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W 0008/04 25-06-2004
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Innensäge zur Osteotomie von Röhrenknochen
I. Die Anmelderin hat am 13. August 2002 die internationale Anmeldung PCT/EP02/09048 eingereicht.
II. Im internationalen Recherchenbericht vom 7. Januar 2003 äußerte die internationale Recherchenbehörde (ISA) die Ansicht, die internationale Anmeldung enthalte insgesamt 4 Gruppen von Erfindungen und sei somit uneinheitlich. Gleichzeitig wies die ISA in Feld II von Formblatt PCT/ISA/210 Blatt 2 darauf hin, daß die Recherche für alle Ansprüche ohne einen Arbeitsaufwand durchgeführt werden konnte, der eine zusätzliche Recherchengebühr gerechtfertigt hätte und daß somit der Anmelder nicht zur Zahlung zusätzlicher Gebühren aufgefordert wurde.
III. In ihrem ersten schriftlichen Bescheid vom 6. Juni 2003 (IPEA/408) legte das Europäische Patentamt als die mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde (IPEA) dar, daß im Hinblick auf die im Recherchenbericht genannten mit X und Y angeführten Druckschriften die Erfindung wie sie in mindestens einigen Ansprüchen gekennzeichnet ist, nicht neu sei und/oder nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Frage, ob die Erfindung das Erfordernis der Einheitlichkeit erfüllt, wurde nicht angesprochen.
IV. Mit Antwortschreiben vom 24. Juli 2003 reichte die Anmelderin geänderte Ansprüche 1 bis 22 und eine daran angepaßte Beschreibung ein. Sie vertrat die Ansicht, der Gegenstand dieser Ansprüche sei gegenüber dem genannten Stand der Technik neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
V. Am 20. Oktober 2003 erließ die IPEA eine Aufforderung zur Einschränkung der Ansprüche oder zur Zahlung von zwei (2) zusätzlichen Prüfungsgebühren gemäß Artikel 34 (3) a und Regel 68.2 PCT (IPEA/405). In einer Anlage zu dieser Aufforderung wurde der Anmelderin durch die IPEA mitgeteilt, der geänderte Anspruchssatz sei nicht einheitlich und umfasse insgesamt drei Erfindungen, die durch die folgenden Anspruchsgruppen bestimmt seien:
1) Ansprüche 1, 4 bis 22
2) Anspruch 2,
3) Anspruch 3
VI. Die Anmelderin legte mit ihrer Antwortschreiben, eingegangen am 14. November 2003, einen geänderten Anspruchssatz mit nur zwei unabhängigen Ansprüchen vor und zahlte nur eine (1) zusätzliche Prüfungsgebühr unter Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, der Gegenstand des Hauptanspruchs 1 und des nebengeordneten Anspruchs 2 beschrieben zwei Ausführungsformen (Ausführungs beispiele) der Erfindung, die beide dazu beitragen könnten, einen Röhrenknochen sauber und schonender zu durchtrennen ohne dabei die Knochenhaut zu verletzen. Auch werde der Anmeldungsgegenstand durch die Lehre der mit [X] klassifizierten Druckschrift
D1: US-A-5 591 170
weder vorbeschrieben noch nahegelegt. Sie beantragte deshalb die Rückzahlung der zusätzlichen Gebühr.
VII. Am 19. Januar 2004 teilte die IPEA der Anmelderin das Ergebnis der Überprüfung gemäß Regel 68.3e PCT (IPEA/437) mit, wonach die vorangegangene Aufforderung in vollem Umfang gerechtfertigt gewesen sei. Allerdings enthielten die zuletzt eingereichten Ansprüche noch zwei (2) Erfindungen, welche durch die Anspruchsgruppen
1. Ansprüche 1, 3 bis 22
"1. Innensäge zur Osteotomie von Röhrenknochen gemäß dem gemeinsamen Oberbegriff von Anspruch 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Grundkörper, insbesondere das Sägeblatt, radial oszillierend antreibbar ist und endseits an das Sägeblatt oder einends an ein Betätigungselement zumindest ein Aktuator anschließt" und
2. Ansprüche 2, 3 bis 22
"2. Innensäge zur Osteotomie von Röhrenknochen gemäß dem gemeinsamen Oberbegriff von Anspruch 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß eine Zustellbewegung des Sägeblattes in Abhängigkeit des Querschnittes und der radialen Lage des Sägeblattes zum Röhrenknochen ansteuerbar ist."
bestimmt würden. Gemeinsam seien beiden Anspruchsgruppen nur die Merkmale des Oberbegriffs, dessen Konzept jedoch gegenüber Druckschrift D1 nicht neu sei.
Der Hinweis der Anmelderin auf die in der Anmeldung genannte Aufgabe, welche durch die Gegenstände der Ansprüche 1 und 2 gleichermaßen gelöst würde, sei ohne Bedeutung. Da die anmeldungsgemäße Aufgabe nicht spezifisch für die Merkmale der beiden Erfindungen und damit zu allgemein sei, könne sie zur Beurteilung der Einheitlichkeit nicht herangezogen werden.
Die von beiden Anspruchsgruppen gelösten Aufgaben seien verschieden, denn Gruppe 1 richte sich auf die Beschränkung der Sägewirkung auf harte Gegenstände wie z. B. Knochen und die Ansteuerbarkeit des Sägeblattes, wohingegen Gruppe 2 die Aufgabe der Variation der Schnittiefe in Abhängigkeit von der Winkelstellung der Innensäge relativ zum Röhrenknochen löse. Da das den beiden Erfindungen gemeinsame Konzept nicht neu sei und beide Erfindungen unterschiedliche Aufgaben lösten, bestehe zwischen ihnen kein technischer Zusammenhang im Sinne von Regel 13.2 PCT, der in einem oder mehreren gleichen technischen Merkmalen zum Ausdruck käme. Da beide Erfindungen somit nicht untereinander in einer Weise verbunden seien, daß sie eine einzige erfinderische Idee verwirklichten, sei die erforderliche Einheitlichkeit der Erfindung gemäß Regel 13.1 PCT nicht gegeben.
In einem zweiten Prüfungsbescheid (IPEA/408), ebenfalls vom 19. Januar 2004, wurde der Anmelderin unter Punkt V erneut mitgeteilt, die Gegenstände der Ansprüche 1 und 2 seien nicht neu gegenüber der Lehre von Druckschrift D1, und auch die abhängigen Ansprüche enthielten keine gegenüber dem genannten Stand der Technik erfinderischen Merkmale.
VIII. Am 29. Januar 2004 zahlte die Anmelderin die Widerspruchsgebühr.
In einem weiteren Schreiben vom 18. Februar 2004 legte die Anmelderin eine ergänzende Begründung sowie erneut geänderte Ansprüche 1 bis 21 vor. Insbesondere erläuterte sie das Merkmal im unabhängigen Anspruch 2, wonach die Zustell- und Rückstellbewegung und radiale Bewegung des Sägeblattes "ansteuerbar" ist. Auf diese Weise würden zunächst die unregelmäßigen Querschnitts formen eines Röhrenknochens z. B. mit Hilfe eines Computer-Tomogramms ermittelt und auf der Grundlage dieser Daten die radiale Lage des Sägeblattes verändert (angesteuert), so daß sich das Sägeblatt innen an den nicht homogenen Querschnitt des Röhrenknochens während der oszillierenden Bewegung automatisch anpassen könne. Mit der in D1 genannten manuell bedienten Vorrichtung sei dies nicht möglich.
1. Nach Artikel 155 (3) EPÜ ist die Beschwerdekammer für eine Entscheidung über den vorliegenden Widerspruch zuständig.
2. Der Widerspruch ist zulässig.
3. Nach Regel 13.1 und 13.2 PCT ist das Erfordernis der Einheitlichkeit nur erfüllt, wenn zwischen den Erfindungen, die in einer internationalen Anmeldung beansprucht werden, ein technischer Zusammenhang besteht, der in einem oder mehreren gleichen oder entsprechenden besonderen technischen Merkmalen zum Ausdruck kommt. "Besondere technische Merkmale" sind dabei diejenigen technischen Merkmale, die einen Beitrag jeder beanspruchten Erfindung als Ganzes zum Stand der Technik bestimmen. Bei dieser Bewertung sind die Gegenstände der Ansprüche im Lichte der Beschreibung zu interpretieren, wie dies die Ausführungsverordnung S03/1998(e) Annex B, Part I (b), letzter Satz, festlegt.
4. Einheitlichkeit "a priori":
4.1 In ihrer Aufforderung zur Zahlung der Widerspruchsgebühr hat die IPEA unter Punkt 4 darauf hingewiesen, daß die Merkmale (das Konzept) des Oberbegriffs der beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 2 bereits aus Druckschrift D1 bekannt seien. Mit dieser Aussage hat die IPEA jedoch lediglich zusätzlich zu dem in der Beschreibung erwähnten Gebrauchsmuster DE-G-92 171 885.5 einen weiteren Stand der Technik benannt, aus dem sich der Oberbegriff der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 ableitet und der somit als Ausgangspunkt für die Anmelderin bei der Entwicklung ihrer Erfindung gedient haben könnte.
4.2 Unter Punkt 5.2 sieht es die IPEA als irrelevant für die Beurteilung der Frage der Einheitlichkeit an, ob die Gegenstände der Ansprüche 1 und 2 gegenüber der Lehre von Druckschrift D1 neu sind und wenn ja, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Sie sieht auch keine Veranlassung, eine solche Analyse vorzunehmen.
Diese Aussagen sind damit so zu bewerten, als hätte die IPEA ihre Beanstandung der mangelnden Einheitlichkeit ohne Bezugnahme auf einen bei der Recherche ermittelten Stand der Technik, d. h. also "a priori" erhoben. Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist für eine Einheitlichkeitsbeanstandung "a priori" stets die von der Anmelderin gewollte, subjektive Aufgabe heranzuziehen (siehe z. B. W 7/99, Ziffer 3 der Entscheidungsgründe). Im Gegensatz dazu sieht die IPEA entsprechend ihren Ausführungen unter Punkt 5.1 des Schreibens IPEA/437 jedoch keine Notwendigkeit der Betrachtung der in der Anmeldung dargelegten Aufgabe. Vielmehr hält sie diese Aufgabe für zu unspezifisch und allgemein.
Gemäß der Anmeldung Seite 2, Absätze 2 und 3 besteht die erfindungsgemäße Aufgabe darin, eine Innensäge bereit zustellen, die handlich, leicht einsetz- und regelbar ist, die das exakte Durchtrennen eines Röhrenknochens erlaubt ohne dabei die Knochenhaut und das umliegende Gewebe zu verletzten und mit welcher auch Einfluß auf unterschiedliche Knochenquerschnitte genommen werden kann. Absatz 4, Seite 2, der Beschreibung führt aus, daß diese Aufgabe durch die Merkmale des Anspruchs 1 und auch die Merkmale der "nebengeordneten Ansprüche" gelöst wird. Dabei wird es an mehreren Stellen der Anmeldung als wichtig herausgestellt, daß beim Sägevorgang der Grundkörper und damit auch das Sägeblatt eine oszillierende Bewegung ausführen, denn allein durch radiales Zustellen des Sägeblattes und gleichzeitiges Oszillieren bleibt die Knochenhaut nach dem Durchtrennen des Knochens unverletzt, was wiederum zur schnelleren Heilung beiträgt (siehe Beschreibung Seite 3, Zeilen 5 bis 18; Seite 4, letzter Absatz; Seite 11, Zeilen 10 bis 35). Der fachkundige Leser kann aus diesen Ausführungen nur schließen, daß das Oszillieren von Grundkörper und Sägeblatt ein für die Lösung der gestellten Aufgabe unverzichtbares technisches Merkmal bildet. In einer weiteren Ausführungsform der Erfindung soll es die Säge dem Operateur ermöglichen, auch in der Dicke ver schiedene und damit unterschiedliche Knochenquerschnitte ohne Verletzung der Knochenhaut exakt zu durchtrennen (Beschreibung Seite 3, letzte Zeile bis Seite 4, Zeile 22; Seite 10, Zeile 33 bis Seite 11, Zeile 8).
4.3 Unter der Heranziehung der Beschreibung und den darin beschriebenen Effekten, die den in den Ansprüchen genannten technischen Merkmalen zuzuordnen sind, kann somit nicht bestritten werden, daß die Gegenstände der beiden Ansprüche 1 und 2 auf die Lösung der gleichen Aufgabe gerichtet sind, selbst wenn Anspruch 2 unter dem Mangel leidet, möglicherweise nicht alle notwendigen technischen Merkmale zur Lösung dieser Aufgabe aufzu weisen und damit aus anderen Gründen zu beanstanden wäre. Ein solcher Mangel kann jedoch während der Sachprüfung leicht behoben werden. Dies scheint auch die ISA bei der Erstellung des internationalen Recherchenberichts so gesehen zu haben, denn sie hat die Anmelderin nicht zur Zahlung zusätzlicher Recherchegebühren aufgefordert. So hat die Anmelderin durch die Reduzierung der Anzahl der unabhängigen Ansprüche von ursprünglich vier auf nun zwei im Laufe des Prüfungs verfahrens ihre Bereitschaft erkennen lassen, den aufgezeigten Mangel durch die Vorlage geänderter Ansprüche auszu räumen. Bei dieser Sachlage scheint deshalb die Beanstandung der mangelnden Einheitlichkeit der Erfindung "a priori" nicht gerechtfertigt.
5. Einheitlichkeit "a posteriori":
5.1 Wie bereits unter Punkt 3 dargelegt sind nach Regel 13.2 PCT unter "besonderen technischen Merkmalen" diejenigen technischen Merkmale zu versehen, die einen Beitrag jeder beanspruchten Erfindung als Ganzes zum Stand der Technik bestimmen (technical features which make a contribution over the prior art). Eine Prüfung, ob dieser Tatbestand erfüllt ist, sollte daher zunächst feststellen, welche "besonderen technischen Merkmale" jeder Erfindung oder Gruppe von Erfindungen vorliegen und welchen Beitrag sie zum Stand der Technik leisten.
5.2 Sowohl aus dem ersten als auch dem zweiten Prüfungs bescheid (IPEA/408) geht hervor, daß keiner der Ansprüche gegenüber der Lehre von Druckschrift D1 als neu bzw. erfinderisch zu betrachten ist. Auch aus dem letzten Satz von Punkt 5.1 der Anlage zur Aufforderung zur Zahlung der Widerspruchsgebühr (IPEA/437) kann nur geschlossen werden, daß die IPEA die in Figur 11B (und Figur 10) von Druckschrift D1 gezeigte Innensäge mit "oszillation mode", bei der sich endseits an das Sägeblatt ein Aktuator zum Vor- und Zurückschieben des Sägeblattes anschließt, als neuheitsschädlich zumindest gegenüber den Merkmalen von Anspruch 1 ansieht. Auch die abhängigen Ansprüche enthalten nach Ansicht der IPEA keine Merkmale, die in Kombination mit denjenigen eines der Ansprüche 1 oder 2 das Erfordernis der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit erfüllen. Unter diesen Umständen kann in den unabhängigen Ansprüchen 1 und 2 und auch den abhängigen Ansprüchen kein nach Regel 13.2 PCT erforderliches "besonderes technisches Merkmal" vorhanden sein.
5.3 Wenn also, wie im vorliegenden Fall, die Neuheit aller Ansprüche durch die Lehre einer einzigen Druckschrift in Frage gestellt wird, kann es von der Kammer als weder sinnvoll noch gerechtfertigt angesehen werden, die Einheitlichkeit der Erfindung zu beanstanden. Vielmehr stellt sich die Frage der Einheitlichkeit erst dann, wenn Ansprüche mit technischen Merkmalen vorliegen, die sich von diesem Stand der Technik in eindeutiger Weise unterscheiden und einen Beitrag zum Stand der Technik leisten (siehe dazu W 0011/99, Punkt 4 der Entscheidungsgründe).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Rückzahlung der zusätzlich entrichteten Prüfungsgebühr und der Widerspruchsgebühr wird angeordnet.