T 2156/14 28-05-2019
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HERBIZIDE MITTEL FÜR TOLERANTE ODER RESISTENTE BAUMWOLLKULTUREN
Änderungen
Neuheit
Erfinderische Tätigkeit
I. Die vorliegende Entscheidung betrifft die Beschwerde der Einsprechenden gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, nach der das europäische Patent Nr. 1 104 244 in geänderter Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt.
II. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Streitpatents im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) und Artikel 100 c) EPÜ beantragt.
III. Die folgenden Dokumente aus dem Einspruchsverfahren sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
D2 Artikel "Comparison of Weed Control Systems for Roundup Ready**(TM) Cotton" auf den Seiten 69-77 im Bericht zur Tagung "19th Annual Southern Conservation Tillage Conference for Sustainable Agriculture", 1996,
D6 "Potential Stale Seedbed Herbicide Combinations for Cotton", E. P. Webster und D. R. Shaw, 1997,
D16 Erklärung Dr. Hacker,
D20 Versuchsbericht vom 22. Dezember 2009, und
D21 Versuchsbericht vom 4. März 2011.
IV. Die von der Patentinhaberin zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegten Anträge, ein neuer Hauptantrag sowie 13 neue Hilfsanträge, wurden zum Verfahren zugelassen. Die Einspruchsabteilung befand ferner, dass der um eine angepasste Beschreibung ergänzte Hauptantrag den Erfordernissen des EPÜ genüge.
V. Gegen diese Zwischenentscheidung legte die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.
VI. Am 1. April 2019 erließ die Kammer eine Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK. Darin merkte sie an, dass die in D20 und D21 geschilderten Versuchsergebnisse für die Entscheidung ebenfalls bedeutsam werden könnten.
VII. Mit ihrem Schreiben vom 10. Mai 2019 sagte die Beschwerdeführerin ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ab.
VIII. Mit ihrem Schreiben vom 21. Mai 2019 sagte auch die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ab. Ferner reichte sie die Hilfsanträge 1 bis 4 ein. Alle zuvor eingereichten Hilfsanträge sowie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung nahm sie zurück.
IX. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 28. Mai 2019 in Abwesenheit beider Parteien statt.
X. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 1 104 244 in vollem Umfang zu widerrufen. Ferner beantragte sie, die Entscheidung der Einspruchsabteilung betreffend die Zulassung der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anträge (Hauptantrag sowie 13 Hilfsanträge) aufzuheben.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), mithin das Patent in der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 4, eingereicht mit ihrem Schreiben vom 21. Mai 2019.
XI. Der Hauptantrag im Beschwerdeverfahren entspricht somit der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung. Dessen unabhängiger Verwendungsanspruch 3 lautet wie folgt:
"Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Baumwollkulturen, dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige Herbizid-Kombination einen wirksamen Gehalt an
(A) einem breitwirksamen Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus (A2) Glyphosate und dessen Alkalimetallsalzen oder Salzen mit Aminen und Sulfosate besteht,
und
(B) einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus
(B1) gegen monokotyle und überwiegend dikotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit Blatt- und Bodenwirkung aus der Gruppe, Clomazone, Linuron und/oder
(B2) gegen dikotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit überwiegend Blattwirkung aus der Gruppe Pyrithiobac und dessen Salzen und/oder
(B3) gegen monokotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit überwiegend Blattwirkung aus der Gruppe Quizalofop-P-ethyl, Fenoxaprop-P-ethyl und Fluazifop-P-butyl, und/oder
(B4) gegen überwiegend monokotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit Blatt- und Bodenwirkung aus der Gruppe Cycloxydim, besteht,
aufweist und die Baumwollkulturen gegenüber den in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und (B), gegebenenfalls in Gegenwart von Safenern, tolerant sind."
Der Hilfsantrag 1 umfasst vier unabhängige Ansprüche, die Verwendungsansprüche 1 und 2, den Verfahrensanspruch 7 sowie den Produktanspruch 8.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist identisch mit Anspruch 1 des Hauptantrags und lautet wie folgt:
"Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Baumwollkulturen, dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige Herbizid-Kombination einen wirksamen Gehalt an
(A) einem breitwirksamen Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus (A1) Verbindungen der Formel (A1),
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin Z einen Rest der Formel -OH oder einen Peptidrest der Formel -NHCH(CH3)CONHCH(CH3)COOH bedeutet, und deren Salzen besteht,
und
(B) einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus
(B1) gegen monokotyle und überwiegend dikotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit Blatt- und Bodenwirkung aus der Gruppe, Clomazone, Trifluralin, Linuron und Pendimethalin und/oder
(B2) gegen dikotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit überwiegend Blattwirkung aus der Gruppe Bispyribac und dessen Salzen und Pyrithiobac und dessen Salzen und/oder
(B3) gegen monokotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit überwiegend Blattwirkung aus der Gruppe Quizalofop-P-ethyl, Fenoxaprop-P-ethyl und Fluazifop-P-butyl, und/oder
(B4) gegen überwiegend monokotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit Blatt- und Bodenwirkung aus der Gruppe Sethoxydim, Cycloxydim und Clethodim besteht,
aufweist und die Baumwollkulturen gegenüber den in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und (B), gegebenenfalls in Gegenwart von Safenern, tolerant sind."
Anspruch 2 des Hilfsantrags 1, welcher aus Anspruch 3 des Hauptantrags (siehe oben) hervorgegangen ist, unterscheidet sich von diesem dadurch,
- dass die Alternative (B2) gestrichen wurde, und
- dass die Komponente (A) auf eine konkrete Verbindung, nämlich "Glyphosate-isopropylammonium", beschränkt wurde.
Anspruch 7 des Hilfsantrags 1 hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Bekämpfung von Schadpflanzen in toleranten Baumwollkulturen, dadurch gekennzeichnet, dass man die Herbizide der Herbizid-Kombination, definiert gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6, gemeinsam oder getrennt im Vorauflauf, Nachauflauf oder im Vor- und Nachauflauf auf die Pflanzen, Pflanzenteile, Pflanzensamen oder die Anbaufläche appliziert."
Anspruch 8 des Hilfsantrags 1 lautet:
"Herbizide Zusammensetzung, dadurch gekennzeichnet, dass sie neben einem Herbizid (A) aus der Gruppe der Verbindungen der Formel (A1),
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin Z einen Rest der Formel -OH oder einen Peptidrest der Formel -NHCH(CH3)CONHCH(CH3)COOH bedeutet, und deren Salzen,
einen Herbizidwirkstoff (B) aus der Gruppe enthält, die aus
(B2') gegen dikotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit überwiegend Blattwirkung aus der Gruppe Bispyribac und dessen Salzen und Pyrithiobac und dessen Salzen und/oder
(B3') gegen monokotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit überwiegend Blattwirkung aus der Gruppe Quizalofop-P-ethyl besteht,
und gegebenenfalls im Pflanzenschutz übliche Zusatzstoffe und Formulierungshilfsmittel enthält."
XII. Die Argumente der Beschwerdeführerin bezüglich des Hauptantrags können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:
- Der Gegenstand von Anspruch 3 des Hauptantrags sei nicht neu gegenüber D2.
- Im Vergleich zu den vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung anhängigen Anträgen sei in den während der mündlichen Verhandlung eingereichten Anträgen bei den auf Glyphosat-enthaltende Herbizid-Kombinationen gerichteten Ansprüchen (Ansprüche 3 und 4) die Alternative (B2) wieder eingefügt worden. Dies sei im Hinblick auf Regel 80 EPÜ nicht zulässig.
- Die im Vergleich zu den ursprünglich eingereichten Ansprüchen vorgenommenen Änderungen würden zu einer deutlichen Beschränkung der Herbizide (A) und (B) führen. Die daraus resultierende spezifische Kombination entspreche einer Zwischenverallgemeinerung, die ursprünglich nicht offenbart sei. Im vorliegenden Fall sei T 371/10 (Nr. 2.2 und 2.3 der Entscheidungsgründe) und nicht T 888/08 einschlägig. Mithin würden die Ansprüche 1 bis 11 gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoßen.
- D6 sei nächstliegender Stand der Technik.
Aufgrund der Breite der Verwendungsansprüche und des Verfahrensanspruchs könne das Merkmal "einen wirksamen Gehalt an (A) [...] und (B)" nicht notwendigerweise implizieren, dass zwischen den Herbiziden (A) und (B) ein Synergismus auftreten müsse. Auch sei das Ausmaß der Unkrautvernichtung mit großen Mengen beispielsweise eines Herbizids (A) schon so hoch, dass bei Zusatz eines weiteren Herbizids überhaupt kein Synergismus mehr beobachtet werden könne.
Die Beobachtung eines Synergismus könne nur bei Verwendungsansprüchen nicht aber bei Produktansprüchen für die Anerkennung einer erfinderischen Tätigkeit ausschlaggebend sein, weil Wirkstoffe einer Zusammensetzung nur synergistisch wirken könnten, wenn die Zusammensetzung auch verwendet wird. Selbst wenn dies nicht zutreffe, könne der Gegenstand des Produktanspruchs nicht erfinderisch sein, da ein Synergismus nicht über die gesamte Anspruchsbreite auftrete: so seien Herbizid-Kombinationen mit dem herbizid-unwirksamen Bialaphos umfasst, welches erst in der Pflanze zum eigentlich herbizid-wirksamen Glufosinat metabolisiert werde.
Der beanspruchte Gegenstand beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
XIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:
- Anspruch 3 des Hauptantrags sei neu gegenüber D2, da kein Behandlungsregime getestet werde, in dem Glyphosat und Pyrithiobac gemeinsam oder nacheinander aufgebracht würden. Auch diene die in D2 beschriebene frühe Glyphosat-Behandlung nicht der Unkrautbekämpfung in der Baumwollkultur, sondern der Feldvorbereitung.
- Im Hinblick auf die Gewährbarkeit der Änderungen seien die Entscheidungen T 888/08 und T 371/10 (Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe) einschlägig. Das auf den Nr. 2.2 und 2.3 der Entscheidungsgründe aus T 371/10 beruhende Argument der Beschwerdeführerin sei nicht stichhaltig, da sich der diesem Teil der Entscheidung zu Grunde liegende Anspruchswortlaut grundlegend vom Vorliegenden unterscheide.
- Die synergistische Wirkung der beiden Herbizide (A) und (B) sei eine notwendige Folge der Tatsache, dass beide in einem "wirksamen Gehalt" in der Herbizid-Kombination vorliegen würden. Ferner könne die Beobachtung einer bereits fast vollständigen Unkrautvernichtung bei Einzelanwendung eines Herbizids kein Grund dafür sein anzunehmen, dass in Kombination mit einem weiteren Herbizid kein Synergismus mehr zu beobachten sei. Die Bedeutung der Verwendung einer Herbizid-Kombination liege gemäß Streitpatent gerade darin, die Aufwandmengen der Herbizide im Vergleich zu der jeweiligen Solo-Anwendung der Einzelwirkstoffe zu reduzieren.
Zwar umfasse der Produktanspruch als Herbizid (A) das herbizid-unwirksame Bialaphos, doch werde dies in der zu bekämpfenden Pflanze zum herbizid-wirksamen Glufosinat metabolisiert. Somit würde durch Herbizid-Kombinationen mit Bialaphos die gleiche Wirkung erzielt wie mit solchen, die Glufosinat aufweisen.
Mithin müsse die synergistische Wirkung zwischen den spezifischen Herbizid-Kombinationen über die gesamte Anspruchsbreite auftreten. Die Lösung der sich aus dieser Wirkung ergebenden objektiven technische Aufgabe in Form des beanspruchten Gegenstands sei nicht offensichtlich, da Synergismus per se nicht vorhersagbar sei.
Hauptantrag
1. Aufhebung der Zulassungsentscheidung der Einspruchsabteilung
Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung betreffend die Zulassung der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anträge (Hauptantrag sowie 13 Hilfsanträge) aufzuheben. Tatsächlich richtet sich dieser Antrag nur gegen den anhängigen Hauptantrag, da die übrigen anhängigen Anträge, d.h. die von der Beschwerdegegnerin mit ihrem Schreiben vom 21. Mai 2019 eingereichten Hilfsanträge 1-4, neue vormals noch nicht eingereichte Anträge im Verfahren darstellen. In der mündlichen Verhandlung entschied die Kammer, dem Antrag der Beschwerdeführerin nicht stattzugeben. In Anbetracht der Nichtgewährbarkeit des Hauptantrags (siehe unten) braucht diese Entscheidung nicht näher begründet zu werden.
2. Neuheit - Artikel 54 EPÜ
2.1 D2 offenbart (Seite 69, Abschnitt "Materials and Methods"; Tabelle 1) ein Feldexperiment bei dem
a) Winterunkraut ("winter weeds") zunächst mit "Roundup" vernichtet wird (17. März 1995),
b) gegen "Roundup" resistente Baumwolle gepflanzt wird (10. Mai 1995),
c) einjährige Unkräuter ("annual weeds") nach der Pflanzung der Baumwolle mit "Gramoxone Extra" vernichtet werden (10. Mai 1995),
d) das Nachauflauf-Herbizid ("postemergence herbicide") "Staple" eingesetzt wird (6. Juni 1995).
In ihrer Mitteilung an die Parteien gemäß Artikel 15 (1) VOBK hatte die Kammer ausgeführt,
- dass "Roundup" ein Herbizid gemäß (A2) und "Staple" ein Herbizid gemäß (B2) in Anspruch 3 ist, und
- dass die Baumwollkulturen nicht nur gegenüber "Roundup" sondern auch gegenüber "Staple" tolerant seien bzw. tolerant sein müssen, da sich sonst die Anwendung auch des Letzteren verbieten würde.
Diese Punkte wurden von keiner der Parteien bestritten.
Ferner ist es der zweckgemäßen Verwendung von Herbiziden implizit, dass davon wirksame Mengen eingesetzt werden.
Zusammenfassend offenbart daher D2 den folgenden zeitlichen Ablauf:
i) Einsatz einer wirksamen Menge von "Roundup" (d.h. (A2) in Anspruch 3),
ii) Pflanzung der Baumwolle, die resistent ist sowohl gegen "Roundup" als auch "Staple",
iii) Einsatz einer wirksamen Menge des Nachauflauf-Herbizids "Staple" (d.h. (B2) in Anspruch 3).
2.2 Somit erfolgt also die Applikation beider Herbizide mit einem gewissen zeitlichen Abstand. Darüber hinaus wird das erste Herbizid eingesetzt, wenn noch keine Baumwollkulturen gepflanzt sind.
2.2.1 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass D2 für den Gegenstand des Anspruchs 3 nicht neuheitsschädlich sei, da "kein Behandlungsregime getestet [wird], in dem Glyphosate (Roundup) und Pyrithiobac (Staple) gemeinsam oder nacheinander aufgebracht werden" (Seite 6, Punkt [14] ihrer Beschwerdeerwiderung; Hervorhebung hinzugefügt), dass also in D2 keine Herbizid-Kombination offenbart sei.
Die Kammer hält dies für nicht stichhaltig. So führt das Streitpatent selbst aus: "Aber auch die zeitversetzte Anwendung der Einzelwirkstoffe einer Kombination ist möglich und kann im Einzelfall vorteilhaft sein." (Absatz [0009], Hervorhebung hinzugefügt). Mithin impliziert also die Verwendung von Anspruch 3 nicht, dass beide Herbizide notwendigerweise in derselben Zusammensetzung enthalten sein oder dass sie direkt nacheinander aufgebracht werden müssen. Da das Streitpatent nicht näher ausführt, wie stark zeitlich beabstandet die Applikation der beiden Herbizide noch erfolgen kann um noch als "zeitversetzt" zu gelten, kann nur der Schluss gezogen werden, dass auch die zeitlich beabstandete Applikation von "Roundup" und "Staple" in D2 als Verwendung einer Herbizid-Kombination im Sinne von Anspruch 3 anzusehen ist.
2.2.2 Auch argumentierte die Beschwerdegegnerin, "[d]ass die in D2 beschriebene frühe Glyphosate-Behandlung nicht der Unkrautbekämpfung in der Baumwollkultur, sondern der Feldvorbereitung dient" (Seite 6, Punkt [17] ihrer Beschwerdeerwiderung), dass also die Behandlung eines noch ungesäten/unbepflanzten Feldes nicht als "Bekämpfung von Schadpflanzen in Baumwollkulturen" (Hervorhebung hinzugefügt) aufzufassen sei, so wie es Anspruch 3 fordere.
Auch dies hält die Kammer nicht für überzeugend. Das Streitpatent selbst sieht die getrennte Applikation zweier Herbizide beispielsweise im Vor- oder im Nachauflaufverfahren vor (Absatz [0009]). Hierbei ist nur der Zeitpunkt der Ausbringung eines Herbizids bestimmt, nicht aber der des anderen. In Einklang damit ist laut Tabelle 1, Einträge 6 und 12, im Streitpatent beispielsweise auch eine sequentielle Anwendung zweier Herbizide einer Kombination erfindungsgemäß, bei der ein Herbizid vor der Saat, das andere jedoch erst im Nachauflauf ausgebracht wird - also vollkommen analog zu D2.
2.3 Zusammengefasst offenbart D2 daher alle Merkmale des unabhängigen Anspruchs 3. Daher ist zumindest der Gegenstand dieses Anspruchs nicht neu und der Hauptantrag damit nicht gewährbar.
Hilfsantrag 1
3. Zulassung - Artikel 13 (3) VOBK
Hilfsantrag 1 wurde von der Beschwerdegegnerin mit ihrem Schreiben vom 21. Mai 2019 eingereicht. Diesbezüglich lag von Seiten der Beschwerdeführerin kein Antrag auf Nichtzulassung vor. Für die Kammer ist auch nicht ersichtlich, weshalb durch diesen Antrag Fragen aufgeworfen werden sollten, deren Behandlung der Kammer oder der Beschwerdeführerin ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten wären. Die Kammer entschied daher in der mündlichen Verhandlung, den Hilfsantrag 1 zum Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (3) VOBK).
4. Änderungen - Regel 80 EPÜ
Mit Schreiben vom 6. Juni 2014, d.h. zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, hatte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag sowie 13 neue Hilfsanträge eingereicht. In diesen Anträgen war in den unabhängigen Verwendungsansprüchen, die auf Glyphosat (bzw. dessen Salze)-enthaltende Herbizid-Kombinationen gerichtet waren, die Alternative (B2) gestrichen worden. In den zu Beginn der mündlichen Verhandlung eingereichten und zum Verfahren zugelassenen Anträgen war diese Alternative jedoch wieder aufgenommen worden.
In ihrer Beschwerdebegründung argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die Wiedereinführung dieser vormals gestrichenen Alternative (B2) gegen Regel 80 EPÜ verstoße. Dieser Einwand, ob inhaltlich gerechtfertigt oder nicht sei an dieser Stelle dahingestellt, ist gegen Hilfsantrag 1 nicht mehr von Relevanz, da in diesem die Alternative (B2) bei den auf Glyphosat-enthaltende Herbizid-Kombinationen gerichteten Ansprüchen nicht mehr genannt ist.
5. Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ
5.1 Anspruch 1 unterscheidet sich vom ursprünglichen Anspruch 1 dadurch,
- dass der Umfang der Listen für die Herbizide (A) und (B) beschränkt wurde, und
- dass die Herbizid-Kombinationen nun nur noch lediglich ein Herbizid (B) aufweisen, wohingegen sich der ursprüngliche Anspruch 1 noch auf "(B) einem oder mehreren Herbiziden aus der Gruppe der Verbindungen" (Hervorhebung hinzugefügt) bezieht.
5.1.1 Im Falle des Herbizids (A) wurden neben den im ursprünglichen Anspruch 1 aufgezählten Alternativen (A2) bis (A5) auch drei ursprünglich vorhandene Möglichkeiten für die Alternative (A1) gestrichen (Z = -NHCH(CH3)CONHCH[CH2CH(CH3)2]COOH sowie die Möglichkeit, dass es sich bei (A1) um Ester oder andere Phosphinothricin-Derivate handeln kann). Im Falle des Herbizids (B) wurde die im ursprünglichen Anspruch 1 aufgezählte Alternative (B0) gestrichen und die verbleibenden Alternativen (B1) bis (B4) auf konkrete in der ursprünglichen Anmeldung auf Seite 10, Zeile 27 - Seite 13, Zeile 27 offenbarte Verbindungen eingeschränkt.
Ein Herausgreifen ("singling-out") spezifischer Kombinationen hat durch diese Beschränkungen jedoch nicht stattgefunden, da beide Listen (A) und (B) in Anspruch 1 jeweils noch einen gewissen Umfang haben (analog auch T 888/08, Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe und T 371/10, Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe). Dass die Herbizid-Kombination jetzt lediglich ein einziges Herbizid (B) aufweist, stellt nur einen Verzicht auf einen Teil des Anspruchsgegenstandes dar, generiert aber keine neue, ursprünglich nicht beschriebene Untergruppe (analog auch T 371/10, Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe). Das Argument der Beschwerdeführerin, der Gegenstand von Anspruch 1 entspreche einer ursprünglich nicht offenbarten Zwischenverallgemeinerung, überzeugt daher nicht.
5.1.2 Das auf die Nr. 2.2 und 2.3 der Entscheidungsgründe aus T 371/10 gestützte Argument der Beschwerdeführerin gegen Anspruch 1 hält die Kammer im vorliegenden Fall nicht für stichhaltig, da der diesem Teil der Entscheidung zugrunde liegende Anspruchswortlaut ein anderer war, und sich vom vorliegenden Anspruch 1 insbesondere dadurch unterscheidet, dass die Herbizid-Kombinationen neben einem Herbizid der Formel (A) und einem Herbizid der Formel (B) kein weiteres Herbizid enthalten. Hinzu kommt, dass es anders als im vorliegenden Fall, als relevant für die Entscheidung angesehen wurde, dass eine bestimmte Kombination nur im Zusammenhang mit bestimmten Mengenverhältnissen offenbart war oder die offenbarte Kombination beschränkter war als die beanspruchte.
5.2 Anspruch 2 basiert auf einer Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 3. Der Gegenstand dieser Kombination wurde analog zur oben unter Punkt 5.1 dargelegten Weise beschränkt, diesbezüglich ist also obige Argumentation mutatis mutandis anwendbar.
Anspruch 3 findet eine Basis auf Seite 7, Zeilen 10 f. der ursprünglichen Anmeldung.
Die Ansprüche 4-7 basieren auf den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 5-7.
Anspruch 8 basiert auf dem ursprünglichen Anspruch 8. Bezüglich der Beschränkung des Umfangs der Listen für die Herbizide (A) und (B0') bis (B4') ist obige Argumentation mutatis mutandis anwendbar. Dabei ist dem Fachmann zumindest implizit klar, dass sich die von Seite 10, Zeile 27 - Seite 13, Zeile 27 erstreckende Aufzählung von Vertretern unter anderem für B2 und B3 auch auf die im ursprünglichen Anspruch 8 genannten Herbizide B2' beziehungsweise B3' bezieht.
5.3 Mithin erfüllt der beanspruchte Gegenstand des Hilfsantrags 1 also die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.
6. Neuheit - Artikel 54 EPÜ
Hilfsantrag 1 umfasst die unabhängigen Ansprüche 1, 2, 7 und 8.
Wie oben ausgeführt, offenbart D2 die Verwendung von "Roundup", einem Herbizid gemäß (A2) nach der Terminologie des Streitpatents und "Staple", einem Herbizid gemäß (B2) nach der Terminologie des Streitpatents.
Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1, 7 (soweit er sich auf Anspruch 1 zurückbezieht) und 8 ist gerichtet auf die Verwendung von Herbizid-Kombinationen (Anspruch 1), ein Verfahren unter Einsatz dieser (Anspruch 7) bzw. herbizide Zusammensetzungen (Anspruch 8), gekennzeichnet durch herbizide Verbindungen der Formel (A1), d.h. Glufosinat, Glufosinatsalze und Bialaphos. Ihr Gegenstand ist mithin neu gegenüber D2, welches (A2) verwendet.
Anspruch 2, gerichtet auf die Verwendung von Herbizid-Kombinationen umfassend "Glyphosate-isopropylammonium", weist nicht mehr die Alternative (B2) auf. Der Gegenstand von Anspruch 2 ist mithin ebenfalls neu gegenüber D2. Mutatis mutandis gilt dies auch für den Verfahrensanspruch 7 des Hilfsantrags 1, soweit er sich auf Anspruch 2 zurückbezieht.
Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1, 2, 7 und 8 und infolge dessen auch der der abhängigen Ansprüche 3 bis 6 ist demnach neu gegenüber D2.
7. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
7.1 Die Parteien stimmten darin überein, dass D6 als der nächstliegende Stand der Technik anzusehen ist. Die Kammer sah keine Veranlassung von dieser einstimmigen Meinung abzuweichen.
7.2 Wie schon in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK ausgeführt und von keiner der Parteien bestritten, beschäftigt sich D6 mit Herbizid-Kombinationen zur Unkrautbekämpfung in toleranten Baumwollkulturen.
Dem Gegenstand des Streitpatents am nächsten kommen dabei die Herbizid-Kombinationen aus D6, die
a) eines der Breitbandherbizide Glufosinat oder Glyphosat und
b) eines der selektiven Herbizide Cyanazine, Diuron, Fluometuron, Lactofen oder Mononatriummethylarsonat (MSMA)
aufweisen. Die Herbizide dieser Kombinationen a) + b) werden zusammen sofort nach der Pflanzung der Baumwolle ausgebracht. Gefunden werden zwischen den Herbiziden auch synergistische Effekte.
7.3 Unkräuter, wie sie in D6 bekämpft werden, sind Schadpflanzen im Sinne des Streitpatents (siehe darin zum Beispiel die Absätze [0010], [0041]-[0044] und [0047]). Ferner ist es der zweckgemäßen Verwendung von Herbiziden implizit, dass ihr Einsatz in einer wirksamen Menge erfolgt.
7.4 Mithin unterscheidet sich der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1, 2, 7 und 8 von D6 dadurch, dass die Kombinationen in D6 keine der unter (B) in den Ansprüchen 1, 2 und 7 bzw. unter (B2')/(B3') in Anspruch 8 genannten Herbizide aufweisen.
7.5 Bei D20 und D21 handelt es sich um Versuchsberichte der Beschwerdegegnerin. Die beiden Breitbandherbizide Glufosinate-ammonium und Glyphosate-isopropylammonium (d.h. Verbindungen gemäß (A1) bzw. (A) in den unabhängigen Ansprüchen 1, 2, 7 und 8) werden darin kombiniert mit jedem der in den jeweiligen unabhängigen Ansprüchen genannten Herbizide (B) bzw. (B2')/(B3'). Für jede der Herbizid-Kombinationen der unabhängigen Ansprüche wird eine synergistische Wirkung nachgewiesen. Die Möglichkeit, diese Versuchsberichte zu berücksichtigen, und die Glaubhaftigkeit der darin beschriebenen Ergebnisse wurden von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen.
7.6 Ausgehend von D6 als nächstliegendem Stand der Technik besteht die objektive technische Aufgabe mithin darin, weitere Herbizid-Kombinationen aufzufinden, die synergistisch wirken.
7.6.1 Im Hinblick auf die Verwendungsansprüche 1 und 2 und den Verfahrensanspruch 7 argumentierte die Beschwerdeführerin, dass diese Ausführungsformen umfassen würden, bei denen ganz unterschiedliche Verhältnisse von (A) und (B) eingesetzt oder bei denen alle nur denkbaren Unkräuter bekämpft würden. Mithin könne das Merkmal "einen wirksamen Gehalt an (A) [...] und (B)" nicht notwendigerweise implizieren, dass zwischen (A) und (B) ein Synergismus auftreten müsse. Insbesondere sei die Unkrautvernichtung mit hohen Mengen beispielsweise eines Herbizids (A) schon so hoch, dass bei Zusatz eines weiteren Herbizids überhaupt kein Synergismus mehr beobachtet werden könne.
Die Kammer überzeugt dies nicht. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 beziehen sich auf die Verwendung von Herbizid-Kombinationen, die "einen wirksamen Gehalt" der Herbizide (A) und (B) aufweisen. Herbizid-Kombinationen mit nicht wirksamen Mengen der Herbizide (A) oder (B) sind mithin nicht Gegenstand der Ansprüche. Bei Nachweis eines Synergismus für eine Herbizid-Kombination, die zwei Herbizide (A) und (B) in jeweils wirksamer Menge aufweist, hält es die Kammer für glaubhaft, dass dieser Synergismus auch für andere Mengen/Mengenverhältnisse der beiden Herbizide zu beobachten ist, zumindest solange sich diese innerhalb der durch das Merkmal "einen wirksamen Gehalt" bedingten und vernünftigerweise anzunehmenden Grenzen bewegen. Ohne Beweis des Gegenteils kann auch die Beobachtung einer bereits fast vollständigen Unkrautvernichtung bei Einzelanwendung eines Herbizids kein Grund dafür sein anzunehmen, dass in Kombination mit einem weiteren Herbizid kein Synergismus mehr zu beobachten sei. Somit umfassen die Ansprüche 1 und 2 nur Kombinationen, die tatsächlich synergistisch wirken (können). Mutatis mutandis gilt dies auch für Anspruch 7, der sich in Bezug auf die Herbizid-Kombinationen auf die Ansprüche 1 und 2 zurückbezieht.
7.6.2 Im Hinblick auf den Produktanspruch trug die Beschwerdeführerin vor, dass die Beobachtung eines Synergismus nur bei Verwendungsansprüchen, nicht aber bei Produktansprüchen für die Anerkennung einer erfinderischen Tätigkeit ausschlaggebend sein könne. Selbst wenn dies nicht zutreffe, könne der Gegenstand des Produktanspruchs nicht erfinderisch sein, da ein Synergismus nicht über die gesamte Anspruchsbreite auftrete. Dieser umfasse Herbizid-Kombinationen mit dem herbizid-unwirksamen Bialaphos, welches erst in der Pflanze zum eigentlich herbizid-wirksamen Glufosinat metabolisiert werde. Synergistisch sei also nicht die anspruchsgemäß auch mögliche Kombination von Bialaphos mit dem Herbizid (B) sondern nur die Kombination von Glufosinat mit dem Herbizid (B).
Auch dies hält die Kammer nicht für überzeugend. Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern werden Wirkungen bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe gerade auch bei Produktansprüchen sehr wohl berücksichtigt, sofern glaubhaft ist, dass besagte Wirkung über den gesamten beanspruchten Bereich auftritt (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, I.D.4.3). Dem darauf gerichteten Argument der Beschwerdeführerin, ein Synergismus sei nicht über den gesamten beanspruchten Bereich zu erzielen, da Bialaphos an sich herbizid-unwirksam sei, kann sich die Kammer nicht anschließen. Bialaphos wird in der zu bekämpfenden Pflanze zum allgemein anerkannt herbizid-wirksamen Glufosinat metabolisiert (siehe dazu die Erklärung von Herrn Hacker, D16 (Seite 2, Absatz 3), deren Glaubhaftigkeit die Beschwerdeführerin nicht bestritten hat). Somit führen also die Bialaphos enthaltenen Zusammensetzungen zu den gleichen Wirkungen wie die Glufosinat enthaltenden Zusammensetzungen.
7.7 Ausgehend von D6 als nächstliegendem Stand der Technik hält die Kammer die Lösung der objektiven technischen Aufgabe in Form der in den unabhängigen Ansprüchen erwähnten Herbizid-Kombinationen für erfinderisch, da ein Synergismus per se nicht vorhersagbar ist (T 1814/11, Entscheidungsgründe Nr. 3.3). So hat die Beschwerdeführerin auch nicht vorgetragen, weshalb es für den Fachmann offensichtlich sein sollte, dass der Austausch eines der selektiven Herbizide b) in D6 gegen eines der in den Ansprüchen genannten Herbizide (B)/(B2')/(B3') mit einer Beibehaltung der synergistischen Wirkung einhergeht.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch daran anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schreiben vom 21. Mai 2019.