktur "aus Text oder graphischem Symbol" aufweise, sei unklar. Es sei schwierig, festzustellen, ob eine bestehende Struktur ein Text, ein graphisches Symbol oder etwas anderes sei. In diesem Zusammenhang legte die Beschwerdeführerin mehrere Beispiele vor, um diese Schwierigkeit zu illustrieren. Die Begriffe 'Symbol' und 'Text' seien in sich unklar. Der Fachmann könne daher den Schutzbereich nicht genau festlegen, was der Rechtssicherheit Dritter abträglich sei. Die Tatsache, dass der Fachmann gewisse Strukturen zweifellos nicht als Symbol wahrnehmen würde, mache den Begriff nicht klar. Was ein Symbol sei, das hänge vollkommen von mentalen Prozessen des Betrachters und von Konventionen ab. In dieser Hinsicht verhalte es sich anders mit Worten, da Worte eine objektive Bedeutungsspanne haben. Beim Symbol liege die Schwierigkeit nicht in der Sprache. Es gebe vielmehr keine objektiven Kriterien dafür, ob einem Gegenstand Symbolgehalt zugeschrieben wird oder nicht.
b) Zulässigkeit der Änderungen
Das Merkmal, das die Struktur "aus Text oder graphischem Symbol" besteht, sei aus der Beschreibung in Anspruch 1 aufgenommen worden. Die erste Offenbarungsstelle finde sich auf Seite 9, Zeilen 4-7 der Teilanmeldung; sie offenbare, dass ein dünnes Aluminiumblech geprägt wird, welches beidseitig mit Kunststofflagen verbunden ist. Im Kontext des einzigen Ausführungsbeispiels (ab Seite 8, Zeile 20, bis Seite 9, Zeile 30) seien noch andere Merkmale aufgeführt: schwache Verbindung der oberen Kunststofflage mit der Aluminiumlage; durchsichtige PVC-Lage; geringe Steifigkeit; Angaben zur Dicke. Aus diesem Kontext sei ein einziges Merkmal herausgegriffen worden. Dies wäre zulässig, wenn der Fachmann zweifelsfrei erkennen könne, dass keinerlei funktionale oder strukturelle Verbindung zwischen dem herausgegriffenen Merkmal und den übrigen Merkmalen bestehen. Dafür gebe es aber gerade keinen Hinweis. Die Merkmale hätten vielmehr etwas miteinander zu tun. Wenn zum Beispiel die Prägung sehr scharfkantig wäre, dann wäre möglicherweise die Schutzlage gar nicht mehr leicht entfernbar. Es bestünde auch ein Zusammenhang zwischen der Struktur als Text oder graphisches Symbol und der Durchsichtigkeit der Schutzlage. Auch könne die Schutzlage von einem anderen Material als Aluminium möglicherweise gar nicht abgezogen werden. Es gebe also viele Hinweise, dass eine Beziehung zwischen den verschiedenen offenbarten Merkmalen bestehe. Es sei richtig, dass der ursprüngliche Anspruch 12 das Merkmal Aluminium nur als bevorzugte Variante enthalten habe, aber das habe nichts mit der Frage zu tun, ob man aus dem Ausführungsbeispiel ein Merkmal herausgreifen könne. Die ursprünglichen abhängigen Ansprüche 13-18 würden auch nichts zur Diskussion beitragen. Die Beschwerdeführerin stelle das Merkmal "Text oder graphisches Symbol" plötzlich als erfindungswesentlich dar, um sich vom Stand der Technik abzugrenzen, obwohl der Fachmann aus der Anmeldung nicht erkennen könne, dass diesem Merkmal allein eine Bedeutung für die Erfindung zukomme.
c) Zulässigkeit der Entgegenhaltungen E15 und E19
Die Beschwerdeführerin schloss sich der vorläufigen Auffassung der Kammer an. Die Kammer habe nicht die Möglichkeit, im Verfahren befindliche Druckschriften wieder aus dem Verfahren auszuschließen.
d) Neuheit
Anspruch 1 des Patents ist ein Verfahrensanspruch; für das Verfahren sei es gleichgültig, was mit dem Produkt geschehe. Die Begriffe 'Oberseite' und 'Unterseite' hätten nichts damit zu tun, wie das Produkt hinterher verwendet werde; es gehe nur darum, wie die Verstärkungslage im Verfahren aufgebracht werde. Die Unterseite der Oberlage sei definiert als die Seite, an der die Verstärkungslage angebracht wird.
i) Gegenüber der Druckschrift E19
Im Verfahren der Druckschrift E19 werde eine Folie geprägt und in eine Form eingelegt; dann werde eine durchsichtige Kunststofflage aufgespritzt. Da die Folie sehr dünn sei (Spalte 3, Zeile 19: "between two and five thousands of an inch"), könne die wesentlich dickere Kunststofflage als Verstärkungslage angesehen werden. Das entspreche genau dem Verfahren nach Anspruch 1. Die einzige streitige Frage bestehe darin, ob die Druckschrift das Merkmal C offenbare. In Spalte 1, Zeile 27, sei von "indicia" die Rede, worunter ein Symbol zu verstehen sei. Noch klarer sei die Offenbarung der Figur 1 mit einer Abfolge von Rechteck 16, Quadrat 18 und Rechteck 20, die geeignet sei, als Symbol zu dienen:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Damit sei die Druckschrift E19 neuheitsschädlich für den Anspruch 1.
ii) Gegenüber der Druckschrift E1
Die Druckschrift E1 offenbare eine Mobilfunkoberschale, die eine gewisse Flexibilität aufweise und der von der Kammer vorgeschlagenen Definition eines Bandes entspreche. Es bestehe eine Ähnlichkeit mit Dekorbändern, wie sie in der Automobilindustrie verwendet werden, da auch dort die Ränder gebogen seien. Auf Seite 1, Zeile 26, sei von einem "decorative surface finish" die Rede; vgl. auch Seite 2, Zeilen 21-22: "... decorative and/or functional features such as depressions ...". Das Merkmal C sei kein technisches Merkmal und daher bei der Neuheitsprüfung nicht zu berücksichtigen. Daher nehme die Druckschrift E1 den Gegenstand von Anspruch 1 neuheitsschädlich vorweg.
iii) Gegenüber der Druckschrift E15
Wie aus der Figur 1 hervorgehe, werde unzweifelhaft ein Band hergestellt.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Dass das Band flexibel sein müsse, davon sei weder im Anspruch noch im restlichen Streitpatent die Rede. Die gebräuchlichen Dekorbänder in der Automobilindustrie hätten sehr unterschiedliche Flexibilität. Der Begriff "Dekorband" sei subjektiv und eigentlich unklar, aber das Band der Druckschrift E15 mit seinen kalottenartigen Erhebungen (Figur 4) habe auch eine dekorative Wirkung. Das Merkmal C sei kein technisches Merkmal und daher bei der Neuheitsprüfung nicht zu berücksichtigen. Daher nehme die Druckschrift E15 den Gegenstand von Anspruch 1 neuheitsschädlich vorweg.
iv) Gegenüber der Druckschrift E13
Die Figur 1 zeige, dass ein Band hergestellt werde.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Dieses Band habe eine dekorative Wirkung (Seite 3, Zeile 2: "geschmacklich eigentümlich geformte Oberfläche"). Seine metallische Natur sei auf Seite 2, Zeile 3 offenbart. In der Figur 3 sei die Mehrlagigkeit erkennbar. Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdegegnerin könne eine Schaumschicht sehr wohl eine Metallfolie oder eine Kunstlederschicht (Seite 2, Zeile 3) verstärken. Das Merkmal C sei kein technisches Merkmal und daher bei der Neuheitsprüfung nicht zu berücksichtigen. Daher sei auch die Druckschrift E13 neuheitsschädlich für den Anspruch 1.
v) Gegenüber der Druckschrift E16
Auch in der Druckschrift E16 werde ein Band hergestellt (siehe Spalte 1, Zeile 9), das als Dekorband verstanden werden könne. Das Merkmal C sei kein technisches Merkmal und daher bei der Neuheitsprüfung nicht zu berücksichtigen. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei daher auch nicht neu gegenüber der Druckschrift E16.
e) Erfinderische Tätigkeit
i) Ausgehend von der Druckschrift E19
Die Druckschrift E19 sei ein geeigneter Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Die Kernmerkmale von Anspruch 1 (Prägen der Folie, Anbringen einer Verstärkungslage) seien dort offenbart. Es sei naheliegend, den Gegenstand damit zu fertigen. Wie der Gegenstand verwendet werde, das spiele für das Verfahren keine Rolle. Was die Unterseite oder die Oberseite ist, definiere sich aber durch die Verwendung und sei daher für das Herstellungsverfahren irrelevant.
Auf die Frage der Kammer hin erklärte die Beschwerdeführerin, dass die gelöste Aufgabe darin gesehen werden könne, einen anders zu verwendenden Gegenstand zu fertigen. Eigentlich werde gar keine technische Aufgabe gelöst, denn ob eine Seite die Oberseite oder die Unterseite sei, das sei eine reine Konventionsfrage. Man könne die Aufgabe vielleicht so umschreiben, dass es darum gehe, das Verfahren so anzupassen, dass man den damit gefertigten Gegenstand von der anderen Seite ansehen könne. Dennoch handle es sich technisch um dasselbe Verfahren. In Abwesenheit einer technischen Aufgabe sei die Lösung aber per se naheliegend.
Das zweite Unterscheidungsmerkmal ("Text oder graphisches Symbol") trage nicht zum technischen Charakter der Erfindung bei. Es löse die Aufgabe, Information zu vermitteln. Ein nichttechnisches Merkmal könne aber weder die Neuheit noch die erfinderische Tätigkeit begründen. In diesem Zusammenhang zitierte die Beschwerdeführerin die Entscheidungen T 154/04 und T 641/00 (Comvik), und wies darauf hin, dass letztere durch die Entscheidung G 3/08 bestätigt wurde.
Ergänzend stellte die Beschwerdeführerin noch fest, dass es möglich sei, die beidseitig aufgebrachten Beschichtungslagen der Variante der Figur 3 als Verstärkungslagen anzusehen. Der Begriff Verstärkungslage sei breit auszulegen. Der Vorteil dieser Lage bestehe in der Verbesserung der Schutzwirkung. Eine dickere Schicht würde die Schutzwirkung erhöhen.
ii) Ausgehend von der Druckschrift E14
Die Druckschrift E14 offenbare ein sehr ähnliches Verfahren. Das damit hergestellte Band sei C-förmig gekrümmt:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Darüber liege eine dünne Metallschicht 13, die geprägt (Spalte 3, Zeile 9: "embossed") und von einer Schutzlage 14 bedeckt sei. Bei der Fertigung werde das Metallband abgerollt und in eine Koextrusions-vorrichtung eingeführt, wo die beiden Lagen von unten und oben aufextrudiert würden. In Spalte 1, Zeilen 25-30 sei offenbart, dass es sich um dieselben Anwendungen ("trim strips to protect and enhance the exterior appearance of autos") wie im Streitpatent handle.
Anspruch 1 unterscheide sich von der Lehre der Druckschrift durch das Merkmal G, da beim Prägen nicht notwendigerweise die komplementäre reliefartige Struktur auf der Unterseite entstehe, sowie durch das Merkmal C, das aber ein nicht-technisches und daher nicht zu berücksichtigendes Merkmal darstelle.
In der Druckschrift sei aber offenbart, dass die Metallschicht dünn sei ("metal foil"; siehe auch die Abbildungen). Bei der Prägung eines solchen Streifens entstehe an der Unterseite notwendigerweise eine gewisse Komplementarität. Daher könne das Merkmal G keine erfinderische Tätigkeit begründen. Die Komplementarität als solche habe auch für das Verfahren keinerlei Bedeutung. Deshalb sei der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber der Druckschrift E14 naheliegend.
iii) Ausgehend von der Druckschrift E7
Die Druckschrift E7 offenbare, dass eine Metallfolie 82 (Seite 4, Zeile 55) mit einer Verstärkungslage 80 an der gesamten Unterseite (Seite 4, Zeile 54; Figur 4; Seite 2, Zeilen 37-44) und einer Schutzschicht 84 versehen wird.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Dies geschehe durch Koextrusion. Es sei aus der Figur 4 erkennbar, dass es sich (ungeachtet des Fortsatzes) um ein Band handle. Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von der Lehre der Druckschrift E7 dadurch, dass das Metall geprägt ist. Dieses Unterscheidungsmerkmal könne aber keine erfinderische Tätigkeit begründen. Im Stand der Technik gebe es unzählige geprägte Metallbänder mit reliefartiger Struktur (siehe zum Beispiel die Druckschriften E2-E4). Es sei daher für den Fachmann naheliegend, auch ein geprägtes Metallband zu verwenden. Das Prägen sei leicht zu integrieren (siehe Figur 8), denn es genüge, die Walze als Prägewalze auszubilden. Deshalb sei der Gegenstand von Anspruch 1 auch gegenüber der Druckschrift E7 naheliegend.
iv) Ausgehend von den Druckschriften E2-E4, E9 und E10
Diese Druckschriften würden beidseitig in Kunststoff eingebettete, geprägte Metallbänder offenbaren. Es handle sich ausdrücklich um dekorative, bandförmige Objekte. Der einzige Unterschied zu Anspruch 1 bestehe im Merkmal C, das aber bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt werden könne.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat Folgendes vorgetragen:
a) Klarheit
Ein Patent richte sich an den Fachmann. Dieser habe keine Schwierigkeiten mit den Begriffen 'Text' und 'Symbol'. Ein Symbol sei etwas, das visuell als Einheit wahrnehmbar ist und sich als Bedeutungsträger eigne. Texte und Symbole grenzen den Anspruchsgegenstand gegenüber gleichmäßigen Punktmustern, einfachen Oberflächenstrukturierungen wie Marmorierungen, oder Facettierungen, die Lichtbrechungseffekte hervorrufen sollen, ab. Der Begriff 'Symbol' sei breit, aber nicht unklar. Er sei auch im Einspruchsverfahren nicht thematisiert worden. Die Tatsache, dass es strittige Beispiele gebe, sei an sich noch kein Problem.
b) Zulässigkeit der Änderungen
Es handle sich um ein Paradebeispiel einer zulässigen Zwischenverallgemeinerung, da kein klarer funktioneller oder struktureller Zusammenhang des herausgegriffenen Merkmals mit den anderen Merkmalen bestehe. Der Zusammenhang mit der Aluminiumlage sei von der Beschwerdeführerin konstruiert worden. Der Fachmann sehe das Merkmal im Zusammenhang mit der Offenbarung des zweiten Absatzes auf Seite 1 und verstehe, dass Dekorbänder Text oder graphische Symbole aufweisen können. Dies hänge von der Verwendung des Dekorbandes ab. Für den Fachmann sei klar, dass das völlig unabhängig sei vom Material, der Schichtenfolge und der Schichtdicke usw.
c) Zulässigkeit der Entgegenhaltungen E15 und E19
Die Einspruchsabteilung hätte die Druckschrift E15 und insbesondere die Druckschrift E19 nicht zulassen sollen. Die Kammer solle diese Druckschriften als verspätet zurückweisen.
d) Neuheit
Anspruch 1 betreffe ein Herstellungsverfahren für ein Dekorband. Gemäß dem europäischen Patentrecht bedeute das, dass ein solches Verfahren nicht nur geeignet sein müsse, um das Produkt herzustellen, sondern dass das Verfahren auch tatsächlich ein entsprechendes Produkt liefern müsse. Deshalb sei die Unterseite der Oberlage nicht definiert durch die Verstärkungslage, sondern dadurch, welche Seite schließlich im Dekorband sichtbar ist.
i) Gegenüber der Druckschrift E19
In der Druckschrift E19 werde ein völlig anderes Produkt hergestellt als im Verfahren nach Anspruch 1. Das Streitpatent ziele auf ein Dekorband ab, das den Eindruck erwecke, es sei aus dem Vollen gefräst; in der Druckschrift E19 gehe es darum, einen Gussgegenstand ("molded article") herzustellen, in dem ein dreidimensionaler Gegenstand wie in Bernstein eingelassen erscheine. Auch das Merkmal C gehe aus dem Text nicht unmittelbar und eindeutig hervor.
ii) Gegenüber der Druckschrift E1
Der Begriff 'Band' im Sinne des normalen Sprachgebrauchs umfasse nicht dreidimensionale Bauteile für Mobiltelefone. Die minimalen Abschrägungen, die bei Dekorbändern in der Automobilindustrie vorlägen, seien mit den gebogenen Rändern des Gegenstands der Druckschrift E1 nicht vergleichbar; die Größenordnungen seien ganz anders. Die reliefartige Struktur mit ihren Vertiefungen 8 diene eindeutig einer technischen Funktion (Erleichtern der Ausstanzungen für die Tasten) und sei im fertigen Objekt nicht mehr vorhanden. Selbst wenn man nur das Zwischenprodukt der Figur 5 betrachte, liege die Verstärkungslage nicht an der gesamten Unterseite an. Von fehlender Neuheit könne daher keine Rede sein.
iii) Gegenüber der Druckschrift E15
Auch hier liege ein Band höchstens als Zwischenprodukt vor; das Endprodukt seien zugeschnittene Platten. Eine Hartschaumplatte sei auch keineswegs flexibel. Das Endprodukt sei ganz klar kein Dekorband. Die eingeprägten Strukturen dienten einem technischen Zweck und stellten keine Struktur im Sinne von Merkmal C dar.
iv) Gegenüber der Druckschrift E13
Die Dämmstoffplatten seien kein Dekorband. In der Figur 5 liege keine Mehrlagigkeit vor, da nur die Kugelkalotten aufgefüllt seien. Die Verstärkung werde eigentlich durch die Tragschicht hergestellt; das Schaummaterial diene nicht der Verstärkung. Der Begriff der Tragschicht impliziere auch, dass diese Schicht unten liege.
v) Gegenüber der Druckschrift E16
Die Druckschrift sei der Druckschrift E15 sehr ähnlich und jedenfalls nicht relevanter. Auch hier gebe es kein Dekorband.
e) Erfinderische Tätigkeit
i) Ausgehend von der Druckschrift E19
Die Druckschrift E19 stelle keinen geeigneten Ausgangspunkt dar. Die Schwierigkeit, eine technische Aufgabe zu definieren, sei als solche schon ein Hinweis dafür. Der Verwendungszweck der Bänder gemäß der Druckschrift E19 sei ein anderer. Dort wolle man den Eindruck des Eingegossenen erwecken. Es bestehe keine Notwendigkeit, eine (weitere) Lage an der Unterseite vorzusehen. Die Argumentation der Beschwerdeführerin scheitere am could/would-Ansatz. Eine weitere Schicht würde auch einen zusätzlichen Verfahrensschritt erfordern.
Das Merkmal C sei nicht völlig irrelevant; es handle sich definitiv um ein körperliches Merkmal, das das visuelle Erkennen unterstütze. Es gehe nicht um den Informationsgehalt als solchen. Der entscheidende Unterschied, auf dem die erfinderische Tätigkeit beruhe, sei aber im ersten Unterscheidungsmerkmal zu sehen.
Die Offenbarung der Spalte 3, ab Zeile 40, betreffe eine Beschichtung ('coatings') und stelle keine Verstärkungslage dar. Eine Verstärkungslage müsse eine nicht vernachlässigbare Verstärkung bewirken; das sei hier aber nicht der Fall. Eine dickere Lage würde der Fachmann nicht vorsehen, da ansonsten die Form der Struktur angepasst werden müsste.
ii) Ausgehend von der Druckschrift E14
Der Bauteil 12 der Figur 6 sei keine Verstärkungslage, sondern ein "thermoplastic base member", also ein dreidimensionaler Gegenstand mit einer ausgeprägten C-Form. Er könne vielleicht als Leiste gelten, aber nicht als Band. Eine Prägung sei in Spalte 3, Zeilen 7-11, nur insofern offenbart, als man den Streifen farblich an das Fahrzeug anpasse. Dabei handle es sich üblicherweise nicht um reliefartige Strukturen, die auf der Unterseite eine komplementäre Struktur haben. Der Fachmann habe keinerlei Veranlassung, ausgehend von der Druckschrift E14 das offenbarte Verfahren zu ändern, um ein mehrlagiges Band zu erhalten.
iii) Ausgehend von der Druckschrift E7
Im Gegensatz zur Druckschrift E14 enthalte die Druckschrift E7 nicht einmal einen Hinweis auf eine Prägung. Der erhaltene Gegenstand sei eine Profilleiste mit einem ausgeprägten Vorsprung zur Verankerung. Ein dreidimensionales Objekt mit einem bandartigen Abschnitt könne nicht als Band gelten. Es gebe keine Veranlassung für den Fachmann, eine Prägung vorzunehmen. Die Druckschrift E7 sei insgesamt weniger relevant als die Druckschrift E14.
iv) Ausgehend von den Druckschriften E2-E4, E9 und E10
Der Fachmann würde ein ummanteltes Band nicht als mehrlagiges Band mit einer auf der Unterseite angebrachten Verstärkungslage deuten. Es würden zwar geprägte Folien umspritzt, aber die Prägungen seien fortlaufend und würden keine Struktur aus Text oder graphischem Symbol bilden. Eine solche Struktur würde nicht mit Prägewalzen, sondern mit Stempeln aufgebracht werden.
1. Anzuwendendes Recht
Die dem Streitpatent zugrundeliegende Anmeldung wurde am 13. Januar 2004 eingereicht. Deshalb sind im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 217) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 219) die Artikel 54, 56 und 84 EPÜ 1973 anzuwenden.
2. Auslegung des Anspruchswortlauts
Im Folgenden untersucht die Kammer die Auslegung von Begriffen, die in den Ansprüchen verwendet, im Streitpatent aber nicht explizit definiert sind.
2.1 Band / Dekorband
Laut Duden ist ein Band ein "längerer, schmaler Streifen" von Material. In der Regel bezeichnet der Ausdruck einen Gegenstand, dessen Dicke relativ gering ist im Vergleich zu seiner längsten Ausdehnung, der also relativ flach ist. Der Begriff "Band" suggeriert auch eine gewisse Biegsamkeit insbesondere in Richtung der Dicke; starre Profilteile werden in der Regel nicht als Bänder bezeichnet.
Nichts im Streitpatent scheint dieser üblichen Bedeutung des Begriffs zu widersprechen.
Die Aussage, dass "derartige Dekorbänder auch Verwendung als Typenschilder bzw. Ettiketten (sic) von technischen Gerätschaften aller Art" finden (Streitpatent, Absatz 2) lässt nach Auffassung der Kammer keinen Rückschluss auf die Form und Dimensionierung eines Bandes zu. Insbesondere scheint es nicht zulässig, aus der Form von existierenden Etiketten auf die Definition des Begriffs "Band" rückzuschließen, da das Streitpatent nicht lehrt, dass alle Etiketten oder Typenschilder Bänder im Sinne von Anspruch 1 sind, sondern nur, dass die erfindungsgemäßen Bänder als Typenschild bzw. Etikett zum Einsatz kommen können.
Der Ausdruck "Dekorband" bezeichnet a priori einen Streifen von Material, der der Verzierung dient. Dass das Band auch eine informative Funktion ausüben kann, tut seiner dekorativen Funktion grundsätzlich keinen Abbruch.
2.2 "reliefartige Struktur"
Eine "reliefartige" Struktur ist dem Wortsinn nach eine Struktur nach Art eines Reliefs. Es ist für die Kammer nicht klar, was genau darunter zu verstehen ist. Der Ausdruck ist jedoch im erteilten Anspruch 1 enthalten und kann von der Kammer deshalb nicht als unklar beanstandet werden. Die Kammer deutet den Ausdruck im Sinne von "Reliefstruktur", also einer dreidimensionalen Struktur mit räumlichen Erhöhungen bzw. Vertiefungen.
2.3 Verstärkungslage
Eine Lage kann nur dann als Verstärkungslage der Oberlage gelten, wenn sie eine nicht vernachlässigbare Verstärkung der Oberlage bewirkt. Eine dünne Lackschicht würde diesen Anforderungen in der Regel nicht gerecht werden.
2.4 Oberlage / Oberseite / Unterseite
Der Begriff "Oberlage" weist auf eine oben befindliche Schicht oder Lage hin. Im Zusammenhang mit einem Dekorband würde der Fachmann verstehen, dass die Oberlage eine Lage ist, die für den Betrachter zumindest teilweise sichtbar ist.
Diese Auffassung wird auch dadurch gestützt, dass die Oberseite der Oberlage im Streitpatent einmal als "Sichtseite" bezeichnet wird (Seite 4, Zeilen 6-7 der Anmeldung); es handelt sich dabei ganz offensichtlich um die Seite der Oberlage (und somit des Dekorbandes), die nach dessen Anbringung auf dem zu dekorierenden Gegenstand für den Beobachter sichtbar sein soll.
In der Beschreibung des einzigen Ausführungsbeispiels tragen die Oberseite und die Unterseite der Oberlage (d.h. der Aluminiumlage 12) die Bezugszeichen 22 und 24; das Bezugszeichen 14 bezeichnet die Verstärkungslage.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Angesichts des Vorhandenseins der Schutzlage 16 kann man feststellen, dass die Oberlage im Sinne des Streitpatents nicht notwendigerweise die oberste Lage sein muss; es ist aber zu erwarten, dass jede darüber liegende Lage zumindest teilweise durchsichtig ist.
2.5 "Text oder graphisches Symbol"
Der Begriff "Text" bezeichnet in der Regel eine Kette von alphanumerischen Zeichen oder anderen Schriftzeichen, die mindestens ein Wort (z.B. einen Namen) bilden.
Der Ausdruck "graphisches Symbol" lässt sich definieren als ein visuell wahrnehmbares Gebilde zur sprachunabhängigen Vermittlung von Information. Beispiele sind Logos oder Piktogramme wie z.B. Verkehrszeichen.
Die Beschwerdegegnerin hat eine andere Definition vorgeschlagen, der zufolge ein Symbol etwas ist, das visuell als Einheit wahrnehmbar ist und sich als Bedeutungsträger eignet. Die Kammer kann sich dieser Auffassung insofern nicht anschließen, als ein Symbol sich nicht nur als Bedeutungsträger eignen, sondern ein Bedeutungsträger sein muss.
Obwohl ein Punkt Teil eines Texts sein kann, ist die Kammer der Auffassung, dass ein isolierter Punkt auf einem Band von einem unvoreingenommenen Beobachter nicht als Text oder graphisches Symbol wahrgenommen werden würde.
2.6 "Struktur aus Text oder graphischem Symbol"
Nach Auffassung der Kammer würde der Fachmann unter einer "Struktur aus Text oder graphischem Symbol" eine Struktur verstehen, deren Form dem Beobachter einen Text oder ein Symbol vermittelt.
2.7 "Anbringen"
Der Duden definiert das Verb "anbringen" als "an einer bestimmten Stelle festmachen, befestigen". Das Streitpatent scheint das Wort in diesem Sinne zu verwenden.
2.8 Bedeutung der Produktmerkmale für die Auslegung des Verfahrensanspruchs
Die Kammer kann sich dem Argument der Beschwerdeführerin, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 nur durch die Verfahrensschritte definiert wird, nicht aber von dem herzustellenden Produkt, nicht anschließen. Laut Oberbegriff betrifft Anspruch 1 ein Verfahren zur Herstellung eines mehrlagigen Dekorbandes mit reliefartiger Struktur aus Text oder graphischem Symbol, das eine Oberlage umfasst. Nur solche Verfahren werden vom Anspruch erfasst, und nur Verfahren, die zur Herstellung eines solchermaßen definierten Dekorbandes führen, können - wenn sie auch die eigentlichen Verfahrensschritte umfassen - den Anspruch neuheitsschädlich treffen. Die Rechtsprechung betreffend Produkte für einen bestimmten Zweck lässt sich insofern in der Regel nicht auf Verfahren zur Herstellung von Produkten anwenden.
In diesem Zusammenhang kann sich die Kammer den Ausführungen in den "Richtlinien für die Prüfung", Abschnitt F-IV 4.13 (Fassung vom November 2016) und insbesondere ihrer Auslegung der Entscheidung T 304/08 nicht anschließen. Diese Entscheidung beschäftigte sich mit der Angabe einer bestimmten Wirkung (Verringerung von üblem Geruch) in einem Verfahrensanspruch. Merkmale, die die Herstellung eines bestimmten Gegenstands betreffen, sind aber von Wirkungsangaben zu unterscheiden (siehe auch die Entscheidungen T 1384/08 vom 16. Dezember 2010, Punkte 5.1.3-4 der Entscheidungsgründe, und T 2111/13 vom 22. Juli 2014, Punkt 3 der Entscheidungsgründe).
3. Klarheit
Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass es fast unmöglich ist, allgemein festzulegen, was als Text oder graphisches Symbol gelten kann. Diese Schwierigkeit wurde von der Beschwerdeführerin mit mehreren Beispielen belegt. Sie rührt unter anderem davon her, dass der Symbolwert eines Zeichens von gesellschaftlichen Konventionen, technischen Normen, usw. abhängig ist. Ein Zeichen, dem kein symbolischer Wert beizumessen ist, kann zum Beispiel durch Festlegung einer Norm plötzlich Symbolwert erlangen. Ebenso kann ein Zeichen, das in einer Kultur ohne jeden Zweifel Symbolcharakter trägt, in einer anderen Kultur nicht als Symbol wahrgenommen werden.
Dennoch macht dieses Merkmal den Anspruch nicht völlig unklar. Zwar lässt sich nicht ganz allgemein und universell feststellen, was ein Symbol darstellt, aber im konkreten Anwendungsfall ist dennoch klar, ob ein bestimmtes Zeichen im gegebenen kulturellen, linguistischen oder technischen Kontext ein Symbol ist oder nicht. Der Anspruch stellt also weder die Person, die eine Patentverletzung vermeiden will, noch den Verletzungsrichter vor unlösbare Aufgaben, da sie sich ja des relevanten Kontexts bewusst bzw. Teil davon sind.
Daher ist die Kammer zum Schluss gelangt, dass das Merkmal den Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ 1973 genügt.
4. Hauptantrag: Zulässigkeit der Änderungen
Strittig war in diesem Zusammenhang die Einführung des Merkmals C (siehe Punkt V.). Diese Änderung beruht auf der Offenbarung auf Seite 9, Zeilen 4-7, der ursprünglichen Anmeldung: "Weiterhin ist die Oberfläche 20 der Aluminiumlage 12 mit einer reliefartigen Struktur 18 ausgebildet, die durch Einprägen eines bestimmten Textes oder graphischen Symbols in das dünne Aluminiumblech 12, bevor dieses mit den beiden Kunststofflagen 14, 16 verbunden worden ist, entstanden ist."
Die Kammer kann in der Einführung des Merkmals C, das aus seinem Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel (Aluminiumband mit zwei Kunststofflagen) isoliert wurde, keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung erkennen. Der ursprüngliche Anspruch 12, der den Kern des erfindungsgemäßen Verfahrens beschreibt, macht für den Fachmann unmissverständlich klar, dass Aluminium nur ein bevorzugtes Metall ist. Auch das Vorhandensein einer zweiten Kunststoffschicht ist demgemäß kein erfindungswesentliches Merkmal. Die Möglichkeit, Namen oder Zeichen reliefartig auszubilden, ist ebenso eindeutig offenbart. Es ist richtig, dass dies ausschließlich im Zusammenhang mit Aluminiumbändern offenbart ist, aber es ist für den Fachmann unmittelbar klar, dass diese Möglichkeit nicht ursächlich mit der Wahl von Aluminium zusammenhängt. Dasselbe gilt für die anderen Merkmale, die ab Seite 8, Zeile 20, bis Seite 9, Zeile 30, im Zusammenhang mit dem einzigen Ausführungsbeispiel beschrieben sind.
Daher ist die Kammer zum Schluss gelangt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus der Offenbarung der ursprünglichen Anmeldung hervorgeht. Die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ sind somit erfüllt.
5. Hauptantrag: Patentfähigkeit
5.1 Zulässigkeit der Entgegenhaltungen E15 und E19
Da die Einspruchsabteilung die Druckschriften E15 und E19 zugelassen und in ihrer Entscheidung berücksichtigt hat, sind sie im Verfahren. Es gibt keine rechtliche Grundlage, die es der Kammer erlauben würde, dem Antrag der Beschwerdegegnerin zu folgen und diese Druckschriften rückwirkend als verspätet zurückzuweisen.
5.2 Berücksichtigung des Merkmals C ("aus Text oder graphischem Symbol")
Die Parteien waren sich uneinig, ob das Merkmal C technischer Natur ist bzw. ob es den Anspruchsgegenstand überhaupt gegen den Stand der Technik abgrenzen kann. Gemäß der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann die erfinderische Tätigkeit nur auf technische Merkmale gestützt werden (T 641/00, Leitsatz I (ABl. EPA 2003, 352). Die Entscheidung T 154/04 hat dieses Prinzip auch auf die Neuheit ausgedehnt (siehe Punkte 14 und 15 der Entscheidungsgründe; ABl. EPA 2008, 046) und sich dabei im Wesentlichen auf die Entscheidung G 2/88 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 1990, 93) berufen. Mehrere andere Kammern haben sich seitdem dieser Auffassung angeschlossen (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 8. Auflage, 2016, Punkt I.C.5.2.8).
Im vorliegenden Fall bedarf es keiner Vertiefung dieser Fragen durch die Kammer, da, wie aus dem Folgenden hervorgeht, das Merkmal C nie das einzige Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Stand der Technik darstellt.
5.3 Neuheit
5.3.1 Neuheit gegenüber der Druckschrift E19
Aufbauend auf ihrer Auslegung des Begriffs "Oberseite" (siehe dazu Punkt 2.4) ist die Kammer zum Schluss gelangt, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 mindestens dadurch von der Offenbarung der Druckschrift E19 unterscheidet, dass die Verstärkungslage an der gesamten Unterseite der Oberlage fest anliegt. In der Druckschrift E19 befindet sich die Kunststofflage 44 auf der Seite der Oberlage (und somit des Dekorbandes), die nach dessen Anbringung auf dem zu dekorierenden Gegenstand für den Beobachter sichtbar ist, also auf seiner Oberseite. Damit ist der Gegenstand von Anspruch 1 aber neu gegenüber der Druckschrift E19. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerdeführerin beruht auf einem Verständnis des Verfahrensanspruchs, dem die Kammer nicht folgen kann (siehe dazu Punkt 2.8).
5.3.2 Neuheit gegenüber der Druckschrift E1
Die Kammer teilt die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass der Fachmann die in der Druckschrift E1 offenbarten, dreidimensionalen Komponenten für Mobiltelefone nicht als "Bänder" im Sinne von Anspruch 1 verstehen würde.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Der von der Beschwerdeführerin angestrengte Vergleich mit den Abrundungen an den Rändern gebräuchlicher Dekorbänder führt zu keinem anderen Schluss, da die Größenordnungen nicht vergleichbar sind. Somit ist zumindest der Oberbegriff von Anspruch 1 nicht offenbart.
5.3.3 Neuheit gegenüber der Druckschrift E15
Die Kammer ist der Auffassung, dass die in der Druckschrift E15 offenbarten Hartschaumplatten weder "Bänder" im Sinne von Anspruch 1, geschweige denn Dekorbänder darstellen, auch wenn das Material im Laufe des Herstellungsprozess in Bandform vorliegt. Die tellerförmigen Erhebungen 4' der Figur 4 haben keine eigentlich dekorative Wirkung, sondern dienen der Entlüftung (Spalte 2, Zeile 66 bis Spalte 3, Zeile 2).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
5.3.4 Neuheit gegenüber der Druckschrift E13
Auch das Schaumstoff-Flächenmaterial der Druckschrift E13 stellt kein Dekorband im Sinne von Anspruch 1 dar. Obwohl im Herstellungsprozess von einer bandförmigen Kunstschaumstoffbahn gesprochen werden kann, sind die fertigen Schaumstoff-Flächenmaterialien keine Bänder im Sinne von Anspruch 1. Ungeachtet der Tatsache, dass die Druckschrift E13 von einer "geschmacklich eigentümlich geformten Oberfläche" der Materialien spricht (Seite 3, Zeilen 2-3) handelt es sich auch nicht um Gegenstände, die eigentlich der Dekoration dienen.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Darüber hinaus dient der Schaumstoff nicht als Verstärkungslage, da die Druckschrift E13 offenbart, dass bei der Erfindung die Tragschicht die Festigkeit des Flächenmaterials erhöht (Seite 2, Absatz 2, letzter Satz).
5.3.5 Neuheit gegenüber der Druckschrift E16
Der Offenbarungsgehalt der Druckschrift E16 geht nicht über den der Druckschrift E13 hinaus. Die Kammer kann nicht erkennen, dass in der Druckschrift E16 ein Dekorband offenbart ist.
5.3.6 Ergebnis
Der Gegenstand von Anspruch 1 ist neu gegenüber der Offenbarung der Druckschriften E1, E13, E15, E16 und E19.
5.4 Erfinderische Tätigkeit
5.4.1 Ausgehend von der Druckschrift E19
Die Kammer ist zum Schluss gelangt, dass der Fachmann, der von der Lehre der Druckschrift E19 ausgeht, keinen Anlass hat, das offenbarte Verfahren so zu verändern, dass es unter den Anspruch 1 des Streitpatents fällt. Dazu wäre es nämlich erforderlich, entweder die Verstärkungsschicht, die auf der Oberseite der Oberlage angebracht ist, auf die Unterseite zu verlagern oder eine weitere Verstärkungsschicht an der Unterseite anzubringen. Ein Ersetzen der Verstärkungslage an der Oberseite durch eine entsprechende Lage an der Unterseite der Oberlage würde aber den von der Druckschrift E19 angestrebten optischen Effekt zunichtemachen. Das Anbringen einer zusätzlichen Schicht hingegen würde das Verfahren komplizieren und die Kosten erhöhen, ohne einen erkennbaren Vorteil zu schaffen. Der Fachmann würde diese Schritte deshalb nicht ernsthaft in Betracht ziehen.
Das Argument, dass der Fachmann die Dicke der Beschichtung an der Unterseite der Oberlage in der Variante, die in der Figur 3 der Druckschrift E19 gezeigt ist, vergrößern und somit eine Verstärkungsschicht an der Unterseite der Oberlage erhalten würde,
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
hat die Kammer ebenso wenig überzeugt, da für den Fachmann keinerlei Veranlassung dazu besteht, derart vorzugehen. Auch hier scheitert der Einwand der Beschwerdeführerin am could/would-Prinzip, das in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern entwickelt wurde (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 8. Auflage, 2016, Abschnitt I.D.5).
5.4.2 Ausgehend von der Druckschrift E14
Die Druckschrift E14 offenbart ein Verfahren zur Herstellung einer dekorativen Profilleiste mit einem C-förmigen Querschnitt: auf die metallische Oberlage 13 wird einerseits das Basiselement 12 und andererseits eine Beschichtung 14 aufgespritzt.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Es handelt sich dabei allerdings nicht um ein Dekorband im Sinne von Anspruch 1. Für den Fachmann gibt es keinen erkennbaren Anlass, das offenbarte Verfahren derart zu ändern, dass damit ein Dekorband hergestellt werden könne. Damit ist die Druckschrift E14 kein geeigneter Ausgangspunkt, von dem ausgehend der Fachmann in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen könnte.
5.4.3 Ausgehend von der Druckschrift E7
Auch die Druckschrift E7 offenbart kein Verfahren zur Herstellung eines Dekorbands im Sinne von Anspruch 1. Das dort offenbarte Verfahren dient zur Herstellung einer Profilleiste mit einem ausgeprägten Fortsatz, der der Verankerung dient:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Eine derartige starre Struktur kann nicht als Band, wie oben unter Punkt 2.1 definiert, gelten. Somit ist auch die Druckschrift E7 kein geeigneter Ausgangspunkt, dessen Lehre die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 in Frage stellen könnte.
5.4.4 Ausgehend von der Druckschrift E2
Die Druckschrift E2 offenbart ein gefaltetes Metallband 14, das mit transparentem Kunststoff 12 ummantelt ist; das so erhaltene Band 10 wird als sehr dekorativ beschrieben (Spalte 2, Zeile 71 bis Spalte 3, Zeile 1) :
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Allerdings offenbart die Druckschrift E2 nicht, dass der Kunststoff eine Verstärkungslage bildet. Vielmehr dient gerade das Falten der Metallschicht dazu, das Band in seiner Längsrichtung biegefester zu machen (Spalte 2, Zeilen 37-45). Die Druckschrift lehrt, dass eine weitere Versteifung damit erreicht werden kann, dass die Anzahl der Faltungen des Metallstreifens erhöht wird (Spalte 2, Zeilen 46-56). Damit führt die Druckschrift aber weg von der Lehre des Streitpatents, der zufolge die Oberlage durch eine Lage aus Kunststoff verstärkt wird. Somit liegt der Gegenstand von Anspruch 1 für den Fachmann, der von der Lehre der Druckschrift E2 ausgeht, nicht nahe.
5.4.5 Ausgehend von der Druckschrift E3
Die Druckschrift E3 offenbart einen Streifen, in dem ein geprägtes, reliefförmiges Aluminiumblech von transparentem Kunststoff umhüllt ist:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Auch in dieser Druckschrift findet sich kein Hinweis, dass die Kunststofflagen die Oberlage verstärken, noch dass überhaupt Bedarf für eine solche Verstärkung besteht. Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass die Beschwerdeführerin nicht überzeugend dargelegt hat, weshalb der Gegenstand von Anspruch 1 angesichts der Lehre der Druckschrift E3 für den Fachmann naheliegend sein sollte.
5.4.6 Ausgehend von der Druckschrift E4
Die Druckschrift E4 offenbart ein Verfahren zur Herstellung eines mehrlagigen Bandes mit mindestens einer Metallfolie (z.B. die Folien 21-6 der Figur 6), die in einem Plastikkörper eingebettet ist.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Die Druckschrift E4 offenbart nicht, dass der Kunststoff eine verstärkende Wirkung hat. Eine solche Wirkung wird nur der Folie selbst zugeschrieben (sieh Spalte 1, Zeilen 16-17: "... extruded thermoplastic materials with embedded reinforcing wires or strips ..."). Daher trifft das für die Druckschriften E2 und E3 Gesagte auch auf die Druckschrift E4 zu: es ist für die Kammer nicht erkennbar, wie die Lehre der Druckschrift E4 den Fachmann zum Gegenstand von Anspruch 1 führen könnte.
5.4.7 Ausgehend von der Druckschrift E9
Die Druckschrift E9 offenbart eine Kunststoffleiste, in der eine überzogene, geprägte Aluminiumfolie 1 mit einem verstärkenden Überzug 2 überzogen und mit einer Kunststoffschicht 3 umhüllt ist.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Die Beschwerdeführerin hat in der Kunststoffumhüllung 3 die anspruchsgemäße Verstärkungslage gesehen (Punkt 9.4 der Beschwerdebegründung). Die Druckschrift E9 offenbart aber nicht, dass die Schicht 3 die Aluminiumfolie verstärkt; diese Rolle wird vielmehr dem "gleichsam verstärkenden Überzug 2" zugeschrieben (siehe Seite 4, Zeile 23). Aber selbst wenn die Schicht 3 als Verstärkungsschicht gedeutet werden würde, ist festzustellen, dass diese Schicht nicht an der Oberlage fest anliegt, wie von Anspruch 1 gefordert, denn der Überzug 2 ist zwischen der Folie 1 und der Schicht 3 vorgesehen. Die Beschwerdeführerin hat nicht vorgetragen, noch ist es für die Kammer offenkundig, warum der Fachmann angesichts der Lehre der Druckschrift E9 eine verstärkende Schicht 3 vorsehen und auf die verstärkende Schicht 2 verzichten würde. Somit wurde nicht überzeugend dargelegt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 für den Fachmann, der von der Lehre der Druckschrift E9 ausgeht, naheliegend ist.
5.4.8 Ausgehend von der Druckschrift E10
Die Druckschrift E10 offenbart eine Profilleiste für Möbel, in der ein Dekorstreifen 2 in Form einer Metallfolie in einem transparenten polymeren Werkstoff eingebettet ist.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Allerdings offenbart die Druckschrift E10 auf Seite 4, Zeilen 17-21:
"Ein weiterer Vorteil der erfindungsgemäßen Profilleiste wird darin gesehen, dass durch den Dekorstreifen die Maßhaltigkeit und das Schwindungsverhalten der Profilleiste positiv beeinflusst wird und dass bei den erforderlichen Nacharbeitsgängen die Dehnung der erfindungsgemäßen Profilleiste minimiert ist. Dies wirkt sich positiv auf die Verarbeitung der erfindungsgemäßen Profilleiste in Form von kürzeren Montagezeiten aus."
Die Kammer versteht dies so, dass der Dekorstreifen den Kunststoff verstärkt. Es ist daher nicht möglich, die Kunststofflage als Verstärkungslage im Sinne von Anspruch 1 zu deuten. Daher trifft das für die vorangehenden Druckschriften Gesagte auch auf die Druckschrift E4 zu: es ist für die Kammer nicht erkennbar, wie die Lehre der Druckschrift E10 den Fachmann zum Gegenstand von Anspruch 1 führen könnte.
5.4.9 Ergebnis
Die Kammer ist zum Schluss gelangt, dass die Beschwerdeführerin nicht überzeugend dargelegt hat, dass der Gegenstand von Anspruch 1 durch den der Kammer vorliegenden Stand der Technik nahegelegt wird.
Aus diesen Gründen wird entschieden: