T 0388/89 26-02-1991
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Verfahren zur Herstellung von Cyclohexandionderivaten
Inventive step (yes)
Analisis ex-post facto
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Keine rückschauende Betrachtungsweise
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 7. Dezember 1988 verkündete und am 24. Mai 1989 schriftlich begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, mit der das europäische Patent 124 041 widerrufen worden ist. Dieses Patent war am 21. November 1985 auf die am 19. April 1984 unter Beanspruchung der Priorität einer Voranmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 23. April 1983 eingereichte europäische Patentanmeldung 84 104 475.3 aufgrund eines einzigen Patentanspruchs erteilt worden.
II. Die angefochtene Entscheidung stützte sich u. a. auf die folgenden Druckschriften:
(1) Proceedings of the Fifth International Congress of Pesticide Chemistry, 1982, Volume 1, (Pergamon, Oxford 1983), S. 151 bis 158
(2) EP-A-61 669 (veröffentlicht 6. Dezember 1982)
(4) Chemical Abstracts 91 (1979) Referat 1992911w
(6) EP-A-0 066 195 (veröffentlich 8 Dezember 1982)
(9) Englische Übersetzung von M. Sawaki and Takahashi, Nikkakyo Geppo; Sept. 1980, S. 18 bis 23, numeriert als Seiten 1 bis 10 sowie auf drei von der Einsprechenden vorgelegte Gutachten, von denen eines einen Versuchsbericht über die Nacharbeitung des Beispiels 1 des Streitpatents enthielt.
Die Einspruchsabteilung hat Druckschrift (9), das denselben technischen Sachverhalt wie das als Dokument (4) bezeichnete Referat betrifft, als nächsten Stand der Technik betrachtet und demgegenüber die dem Streitpatent zugrundeliegende technische Aufgabe darin gesehen, ein für alle Verfahrensstufen brauchbares Lösungsmittel aufzufinden. Diese Aufgabe sei aufgrund des allgemeinen Fachwissens routinemäßig zu lösen gewesen. Die Lösung gemäß Streitpatent sei daher nicht erfinderisch.
III. Die Beschwerde wurde am 15. Juni 1989 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr eingelegt und kurz begründet. Am 22. September 1989 ist eine ausführliche Beschwerdebegründung eingegangen. Am 26. Februar 1991 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.
IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat in der mündlichen Verhandlung einen neuen, eingeschränkten Patentanspruch und entsprechend geänderte Beschreibungsseiten 2 und 3 eingereicht. Der neue Patentanspruch lautet wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung von Cyclohexandionderivaten der allgemeinen Formel I
(FORMULA)
in der R1 einen der folgenden Substituenten bedeutet: Alkyl mit C2 bis C8, Alkenyl mit C2 bis C8, gegebenenfalls bis zu 4fach olefinisch ungesättigtes Cycloalkyl mit C3 bzw. C5 bis C12, Alkylthioalkyl mit C2 bis C8, gegebenenfalls bis zu 3fach olefinisch ungesättigtes Bicycloalkyl mit C6 bis C12, gegebenenfalls substituiertes Aryl und Hetaryl oder einen heterocyclischen Rest mit 4 bis 7 Atomen, der bis zu 3 Heteroatome aus der Gruppe O, S und N aufweist und gesättigt oder olefinisch ungesättigt sein kann, durch Umsetzung von alpha,ß-ungesättigten Ketonen der Formel II
(FORMULA)
mit einem Malonsäuredialkylester in Gegenwart einer Base zum Alkoxycarbonylcyclohexenolon bzw. dessen Salz (III) Acylierung, Verseifung und Decarboxylierung von (III), wobei R den Alkoholrest des Malonsäuresters und R1 die vorstehende Bedeutung hat, dadurch gekennzeichnet, daß man
1. das alpha,ß-ungesättigte Keton (II) mit dem Malonsäuredialkylester in Gegenwart von Alkalialkoholat in einem alkylierten oder halogenierten aromatischen Kohlenwasserstoff umsetzt, aus dem das gebildete Salz ausfällt und aus dem der freiwerdende Alkohol des Malonsäureesters abdestilliert werden kann,
2. den Alkohol gegebenenfalls als Azeotrop abdestilliert,
3. das Salz des Alkoxycarbonylcyclohexenolons mit einem Carbonsäurehalogenid R2COHal umsetzt, wobei R2 einen bis zu 6 C-Atomen aufweisenden Alkylrest bedeutet,
4. gegebenenfalls nach Entfernen überschüssigen Acylhalogenids mit einem tertiären Amin als Umlagerungskatalysator behandelt,
5. verseift und decarboxyliert."
Sie hat zunächst angeregt, die von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Gutachten unberücksichtigt zu lassen. Zur Sache hat sie ausgeführt, die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe sei keineswegs nur in der Wahl eines geeigneten Lösungsmittels für ein im übrigen bekanntes Verfahren zu sehen; es habe vielmehr die Aufgabe bestanden, erstmalig ein im technischen Maßstab durchführbares einfaches Verfahren zur Herstellung der Produkte der Formel I anzugeben, das von leicht zugänglichen Ausgangsstoffen Gebrauch macht. Für ein technisches Verfahren sei es insbesondere wichtig, den Anfall von schwer zu reinigendem Abwasser zu vermeiden. Zur Lösung dieser Aufgabe gemäß Streitpatent habe der Stand der Technik keine Anregung geboten, obwohl die Reihenfolge der Reaktionsschritte aus Druckschrift (1) entnehmbar gewesen sei, und auch die Acylierung in Suspension als Einzelmaßnahme zum allgemeinen Fachwissen zu rechnen sei. Es spreche ferner für das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit, daß gemäß Druckschrift (9), deren englische Übersetzung als korrekt anerkannt werde, eine sehr ähnliche Aufgabenstellung zu einer hinsichtlich der Verfahrensparameter abweichenden und insgesamt, insbesondere wegen des anfallenden Abwassers, weniger vorteilhaften Lösung geführt hat. Die Acylierung des Salzes der Formel III in einer Kohlenwasserstoff-Suspension anstelle eines wäßrigen Zweiphasensystems sei eine zwar an sich bekannte, aber ungewöhnliche Maßnahme, die ein Durchschnittsfachmann im hier gegebenen Zusammenhang nicht in Betracht gezogen hätte. Auch die Kondensation des Vinylketons der Formel II mit einem Malonester in einem aromatischen Kohlenwasserstoff sei unüblich. Das Verfahren gemäß Streitpatent liefere ferner mit einer Vielzahl von zum Teil unüblichen Substituenten R1 ausgezeichnete Ergebnisse. Diese breite Anwendbarkeit sei im vorliegenden Falle von großer praktischer Bedeutung. Eine glatte Acylierung auch solcher Cyclohexandione, deren Reste R1 eine basische Gruppe enthielten, habe der Fachmann jedoch nicht erwarten können.
V. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten eingeschränkten Patentanspruch ist den schriftlich vorgetragenen Einwänden der Beschwerdegegnerin bezüglich der breiten Definition der gemäß dem erteilten Patentanspruch verwendbaren "Lösungsmittel" (genauer: Reaktionsmedien) und Einwänden der Kammer hinsichtlich der Brauchbarkeit von Lewis-Säuren als Umlagerungskatalysatoren Rechnung getragen worden. Auch im Hinblick auf den geltenden Patentanspruch hielt die Beschwerdegegnerin jedoch den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit aufrecht. Die von der Beschwerdeführerin formulierte technische Aufgabe sei wenig anspruchsvoll. Es gehöre zu den routinemäßigen Obliegenheiten des in der Industrie tätigen Chemikers, im Labormaßstab erprobte Verfahren in den technischen Maßstab zu übertragen. Hierbei sei es selbtverständlich, mit möglichst wenigen Grundoperationen auszukommen und unnötigen Energieaufwand sowie Abfallprodukte (auch Abwasser) zu vermeiden. Zur Lösung derartiger Aufgaben böten sich dem Fachmann im handwerklichen Rahmen eine Vielzahl von Möglichkeiten. Hierzu gehöre insbesondere die Auswahl eines für möglichst viele Verfahrensschritte geeigneten Lösungsmittels. Die nunmehr ausschließlich beanspruchten alkylierten oder halogenierten aromatischen Kohlenwasserstoffe, insbesondere Toluol, seien für technische Reaktionen gebräuchlich. Darüber hinaus sei den Druckschriften (4) und (9) schon die Anregung zu entnehmen gewesen, das bei der Kondensation des Vinylketons der Formel II mit dem Malonester anfallende Salz der Formel III direkt zu acylieren. Mit dem Verfahren gemäß Streitpatent werde auch keine ungewöhnliche Produktqualität erzielt. Die Verfahrensprodukte seien vielmehr ziemlich unrein, wie aus dem im Einspruchsverfahren eingereichten Versuchsbericht hervorgehe. Somit werde die angestrebte hohe Ausbeute und Reinheit keineswegs erreicht. Die Umsetzung fester Produkte in Suspension sei ebenfalls nichts Ungewöhnliches. Abwasserprobleme könnten auch beim Verfahren gemäß Streitpatent nicht vermieden werden, da das bei der Acylierung anfallende Salz und der Umlagerungskatalysator mit Wasser extrahiert werden müßten. Das Verfahren gemäß Streitpatent stelle somit nur die routinemäßige Lösung einer trivialen Aufgabe mit handwerklichen Mitteln dar und beruhe deshalb nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung mit den Änderungen auf den Seiten 2, 3, 6 und 7, eingereicht in der mündlichen Verhandlung.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
1. Im Hinblick auf den in Abschnitt I und III dargelegten Sachverhalt ist die Beschwerdezulässig.
2. Die erst im Beschwerdeverfahren, also verspätet, eingereichten Druckschriften wurden lediglich als Beleg dafür vorgelegt, daß - isoliert betrachtet - die Acylierung von Cyclohexandionderivaten in Suspension ein üblicher Reaktionsschritt ist. Nachdem die Beschwerdeführerin dies in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten hat, bedarf es keines näheren Eingehens auf diese Druckschriften.
3. Die von den Parteien vorgelegten Gutachten bedürfen ebenfalls keiner besonderen Erörterung. Sie wurden verspätet eingereicht und die darin enthaltenen Angaben, soweit sie technische Sachverhalte betreffen, waren in der mündlichen Verhandlung zwischen den Parteien nicht mehr strittig. Soweit diese Gutachten rechtliche Beurteilungen enthalten, wertet sie die Kammer als Parteivortrag. Lediglich das von der Beschwerdegegnerin vorgelegte Ergebnis der Nacharbeitung des Beispiels 1 des Streitpatents ist bei der Ermittlung der bestehenden und objektiv gelösten technischen Aufgabe nützlich und wird daher berücksichtigt.
4. Der geltende Patenanspruch ist gegenüber der erteilten Fassung hinsichtlich der Lösungsmittel, des basischen Kondensationsmittels und der Umlagerungskatalysatoren eingeschränkt. Diese Einschränkungen finden ihre Stütze in den ursprünglichen Unterlagen, Seite 3, Zeilen 26 bis 27, Seite 4, Zeilen 4 bis 5 und 20 bis 21 sowie in der Patentschrift, Seite 3, Zeilen 37 bis 38, 49 und 55 bis 60. Die Vorschriften des Artikels 123 EPÜ sind somit erfüllt.
5. Die Neuheit des Verfahrens gemäß Streitpatent ist zwischen den Parteien nicht strittig. Die im Verfahren befindlichen Dokumente geben keinen Anlaß, diesen Sachverhalt von Amts wegen anders zu beurteilen. Es erübrigen sich daher nähere Ausführungen hierzu.
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1. Von den der Kammer vorliegenden Entgegenhaltungen beziehen sich die Druckschriften (2), (4) und (9) nicht auf die Herstellung von Cyclohexandionderivaten der Formel I des Streitpatents, sondern betreffen die Herstellung von Cyclohexandionderivaten mit einer anderen, wenn auch ähnlichen Struktur. Sie können daher zur Ermittlung der dem Streitpatent zugrundeliegenden technischen Aufgabe nicht herangezogen werden.
Die Druckschriften (1) und (6) beschreiben herbizid wirksame Cyclohexandionderivate, die mit dem Ziel hergestellt wurden, sie auf ihre praktische Brauchbarkeit als Agrochemikalien zu untersuchen. Hierzu genügte zunächst ein im Labormaßstab durchführbarer Syntheseweg. In beiden Dokumenten führt diese Synthese über Cyclohexandionderivate der Formel I des Streitpatents als wesentliche Zwischenprodukte. Es ergeben sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte, daß die darin enthaltenen allgemeinen Angaben mehr bezwecken sollen als den grundsätzlichen Syntheseweg zur Herstellung der gewünschten Produkte aufzuzeigen. So werden auch keine Ausbeuten für die Zwischenprodukte der Formel I mitgeteilt.
Demgegenüber kann, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen und dem Streitpatent entnehmbar (Seite 2, Zeilen 21 bis 32), die dem Verfahren gemäß Patentanspruch zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, ein Verfahren zur Herstellung der Verbindungen der Formel I in technischem Maßstab anzugeben.
Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien in der mündlichen Verhandlung beinhaltet diese Aufgabenstellung die Auswahl und Kombination von Syntheseschritten, die eine technisch brauchbare Gesamtausbeute liefern, ferner die Durchführung der Synthese mit möglichst wenig Grund-operationen sowie mit einem Minimum an Energieaufwand und Nebenprodukten, darunter auch Abwasser. In diesem Sinne ist daher auch die Angabe im Streitpatent zu verstehen, daß "Bedarf an einem einfachen, in möglichst einfachen Reaktionsgefäßen ausführbaren Verfahren" bestand.
6.2. Zur Lösung dieser Aufgabe wird die Kombination von Verfahrensschritten und Reaktionsbedingungen gemäß dem Patentanspruch (siehe Abschnitt III) vorgeschlagen. Es ist glaubhaft und auch unbestritten, daß die bestehende Aufgabe mit dieser Kombination von Maßnahmen gelöst wird (siehe auch die Beispiele 1 bis 3 und die Tabelle auf den Seiten 5 und 6 des Streitpatents). Dieser Feststellung steht der Versuchsbericht der Beschwerdegegnerin nicht entgegen, denn der genaue Reinheitsgrad der Produkte, den die Beschwerdegegnerin in ihrem Versuchsbericht mit ca 85 % angibt, ist hierbei unwesentlich, da einerseits nicht bestritten worden ist, daß die erhaltenen Produkte für die Weiterumsetzung zum Endprodukt ausreichend rein sind und andererseits die Gesamtausbeute unter Beräcksichtigung des Reinheitsgrads immer noch bei 77 % für das Produkt des Beispiels 1 und damit im technisch brauchbaren Bereich liegt.
Die Kammer interpretiert den Anspruchswortlaut so, daß die Acylierung des Salzes der Formel III (Syntheseschritt 3), mit der beim Abdestillieren des Alkohols anfallenden Suspension ohne vorherigen Wasserzusatz zur Bildung eines Zweiphasensystems durchgeführt wird, wie es in der Patentschrift, Seite 3, Zeilen 55 bis 58 angegeben ist, auch wenn dies aus dem isoliert betrachteten Anspruchswortlaut nicht hervorgeht. Diese Interpretation steht im Einklang mit den Beispielen 1 bis 3 und mit der obigen, dem Streitpatent entnehmbaren Aufgabenstellung. Die Richtigkeit dieser Interpretation wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt.
6.3. Es ist daher nunmehr zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen dazu bot, die bestehende Aufgabe auf die vorgeschlagene Weise zu lösen.
Hierbei konnte er sich zunächst an den in den Druckschriften (1) und (6) skizzierten Synthesewegen orientieren. In Druckschrift (1) wird auf Seite 153, vorletzter vollständiger Absatz, der Ringschluß ausgehend vom entsprechenden Methylvinylketon und Malonester gegenüber dem jenigen des entsprechenden Acrylesters mit Acetessigester als günstiger bezeichnet. Es lag daher nahe, bei einer technischen Synthese diese Reaktion zu benutzen. Bei den weiteren Reaktionsstufen unterscheiden sich die Vorschläge gemäß Druckschrift (1) und Druckschrift (6) dadurch, daß gemäß letzterer vor der Acylierung die Estergruppe durch Verseifen und Decarboxylieren abgespalten wird, während dies beim Verfahren gemäß Druckschrift (1), Seite 155, zweiter Absatz erst - wie auch beim Streitpatent - nach der Acylierung erfolgt. Die Kammer sieht jedoch in der Auswahl des Synthesewegs unter den beiden sich anbietenden Möglichkeiten keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit, da diese Maßnahme zumindest für die Herstellung von Verbindungen der Formel I mit schwefelhaltigen Resten R1 durch Druckschrift (1) vorgezeichnet war. Die Acylierung des Salzes der Formel III wird darin allerdings nicht ausdrücklich erwähnt. Eine Anregung hierzu könnten allenfalls die in den wesentlichen technischen Aussagen übereinstimmenden Druckschriften (4) und (9) geboten haben. Diese Druckschriften betreffen die Ausarbeitung einer technischen Synthese für den Wirkstoff "Alloxydim", bei der zunächst ein Zwischenprodukt der Formel
(FORMULA)
erhalten wird. Dieses Produkt enthält also eine Carboxylgruppe in 6-Stellung, die bei den gemäß Streitpatent erhältlichen Verbindungen fehlt. Gemäß Druckschrift (9) hat bei der Konzipierung der Synthese über das Natriumsalz die bei der Reaktionsfolge gemäß Streitpatent unwesentliche Frage der Instabilität der Carboxylfunktion in 6-Stellung eine bedeutende Rolle gespielt (Seite 2, zweiter Absatz). Die Kammer ist daher nicht überzeugt, daß der Fachmann Anlaß hatte, diese Arbeitsweise auch beim Syntheseweg nach Druckschrift (1) in Betracht zu ziehen. Alle bisher genannten Entgegenhaltungen zeigen ferner, daß die Acylierung zunächst zu einem Enolester führt, der dann vorteilhafterweise in Gegenwart katalytischer Mengen eines tertiären Amins in das gewünschte C-Acylderivat umgelagert wird (siehe z. B. Druckschrift (9), Seite 4, letzter vollständiger Absatz, Druckschrift (1), Seite 154, letzter Absatz und Druckschrift (6), Seite 6, Zeilen 11 bis 15). Nachdem insbesondere Druckschrift (6) diese Arbeitsweise ausdrücklich im Zusammenhang mit der Herstellung solcher Verbindungen der Formel I erwähnt, die eine stickstoffhaltigen Rest R1 aufweisen, kann das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht überzeugen, der Fachmann habe die breite Anwendbarkeit dieses Synthesewegs, insbesondere für solche stickstoffhaltigen Produkte, nicht erwarten können.
6.4. Selbst wenn man zugunsten der Beschwerdegegnerin annehmen wollte, daß trotz der vorstehend genannten Bedenken der Reaktionsweg über das Salz der Formel III auch für die Ausarbeitung einer technischen Synthese für die Verbindungen der Formel I durch die Druckschriften (4) und (9) nahegelegt war, so verbleibt als weitere Maßnahme, die in den Druckschriften (1) und (6) nicht erwähnt wird, die Durchführung sowohl der Cyclisierung als auch der Acylierung in einem alkylierten oder chlorierten Kohlenwasserstoff als Reaktionsmedium. Hierfür bot der Stand der Technik kein Vorbild. Die Druckschrift (2) beschreibt zwar die Herstellung von Cyclohexandionen, die sich strukturell von denjenigen der Formel I unterscheiden, aus Acrylestern und Ketonen in Gegenwart eines Alkalialkoholats in einem unpolaren Lösungsmittel z. B. Xylol; die Angaben auf Seite 2, Zeile 21 bis Seite 3, Zeile 2 in Verbindung mit Anspruch 1 dieser Druckschrift zeigen jedoch deutlich, daß dabei besondere, für die hier in Betracht kommende Umsetzung nicht anwendbare Ausgangsstoffe eingesetzt werden müssen, um brauchbare Ausbeuten zu erzielen. Wenn der Fachmann daher diese Druckschrift überhaupt in Betracht gezogen hätte, so hätte sie ihn sicher nicht zur Anwendung eines solchen Reaktionsmediums ermutigt.
Es mag zwar zutreffen, wie auch die Beschwerdeführerin eingeräumt hat, daß ein Fachmann die Cyclisierung eines Methylvinylketons der Formel II mit einem Malonester in einem Reaktionsmedium aus dieser Gruppe grundsätzlich für durchführbar gehalten hätte; dies bedeutet jedoch nicht, daß er sie hier tatsächlich in Betracht gezogen hätte, selbst wenn er wußte, daß der üblicherweise verwendete Alkohol die Weiterumsetzung störte und wieder abdestilliert werden mußte. Außerdem war zur Lösung der bestehenden Aufgabe nicht nur dieser eine Schritt, sondern der gesamte, vielstufige Verfahrensablauf zu optimieren, darunter insbesondere auch der sich an das Abdestillieren des Alkohols anschließende Acylierungsschritt. Auch für diesen mag zutreffen, daß dessen grundsätzliche Durchführbarkeit in Suspension für den Fachmann erkennbar war. Damit ist aber weder dargetan, daß der Fachmann diese Maßnahme für sich allein, noch gar daß er sie in Kombination mit den übrigen Maßnahmen zur Lösung der hier bestehenden Aufgabe in Betracht gezogen hätte, bei der ja nicht nur die Vereinfachung der Synthese, sondern auch eine gute Ausbeute und akzeptable Reaktionsbedingungen zu beachten waren. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit einer Kombinationserfindung lautet die entscheidende Frage nicht, ob einzelne Elemente der Kombination entweder aus dem Stand der Technik bekannt und durch ihn nahegelegt sind. Allein entscheidend ist vielmehr, ob im Stand der Technik Anregungen enthalten waren, die dem Fachmann gerade die Gesamtkombination aller (möglicherweise für sich bekannten) Merkmale nahelegten. Andernfalls wäre es nicht möglich, daß eine Kombination ausschließlich aus bekannten Einzelmerkmalen auf erfinderischer Tätigkeit beruhen könnte. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der vorliegenden Erfindung vermag die Kammer nicht festzustellen, daß der Fachmann Anregungen für das Zusammenwirken alle Merkmale dem Stand der Technik hätte entnehmen können.
6.5. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit muß bekanntlich eine unzulässige rückschauende Betrachtungsweise vermieden werden. Dies ist besonders dann schwierig, wenn, wie hier, zur Begründung des Naheliegens allgemeines Fachwissen geltend gemacht wird. Jedes Anzeichen dafür, daß der Fachmann in einer vergleichbaren Situation aufgrund desselben allgemeinen Fachwissens zu einer anderen Problemlösung gekommen ist als derjenigen, deren Naheliegen zu untersuchen ist, hat daher besonderes Gewicht (siehe z. B. die Entscheidung T 519/88 vom 8. März 1990, Punkt 4 und 5 der Entscheidungsgründe).
Im vorliegenden Falle ist unübersehbar, daß auch die Druckschriften (4) und (9) die technische Herstellung eines Cyclohexandions beschreiben, bei der nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien eine vergleichbare Aufgabenstellung bestand wie beim Verfahren gemäß Streitpatent. Dennoch wurde in diesem Falle die Cyclisierung in Alkohol als Lösungsmittel durchgeführt (Druckschrift (9), der die Seiten 1 und 2 überbrückende Absatz). Für die weitere Umsetzung wurde sodann nach intensivem Literaturstudium und einigen unbefriedigend verlaufenen Vorversuchen ein Zweiphasensystem aus Wasser und einem aprotischen Lösungsmittel vorgeschlagen (siehe Druckschrift (9), Kapitel 5-2, insbesondere der erste vollständige Absatz auf Seite 4). In Druckschrift (4) wird als aprotisches Lösungsmittel Benzol angegeben, dessen Verwendung gemäß Streitpatent nicht in Betracht kommt. Wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen ausgeführt hat, hätte der Fachmann bei dem gemäß Druckschrift (9) zu optimierenden Verfahren noch mehr Anlaß gehabt, ein wäßriges Reaktionsmedium zu vermeiden als beim Verfahren gemäß Streitpatent, da während der Synthese eine Abspaltung der Carboxylfunktion in 6-Stellung vermieden werden muß, und eine Decarboxylierung nur nach vorangegangener Hydrolyse eintreten kann. Außerdem wird in Druckschrift (9) darauf hingewiesen, daß das Abwasser einer besonderen Behandlung zur Entfernung toxischer, die biologische Abwasserbehandlung störender Substanzen bedarf. Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdegegnerin ist jedoch bei der Verfahrensweise gemäß Streitpatent die anfallende Abwassermenge geringer, da Wasser nur zur auch gemäß Druckschrift (9) erforderlichen Entfernung des Umlagerungskatalysators benötigt wird. Der Fachmann hätte also auch bei der dem Verfahren gemäß Druckschrift (9) zugrundeliegenden Aufgabenstellung eine ähnliche Lösung wie die im Streitpatent verwirklichte in Betracht ziehen müssen, wenn sie sich ihm tatsächlich aufgrund seines Fachwissens angeboten hätte. Die Druckschrift (9) enthält aber keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Autoren, die nach Auffassung der Kammer eher über mehr als durchschnittliche Kenntnisse auf dem Gebiet der Synthese von Cyclohexandionderivaten verfügten, die Cyclisierung in einem alkylierten oder halogenierten aromatischen Kohlenwasserstoff und die nachfolgende Acylierung in Suspension in demselben Reaktionsmedium auch nur in ihre Überlegungen einbezogen hätten.
Der Vortrag der Beschwerdegegnerin beruht daher nach Überzeugung der Kammer auf rückschauender Betrachtungsweise und ist deshalb nicht geeignet, einen Mangel an erfinderischer Tätigkeit darzutun.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent 124 041 aufrechtzuerhalten auf der Grundlage des Anspruchs und der Beschreibungsseiten 2 und 3 (alle eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 26. Februar 1991) sowie der Beschreibung in der erteilten Fassung Seiten 4, 5 und 6.