T 0735/13 11-10-2017
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VERFAHREN ZUM BETRIEB EINER GASTURBOGRUPPE
Zulässigkeit der Beschwerde - (nein)
Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwer entfallen
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 20. November 2012, zur Post gegeben am 18. Januar 2013, das europäische Patent Nr. 1 472 447 in geändertem Umfang gemäß Hauptantrag, Ansprüche wie eingereicht in der Verhandlung am 20. November 2012, nach Artikel 101(3)a) EPÜ aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hatte am 18. März 2013 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung war am 21. Mai 2013 eingegangen.
II. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Gründe von Artikel 100 a) i.V.m. 54 und 56 EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung nicht entgegenstünden.
III. Während der am 20. November 2012 abgehaltenen mündlichen Verhandlung hatte die Einspruchsabteilung zunächst den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag als unzulässig erweitert und damit nicht gewährbar erachtet. Im Hinblick auf den 2. Hilfsantrag stellte die Einspruchsabteilung zunächst dessen Vereinbarkeit mit Art. 84 EPÜ fest. Im folgenden heißt es dann im Protokoll der mündlichen Verhandlung (Punkte 6 und 7):
"Daraufhin eröffnet der Vorsitzende die Diskussion der Neuheit von Anspruch 1 gemäß dem jetzigen geänderten 2. Hilfsantrag....Die Einsprechende hat dementsprechend keine Einwände im Hinblick der Neuheit des Anspruchs 1. Zur Frage des Vorsitzenden erklärt die Einsprechende, daß sie keine Einwände im Hinblick der erfinderischen Tätigkeit hat."
Andere Einwände gegen Hilfsantrag 2 wurden seitens der Einsprechenden nicht vorgebracht.
IV. Die von der Einsprechenden als alleiniger Beschwerdeführerin eingereichte Beschwerde stützt sich im Hinblick auf die aufrechterhaltene Fassung des Patents auf folgende Gründe:
- Art. 100a): Fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit;
- Art. 100b): Fehlende Ausführbarkeit;
- Art. 100c): Unzulässige Erweiterung.
V. In einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, wonach in der Verhandlung vorrangig zu diskutieren sei, ob die Beschwerde als unzulässig verworfen werden müsse. Als Reaktion teilte die Beschwerdeführerin der Kammer mit Schreiben vom 19. September 2017 mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde, ohne sich zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerde zu äußern.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 11. Oktober 2017 daher lediglich in Anwesenheit der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) statt. Alleiniger Gegenstand der Diskussion war insoweit die Zulässigkeit der Beschwerde.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragt schriftsätzlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde als unzulässig, hilfsweise als unbegründet.
1. Nach Art. 107 EPÜ ist jeder Verfahrensbeteiligte, der durch eine Entscheidung beschwert ist berechtigt, Beschwerde einzulegen.
2. Entscheidend für das Vorliegen einer Beschwer ist es, ob die angegriffene Entscheidung hinter dem Begehren des Beschwerdeführers zurückbleibt (Entscheidung T 244/85, ABl. 1988, 216 Nr. 3 und aus der Literatur: Singer/Stauder, Kommentar zum Europäischen Patentübereinkommen, 7. Aufl. 2016, Art. 107 Rz. 18 (Bühler). Zu prüfen ist hier zunächst, ob der einsprechende Beschwerdeführer gegen die von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Fassung des Patents Einwände vorbringt, die der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehen könnten. Das ist, wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, der Fall. Von einer Beschwer kann allerdings dann nicht gesprochen werden, wenn der Beschwerdeführer zwar zum Entscheidungszeitpunkt mit der Entscheidung einverstanden war, es sich indessen im Nachhinein anders überlegt hat. Abzustellen ist für die Beschwer daher auf eine Diskrepanz zwischen dem Begehren des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Entscheidung, und der Entscheidung selbst.
3. Im Falle des beschwerdeführenden Patentinhabers ist insoweit darauf abzustellen, ob dem zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung formulierten Hauptantrag stattgegeben worden ist, oder nicht. Für die mangelnde Beschwer des Einsprechenden fordert die Rechtsprechung, daß dieser der Aufrechterhaltung des Patents in der entsprechenden Fassung zugestimmt hat (Entscheidung T 548/91 vom 7. Februar 1994, Punkt 1 der Gründe). Wie sich aus dem Kontext der prozessualen Vorschriften des EPÜ, namentlich Art. 100 in Verbindung mit Art. 99 und Regel 76(2) c) ergibt, ist ein Einsprechender, der der Erteilung eines Patents entgegentreten möchte, gehalten darzulegen, aus welchen Gründen das Patent zu Unrecht erteilt worden ist. Aus diesem durch das EPÜ gewählten Ansatz ergibt sich für das Beschwerdeverfahren, daß ein Einsprechender der Aufrechterhaltung des Patents in einer bestimmten Fassung dann nicht entgegentritt, wenn er gegen diese Fassung keine Gründe vorbringt, die einer Aufrechterhaltung entgegenstehen. Nur durch die Geltendmachung eines oder mehrerer dieser Gründe kann der Einsprechende nämlich vorbringen, mit dem Patent in seiner erteilten oder aufrechterhaltenen Fassung nicht einverstanden zu sein.
4. Vorliegend hat die Einsprechende ausweislich dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung gegen den 2. Hilfsantrag zunächst Einwände nach Art. 84 EPÜ erhoben. Diese hat die Einspruchsabteilung für nicht durchschlagend erachtet. Hiergegen hat sich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde auch nicht gewandt. Weiters wurden Einwände mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit erhoben. Zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit hat die Einsprechende aber in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung erklärt, keine diesbezüglichen Einwände mehr zu haben. Insoweit war die Einsprechende durch die entsprechende Entscheidung der Einspruchsabteilung, der 2. Hilfsantrag sei neu und erfinderisch, nicht mehr beschwert, d.h. die Beschwer entfiel. Einwände aus Art. 123(2) und Art. 83 EPÜ schließlich wurden in der mündlichen Verhandlung gegen den 2. Hilfsantrag nicht erhoben. Im Hinblick auf diese Einwände ist die Einsprechende der letztlich aufrechterhaltenen Fassung des Patents nicht entgegengetreten und kann durch diese insoweit ebenfalls nicht beschwert sein.
5. Damit ist festzustellen, daß die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung gegen den 2. Hilfsantrag keinen der nunmehr in der Beschwerdebegründung erhobenen Einwände nach Art. 100 a), Art. 100 b), oder Art. 100 c) EPÜ geltend gemacht hat. Da eine Einsprechende ihr fehlendes Einverständnis mit einem erteilten oder aufrechterhaltenen Patent aber nur dadurch zum Ausdruck bringen kann, daß sie einen der gesetzlich zugelassenen Gründe anführt, der der Erteilung oder Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht, ist die Einsprechende vorliegend durch die Aufrechterhaltung des Patents in seiner Fassung durch den 2. Hilfsantrag jedenfalls nicht im Hinblick auf die Einspruchsgründe beschwert, die die Einsprechende nunmehr mit ihrer Beschwerde geltend macht.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.