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T 0244/85 (Aluminiumtrihydroxid) 23-01-1987
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Zulässigkeit der Beschwerde eines Einsprechenden
Schweigen des Einsprechenden innerhalb der Frist der Regel 58(4) EPÜ
I. Auf die am 23. April 1979 unter Inanspruchnahme der deutschen Priorität vom 2. Dezember 1978 eingegangene Patentanmeldung wurde am 20. Juli 1982 ein Patent mit der Nr. 0 011 667 erteilt.
II. Der Hinweis über die Patenterteilung wurde im Patentblatt am 8. September 1982 veröffentlicht. Am 8. Juni 1983 legte die Beschwerdeführerin per Telex, welches rechtzeitig schriftlich bestätigt wurde, Einspruch gegen das erteilte europäische Patent ein und beantragte, das erteilte Patent mangels erfinderischer Tätigkeit zu widerrufen, da die Lösung der gestellten Aufgabe (gegenüber der nachträglich genannten DE-C-868 601) nicht erfinderisch sei.
III. In der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 1984 beantragte die Patentinhaberin vor der Einspruchsabteilung die Aufrechterhaltung ihres Patents mit geänderten Unterlagen, während die Einsprechende den Antrag stellte, das Patent zu widerrufen. Nach Beratung der Abteilung teilte der Vorsitzende den Beteiligten mit, daß beabsichtigt sei, das Patent 0 011 667 auf Grundlage geänderter Patentansprüche und einer entsprechend angepaßten Beschreibung aufrechtzuerhalten. Aufgrund der genannten beabsichtigten Änderungen werde die Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPü mit den geänderten Unterlagen ergehen.
IV. Dementsprechend erging am 30. Oktober 1984 die Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ. Mit dieser Mitteilung wurden die Beteiligten gebeten, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung dieser Mitteilung Stellung zu nehmen, wenn sie mit der Fassung, in der das europäische Patent aufrechterhalten werden soll, nicht einverstanden sind. Die Mitteilung enthielt ferner folgende Hinweise:
"1. Erhebt der Patentinhaber innerhalb der genannten Frist keine Einwendungen gegen die Fassung, in der das Patent aufrechterhalten werden soll, und geben die Einwendungen der Einsprechenden keinen Anlaß, von dieser Fassung abzuweichen, so erläßt die Einspruchsabteilung eine Zwischenentscheidung i.S.v. Artikel 106 (3) EPÜ, in der festgestellt wird, daß das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des EPÜ genügen. Gegen diese Entscheidung wird die gesonderte Beschwerde zugelassen.
2. Erhebt der Patentinhaber innerhalb der genannten Frist Einwendungen gegen die Fassung, in der das Patent aufrechterhalten werden soll, so wird das Einspruchsverfahren fortgesetzt. Ggf. wird das europäische Patent widerrufen. Gegen diese Entscheidung kann Beschwerde erhoben werden.
3. Erhebt keiner der Beteiligten innerhalb der genannten Frist Einwendungen gegen die Fassung, in der das Patent aufrechterhalten werden soll, so ergeht die Aufforderung gemäß Regel 58 (5) EPÜ. Wird dieser Aufforderung entsprochen, beschließt die Einspruchsabteilung die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang (Artikel 102 (3) EPÜ).
4. Der Einsprechende, der keine Einwendungen gegen die mitgeteilte Fassung erhoben hat, ist durch die Aufrechterhaltung in geändertem Umfang nicht beschwert. Ihm steht daher keine Beschwerde gegen diese Entscheidung mehr zu (Artikel 107, Satz 1 EPÜ)."
V. Nach Ablauf der 1monatsfrist teilte die Einsprechende mit ihrem Schreiben vom 6. Dezember 1984, das am 12. Dezember 1984 beim Europäischen Patentamt einging, mit, daß sie mit der Aufrechterhaltung in geändertem Umfang nicht einverstanden sei. Der Antrag, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, wird wiederholt.
VI. Mit Schreiben vom 9. Januar 1985 wurde der Einsprechenden gemäß Regel 69 (1) EPÜ mitgeteilt, daß ihr Schreiben vom 6. Dezember 1984 verspätet eingegangen sei und daher keine Berücksichtigung mehr finden könne. Daher werde das Verfahren nach Regel 58 (5) EPÜ fortgesetzt. Falls die Einsprechende der Auffassung sei, daß diese Feststellung nicht zutreffe, könne sie innerhalb einer Frist von 2 Monaten nach Zustellung dieser Mitteilung eine Entscheidung des Europäischen Patentamts nach Regel 69 (2) EPÜ beantragen. Eine solche Entscheidung wurde nicht beantragt.
VII. Am 16. April 1985 erging die Mitteilung gemäß Regel 58 (5) EPÜ. Die Patenthaberin zahlte daraufhin die erforderlichen Gebühren und reichte die angeforderten Übersetzungen der Patentansprüche ein.
VIII. Am 5. August 1985 erging die Entscheidung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents 0 011 667 in dem geänderten Umfang gemäß Artikel 102 (3) EPÜ durch den zuständigen Formalsachbearbeiter.
IX. Gegen die Aufrechterhaltung des europäischen Patents wandte sich die Beschwerdeführerin mit ihrem Telex vom 29. August 1985 und legte am 3. Oktober 1985 per Telex, welches schriftlich bestätigt wurde, Beschwerde ein mit dem Antrag, die Entscheidung aufzuheben und die Erteilung des Patents 0 011 667 zu widerrufen und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen. Zur Begründung ihrer Beschwerde führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, daß für einen Einsprechenden kein Rechtsverlust eintrete, wenn er auf die Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ nicht reagiere. Das Stillschweigen eines Einsprechenden könne nicht als Einverständnis im Sinne der Billigung der zuletzt vorgelegten Fassung der Ansprüche, sondern allenfalls als Verzicht auf ein weiteres rechtliches Gehör gewertet werden. Durch Stillschweigen könne eine Einsprechende ihre Beteiligung im Einspruchsverfahren nicht verlieren und damit auch nicht ihre Berechtigung zur Beschwerdeinstanz zu gelangen.
X. Die Beschwerdeführerin beantragte per Telex vom 3. Dezember 1985, das mit Schreiben vom 16. Dezember 1985 bestätigt wurde mit den Rechtsfragen, die für die Entscheidung über die Beschwerde maßgebend sind, die Große Beschwerdekammer zu befassen. Gleichzeitig stellte sie den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, den sie mit Telex vom 15.01.1987, bestätigt mit Schreiben vom 16.01.1987 zurücknahm. Sie beantragte, Entscheidung nach Lage der Akten.
1. Damit eine Beschwerde zulässig ist, muß sie den Artikeln 106 bis 108 EPÜ und der Regel 64 b) EPÜ entsprechen. Eine Beschwerde, die diesen Artikeln und diese Regel nicht entspricht, muß als unzulässig verworfen werden, sofern die Mängel nicht bis zum Ablauf der nach Artikel 108 maßgebenden Fristen beseitigt worden sind (Regel 65 (1) EPÜ).
2. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer den Einwand erhoben, daß die Beschwerdeführerin und Einsprechende durch die Entscheidung, das angegriffene Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, im Sinne des Artikels 107 EPÜ nicht beschwert sei.
3. Eine Beschwer im Sinne des Artikels 107 EPÜ liegt immer dann vor, wenn die Entscheidung hinter dem Begehren des Verfahrensbeteiligten zurückbleibt. Die Beschwerdeführerin hatte ihren Einspruch vom 8. Juni 1983 mit dem Ziel des Widerrufs des angegriffenen Patents eingelegt. Vergleicht man die angefochtene Entscheidung mit diesem Begehren der Beschwerdeführerin, so ist eine Beschwer nicht zu bestreiten, da mit der angefochtenen Entscheidung das europäische Patent - wenn auch in geändertem Umfang - aufrechterhalten wird.
4. Für die Feststellung einer Beschwer reicht es aber nicht aus, das ursprünglich formulierte Begehren des Verfahrensbeteiligten mit dem Inhalt der Entscheidung zu vergleichen, sie muß vielmehr auch im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Entscheidung und der Einlegung der Beschwerde noch bestanden haben. Ein Verfahrensbeteiligter, der sich im Verlauf des Verfahrens mit einer vorgeschlagenen Entscheidung einverstanden erklärt, kann diese Entscheidung mangels Beschwer nicht mehr anfechten, obwohl er ursprünglich Anträge gestellt hatte, die mit dem Inhalt der erlassenen Entscheidung nicht übereinstimmen.
5. Die Kammer ist der Auffassung, daß die Beschwerdeführerin vor Erlaß der Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents ausreichend deutlich zu erkennen gegeben hat, daß sie mit dem Erlaß einer solchen Entscheidung einverstanden ist.
6. Das Einverständnis zum sachlichen Inhalt einer vorgesehenen Entscheidung kann nicht nur ausdrücklich erklärt werden. Eine Antwort gibt auch, wer schweigt, obwohl von ihm erwartet wird, daß er Stellung nimmt, wenn er mit der beabsichtigten Entscheidung nicht einverstanden ist. Wer unter solchen Umständen sich nicht erklärt, erklärt sein Einverständnis konkludent, indem er sich erwartungswidrig nicht äußert.
7. Einsprechende und Patentinhaberin waren in der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 1984 vertreten, in der die Einspruchsabteilung den Beteiligten mitteilte, daß sie beabsichtige, das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten und daß eine Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ mit den geänderten Unterlagen ergehen werde, zu der sich die Beteiligten binnen einer Frist von einem Monat äußern könnten. Diese Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ wurde am 30. Oktober 1984 abgesandt. Ihr waren die Unterlagen in der geänderten Fassung beigefügt. In der Mitteilung wurden die Beteiligten gemäß Regel 58 (4) EPÜ gebeten, innerhalb einer Frist von 1 Monat nach Zustellung dieser Mitteilung Stellung zu nehmen, wenn sie mit der Fassung, in der das europäische Patent aufrechterhalten werden soll, nicht einverstanden sind.
Ferner wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, daß für den Fall, daß keiner der Beteiligten innerhalb der Monatsfrist Einwendungen gegen die Fassung, in der das Patent aufrechterhalten werden soll, erhebe, die Aufforderung gemäß Regel 58 (5) EPÜ ergehe.
Die Einsprechende und jetzige Beschwerdeführerin wurde darauf hingewiesen, daß sie durch die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang nicht beschwert sei, wenn sie keine Einwendungen gegen die mitgeteilte Fassung erhoben habe.
8. Nachdem Patentinhaberin wie Einsprechende innerhalb der Monatsfrist keine Einwendungen erhoben hatten, konnte die Einspruchsabteilung bei dieser Sachlage nur davon ausgehen, daß beide Beteiligten mit der Aufrechterhaltung des Patents in dem geänderten Umfang einverstanden seien.
Dem steht nicht entgegen, daß sich das Einverständnis der Beteiligten aus einem Schweigen ergibt. Auch ein Schweigen kann, wenn gegenteiliges Handeln sonst nach den Umständen erwartet werden kann, als Zustimmung gewertet werden. Dem entspricht schon der Satz des römischen Rechts "Qui tacet consentire videtur". Dieser Grundsatz gilt hier um so mehr, als das Europäische Übereinkommen in seiner Regel 58 (4) die Beteiligten ausdrücklich zur Stellungnahme auffordert, wenn sie mit der Fassung, in der das Patent aufrechterhalten werden soll, nicht einverstanden sind. Wer auf eine so klare und im Gesetz vorgesehene Aufforderung schweigt, wird zu Recht so behandelt, als ob er zugestimmt hätte.
9. Daß ein Einverständnis vorliegt, wenn ein Nichteinverständnis nicht erklärt wird, hat die Juristische Beschwerdekammer für den vergleichbaren Fall der Regel 51 (4) EPÜ bereits entschieden (vgl. "Unzulässige Beschwerde/CHUGAI SEIYAKU", J 12/83, ABl. EPA 1985, 6). Auch im Fall der Regel 51 (4) EPÜ bedarf es nicht der Erklärung des ausdrücklichen Einverständnisses des Anmelders. Das wird vielmehr konkludent aus der Tatsache entnommen, daß der Anmelder die Erteilungs- und Druckkostengebühr entrichtet und die Übersetzung der Ansprüche eingereicht sowie sein Nichteinverständnis mit der Erteilung des europäischen Patents in der vorgesehenen Fassung nicht erklärt hat.
10. Nach allem kann somit festgestellt werden, daß die Beschwerdeführerin und damalige Einsprechende durch Nichterklärung ihres mangelnden Einverständnisses innerhalb der gesetzten Monatsfrist konkludent ihre Zustimmung zur geplanten Aufrechterhaltung des europäischen Patents in dem geändertem Umfang zum Ausdruck gebracht hat. Die Einspruchsabteilung durfte daher nach Ablauf der Monatsfrist diese Zustimmung ihrem weiteren Verfahren zugrundelegen.
11. An dieser Rechtsfolge ändert der Umstand nichts, daß die damalige Einsprechende mit ihrem Schreiben vom 6. Dezember 1984 erklärt hat, daß sie mit der beabsichtigten Aufrechterhaltung des Patents nicht einverstanden sei. Dieses Schreiben ging erst nach Ablauf der Monatsfrist gemäß Regel 58 (4) EPÜ ein. Mit dem fruchtlosen Verstreichen der Monatsfrist stand - wie bereits ausgeführt - die konkludent erklärte Zustimmung des Einsprechenden zur Aufrechterhaltung des Patents fest. Diese konkludent erklärte Zustimmung kann verfahrensrechtlich nicht anders behandelt werden wie eine ausdrücklich erklärte Zustimmung. An eine einmal erklärte Zustimmung ist aber ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich gebunden, d. h. er kann sie nicht nach seinem Belieben wieder ungeschehen machen. Jedenfalls gilt das für solche prozessualen Erklärungen, die wie hier für den Fortgang des Verfahrens bestimmend sind. Daher konnte das nach Fristablauf erklärte Nichteinverständnis mit der Aufrechterhaltung des Patents die mit Fristablauf konkludent erklärte Zustimmung zur beabsichtigten Aufrechterhaltung nicht rückgängig machen.
12. Daß der Einsprechende sich an seine einmal gegebene Zustimmung festhalten lassen muß, ist auch gerechtfertigt. Es besteht kein Anlaß, den Einsprechenden in diesem Zusammenhang anders zu behandeln als den Patentinhaber. Beiden wird die Mitteilung nach Regel 58 (4) EPÜ mit der Aufforderung zugestellt, innerhalb eines Monats Stellung zu nehmen, wenn sie mit der Fassung, in der das Patent aufrechterhalten werden soll, nicht einverstanden sind. Nach Ablauf der Frist hat der Patentinhaber keine Möglichkeit, sein konkludent erklärtes Einverständnis für ungültig zu erklären, etwa weil ihm ein Versehen unterlaufen sei (J 12/83, ABl. EPA 1985, 6 unter Nr. 6 auf Seite 9/10 für den Anmelder im Fall der Regel 51 (4)). Es besteht kein Anlaß, den Einsprechenden anders zu behandeln, zumal dieser auf die Folgen seines Handelns oder Nichthandelns innerhalb der Monatsfrist in der Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ hingewiesen wird. Er wird ausdrücklich darüber belehrt, daß ein Einsprechender, der keine Einwendungen gegen die mitgeteilte Fassung des Patents erhebt, durch die Aufrechterhaltung in geändertem Umfang nicht beschwert ist und ihm daher keine Beschwerde mehr gegen diese Entscheidung zustehe.
13. Angesichts dieser Sachlage, die dem Einsprechenden aufgrund der unmißverständlichen und ausführlichen Belehrung in der Mitteilung gemäß Regel 58 (4) klar ist, kann ein Einsprechender nicht mit dem Argument gehört werden, daß für ihn die Monatsfrist der Regel 58 (4) EPÜ nicht gelte. Es stellt keine Überspannung der prozessualen Obliegenheiten eines Einsprechenden dar, wenn von ihm verlangt wird, daß er seine Einwendungen gegen eine beschränkte Aufrechterhaltung des von ihm angegriffenen Patents innerhalb der Monatsfrist der Regel 58 (4) EPÜ vorträgt. Auf diese Weise wird dem Einsprechenden in einfacher Weise der Zugang zur Beschwerdeinstanz eröffnet; denn wenn der Einspruchsabteilung die Einwendungen des Einsprechenden keinen Anlaß geben, von der mitgeteilten Fassung abzuweichen, so erläßt sie eine Zwischenentscheidung im Sinne von Artikel 106 (3) EPÜ, in der festgestellt wird, daß das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des EPÜ genügen. Gegen diese Entscheidung wird - worüber der Einsprechende in der Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ ebenfalls belehrt wird - die gesonderte Beschwerde zugelassen, so daß der Einsprechende, der mit der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang durch die Einspruchsabteilung nicht einverstanden ist, immer die Möglichkeit hat, diese Entscheidung durch die Beschwerdekammer überprüfen zu lassen.
14. Die Rechtsfolge, daß die Beschwerde eines Einsprechenden wegen mangelnder Beschwer unzulässig ist, wenn der Einsprechende sein mangelndes Einverständnis nicht innerhalb der Monatsfrist der Regel 58 (4) zu erkennen gibt, stellt auch keine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zur Rechtsmittelinstanz dar, denn es würde vollkommen genügen, wenn der Einsprechende innerhalb der Frist ausreichend deutlich zum Ausdruck bringt, daß er nach wie vor mit der Aufrechterhaltung in geändertem Umfang nicht einverstanden ist.
15. Diesem geringfügigen formellen Erfordernis würde die Kammer ihre Anerkennung gleichwohl versagen, wenn damit nicht anzuerkennende Ziele zum Wohle der Gesamtheit der Benutzer des europäischen Patentsystems verfolgt würden. Es ist nicht zu verkennen, daß diese Regelung zu einer besonderen Erhöhung der Effektivität der prüfenden Instanzen, insbesondere der Einspruchsabteilungen des Europäischen Patentamts beiträgt; denn wenn keiner der Beteiligten innerhalb der Frist in Regel 58 (4) EPÜ Einwendungen erhebt, braucht die Einspruchsabteilung als Spruchkörper sich mit dem Verfahren nicht mehr zu befassen, weil dieses auf den Formalsachbearbeiter übergeht (vgl. Mitteilung des Vizepräsidenten der Generaldirektion 2 des EPA vom 15. Juni 1984, ABl. EPA 1984, 319). Das gilt nicht nur für die nach Regel 58 (5) EPÜ ergehende Mitteilung an den Patentinhaber, sondern auch für den Erlaß der Entscheidung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in geändertem Umfang nach Artikel 102 (3) EPÜ. Die Zahl der vom Formalsachbearbeiter erlassenen Entscheidungen nach Artikel 102 (3) EPÜ ist beachtlich hoch. Könnten die Entscheidungen nach fruchtlosem Ablauf der Monatsfrist der Regel 58 (4) EPÜ noch mit der Beschwerde angefochten werden, müßten auch diese Entscheidungen von der Einspruchsabteilung als Kollegialorgan erlassen und mit Gründen versehen werden. Es liegt auf der Hand, daß das zu einer beträchtlichen Mehrbelastung der Einspruchsabteilungen führen würde, weil sie überflüssigerweise eine begründete Entscheidung absetzen müßten. Ein solches Verfahren wäre nicht nur unökonomisch, es würde auch den Anreiz für eine Einigung der Beteiligten außerhalb des anhängigen Einspruchsverfahrens mindern, wenn der Patentinhaber auch in diesem Fall eine begründete Entscheidung zu erwarten hätte, die sich im einzelnen kritisch mit den Voraussetzungen der Patentierbarkeit auseinanderzusetzen hat.
16. Der Entscheidung über die Aufrechterhaltung im beschränkten Umfang geht die Benachrichtigung nach Regel 58 (5) EPÜ voraus. In ihr wird der Patentinhaber aufgefordert, Übersetzungen der geänderten Ansprüche einzureichen und die Druckkostengebühr zu entrichten. Ferner ist an diese Mitteilung die Mindestfrist zur Einreichung von Übersetzungen der geänderten Fassung in den Vertragsstaaten gemäß Artikel 65 (1) Satz 2 in Verbindung mit Artikel 102 (3) Buchstabe b) EPÜ geknüpft. Gerade die Maßnahmen in den Vertragsstaaten sind für den Anmelder mit erheblichen Kosten verbunden, insbesondere wenn dabei ein Vertreter eingeschaltet wird oder eine beglaubigte Übersetzung vorgelegt werden muß. Alle diese Maßnahmen erweisen sich als Fehlinvestition, wenn sich später herausstellt, daß auf eine Beschwerde hin die Fassung nochmals verändert oder das Patent widerrufen wird. Dies soll nach der derzeitigen Praxis vermieden werden, die eine Zwischenentscheidung über die der Aufrechterhaltung zugrunde zu legende Fassung vorsieht, falls der Einsprechende Einwendungen erhebt. In diesem Fall folgt die Mitteilung nach Regel 58 (5) EPÜ erst nach Rechtskraft der Zwischenentscheidung (vgl. Richtlinien für die Prüfung im EPA, Teil D, VI. 6.2.2 a und 6.2.3). Erhebt der Einsprechende dagegen keine Einwendungen, so fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für eine Zwischenentscheidung und der Patentinhaber vertraut darauf, daß der Einsprechende an seine stillschweigende Zustimmung gebunden ist. Er seinerseits muß die durch die Mitteilung nach Regel 58 (5) EPÜ notwendigen Formerfordernisse erfüllen. Überdies hat insbesondere der Patentinhaber ein legitimes Interesse daran, daß das Einspruchsverfahren in angemessener Frist abgeschlossen ist und daß die rechtskräftige Aufrechterhaltung seines Schutzrechtes nicht unnötig verzögert wird. Die unterschiedliche Behandlung der Aufrechterhaltung in geänderter Fassung in streitigen und in nicht streitigen Fällen dient einer solchen Beschleunigung. Das Maß an prozessualer Mitwirkung, das vom Einsprechenden in dieser Hinsicht verlangt wird, ist geringfügig und zumutbar. Es ist kein schützenswertes Interesse ersichtlich, das es rechtfertigen würde, seine stillschweigende Zustimmung mit der für die Aufrechterhaltung vorgesehenen Fassung durch die Zulassung einer späteren Beschwerde wieder gegenstandslos zu machen.
17. Demgemäß hat die Beschwerdekammer die Beschwerde nach Regel 65 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen, weil sie dem Artikel 107 EPÜ nicht entspricht.
18. Dem Antrag der Beschwerdeführerin, mit der Frage der Zulässigkeit ihrer Beschwerde die Große Beschwerdekammer zu befassen, vermag die Beschwerdekammer nicht zu entsprechen, weil sie eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer in dieser Frage nicht für erforderlich hält. Die Kammer verkennt nicht, daß die Entscheidung für die Einsprechende von großer Bedeutung sein mag, jedoch kann die Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden zweifelsfrei den Bestimmungen der Artikel 107 und Regel 58 (4) EPÜ entnommen werden. In solchen Fällen erscheint die Befassung der Großen Beschwerdekammer nicht geboten, zumal sich die Kammer mit der Anwendung der Vorschriften des Übereinkommens nicht im Widerspruch zu anderen Entscheidungen anderer Kammern oder einer gewichtigen Meinung im Schrifttum setzt (vgl. J 05/81, ABl. EPA 1982, 155, 159).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag, die Große Beschwerdekammer zu befassen, wird zurückgewiesen.