T 0054/17 (Prozessorüberwachung/PLANKI et al) 16-08-2018
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VERFAHREN BZW.VORRICHTUNG ZUR ÜBERWACHUNG UND STEUERUNG DES BETRIEBSVERHALTENS EINES COMPUTER- ODER PROZESSORSYSTEMS
Zuständigkeit der Technischen Beschwerdekammer für Unterbrechung des Verfahrens (ja)
Rückwirkende Unterbrechung des Verfahrens (nein)
Verstoss gegen Treu und Glauben (ja)
Spät eingereichter Antrag zugelassen
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (nein)
Kostenverteilung (ja)
1. Wenn eine Beschwerde vor der Beschwerdekamme anhängig ist, hat die Rechtsabteilung keine ausschließliche Zuständigkeit für die Frage der Unterbrechung des Verfahrens (siehe 1.4 der Entscheidungsgründe).
2. Setzt ein Patentinhaber in Kenntnis der Unterbrechungs-voraussetzungen, die ausschließlich in seiner Sphäre liegen, nach dem Wegfall der Unterbrechungsvoraussetzungen das Verfahren über Jahre uneingeschränkt fort, ohne sich darauf zu berufen, so erscheint es unbillig die Unterbrechung zu einem so späten Zeitpunkt geltend zu machen, mit der Folge, dass das bis dahin erfolgte Verfahren, an dem er bis dato aktiv mitgewirkt hat, zu wiederholen wäre. Dies widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben (siehe 1.5 der Entscheidungs-gründe).
3. Wird die Lösung eines technischen Problems mithilfe eines neu formulierten und damit unüblichen Parameters definiert, so trifft den Patentinhaber eine besondere Pflicht, sämtliche Informationen zu offenbaren.
Das beanspruchte "Betriebsereignis" und das beanspruchte "Reaktionsmuster" sind als solche "unüblichen Parameter" zu verstehen. Zwar haben sie einen gewissen Sinn in der deutschen Sprache, aber nicht ohne Weiteres einen technischen Sinn im Rahmen der Steuerung eines Prozessorssystems.
Der Beitrag der Erfindung ist nur eine sehr allgemeine Idee, nämlich Umgebungsparameter in einem Überwachungs- und Steuerungsprozess zu berücksichtigen. Die Beschreibung enthält kein Ausführungsbeispiel, das diese Idee erläutern und darstellen würde. Weiterhin ist es nicht möglich diese Idee hinsichtlich der Parameter "Betriebsereignis" und "Reaktionsmuster" durch die Offenbarung der Beschreibung zu abstrahieren.
(siehe Entscheidungsgründe 3.7, 3.8 and 3.13).
Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 7. November 2016 das europäische Patent Nr. 1 410 205 mangels Neuheit gegenüber US 5 230 055 (D4) zu widerrufen. | |
II. Dieser Entscheidung war bereits ein erstes Beschwerdeverfahren vorausgegangen, in dem die Beschwerdekammer die Widerrufsentscheidung der Einspruchsabteilung aufgehoben und die Angelegenheit zur weiteren Prüfung zurückverwiesen hatte. Patentinhaber waren zu diesem Zeitpunkt die gemeinsamen Anmelder Herr Sperling (gemeinsamer Vertreter) und Herr Planki.
III. Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2017 legten die Beschwerdeführer (Patentinhaber) Beschwerde ein. Sie beantragten die Aufhebung der Entscheidung über den Widerruf und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung.
IV. In der Beschwerdebegründung vom 13. Januar 2017 wurden detaillierte Gründe zur Neuheit dargelegt. Es wurde hilfsweise mündliche Verhandlung sowie Beschleunigung des Verfahrens beantragt. Dieser Beschleunigungsantrag wurde am 27. März 2017 und am 17. Mai 2017 nochmals bestätigt.
V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte mit Schriftsatz vom 13. Februar 2017 die Zurückweisung der Beschwerde und den Widerruf des Patents in vollem Umfang . Es wurde hilfsweise mündliche Verhandlung beantragt. Im Schriftsatz vom 22. Mai 2017 legte die Beschwerdegegnerin detailliert dar, warum das Patent basierend auf Artikel 100 a) bis c) EPÜ zu widerrufen sei.
VI. Am 31. August 2017 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2017 geladen. In der Mitteilung befand die Kammer, dass nach ihrer vorläufigen Auffassung die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) bis c) EPÜ der Aufrechterhaltung entgegenstünden und demnach das Patent zu widerrufen sei.
VII. Am 12. Dezember 2017 beantragte Herr Planki die Unterbrechung des Verfahrens und Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung, da Herr Sperling seine Anwaltszulassung bereits zum 31. Dezember 2016 zurückgegeben habe, wovon er erst heute erfahren habe. Nach der Mitteilung der Kammer, dass dies keinen Unterbrechungsgrund darstelle, beantragte Herr Planki am 13. Dezember 2017 erneut die Unterbrechung des Verfahrens, da im Jahr 2015 ein Insolvenzverfahren gegen das Vermögen von Herrn Sperling eröffnet worden sei, das noch anhängig sei. Daraufhin wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.
VIII. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 unterbrach die Rechtsabteilung das Verfahren zum 30. Januar 2015 und mit Schreiben vom 5. März 2018 nahm sie das Verfahren zum 2. Mai 2018 wieder auf.
IX. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 beantragte die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführer zur Übernahme von Kosten zu verpflichten und das Verfahren zügig fortzusetzen.
X. Am 11. Mai 2018 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung am 9. August 2018 geladen. Die Kammer legte ihre vorläufige Meinung hinsichtlich der Unterbrechung dar und verwies ansonsten auf die Mitteilung vom 31. August 2017.
XI. Mit Schreiben vom 29. Mai 2018 wurde die Umschreibung des Patents auf Herrn Planki als alleinigen Patentinhaber sowie Verlegung der mündlichen Verhandlung beantragt. Das Patent wurde daraufhin mit Wirkung vom 29. Mai 2018 umgeschrieben. Die Kammer verlegte die Verhandlung und lud die Parteien für den 16. August 2018.
XII. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2018 reichte der Beschwerdeführer einen geänderten Hauptantrag ein und beantragte die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung.
XIII. Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2018 beantragte die Beschwerdegegnerin den geänderten Hauptantrag als verspätet nicht zuzulassen, weiterhin verstoße dieser gegen Artikel 123(2) EPÜ, Artikel 83 und 84 EPÜ und sei nicht neu (Artikel 100 a) EPÜ). Zudem fänden die Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ Anwendung.
XIV. Am 16. August 2018 fand die mündliche Verhandlung in Anwesenheit beider Parteien statt.
Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 28. Juni 2018.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte den neuen Antrag als verspätet nicht zuzulassen und die Zurückweisung der Beschwerde. Zusätzlich beantragte sie dem Beschwerdeführer alle Kosten aufzuerlegen, die ihr nach der Absage der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2017 entstanden sind.
XV. Der unabhängige Anspruch 1 des neuen Hauptantrages lautet wie folgt :
"1. Verfahren zur automatisierten Überwachung und Steuerung des Betriebsverhaltens eines Prozessorsystems (1) mit folgenden Schritten:
a) Erfassen von Betriebsparametern einzelner Komponenten und von Umgebungsparametern des Prozessorsystems (1);
b-c) Vergleichen der erfassten Betriebsparameter bzw. Umgebungsparameter mit vorgegebenen Grenzwerten zur Feststellung, ob bzw. welche der vorgegebenen Grenzwerte durch einen oder mehrere der erfassten Betriebsparameter bzw. Umgebungsparameter über- oder unterschritten werden;
d) Bestimmen eines Betriebsereignisses auf Grundlage der über- oder unterschrittenen Grenzwerte, wobei auf Grundlage einer kombinierten Bewertung mehrerer Grenzwert-Über- bzw. -Unterschreitungen als Betriebsereignis ein solches Ereignis bestimmt wird, das für diese verantwortlich ist;
e) Auswahl eines dem bestimmten Betriebsereignis entsprechenden Reaktionsmusters aus einer Anzahl von vorgegebenen Reaktionsmustern, wobei in Abhängigkeit vom Betriebsereignis ein den Betrieb des Systems aufrechterhaltendes Reaktionsmuster ausgewählt wird, wenn ein solches in Bezug auf das bestimmte Betriebsereignis existiert; und
f) Übertragen eines dem ausgewählten Reaktionsmuster entsprechenden Steuerbefehls zur Veränderung des Betriebsverhaltens an das zu überwachende Prozessorsystem (1), wobei der Steuerbefehl in der Anweisung besteht, einzelne Komponenten stillzulegen oder in einen Sleep-Modus zu versetzen."
XVI. Der Beschwerdeführer argumentierte hinsichtlich Artikel 100 b) EPÜ das Folgende :
Das Neue an der Erfindung sei die Überlegung, Betriebs-parameter einzelner Komponenten und gleichzeitig Umgebungsparameter zu erfassen und aus diesen Messwerten auf Betriebsereignisse zu schließen. Ein Betriebsereignis sei ein Zustand des Systems an dem sich dieses zu einem Zeitpunkt t befinde. Dies sei in Absatz [0017] der Patentschrift offenbart. Der auszuführende Steuerbefehl komme aus einer zweiten Tabelle. Dies ergebe sich aus Absatz [0018], wo dargelegt sei, dass aus einer Anzahl von vorgegebenen Reaktionsmustern, welche in einem zweiten Speicher enthalten seien, ein dem Betriebsereignis entsprechender Steuerbefehl ausgewählt werde.
Die im Anspruch gewählte Terminologie sei für den Fachmann klar und die einzelnen Schritte des beanspruchten Verfahrens bauten in klarer Weise aufeinander auf und seien für den Fachmann ausführbar. Selbst wenn in den genannten Tabellen nur Reaktionsmuster für Einzelüberschreitungen angeführt wären, so habe auch der ursprüngliche Anspruch schon immer eine Mehrzahl von Grenzwerten betrachtet. Absatz [0020] und [0022] stellten die Kombination einzelner Werte eindeutig dar ebenso wie eine Kombination von Grenzwertüber- und unterschreitungen.
Der Beschwerdeführer führte weiterhin aus, dass es zwei Ebenen in der vorliegenden Erfindung gäbe, nämlich den Anspruch und die Beschreibung. Der Anspruch sei klar. Die Beschreibung sage auch sehr deutlich, vor allem in Absatz [0018], wie die Erfindung auszuführen sei. Der Fachmann brauche keine derartig detaillierten Informationen, wie von der Beschwerdegegnerin ausgeführt, um die Erfindung auszuführen.
XVII. Die Beschwerdegegnerin führte zum Artikel 100 b) EPÜ Folgendes aus:
Es gäbe kein Ausführungsbeispiel, in dem eine Kombination von Grenzwertüber- bzw. unterschreitungen dargestellt sei. Es sei in der Patentschrift nicht angegeben, wie ein erster Grenzwert mit einem zweiten Grenzwert kombiniert werde und wie ein Reaktionsmuster damit verbunden sei. In der Tabelle auf Seiten 5 und 6 der Patentschrift sei für eine Messgröße an einem Messort ein bestimmtes Reaktionsmuster bestimmt, das bei Grenzwertüber- bzw. unterschreitung einen Steuerbefehl festlege. Es handle sich hierbei um Einzelereignisse.
Absatz [0020] der Patentschrift erwähne zwar die Möglichkeit einer kombinierten Bewertung, allerdings nur für den Vergleich von zwei Temperaturparametern von benachbarten Bauelementen. Diese Beispiele bezögen sich auf zwei benachbarte Elemente, aber nicht in welcher Abhängigkeit diese voneinander stünden. Der Fachmann könne verstehen, dass es sich um zwei benachbarte Bauelemente handle, wobei eines zu heiß und das andere etwas heiß sei. Für die Ausführbarkeit müsste aber in den Tabellen oder in der Beschreibung offenbart sein, was man genau in einer solchen Situation mache, wie z.B. als Steuerbefehl einen Sperrbefehl für das Abschalten einer zweiten Komponente auszugeben. Diese Information fehle aber. Ferner handle es sich im Ausführungsbeispiel um zwei Betriebsparameter und nicht um eine Kombination von Umgebungs- und Betriebsparameter.
Die Patentschrift stelle nicht dar was unter einem Betriebsereignis zu verstehen sei. Die Verfahrenskette, wie man von einer Grenzwertbewertung letztendlich zu einem Steuerbefehl komme, sei daher nebulös. Der Fachmann habe nach Lektüre der Patentschrift nur eine Vermutung, aber keine konkrete Ausgestaltung der Erfindung. Er verstehe bestenfalls, dass bei Feststellung einer Störsituation eines Systems, etwas getan werden müsse. Was aber genau gemacht werde, sei nicht festgelegt, vor allem nicht für das Überschreiten von mehreren Grenzwerten und einer Kombination von Ereignissen, wie im Anspruch definiert.
An einer Stelle der Patentschrift werde der Betrieb des Systems "aufrechterhalten", an einer anderen Stelle werde das System "heruntergefahren". Es sei nicht klar welche Komponente stillgelegt werde. Wenn dies der Prozessor wäre, was als Interpretation möglich wäre, dann würde das System still stehen, wie beim Sleep-modus einer Platte. Dies sei in der Patentschrift aber nicht gewünscht.
1. Unterbrechung des Verfahrens
1.1 Gemäß Regel 142 (1) b) EPÜ wird das Verfahren unterbrochen, wenn der Patentinhaber aufgrund eines gegen sein Vermögen gerichteten Verfahrens aus rechtlichen Gründen verhindert ist, das Verfahren fortzusetzen. Die Unterbrechung tritt automatisch ein und ist stets von Amts wegen zu berücksichtigen (J ../87, ABl. EPA 1988, 323). Gemäß § 80 Abs.1 der deutschen Insolvenzordnung (DE-InsO) geht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten auf den Insolvenzverwalter über, so dass hier am 30. Januar 2015 ein Unterbrechungstatbestand nach Regel 142 (1) b) EPÜ vorlag. Wird das Verfahren unterbrochen, beginnen die am Tag der Unterbrechung laufenden Fristen, mit Ausnahme der Frist zur Stellung des Prüfungsantrags und der Frist zur Zahlung der Jahresgebühren, an dem Tag von Neuem zu laufen, an dem das Verfahren wieder aufgenommen wird (Regel 142 (4) EPÜ). Mitteilungen und Entscheidungen des EPA, die in der Zeit zwischen dem Tag der Unterbrechung und dem Tag der Wiederaufnahme ergangen sind, sind gegenstandslos und sind nach Wiederaufnahme des Verfahrens erneut zuzustellen.
1.2 Im vorliegenden Fall hat der Insolvenzverwalter bereits am 25. März 2015 die Freigabe des Patents erklärt und somit war Herr Sperling ab diesem Zeitpunkt rechtlich nicht mehr gehindert das Patent zu verwalten, da es nicht mehr in die Insolvenzmasse fiel. Die Freigabe bewirkt, dass nach § 85 Abs. 2 DE-InsO der Insolvenzschuldner den bestehenden Rechtsstreit über das Patent wiederaufnehmen kann und nicht weiter an der Prozessführung gehindert ist. Damit war ab dem 25. März 2015 der Unterbrechungstatbestand entfallen. Im Verfahren nach dem EPÜ bewirkt jedoch der Wegfall des Unterbrechungstatbestands nicht automatisch die Wiederaufnahme des Verfahrens, sondern gemäß Regel 142 (2) EPÜ wird das Verfahren erst nach Ablauf einer vom EPA zu bestimmenden Frist wiederaufgenommen, nachdem ihm bekannt gegeben wurde, wer nunmehr berechtigt ist das Verfahren fortzusetzen. Die Berechtigung zur Fortsetzung des Verfahrens wurde dem EPA erst mit Schreiben des Insolvenzverwalters vom 30. Januar 2018 mitgeteilt, woraufhin die Rechtsabteilung den 2. Mai 2018 als Tag der Wiederaufnahme des Verfahrens bestimmte. Dies würde bedeuten, dass sowohl das erste Beschwerdeverfahren, das mit der Entscheidung vom 2. Oktober 2015 abgeschlossen wurde, als auch das daran anschließende Einspruchsverfahren nach der Zurückverweisung gegenstandslos und damit zu wiederholen wären.
1.3 In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen. Zum einen, ob die Beschwerdekammer an die Entscheidung der Rechtsabteilung gebunden ist und zum anderen, ob angesichts der konkreten Umstände des Falles eine Unterbrechung des Verfahrens gerechtfertigt ist.
1.4 Die Kammer ist der Auffassung, dass in einem Fall in dem eine Beschwerde anhängig ist, der Rechtsabteilung keine ausschließliche Zuständigkeit für die Frage der Unterbrechung zusteht. Sie schließt sich damit der in der Entscheidung T 854/12 (vom 8. August 2016) geäußerten Auffassung an, wonach eine Beschwerdekammer in eigener Verantwortung für ihr Verfahren hierüber entscheiden kann. Andernfalls könnte, insbesondere bei einer rückwirkenden Unterbrechung, ein Organ außerhalb der Beschwerdekammern ihr das Verfahren entziehen, ohne dass sie hierauf Einfluss hätte.
1.5 Die Beschwerdekammer ist weiterhin der Auffassung, dass der Patentinhaber zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Unterbrechung nicht mehr geltend machen kann, so dass das Beschwerdeverfahren ohne Einschränkungen fortzusetzen ist. Der Zweck der Regelung in Regel 142 (1) EPÜ besteht darin, zum Schutz des Patentinhabers zu verhindern, dass während seiner vorübergehenden Handlungsunfähigkeit nachteilige Verfahrensent-wicklungen eintreten (T 854/12, Pkt 6.1 der Gründe). Eine solche Schutzbedürftigkeit bestand allenfalls in dem Zeitraum zwischen dem 30. Januar 2015 und 25. März 2015. Setzt ein Patentinhaber in Kenntnis der Unterbrechungsvoraussetzungen, die ausschließlich in seiner Sphäre liegen, nach dem Wegfall der Unterbrechungsvoraussetzungen das Verfahren über Jahre uneingeschränkt fort, ohne sich darauf zu berufen, so erscheint es unbillig die Unterbrechung zu einem so späten Zeitpunkt geltend zu machen, mit der Folge, dass das bis dahin erfolgte Verfahren, an dem er bis dato aktiv mitgewirkt hat, zu wiederholen wäre. Dies widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben, weil er es damit in der Hand hätte, das Verfahren zu einem beliebigen Zeitpunkt anzuhalten, vor allem zu einem Zeitpunkt, der mit den Unterbrechungsvoraussetzungen und dem Schutzzweck der Norm nichts mehr zu tun haben. Dies würde auch die Gegenpartei, die selbst keine Kenntnis davon hatte, unangemessen beeinträchtigen. In der Entscheidung J 16/05 vom 27. Juli 2006 hat die Juristische Beschwerdekammer ausgeführt, dass die Parteien eine Verpflichtung haben im Verfahren so weit wie möglich zu kooperieren und in gutem Glauben und rechtzeitig zu handeln und dass eine Unterbrechung nicht erst Jahre nach Kenntniserlangung der Voraussetzungen geltend gemacht werden könne. Die Tatsache, dass Herr Planki erst im Dezember 2017 von der Insolvenz des Herrn Sperling Kenntnis erlangte, ist insoweit unerheblich, da er sich die Kenntnis des Herrn Sperling, der Mitinhaber des Patents und gleichzeitig gemeinsamer Vertreter war, zurechnen lassen muss.
1.6 Aus diesem Grunde ist das Verfahren vor der Beschwerdekammer fortzusetzen.
2. Zulässigkeit des geänderten Hauptantrages
2.1 Die Beschwerdegegnerin führte aus, dass der geänderte Hauptantrag vom 22. Juni 2018 verspätet eingereicht wurde. Gemäß Artikel 12(4) VOBK hätte er in der ersten Instanz vorgelegt werden können. Er sei in keiner Weise durch eine Änderung des zugrunde liegenden Sachverhalts veranlasst. Weiterhin verstoße der Antrag prima facie gegen Artikel 123(2), 83 und 84 EPÜ und sei deswegen nicht zulässig.
2.2 Da der neue Hauptantrag die Komplexität des Verfahrens nicht erhöht und sowohl die Beschwerdegegnerin, als auch die Beschwerdekammer die hierdurch aufgeworfenen Fragen in zumutbarer Weise behandeln können, wird dieser Antrag ins Verfahren zugelassen (Artikel 13 (1) und (3) VOBK).
3. Artikel 100 b) EPÜ
3.1 Ein europäisches Patent muss die Erfindung so deutlich und vollständig offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100 b) EPÜ). Die Kammer ist der Meinung, dass dies hier nicht der Fall ist.
3.2 Es ist gängige Rechtsprechung, dass zu diesem Zweck zwei Bedingungen erfüllt sein müssen. Zum einem muss der Fachmann der Patentschrift zumindest einen Weg zur Ausführung der beanspruchten Erfindung entnehmen können, zum anderen muss er die Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ausführen können (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, II.C.4.4).
3.3 In Bezug auf die erste Bedingung stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin zu, dass die Beschreibung kein Ausführungsbeispiel für die vom Beschwerderführer als "zentral" bezeichnete Idee gibt, nämlich Betriebsparameter einzelner Komponenten und gleichzeitig Umgebungsparameter zu erfassen und aus diesen Messwerten auf Betriebsereignisse zu schließen.
3.4 Die Kammer erkennt an, dass die Tabellen auf Seiten 5 und 6 eine Reihe von Reaktionsmustern, Messgrößen und Messorten auflisten. Allerdings sind diese im Lichte von Absatz [0026] und [0018] der Patentschrift zu interpretieren und zwar dahingehend, dass pro Messgröße und Messort, einzelne Reaktionsmuster definiert werden, wobei jedes einzelne Reaktionsmuster eine einzelne Anweisung enthält, die bei Über- oder Unterschreiten des für die Messgröße angegebenen Grenzwertes ausgeführt wird. Es handelt sich hierbei also um Einzelereignisse. Die Tabellen auf Seiten 5 und 6 der Patentschrift besagen lediglich, dass z.B. beim Überschreiten eines unteren Grenzwertes (uGW) von der am Lufteinlasskanal gemessenen chemischen Verunreinigung die Anweisung "Systemleistung drosseln" ausgeführt wird. Unter der Annahme, dass zu einem Zeitpunkt t unterschiedliche Reaktionsmuster erfüllt sind, würden bestenfalls die jeweiligen Anweisungen der zutreffenden Reaktionsmuster ausgeführt werden. Wie und ob diese Anweisungen zu kombinieren wären, ist aber völlig offen und in der Patentschrift nicht ausreichend offenbart.
3.5 Der Beschwerdeführer verweist in seiner Argumentation auf Absatz [0020] der Patentschrift, wo eine "kombinierte Bewertung" von Betriebs- und Umgebungsparametern offenbart sei. Der Fachmann könne sich auf dieser Basis durchaus ein Ausführungsbeispiel ausdenken. So wäre bei einem Brand im benachbarten Raum zur überwachten Komponente die Umgebungstemperatur zwar erhöht, nicht aber die überwachte Komponente in Gefahr. Der wahrscheinliche Steuerbefehl wäre keine Reaktion durchzuführen, also weiterzuarbeiten. Es müsste keine Komponente stillgelegt werden.
3.6 Die Kammer ist der Meinung, dass dies keine ausreichende Offenbarung darstellt. Selbst wenn sich der Fachmann ein Ausführungsbeispiel vorstellen könnte, bei dem beispielsweise einer der Parameter einer "kombinierten Bewertung" die Temperatur ist, die "extern" in einem benachbarten Raum die Temperatur erfasst wird, also einer Umgegungstermperatur entspricht (siehe Tabelle: Reaktionsmuster, Zeile 1, Spalte 2), würde dies nicht ausreichen, um die zweite Bedingung zu erfüllen, nämlich dass die Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar sein muss. Die Beschreibung ist sehr allgemein gefasst, indem von der Abschaltung einer stark überhitzten Komponente gesprochen wird, nicht aber, wie entschieden werden soll, dass die andere, benachbarte Komponente nicht auch abgeschaltet wird.
3.7 Die Kammer stellt hierzu fest, das diese (zweite) Bedingung eine besondere Bedeutung hat, vor allem wenn der Anspruch unübliche Parameter enthält. In T 172/99 hat die Kammer Folgendes entschieden: Wird die Lösung eines technischen Problems, mit der sich eine relevante Wirkung erzielen lässt, für einen beanspruchten Gegenstand mithilfe eines neu formulierten und damit unüblichen Parameters definiert, so trifft den Patentinhaber eine besondere Pflicht, sämtliche Informationen zu offenbaren, die erforderlich sind, um den neuen Parameter zuverlässig nicht nur i) formal korrekt und vollständig zu definieren, sodass der Fachmann seine Werte ohne unzumutbaren Aufwand ermitteln kann, sondern auch ii) so, dass seine Gültigkeit für die Lösung des technischen Problems der Anmeldung bzw. des Patents insgesamt zuverlässig gewährleistet bleibt; die routinemäßig ermittelten Werte dürfen also nicht so ausfallen, dass unter den beanspruchten Gegenstand auch Varianten fallen, die die relevante Wirkung nicht herbeiführen und das entsprechende technische Problem somit nicht lösen können (in zahlreichen Entscheidungen bestätigt; siehe z. B. T 914/01, T 179/05 und T 75/09).
3.8 Im vorliegenden Fall sind nach Meinung der Kammer das beanspruchte "Betriebsereignis" und das beanspruchte "Reaktionsmuster" als eben solche "unüblichen Parameter" zu verstehen. Zwar haben sie einen gewissen Sinn in der deutschen Sprache, aber nicht ohne Weiteres einen technischen Sinn im Rahmen der Steuerung eines Prozessorssystems.
3.9 Laut Merkmal d) des Anspruchs 1 wird das Betriebs-ereignis "auf Grundlage einer kombinierten Bewertung mehrerer Grenzwert-Über- bzw. -Unterschreitungen" bestimmt. Laut Merkmal e) wird dann das "dem bestimmten Betriebsereignis entsprechenden" Reaktionsmuster ausgewählt. Schließlich wird im Merkmal f) ein dem ausgewählten Reaktionsmuster entsprechender Steuerbefehl übertragen. Der Anspruch definiert die "Parameter", die Grundlage einer kombinierten Bewertung und die entsprechenden Reaktionsmuster nicht weiter.
3.10 Der Fachmann würde daher die Beschreibung dafür brauchen. Absatz [0018] ist der einzige Absatz der Beschreibung, der das Betriebsereignis näher definiert. Zwar wird von einer Betriebsereignis-Meldung gesprochen, die für den Fachmann darin bestehen könnte, dass an den Benutzer eine Meldung über das Über- oder Unterschreiten der Grenzwerte ausgegeben wird, in der Form einer Warnmeldung. Dies offenbart aber noch nicht, wie das Betriebsereignis auf Grundlage einer kombinierten Bewertung mehrerer Grenzwert-Über- bzw. -Unterschreitungen bestimmt wird.
3.11 Ferner, und teilweise deswegen, gibt es in der in der Beschreibung dargestellten Vorgehensweise keinen eindeutigen Hinweis darauf, wie Reaktionsmuster ausgewählt werden sollen, die einer "kombinierten Bewertung" entsprechen, was bedeuten würde, dass Anweisungen aus unterschiedlichen Reaktionsmustern kombiniert werden könnten.
3.12 Absatz [0018], spricht zwar davon, dass ein Steuerbefehl ausgewählt wird, der Anweisungen zur Änderung des Betriebsverhaltens des Systems enthalte; es ist aber in der Beschreibung nicht dargelegt, wie ein derartiger Steuerbefehl bestimmt wird, insbesondere nicht in der beanspruchten Weise, die besagt, dass ein dem Betriebsereignis entsprechendes Reaktionsmuster ausgewählt wird und der diesem Reaktionsmuster entsprechende Steuerbefehl übertragen wird.
3.13 Mit anderen Worten ist der Beitrag dieser Erfindung nach Ansicht der Kammer nur eine sehr allgemeine Idee, nämlich Umgebungsparameter in einem Überwachungs- und Steuerungsprozess zu berücksichtigen. Die Beschreibung enthält kein Ausführungsbeispiel, das diese Idee erläutern und darstellen würde. Weiterhin ist es nicht möglich diese Idee hinsichtlich der Parameter "Betriebsereignis" und "Reaktionsmuster" durch die Offenbarung der Beschreibung zu abstrahieren.
3.14 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Erfindung nicht ausreichend offenbart ist und daher der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.
4. Antrag auf Kostenerstattung
4.1 Gemäß Artikel 104 EPÜ trägt jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst, soweit es nicht der Billigkeit entspricht eine andere Verteilung der Kosten anzuordnen. Eine anderweitige Kostenverteilung entspricht grundsätzlich dann der Billigkeit, wenn das Verhalten eines Beteiligten nicht mit der bei der Wahrnehmung von Rechten zu fordernden Sorgfalt in Einklang steht, also die Kosten schuldhaft oder durch leichtfertiges Handeln verursacht werden (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Aufl. 2016, IV.C.6.2).
4.2 Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer mehrere Anträge auf Beschleunigung des Verfahrens gestellt, dem die Beschwerdekammer auch nachkam. Am 12. Dezember 2018, zwei Tage vor der anberaumten mündlichen Verhandlung, beantragte Herr Planki die Unterbrechung des Verfahrens, mit der Begründung, dass Herr Sperling seine Anwaltszulassung zurückgeben habe, was er erst zu diesem Zeitpunkt erfahren habe. Nachdem ihm die Kammer mitgeteilt hatte, dass Herr Sperling auch ohne anwaltliche Zulassung als gemeinsamer Vertreter handeln könne, machte er am 13. Dezember 2018 die Insolvenz von Herrn Sperling geltend.
4.3 Der Insolvenzverwalter hatte jedoch bereits am 25. März 2015 das Patent frei gegeben, so dass keinerlei Beschränkung mehr in der Verfahrensführung bestand, was Herr Sperling auch wusste. Nach diesem Zeitpunkt wurde das Einspruchsverfahren von beiden Patentinhabern ohne Einschränkung und ohne jeglichen Hinweis auf das Insolvenzverfahren fortgeführt. So wurde im November 2015 eine gemeinsame Eingabe gemacht, im Oktober 2016 nahmen beide Patentinhaber an der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung teil und im Januar 2017 legten sie gemeinsam Beschwerde ein. Es hätte den Patentinhabern frei gestanden die Unterbrechung einzuwenden, wenn sie eine Beeinträchtigung ihrer Rechte gesehen hätten. Dies haben sie aber nicht getan. Die Tatsache, dass Herr Planki offensichtlich keine Kenntnis von der Insolvenz des Herrn Sperling hatte ist insoweit unbeachtlich, da er sich die Kenntnis seines Mitinhabers und gemeinsamen Vertreters zurechnen lassen muss.
4.4 Darüber hinaus hat Herr Planki offensichtlich erst 2 Tage vor der anberaumten mündlichen Verhandlung mit Herrn Sperling Kontakt aufgenommen, um sich mit ihm diesbezüglich abzustimmen. Erst dann erfuhr er, dass Herr Sperling seine Anwaltszulassung bereits zum 31. Dezember 2016 zurückgegeben hatte. Eine anwaltliche Zulassung ist aber nicht Voraussetzung für das Handeln als gemeinsamer Vertreter. Als gemeinsame Patentinhaber sind sie gemeinsam für das Verfahren verantwortlich und sie müssen gemeinsam sicherstellen, dass eine mündliche Verhandlung, die auf ihren ausdrücklichen Antrag beschleunigt angesetzt wurde, ordnungsgemäß ablaufen kann. Eine Kontaktaufnahme erst 2 Tage vor der anberaumten mündlichen Verhandlung steht mit einer ordnungsgemäßen Verfahrensführung nicht in Einklang. Zum einen hätte Herr Sperling Herrn Planki früher darüber informieren müssen, dass er nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann, zum anderen hätte aber auch von Herrn Planki erwartet werden können, Herrn Sperling rechtzeitig anzusprechen, um die Verhandlung vorzubereiten, zumal offensichtlich Herr Planki im Innenverhältnis derjenige war, der die Angelegenheit im Wesentlichen betreute. Erst 2 Tage vorher festzustellen, dass man nicht in der Lage ist, die mündliche Verhandlung ordnungsgemäß wahrzunehmen und dann zu versuchen einen Aufschub zu erlangen, der mit Kosten für die andere Partei verbunden ist, entspricht nicht der erforderlichen Sorgfalt.
4.5 Die geltend gemachte Unterbrechung steht auch in keinem Zusammenhang mit den Gründen, aus denen die Patentinhaber nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnten.
4.6 Bei einer ordnungsgemäßen Verfahrensführung hätten die Kosten, die der Beschwerdegegnerin für die Vorbereitung der abgesagten mündlichen Verhandlung entstanden sind, vermieden werden können und sind ihr deshalb zu ersetzen. Die weiteren Kosten die danach entstanden sind, fallen jedoch nicht hierunter.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Dem Beschwerdeführer werden die Kosten auferlegt, die der Beschwerdegegnerin für die Vorbereitung der ersten mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2017 entstanden sind.