T 1549/19 10-11-2022
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Formteil sowie Verfahren zur Herstellung des Formteils
Zulässigkeit der Beschwerde (ja)
Substantiierung der Beschwerdebegründung (ja)
Änderung des Beschwerdevorbringens (nein)
Ausreichende Offenbarung (ja)
Unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 18. März 2019 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 729 289 zurückzuweisen.
II. Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt und auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ (fehlende Neuheit) und Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) sowie nach Artikel 100 b) EPÜ gestützt worden. Ferner wurde der verspätet vorgebrachte Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ ins Einspruchsverfahren zugelassen.
III. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung erfolgte am 17. August 2021. Am 22. August 2022 erließ die Kammer eine Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts in der seit 1. Januar 2020 gültigen Fassung (VOBK 2020, siehe ABl. EPA 2021, A35).
IV. Am 10. November 2022 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
V. Für die vorliegende Entscheidung sind folgende Dokumente relevant:
E2: WO 2010/080967 A1 und
E3: DE 103 19 967 A1.
VI. Anträge
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen oder diese zurückzuweisen, oder hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des am 28. Oktober 2022 eingereichten Hilfsantrags 1 aufrecht zu erhalten.
VII. Der Wortlaut des erteilten unabhängigen Anspruchs 1 hat den folgenden Wortlaut (die von der Beschwerdeführerin verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern eingefügt):
"[M1.1] Formteil (10) mit einer sichtseitigen und einer rückseitigen Oberfläche (S1, S2), das Formteil (10) aufweisend:
[M1.2] - einen Träger (20) aus heiß verpresstem Faserformstoff (21);
[M1.3] - eine Beschichtung (30) aus wenigstens einem polymeren Werkstoff (34, 35);
[M1.4] wobei der wenigstens eine polymere Werkstoff (34, 35) teilweise im Faserformstoff (21) eingedrungen ist und
[M1.5] die Oberfläche (33) der Beschichtung (30) durch die Form und die mehr oder minder zufällige Anordnung der Fasern des Faserformstoffs (21) geprägt ist und
[M1.6] wobei die Oberfläche (33) der Beschichtung (30) zumindest bereichsweise einen arithmetischen Mittenrauwert Ra im Bereich von 10 bis 80 mym hat."
Der Wortlaut des erteilten unabhängigen Anspruchs 11 hat den folgenden Wortlaut (die von der Beschwerdeführerin verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern eingefügt):
"[M11.1] Verfahren zur Herstellung eines Formteils (10), aufweisend die Schritte:
[M11.2] - Aufbringen zumindest eines polymeren Werkstoffs (34, 35) in Form von Dispersionen, Pulvern, Granulaten oder einer wenigstens eine Lage aufweisenden Folie (40) auf mindestens eine Oberfläche eines Faserformstoffs (50);
[M11.3] - Verpressen des Faserformstoffs (50) und der polymeren Werkstoffe (34, 35) mit einem ersten temperierbaren Presswerkzeug (81) bei Temperaturen im Bereich von 160 bis 230 °C zu einem Rohling (90);
[M11.4] - Verpressen des erhaltenen Rohlings (90) mit einem zweiten Presswerkzeug (82) bei Temperaturen im Bereich von 20 bis 140 °C zu einem Formteil (10),
[M11.5] wobei der wenigstens eine polymere Werkstoff (34, 35) teilweise in den Faserformstoff (21) eindringt und die Oberfläche (33) der Beschichtung (30) durch die Form und die mehr oder minder zufällige Anordnung der Fasern des Faserformstoffs (21) geprägt ist und
[M11.6] wobei die Oberfläche (33) der Beschichtung (30) zumindest bereichsweise einen arithmetischen Mittenrauwert Ra im Bereich von 10 mym bis 80 mym hat."
VIII. Der Vortrag der Beteiligten lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
a) Zulässigkeit der Beschwerde
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
In der Beschwerdebegründung sei eine sachliche Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen der Einspruchsabteilung erfolgt. Eine Umformulierung jener Argumente aus dem erstinstanzlichen Verfahren, die immer noch gültig seien, sei nicht sinnvoll gewesen. Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung sei substantiiert und die Beschwerde zulässig.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Bezüglich der Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ sei die Beschwerdebegründung großteils eine wortwörtliche Wiederholung der erstinstanzlichen Schriftsätze. Auch hinsichtlich der Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 56 EPÜ gehe der Vortrag der Beschwerdeführerin nicht wesentlich über jenen vor der ersten Instanz hinaus. Insbesondere werde nicht auf die zentralen Punkte der Entscheidungsgründe eingegangen. Beispielsweise werde im Zusammenhang mit erfinderischer Tätigkeit unter Punkt 5.3.1 der angefochtenen Entscheidung dargelegt, dass bereits das zu lösende Problem nicht nahegelegt sei. Darauf sei die Beschwerdeführerin nicht eingegangen. Die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern fordere für die Zulässigkeit der Beschwerde eine ausreichende Begründung (siehe z.B. T 2532/11 and T 2077/11). Dies sei vorliegend nicht der Fall, weshalb die Beschwerde unzulässig sei. Die Beschwerdebegründung erfülle auch nicht die Erfordernisse des Artikel 12 (2) VOBK da nicht angegeben sei, aus welchen Gründen beantragt werde, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
b) Ausführbarkeit - Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Die Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne (Artikel 100 b) EPÜ). Insbesondere die Merkmale M1.4 bis M1.6 könne der Fachmann nicht ausführen, da die im Patent angegebenen Randbedingungen und Parameter im Widerspruch zum beanspruchten Mittenrauwert der Oberfläche stünden. Die Einwände gälten analog für den Verfahrensanspruch 11, da dessen Merkmale M11.5 und M11.6 den Merkmalen M1.4 bis M1.6 entsprächen. Das Verfahrensschema sei in Figur 2 des Streitpatents dargestellt. Das Verpressen des Rohlings erfolge bei Drücken im Bereich von 260 bis 800 t/m**(2) und das Verpressen des Rohlings zum Formteil bei Drücken von 50 bis 260 t/m**(2). Bei den im Streitpatent angegebenen Temperaturen sei der Kunststoff geschmolzen oder zumindest plastifiziert. Die Oberfläche der Presswerkzeuge sei 25- bis 180-mal glatter als die zu erzielende Rauigkeit des Formteils. Es erscheine sehr fragwürdig, wie hierbei eine Rauigkeit im beanspruchten Bereich von 10 bis 80 mym erzielt werden könne. Da der Kunststoff nur teilweise in den Faserformstoff eingesunken sei, sei es nicht nachvollziehbar, wie sich die unter dem Kunststoff angeordneten Fasern überhaupt an der Oberfläche abzeichnen könnten (siehe Merkmal M1.5). Es erscheine unvermeidbar, dass die Oberfläche des Formteils genauso glatt werde wie die der Presswerkzeuge.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Die Erfindung sei ausreichend offenbart (Artikel 100 b) EPÜ). Auch wenn beide Pressflächen glatter seien als die Topografie der Oberfläche des Formteils (siehe Patentschrift, Absatz [0093]), so werde im Patent doch dargestellt, dass die anspruchsgemäße Topografie überraschenderweise mit Presswerkzeugen erzielt werden könne, deren Pressflächen keine dementsprechende holzartige Narbung oder dergleichen hätten (siehe Patentschrift, Absatz [0025]). Insbesondere in den Absätzen [0025], [0044], [0066] und [0067] der Patentschrift seien Werkstoffe und Prozessparameter angegeben, mit denen der Fachmann, ohne einen unzumutbaren Aufwand leisten zu müssen, die Erfindung ausführen könne.
c) Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus - Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Bei den Ansprüchen 1 und 11 liege eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vor (Artikel 100 c) EPÜ). Die ursprünglich eingereichte Anmeldung biete keine Grundlage für das Merkmal M1.4 in Anspruch 1 und analog für das Merkmal M11.5 in Anspruch 11. Das nur teilweise Eindringen der Beschichtung in den Faserformstoff bzw. in die Faserformstoffmatte sei untrennbar damit verbunden, dass die Beschichtung aus zwei polymeren Werkstoffen mit unterschiedlichen Schmelztemperaturen bestehe, welche die Beschichtungszonen bildeten. Durch das teilweise Eindringen bildeten sich zwei Beschichtungszonen, die auch eine entsprechende Dicke aufweisen müssten. Seite 16, erster und vierter Absatz und Seite 25, dritter Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung setzten zwei polymere Werkstoffe voraus, infolgedessen sich eine erste und eine zweite Beschichtungszone am Formteil ergebe. Dort werde erläutert, dass der zweite polymere Werkstoff eine niedrigere Schmelztemperatur als der erste polymere Werkstoff aufweise, wodurch die zweite Folienschicht in stärkerem Maße als die erste Folienschicht plastifiziert werde. Eine präzise Steuerung des Verfahrens sowohl hinsichtlich der Eindringtiefe des zweiten polymeren Werkstoffes als auch der Anschmiegung des ersten polymeren Werkstoffs an die Oberfläche des Faserformstoffes sei nur sowohl durch die entsprechende Wahl der polymeren Werkstoffe als auch aufgrund der Dicken der zwei Beschichtungszonen möglich. Diese Merkmale seien nicht in den Ansprüchen 1 und 11 enthalten, weshalb eine unerlaubte Zwischenverallgemeinerung vorliege. Auch wenn auf Seite 5, letzter Absatz der ursprünglich eingereichten Anmeldung beschrieben werde, dass die erste und die zweite Beschichtungszone unabhängig von der Anzahl der polymeren Werkstoffe und unabhängig von einer einlagigen oder mehrlagigen Beschichtung seien, so werde auf jeden Fall offenbart, dass die Beschichtung eine erste und zweite Beschichtungszone aufweise. An keiner Stelle der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen werde das teilweise Eindringen des wenigstens einen polymeren Werkstoffs in den Faserformstoff isoliert von der Dicke der zweiten Beschichtungszone offenbart. Zwei Beschichtungszonen und deren jeweilige Dicken würden auch auf Seite 6, zweiter Absatz, Seite 6, letzter Absatz bis Seite 7, erster Absatz, Seite 16, vierter Absatz, Seite 17, dritter Absatz, Seite 26, erster Absatz und Seite 28, die letzten drei Absätze, offenbart. Ein isoliertes Herausgreifen eines Merkmals verstoße gegen die Grundsätze der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe T 219/09, T 1944/10, T 1067/97, T 714/00, T 25/03).
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Die im Prüfungsverfahren vorgenommenen Änderungen seien von der ursprünglich eingereichten Anmeldung in der Merkmalskombination des Anspruchs 1 und des Anspruchs 11 gestützt, wie auch von der Einspruchsabteilung festgestellt worden sei (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 2.3). Eine Basis für die bestrittenen Merkmale M1.4 bzw. M11.5 finde sich in der ursprünglich eingereichten Beschreibung auf Seite 5, erster Absatz, wonach "eine Beschichtung aus wenigstens einem polymeren Werkstoff" bestehe, im Zusammenhang auch mit Seite 5, letzter Absatz, wonach "[d]ie Beschichtung [...] ein- oder mehrlagig sein [kann]." Auch bei der einlagigen Beschichtung seien zwei Beschichtungszonen vorhanden. Für das Verfahren finde sich die Grundlage auf Seite 15 der ursprünglich eingereichten Beschreibung. Dort werde in Schritt (b) das Bereitstellen wenigstens eines polymeren Werkstoffs, unter Schritt (e) das Aufbringen des mindestens einen polymeren Werkstoffs und unter Schritt (f) das Verpressen des Faserformstoffs mit dem mindestens einen polymeren Werkstoff offenbart.
Das teilweise Eindringen des polymeren Werkstoffs führe dazu, dass zwei Beschichtungszonen vorlägen, eine, in der das Polymer in den Faserformstoff eingedrungen sei, und eine, in der es nicht eingedrungen sei. Die zwei Beschichtungszonen seien lediglich eine Definitionssache und vom Merkmal M1.4 bzw. M11.5 bereits mitumfasst.
Eine zwingende Dickenangabe sei dem allgemeinen Teil auf Seite 5, erster bis vierter Absatz, nicht zu entnehmen. Die von der Beschwerdeführerin zitierten Absätze beträfen spezielle Ausführungsformen.
Im Übrigen enthalte das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 12. Oktober 2022 einen neuen Sachvortrag, über dessen Zulassung zu entscheiden sei.
d) Neuheit - Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments E2 oder des Dokuments E3.
Das streitige Merkmal M1.4 sei im Anspruch 6 von Dokument E2 gezeigt: "wherein said protective material is at least partially embedded in said base layer". Die streitigen Merkmale M1.5 und M1.6 gingen zumindest implizit aus dem Absatz [00019] des Dokuments E2 hervor, dem zu entnehmen sei, dass in Abhängigkeit von der Charakteristik des Naturfasermaterials die Dicke der Schutzschicht stark variieren könne. Weiterhin offenbare Absatz [00020] des Dokuments E2, dass die Schutzschicht bei zu starker oder zu schwacher Temperaturbeaufschlagung mehr oder weniger in den Faserformstoff einsinken könne und daher über die Temperatur das Einsinken der Schutzschicht gesteuert werden könne. Damit ergebe sich zwangsläufig die geprägte Oberfläche mit dem beanspruchten Mittenrauwert. Hierfür müssten lediglich die Prozessparameter, wie z.B. die Temperatur der Werkzeuge, entsprechend eingestellt werden. Die streitigen Merkmale M11.5 und M11.6 des Verfahrensanspruchs 11 seien in Dokument E2 insbesondere in den Absätzen [00019] und [00028] zumindest implizit offenbart.
Bezüglich des Dokuments E3 und der streitigen Merkmale werde insbesondere auf Absätze [0007] bis [0009] und [0011] verwiesen. Die Merkmale M1.5 und M1.6 ergäben sich wie bei Dokument E2 analog aus Dokument E3.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 sei neu sowohl gegenüber dem Dokuments E2 als auch im Hinblick auf das Dokument E3. Weder Dokument E2 noch Dokument E3 zeigten die Merkmale M1.4, M1.5, M1.6, M11.5 und M11.6.
Dokument E2 verwende den Begriff "embed". Dieser bedeute im Deutschen nicht "eindringen", sondern vielmehr "einbetten". Im technischen Sinne könne dies im vorliegenden Fall nur heißen, dass die Rückseite der Schutzschicht mit den Fasern verbunden sei. Für den Begriff des "Eindringens" werde im Dokument E2 der Term "soak" verwendet, was nach dem Dokument E2 aber vermieden werden solle (siehe Dokument E2, Seite 7, Zeilen 20 bis 24, Seite 10, Zeilen 16 bis 18, Seite 11, Zeilen 18 bis 20). Ein "Eindringen" gemäß Merkmal M1.4 sei somit im Dokument E2 weder explizit noch implizit offenbart. Im Dokument E2 solle die Schicht nicht in die Fasern eindringen, sondern sich an den Faserformstoff anschmiegen wie unten dargestellt.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Da die Merkmale M1.4 und M11.5 in Dokument E2 nicht gezeigt seien, könnten folglich auch die Merkmale M1.5, M1.6 und das Merkmal M11.6 nicht implizit offenbart sein.
Im Dokument E3 würden die "Thermoplastfasern des Mischfaservlieses und der niedriger schmelzende Thermoplast der Verbundfolie" vor dem Verpressen mit dem Mischfaservlies nur "kurzzeitig, d.h. nur Bruchteile von Sekunden lang über ihren Schmelzpunkt erwärmt, so dass sie nur erweichen und nicht abtropfen" (siehe Dokument E3, Absatz [0008]). Im Anspruch 1 und Absatz [0001] des Dokuments E3 würden die Begriffe "haftend verbunden" verwendet, was nicht besage, dass ein Eindringen der Folie in das Mischfaservlies stattfinde. Somit seien die Merkmale M1.4 und M11.5 nicht offenbart. Folglich seien auch die Merkmale M1.5, M1.6 und das Merkmal M11.6 im Dokument E3 nicht implizit offenbart.
e) Erfinderische Tätigkeit
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 beruhe ausgehend vom Dokument E2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich vom Dokument E2 in den Merkmalen M1.5 und M1.6. Da sich die Aufgabenstellung im Streitpatent bereits auf das Dokument E2 bezogen habe, sei die objektive technische Aufgabe identisch mit der dortigen Formulierung (siehe Streitpatent, Absatz [0014]).
Ausgehend vom Dokument E2 sei die Lösung nahegelegt, denn dort werde ein ähnliches Verfahren eingesetzt und ein ähnliches Produkt erzielt, lediglich mit einer glatten Oberfläche. Als Faserformstoff würden im Patent und im Dokument E2 holzartige Fasern genannt und als Beschichtungswerkstoff polymere Werkstoffe (siehe Dokument E2, Absätze [00018] und [00019]). Die Dicke der Beschichtung und die Prozessparameter, insbesondere die Temperaturen, seien in weiten Teilen identisch. So liege die Dicke der Beschichtung im Dokument E2 bei 20 bis 80 mym (siehe Dokument E2, Absatz [00019]) und im Streitpatent bei 30 bis 80 mym, wenn man die Dicken der einzelnen Beschichtungszonen addiere (siehe Streitpatent, Absätze [0098] und [0099]). Bezüglich der Temperatur werde im Dokument E2 explizit erwähnt, dass die Temperaturen so gewählt würden, dass das Beschichtungsmaterial schmelze (siehe Dokument E2, Absatz [00028], "The heat in the molding process may be adjusted depending on the material used as the protective material, and is generally in a range near the melting point of the protective material"). Die Schmelztemperaturen des Beschichtungsmaterials im Dokument E2 lägen bei 60 bis 170 °C (siehe Dokument E2, Absatz [00028]) und im Streitpatent bei 20 bis 140 °C (siehe Streitpatent, Absätze [0052] und [0055]). Aufgrund dieser Übereinstimmungen im Dokument E2 und im Streitpatent ergebe sich das Merkmal M1.5 zwangsläufig. In den Absätzen [00027] und [00028] des Dokuments E2 werde explizit beschrieben, dass sich die Beschichtung an den aus Holzfasern bestehenden Formstoff anpasse: "the protective material melts and conforms itself to the underlying fiber sheet 110 through applied heat and pressure", "further embeds the protective material 111 into the fiber sheet", "to allow the protective material to, in a controlled fashion, embed into the fiber sheet". Da das Streitpatent dazu keine weiteren Erläuterungen enthalte, die vom Vorgehen im Dokument E2 abwichen, führe das aus Dokument E2 bekannte Verfahren zwangsläufig zum Merkmal M1.5. Damit sei das Merkmal M1.5 aus Dokument E2 nahegelegt.
Im Dokument E2 sei offenbart, dass der Fachmann die Dicke entsprechend anpassen müsse, um eine glatte Oberfläche zu erzielen (siehe Dokument E2, Absatz [00019], "Of course, the applied thickness may widely vary given the natural characteristics of the fiber sheet."). Wenn der Fachmann also wisse, dass er die Dicke erhöhen müsse, um eine glatte Oberfläche zu erzielen, wisse er umgekehrt auch, was zu tun sei, um eine holzartige Haptik zu erreichen.
Die beanspruchten Rauigkeitswerte nach Merkmal M1.6 seien willkürlich ausgewählt und lägen im allgemein bekannten Bereich für eine holzartige Haptik.
Ferner sei der im Dokument E2 benutzte Begriff "glatt" nicht definiert. Die Oberfläche müsse dort nur glatt sein im Sinne von flüssigkeitsabweisend (siehe Dokument E2, Absätze [0005], [00015], [00029]). Eine holzartige Haptik sei davon auch umfasst.
Eine andere Lösung der Aufgabe, z.B. durch eine Prägung der Werkzeugoberfläche, werde ausgeschlossen, da im Absatz [0003] des Dokuments E2 bereits darauf hingewiesen werde, dass konventionelle Verfahren kompliziert und teuer seien. Aus diesem Grund würde der Fachmann versuchen, eine Oberfläche mit holzartiger Haptik ohne einen Wechsel des Werkzeugs zu erzielen. Der Fachmann würde aufgrund seines allgemeinen Fachwissens die Prozessparameter entsprechend variieren und zu der beanspruchten Lösung gelangen.
Wenn eine ausreichende Offenbarung vorliegen sollte, dann könne der Gegenstand von Anspruch 1 und Anspruch 11 nicht erfinderisch sein, da in beiden Fällen der gleiche Wissenstand des Fachmannes zugrunde zu legen sei (T 60/89, T 373/94).
Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch gegenüber dem Dokument E2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen. Die Argumentation für den Gegenstand von Anspruch 1 gelte analog für den Gegenstand des Anspruchs 11.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Der Gegenstand von Anspruch 1 und Anspruch 11 sei ausgehend von Dokument E2 nicht nahegelegt. Im Gegensatz zu der vorliegenden Erfindung beschäftige sich das Dokument E2 mit einer glatten Oberfläche, einer "smooth surface " (siehe Dokument E2, Absatz [00029]), weshalb der Fachmann nicht von Dokument E2 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen wäre.
Unabhängig davon seien im Dokument E2 nicht die Merkmale M1.4, M1.5, M1.6, M11.5 und M11.6 offenbart, wie bereits zur Neuheit ausgeführt.
Ausgehend vom Dokument E2 würde sich der Fachmann die Aufgabe stellen, ein Formteil mit einer angenehmen Haptik bereitzustellen. Eine Bezugnahme auf die holzartige Haptik in der objektiven technischen Aufgabe würde Elemente der Lösung vorwegnehmen und sei daher unzulässig.
Da der Fachmann der Lehre des Dokuments E2 nur entnehme, eine glatte und schmutzabweisende Oberfläche zu produzieren und hierfür ein Eindringen der Schutzschicht 111 in die Faserschicht zu verhindern (siehe Dokument E2, Absätze [0005], [00020], [00029]), würde der Fachmann nicht zu der beanspruchten Lösung gelangen.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin, dass die Prozessparameter des Dokuments E2 mit denen des Streitpatents identisch oder in weiten Bereichen überlappend seien, sei nicht korrekt. Im Dokument E2 würden nicht alle Parameter offenbart. So würden beispielsweise nicht der Anpressdruck, die Oberfläche und Dichte des Faserformstoffes genannt.
Müsste die Schutzschicht im Dokument E2 nur flüssigkeitsabweisend sein, wäre von einer geschlossenen Oberfläche die Rede und nicht von einer glatten Oberfläche, die leicht zu reinigen sei (siehe Dokument E2, beide Absätze [0005]).
Die Struktur des Faserformstoffes müsse so gewählt werden, dass sich die Fasern nach dem Pressen wieder aufrichten würden. Nur so könnten sich die Fasern gemäß Merkmal M1.5 an der Oberfläche abzeichnen. Damit lägen dann die Rauigkeitswerte im beanspruchten Bereich gemäß dem Merkmal M1.6. Würde der Fachmann ausgehend vom Dokument E2 versuchen, eine entsprechende Struktur der Oberfläche und entsprechende Rauigkeitswerte zu erzielen, hätte er sich anderer ihm bekannter Verfahren bedient. Bei bekannten Verfahren sei es beispielsweise üblich gewesen, ein Presswerkzeug mit einer entsprechenden Narbung zu versehen, die sichtbare Oberfläche aufzurauen oder Laminatfolien anzubringen. In all diesen Fällen wäre das Merkmal M1.5 nicht realisiert worden.
Neben dem Merkmal M1.5 seien auch die beanspruchten Rauigkeitswerte gemäß Merkmal M1.6 nicht nahegelegt. Einen Hinweis darauf, dass für eine holzartige Haptik des Formteils geeignete Rauigkeitswerte im beanspruchten Bereich lägen, entnehme der Fachmann von den im Verfahren befindlichen Dokumenten lediglich dem Streitpatent selbst.
Der Fachmann erhielte aus dem Dokument E2 keinerlei Hinweise, wie er die beanspruchten Rauigkeitswerte erzielen solle, die insbesondere auf das Merkmal M1.5 zurückzuführen seien. Ausgehend vom Dokument E2 hätte der Fachmann ohne rückschauende Betrachtungsweise keine Veranlassung gehabt, in diese Richtung zu denken. Die gleiche Argumentation gelte für Anspruch 11.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Die Beschwerdegegnerin trägt vor, dass die Beschwerdebegründung eine Wiederholung des Vortrags vor der ersten Instanz darstelle, dass es sich bezüglich der Einspruchsgründe unter Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ und unter Artikel 100 c) EPÜ sogar um eine wortwörtliche Wiederholung handle und dass nicht auf die zentralen Punkte der Entscheidungsgründe der Einspruchsabteilung eingegangen werde. Daher sei die Beschwerde nicht zulässig. Die Beschwerdebegründung erfülle auch nicht die Voraussetzungen des Artikels 12 (2) VOBK.
1.2 Die Zulässigkeitserfordernisse hinsichtlich der Beschwerdebegründung sind in Artikel 108 Satz 3 EPÜ und Regel 99 (2) EPÜ kodifiziert. Regel 99 (2) EPÜ fordert, dass in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführer darzulegen hat, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel er seine Beschwerde stützt.
1.3 Gemäß ständiger Rechtsprechung muss die Beschwerdebegründung die rechtlichen und tatsächlichen Gründe angeben, aus denen sich die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergibt. Der Beschwerdeführer muss seine Argumente so deutlich und genau vorbringen, dass die Kammer und die Gegenpartei ohne eigene Ermittlungen unmittelbar verstehen können, warum die Entscheidung falsch sein soll, und auf welche Tatsachen der Beschwerdeführer seine Argumente stützt (siehe Entscheidung T 220/83, ABl. EPA 1986, 249, Punkt 4 der Gründe, bestätigt in zahlreichen weiteren Entscheidungen).
1.4 Ob das Vorbringen in der Beschwerdebegründung ausreicht, um die Erfordernisse der Regel 99 (2) EPÜ zu erfüllen und darzulegen, warum die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist, hängt auch davon ab, wie detailliert und komplex die Entscheidungsgründe in der angefochtenen Entscheidung sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Prüfung, ob die Erfordernisse des Artikels 108 Satz 3 EPÜ und der Regel 99 (2) EPÜ erfüllt sind, auf der Grundlage des Inhalts sowohl der Beschwerdebegründung als auch der angefochtenen Entscheidung vorzunehmen. Ob eine Beschwerdebegründung diese Erfordernisse erfüllt, kann nur im Einzelfall entschieden werden (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage, Juli 2022 ("Rechtsprechung"), V.A.2.6.3 a)).
1.5 Nach Ansicht der Kammer enthält die vorliegende Beschwerdebegründung Argumente, Tatsachen und Beweismittel betreffend die angefochtene Entscheidung. Sie versetzt die Kammer und offenbar auch die Beschwerdegegnerin grundsätzlich in die Lage, auf die Einwände der Beschwerdeführerin einzugehen. Die Beschwerdebegründung ist ausreichend substantiiert, da die Gründe nachvollzogen werden können, warum die Entscheidung der ersten Instanz nach Auffassung der Beschwerdeführerin unzutreffend sein soll. Daher liegt keine Situation wie im Falle von T 2532/11 vor. Die vorliegende Beschwerdebegründung ist zudem weder inhaltsgleich mit der Einspruchsschrift wie beispielsweise in der Sache T 2077/11 noch erschöpft sie sich in einer Wiederholung von erstinstanzlichem Vorbringen wie im Fall T 395/12. Hinzu kommt, dass eine lediglich in Teilaspekten möglicherweise unzureichende Beschwerdebegründung der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegensteht, da die Zulässigkeit der Beschwerde nur in ihrer Gesamtheit beurteilt werden kann (siehe Rechtsprechung, V.A.2.6.3).
1.6 Die Kammer kommt daher zum Ergebnis, dass die Beschwerdebegründung den Erfordernissen des Artikels 108 Satz 3 EPÜ und der Regel 99 (2) EPÜ entspricht. Da die Beschwerde auch die übrigen, in den Artikeln 106 bis 108 EPÜ und in der Regel 99 EPÜ dargelegten Voraussetzungen erfüllt, ist sie zulässig.
1.7 Hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdegegnerin, dass die Erfordernisse des Artikels 12 (2) VOBK nicht erfüllt seien, weist die Kammer zunächst darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Beschwerdebegründung vor dem Inkrafttreten der geänderten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) eingereicht wurde, d.h. vor dem 1. Januar 2020, und somit in Übereinstimmung mit Artikel 25 (2) VOBK 2020 anstelle von Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020 Artikel 12 (4) VOBK 2007 anzuwenden ist. Gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 wird das gesamte Vorbringen der Beteiligten nach Artikel 12 (1) VOBK 2007 von der Kammer berücksichtigt, wenn und soweit es sich auf die Beschwerdesache bezieht und die Erfordernisse nach Artikel 12 (2) VOBK 2007 erfüllt. Da die Kammer aus den oben genannten Gründen die Beschwerdebegründung für ausreichend substantiiert erachtet, sind die Voraussetzungen des Artikels 12 (2) VOBK 2007 vorliegend als erfüllt anzusehen.
2. Ausführbarkeit - Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ
2.1 Die Beschwerdeführerin stellt in ihrer Argumentation bezüglich mangelnder Offenbarung insbesondere darauf ab, dass nicht offenbart sei, wie der beanspruchte Mittenrauwert des Formteils bei den hohen Drücken und der glatten Oberfläche der Presswerkzeuge erzielt werden könne. Bei den aufgewendeten Drücken und Temperaturen und der nur teilweise in den Faserformstoff eingesunkenen Folie sei es fraglich, wie sich die unter der Folie angeordneten Fasern überhaupt an der Oberfläche der Folien abzeichnen können sollen.
2.2 Im Streitpatent findet sich hierzu im Absatz [0025] folgende Aussage: "Diese vorteilhafte Topografie kann überraschenderweise mit Presswerkzeugen erzielt werden, die auf ihren die Oberfläche der Beschichtung zu berührenden Pressflächen keine dementsprechende holzartige Narbung oder dergleichen haben." Die Kammer stellt fest, dass das Streitpatent zudem die notwendigen Verfahrensparameter wie Druck und Temperatur (siehe Streitpatent, Absatz [0067]) sowie Beispiele für Faserformstoffe (siehe Streitpatent, Absätze [0044] und [0047]) und Beschichtungsmaterialien (siehe Streitpatent, Absätze [0052] bis [0054]) enthält, sodass nicht ersichtlich ist, weshalb ein Fachmann nicht in der Lage sein soll, die beanspruchte Erfindung mithilfe dieser Lehre auszuführen. Gemäß ständiger Rechtsprechung setzt ein erfolgreicher Einwand unzureichender Offenbarung ernsthafte und durch nachprüfbare Tatsachen erhärtete Zweifel an der Ausführbarkeit der Erfindung voraus (siehe Rechtsprechung, II.C.9.). Da die Beschwerdeführerin ihre Zweifel vorliegend nicht durch nachprüfbare Tatsachen untermauert hat, kann ihr Einwand einer unzureichenden Offenbarung nicht überzeugen.
2.3 Des Weiteren bemängelt die Beschwerdeführerin, dass das Streitpatent kein einziges Ausführungsbeispiel enthalte, das aufzeige, wie der Fachmann trotz der 25- bis 200-mal glatteren Werkzeugoberfläche den beanspruchten Mittenrauwert erreiche.
2.4 Die Kammer ist der Ansicht, dass die insbesondere in den Absätzen [0047], [0052] bis [0054] und [0067] der Streitpatentschrift angegebenen Parameter und möglichen Materialien dazu führen, dass der Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand die Erfindung ausführen kann. Mangels gegenteiliger Nachweise ist nicht ersichtlich, warum der Fachmann auf dieser Grundlage außerstande sein soll, die Erfindung umzusetzen. Vielmehr lehrt das Streitpatent, dass bei Berücksichtigung der obigen Parameter und Materialien der Mittenrauwert der Beschichtung im beanspruchten Bereich liegt, wie dies im Absatz [0025] beispielsweise ausgeführt ist. Zur Regel 42 (1) e) EPÜ wird angemerkt, dass diese zwar verlangt, dass in der Beschreibung wenigstens ein Weg zur Ausführung der beanspruchten Erfindung anzugeben ist und dass dies, wo es angebracht ist, durch Beispiele und gegebenenfalls unter Bezugnahme auf Zeichnungen geschehen soll. Daraus folgt jedoch, dass ein Beispiel nicht zwingend vorgeschrieben ist.
2.5 Schlussfolgerung bezüglich der Ausführbarkeit
Die Kammer teilt die Auffassung der Einspruchsabteilung (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 3.3), dass das europäische Patent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
3. Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus - Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ
3.1 Die Kammer stellt zunächst fest, dass die Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 12. Oktober 2022 und in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, wonach die Erfindung nur in Kombination mit zwei Beschichtungszonen und ihren jeweiligen Dicken offenbart sei, keinen gänzlich neuen Sachvortrag darstellen. Vielmehr hatte die Beschwerdeführerin schon in ihrer Beschwerdebegründung im Kontext der Diskussion der zwei polymeren Werkstoffe auch die beiden Beschichtungszonen sowie ihre jeweiligen Dicken thematisiert und auf entsprechende Offenbarungsstellen in der ursprünglichen Anmeldung hingewiesen (siehe Beschwerdebegründung, Seiten 9 und 10). Insofern sind die diesbezüglichen, vertiefenden Ausführungen im Schreiben vom 12. Oktober 2022 und in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht als eine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 zu werten, der gemäß Artikel 25 VOBK 2020 hier anwendbar ist. Sie sind folglich von der Kammer zu berücksichtigen.
3.2 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin führe die Aufnahme des Merkmals M1.4 in Anspruch 1 und analog des Merkmals M11.5 in Anspruch 11 im Prüfungsverfahren zu einer unerlaubten Zwischenverallgemeinerung. Das nur teilweise Eindringen der Beschichtung in den Faserformstoff bzw. in die Faserformstoffmatte sei untrennbar damit verbunden, dass die Beschichtung aus zwei polymeren Werkstoffen mit unterschiedlichen Schmelztemperaturen bestehe, welche die Beschichtungszonen bildeten. Das teilweise Eindringen des polymeren Werkstoffs sei auch untrennbar mit dem Vorliegen von zwei Beschichtungszonen und ihren speziellen Dicken verbunden.
3.3 Die Kammer kann sich der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht anschließen. Wie die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung unter Punkt 2.3 unter Verweis auf Seite 5, Zeilen 16 bis 19 der ursprünglichen Anmeldung darlegt, kann die Beschichtung auch aus nur einem polymeren Werkstoff bestehen. Die erste und zweite Beschichtungszone sind als unabhängig von der Anzahl der polymeren Werkstoffe, unabhängig von einer ein- oder mehrlagigen Beschichtung und unabhängig von deren Dicken offenbart. In der ursprünglich eingereichten Beschreibung, Seite 5, Zeilen 16 bis 19 ist dazu folgendes ausgeführt: "Die Erfindung schlägt gemäß einem ersten Aspekt ein Formteil vor, aufweisend oder umfassend einen Träger aus Faserformstoff und eine Beschichtung aus wenigstens einem polymeren Werkstoff oder polymeren Werkstoffen, wobei die Oberfläche (33) der Beschichtung (30) zumindest bereichsweise einen arithmetischen Mittenrauwert Ra im Bereich von 10 bis 80 mym hat." Demnach ist das Vorhandensein von zwei polymeren Werkstoffen nicht zwingend; es kann sich auch um nur einen (einzigen) polymeren Werkstoff handeln. Dies gilt ebenso für die Verwendung einer mehrschichtigen Folie, denn die Beschichtung kann ein- oder mehrlagig sein (siehe ursprünglich eingereichte Beschreibung, Seite 5, letzter Absatz).
Für das Merkmal 11.5 des Anspruchs 11 findet sich die Grundlage auf Seite 15 der ursprünglich eingereichten Beschreibung. Auch bei dem erfindungsgemäßen Verfahren reicht es gemäß der ursprünglich eingereichten Anmeldung aus, wenn wenigstens ein polymerer Werkstoff bereitgestellt, auf die Oberfläche des Faserformstoffes aufgebracht und mit dem Faserformstoff verpresst wird (siehe ursprünglich eingereichte Beschreibung, Seite 15, Schritte (b), (e) und (f)).
3.4 Argumente der Beschwerdeführerin
3.4.1 Die Beschwerdeführerin stützt ihr Vorbringen unter anderem auf Seite 16, vierter Absatz, der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Unterstreichungen durch die Beschwerdeführerin): "Dieses Verfahren ermöglicht durch entsprechende Wahl der Werkstoffe und auf Grund der Dicken der zwei Beschichtungszonen eine präzise Steuerung sowohl der Eindringtiefe des zweiten Werkstoffs in den Faserformstoff als auch der Anschmiegung des ersten Werkstoffs an die Oberfläche des Faserformstoffs."
Im ersten Absatz auf Seite 16 der ursprünglich eingereichten Beschreibung werden die Temperaturen im Schritt (g) beim Verpressen des Rohlings zu einem Formteil beschrieben.
Diese Absätze beziehen sich auf eine besondere Ausführungsform der Erfindung, in der auch die spezifischen Dickenwerte für die zwei Beschichtungszonen genannt sind. Dieser Abschnitt steht nicht im Widerspruch zum allgemeinen Teil der Erfindung (siehe Punkt 3.3 oben), wo unmittelbar und eindeutig offenbart ist, dass das Vorliegen zweier unterschiedlicher polymerer Werkstoffe nicht zwingend ist.
Außerdem verweist die Beschwerdeführerin auf den letzten Absatz auf Seite 25 und den ersten Absatz auf Seite 26, in denen das Ausführungsbeispiel der Figur 1 beschrieben wird. Die Folie gemäß diesem Ausführungsbeispiel besteht aus zwei Folienschichten 41 und 42. Dabei handelt es sich jedoch nur um ein Beispiel der Erfindung. Gemäß Seite 5, letzter Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung kann die Beschichtung ein- oder mehrlagig sein. Das Ausführungsbeispiel der Figur 1 ist also ein spezielles Beispiel für eine mehrlagige Beschichtung, die jedoch ausweislich der Seite 5, letzter Absatz nicht zwingend ist.
3.4.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert des Weiteren, dass die Erfindung nur für zwei Beschichtungszonen offenbart sei. Die Kammer stimmt dem zu, betont allerdings, dass zwei Beschichtungszonen implizit verwirklicht sind, sobald das Merkmal M1.4 realisiert wird. Wenn - gemäß Merkmal M1.4 - der wenigstens eine polymere Werkstoff teilweise in den Faserformstoff eingedrungen ist, liegen notwendigerweise eine erste, oberflächige Beschichtungszone und eine zweite, in den Faserformstoff eingedrungene und kraftschlüssig verbindende Beschichtungszone vor (siehe ursprünglich eingereichte Beschreibung, Seite 5, letzter Absatz).
3.4.3 Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Argumentation bezüglich des Fehlens der entsprechenden Dickenangaben der einzelnen Beschichtungszonen verfängt nicht, da es sich hierbei nicht um als zwingend offenbarte Merkmale der Erfindung handelt, sondern ihre Offenbarung nur im Kontext spezieller Ausführungsbeispiele steht (siehe ursprünglich eingereichte Beschreibung, Seite 6, zweiter Absatz; Seite 6 letzter Absatz bis Seite 7, erster Absatz; Seite 7, vierter Absatz; Seite 28, zweiter bis vierter Absatz).
3.5 Schlussfolgerung bezüglich der Änderungen
Der Gegenstand des europäischen Patents geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
4. Neuheit - Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ
4.1 Neuheit gegenüber Dokument E2
Es ist streitig, ob Dokument E2 die Merkmale M1.4, M1.5 und M1.6 des Anspruchs 1 und die Merkmale M11.5 und M11.6 des Anspruchs 11 offenbart.
Die Kammer ist der Auffassung, dass im Dokument E2 die Schutzschicht sehr wohl wenigstens teilweise in den Faserformstoff eindringt, und somit das Merkmal M1.4 und analog der erste Teil des Merkmals M11.5 von dem Dokument E2 vorweggenommen sind. Zwar soll nach der Lehre des Dokuments E2 ein "Einweichen" bzw. "Durchnässen" des Faserformstoffes vermieden werden (siehe Dokument E2, Absätze [00020], [00028], Begriff: "soak"), um eine Schutzfunktion der Schicht sicherzustellen. Aber aus mehreren Stellen des Dokuments E2 geht hervor, dass der polymere Werkstoff wenigstens teilweise in den Faserformstoff eindringt (siehe z.B. Dokument E2, Absätze [00027], [00028]; "embeds the protective layer into the fiber sheet", Unterstreichung durch die Kammer). Dies lässt sich auch daraus ableiten, dass die Schutzschicht 111 unter Hitzeeinwirkung und Druck auf die Faserformschicht aufgebracht wird (siehe Dokument E2, Absätze [00022], [00023], [00027]), wobei die Schutzschicht schmilzt, so dass sie an dem Faserformstoff haftet. Entsprechend wird die Dauer und Stärke der Hitzeeinwirkung angepasst (siehe Dokument E2, Absatz [00030]).
Die Kammer kann der Beschwerdeführerin allerdings nicht zustimmen, dass das Dokument E2 auch das Merkmal M1.5 und den zweiten Teil des Merkmals M11.5 zeigt. In diesem Zusammenhang verweist die Beschwerdeführerin auf Absatz [00019] des Dokuments E2, wo zu lesen ist, dass die Dicke der polymeren Schutzschicht in Abhängigkeit von den natürlichen Charakteristika der Fasermaterialien variieren kann. Die Kammer ist der Meinung, dass dadurch weder explizit noch implizit eine Beschichtungsoberfläche eindeutig offenbart ist, die durch die Form und die mehr oder minder zufällige Anordnung der Fasern des Faserwerkstoffs geprägt ist.
Dokument E2 offenbart zudem keinen Mittenrauwert für die Oberfläche der Beschichtung (Merkmale M1.6 bzw. M11.6). Da das Merkmal M1.5 bzw. der zweite Teil von Merkmal M11.5 von Dokument E2 nicht vorweggenommen wird, ist das Merkmal M1.6 bzw. das Merkmal M11.6 auch nicht implizit in Dokument E2 offenbart.
4.2 Neuheit gegenüber Dokument E3
Bezüglich des Dokuments E3 ist die Offenbarung der Merkmale M1.4, M1.5 und M1.6 des Anspruchs 1 und der Merkmale M11.5 und M11.6 des Anspruchs 11 streitig.
Die Kammer ist der Auffassung, dass Dokument E3 keinen Mittenrauwert (Merkmale M1.6 und 11.6) und keine Prägung der Oberfläche durch die mehr oder minder zufällige Anordnung der Fasern (Merkmal M1.5 und zweiter Teil von Merkmal M11.5) eindeutig offenbart. Auch zeigt das Dokument E3 nicht das Merkmal M1.4 und den ersten Teil des Merkmals M11.5. Im Dokument E3 wird ein Mischfaservlies mit einer Folie haftend verbunden (siehe Dokument E3, Absatz [0001]). Dies erfolgt, indem man die Thermoplastfasern des Mischfaservlieses und den niedriger schmelzenden Thermoplast der Verbundfolie kurzzeitig ("nur Bruchteile von Sekunden lang") über ihren Schmelzpunkt erwärmt, so dass sie nur erweichen und nicht abtropfen. Danach werden sie unmittelbar miteinander verpresst (siehe Dokument E3, Absatz [0008]). Dies bedeutet, dass die Thermoplastfasern des Mischfaservlieses und der niedriger schmelzende Thermoplast der Verbundfolie verklebt werden. Ein Eindringen der Verbundfolie in die Faserstruktur des Mischfaservlieses ist nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, dass die Verbindung zwischen der Verbundfolie und dem Mischfaservlies aufgrund der unterschiedlichen Schmelztemperaturen der Kunststoffe von Verbundfolie und Mischfaservlies über Formschluss erfolgen muss, indem die Folie zumindest teilweise in das Mischfaservlies eindringt, kann nicht überzeugen. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass es unausweichlich sei, dass ein erweichter Stoff, wie die Verbundfolie, in ein poröses Textil eindringt, wenn beide Materialien verpresst werden, kann die Kammer nicht teilen, da erstens offenbart wird, dass nur für Bruchteile von Sekunden erwärmt wird, und weil zweitens sowohl die Verbundfolie als auch die Thermoplastfasern des Mischvlieses schmelzen. Dies bedeutet, dass die Verbindung über ein (oberflächiges) Verkleben der Fasern erfolgen kann und ein Eindringen der Verbundfolie in das Mischfaservlies nicht zwingend stattfindet.
4.3 Schlussfolgerung bezüglich Neuheit
Ebenso wie die Einspruchsabteilung (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkte 4.3 und 4.5) kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand von Anspruch 1 und Anspruch 11 neu ist gegenüber den Dokumenten E2 und E3.
5. Erfinderische Tätigkeit - Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 56 EPÜ
5.1 Die erfinderische Tätigkeit wird von der Beschwerdeführerin ausgehend vom Dokument E2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen angegriffen.
5.2 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass Dokument E2 einen möglichen Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nach dem Aufgabe-Lösungsansatz darstellt. Es offenbart ebenso wie das Streitpatent ein Naturfaser-Verkleidungsteil. Die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Tatsache, dass das aus Dokument E2 bekannte Formteil eine glatte Oberfläche aufweisen soll (siehe Dokument E2, Absatz [0029]), spricht nicht per se gegen Dokument E2 als möglichen Ausgangspunkt. Es werden sowohl nach dem Dokument E2 als auch nach dem Streitpatent Formteile hergestellt, die z.B. im Innenraum von Fahrzeugen Verwendung finden (siehe Streitpatent, Absatz [0004] und Dokument E2, Absatz [0001]).
5.3 Wie bereits im Rahmen der Neuheit diskutiert, unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 bzw. von Anspruch 11 von der Lehre des Dokuments E2 in den Merkmalen M1.5 und M1.6 bzw. dem zweiten Teil des Merkmals M11.5 und in dem Merkmal M11.6.
5.4 Die Beschwerdeführerin führt unter Punkt 6.1 der Beschwerdebegründung an, dass die technische Wirkung dieser Unterscheidungsmerkmale darin gesehen werden könne, dass trotz der Beschichtung des Faserformstoffes mit dem polymeren Werkstoff ein Formteil bereitgestellt werde, das eine Oberfläche mit einer holzartigen Haptik aufweise (siehe Streitpatent, Absatz [0014]). Die objektive technische Aufgabe könne - laut der Beschwerdeführerin - daher so formuliert werden, dass bei einem Formteil, welches einen mit einer Beschichtung versehenen Faserformstoff umfasst, eine Oberfläche mit einer holzartigen Haptik erzielt werden solle. Die Beschwerdegegnerin formuliert diese Aufgabe allgemeiner, nämlich dass keine holzartige Haptik, sondern eine angenehme Haptik erzielt werden solle.
Die Kammer verweist dazu auf Absatz [0013] des Streitpatents, wo das Dokument E2 als Stand der Technik diskutiert wird. Daraus wird bereits dort die von der Beschwerdeführerin formulierte Aufgabe abgeleitet (siehe Streitpatent, Absatz [0014]): "Die Erfindung hat die Aufgabe, ein Formteil und insbesondere ein Verkleidungsteil bereit zu stellen, das an seiner sichtseitigen Oberfläche eine holzartige Haptik aufweist oder bewirkt, für eine qualitativ hochwertige Oberflächenoptik geeignet ist und beim Gebrauch beständig ist." Die Kammer stimmt aus diesen Gründen mit der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe durch die Beschwerdeführerin überein.
5.5 Die Kammer ist der Auffassung, dass die beanspruchte Lösung dieser Aufgabe ausgehend vom Dokument E2 nicht nahegelegt ist. Wie bereits von der Einspruchsabteilung (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 5.3.1) erwähnt, ist gemäß der Lehre des Dokuments E2 die im Streitpatent beanspruchte raue Oberfläche nicht erwünscht. Vielmehr soll eine möglichst glatte und schmutzabweisende Oberfläche erzielt werden (siehe Dokument E2, Absätze [0005] und [00029]).
5.5.1 Der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass sich die aus dem polymeren Werkstoff gebildete Beschichtung zwangsläufig bei der im Dokument E2 beschriebenen Vorgehensweise an die Oberflächenstruktur des darunter angeordneten Faserformstoffes anpasse und sich somit die gleiche Haptik ergebe, kann nicht gefolgt werden. Die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang zitierten Textstellen des Dokuments E2 (siehe Dokument E2, Absätze [00027] und [00028]) beziehen sich auf die Oberseite des Faserformstoffes, aber nicht auf die Haptik der Oberseite der Beschichtung.
5.5.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert des Weiteren mit der Ähnlichkeit der aus dem Dokument E2 und dem Streitpatent bekannten Verfahren. Sowohl die Werkstoffe als auch die Verfahrensparameter würden in weiten Bereichen übereinstimmen, so dass auch die gleiche Oberfläche erzielt würde. Die Merkmale M1.5 und M1.6 würden sich daher zwangsläufig ergeben. Dem kann die Kammer nicht zustimmen, da Oberfläche der Beschichtung nicht nur von den von der Beschwerdeführerin genannten Einflussgrößen bestimmt wird, sondern auch von weiteren Parametern wie dem Anpressdruck oder der Oberfläche und Dichte des Faserformstoffes. Insofern lässt sich nicht zwangsläufig von den im Dokument E2 genannten Parametern auf die resultierende Haptik der Beschichtungsoberfläche schließen.
5.5.3 Auch das Argument der Beschwerdeführerin, dass das Dokument E2 bereits eine Anpassung der Dicke der Beschichtung offenbare (siehe Dokument E2, Absatz [00019]), überzeugt die Kammer nicht. Der Fachmann mag die Parameter, mit denen die Dicke der Beschichtung beeinflusst werden kann, kennen. Aus Dokument E2 erhält er jedoch ohne rückschauende Betrachtung keinen Hinweis, die Dicke der Beschichtung so zu wählen, dass die Oberfläche der Beschichtung durch die Form und die mehr oder minder zufällige Anordnung der Fasern des Faserformstoffs geprägt ist (siehe Merkmal M1.5).
5.5.4 Der beanspruchte Mittenrauwert gemäß Merkmal M1.6 sei - laut der Beschwerdeführerin - per se nicht erfinderisch. Ein Fachmann, der mit der Aufgabe einer holzartigen Haptik betraut gewesen sei, hätte ohne erfinderisches Zutun einen Mittenrauwert in dem beanspruchten Bereich gewählt. Auch wenn dies zutreffen sollte, ist zu berücksichtigen, dass dieser beanspruchte Mittenrauwert aus den vorhergehenden Merkmalen resultiert, insbesondere dem Merkmal M1.5 bzw. dem zweiten Teil des Merkmals M11.5. Diese Merkmale sind im Dokument E2 nicht offenbart und ausgehend von Dokument E2 auch nicht nahegelegt.
5.5.5 Ferner weist die Beschwerdeführerin noch darauf hin, dass es sich bei dem im Dokument E2 verwendeten Begriff "glatt" um einen relativen Begriff handle, dass unter "glatt" insbesondere eine flüssigkeitsabweisende Schicht zu verstehen sei und dass die für eine holzartige Haptik erforderlichen Rauigkeitswerte unter den Begriff "glatt" subsumiert werden könnten. Die Kammer erachtet dies als für den vorliegenden Fall weniger relevant, da die Rauigkeitswerte aus dem Merkmal M1.5 resultieren, nämlich, dass sich die Fasern des Faserformstoffes an der Oberfläche abzeichnen.
5.6 Schließlich merkt die Beschwerdeführerin noch an, dass zwischen ausreichender Offenbarung und erfinderischer Tätigkeit ein Zusammenhang bestehe, und dass der Wissensstand des Fachmanns für die Fragen der ausreichenden Offenbarung und der erfinderischen Tätigkeit der gleiche sei (siehe Rechtsprechung, II.C.4.1.). Sofern die ausreichende Offenbarung bejaht werden sollte, bliebe nur der Schluss, dass es sich um Einzelheiten allgemein bekannter Merkmale handle, um den beanspruchten Mittenrauwert zu erzielen.
Die Kammer stimmt zu, dass der Prüfung beider Erfordernisse ein und derselben Fachmann zugrunde zu legen ist. Allerdings geht es bei der Frage der ausrechenden Offenbarung darum, ob der Fachmann in Kenntnis der beanspruchten Lösung anhand der Informationen des Streitpatents in der Lage ist, die offenbarte Erfindung ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbaren Aufwand nachzuarbeiten. Demgegenüber betrifft die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit die Frage, ob die vorgeschlagene Lösung vom Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik abgeleitet werden kann. Die Erfordernissen der ausreichenden Offenbarung und der erfinderischen Tätigkeit betreffen daher unterschiedliche Fragestellungen, auch wenn in beiden Fällen auf den Fachmann abgestellt wird.
Während das Streitpatent die erforderlichen Informationen enthält (siehe Streitpatent, insbesondere Absätze [0025], [0044], [0066] und [0067]), um die Erfindung ohne unzumutbaren Aufwand nachzuarbeiten, gelangt der Fachmann ausgehend vom Dokument E2 nicht ohne rückschauender Betrachtungsweise zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 11.
5.7 Schlussfolgerung bezüglich erfinderischer Tätigkeit
Der Gegenstand des erteilten unabhängigen Anspruchs 1 beruht ausgehend von Dokument E2 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das gleiche gilt analog für den Gegenstand des erteilten unabhängigen Anspruchs 11.
6. Ergebnis
Keiner der Einspruchsgründe nach Artikel 100 a), b) und c) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung entgegen, so dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.