J 0002/97 30-03-2001
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Verfahren und Vorrichtung zum Pellet-Gefrieren von schütt- und fließfähigen Stoffen
I. Mit Einreichung der die deutsche Prioritätsanmeldung P 4 329 110.4 vom 30. August 1993 in Anspruch nehmenden europäischen Patentanmeldung 94 202 106.4 am 19. Juli 1994 wurde gleichzeitig Prüfungsantrag gestellt, die Prüfungsgebühr jedoch noch nicht entrichtet.
II. Am 5. April 1994 wurde im Patentblatt auf die Veröffentlichung des europäischen Recherchenberichts hingewiesen; die Veröffentlichung der Anmeldung war am 8. März 1995 ohne Recherchenbericht erfolgt.
Mit Mitteilung vom 11. April 1995 wurde die Anmelderin - im folgenden Beschwerdeführerin - über die Veröffentlichung des Recherchenberichts informiert und auf Artikel 94 (2)und (3) EPÜ zur Zahlung der Prüfungsgebühr hingewiesen.
III. Die Prüfungsantragsgebühr wurde am 5. Oktober 1995 um 16,39 Uhr vom in der Anmeldung als Erfinder benannten, in Duisburg ansässigen Günther Wagermanns von einer Postbankstelle in Krefeld telegraphisch auf das Münchner Konto des Europäischen Patentamts bei der gleichen Bank überwiesen. Der Betrag wurde dem Amt am 6. Oktober 1995 gutgeschrieben.
IV. Mit Mitteilung vom 23. November 1995 wurde die Beschwerdeführerin auf die um einen Tag verspätete Zahlung der Prüfungsantragsgebühr hingewiesen und auf die Möglichkeit, den Mangel innerhalb einer Frist von einem Monat zu beheben, aufmerksam gemacht.
V. Am 29. Januar 1996 machte der Erfinder geltend, daß er durch seine Einzahlung am letzten Tag der Frist diese gewahrt habe und verlangte eine Berichtigung der die verspätete Zahlung feststellenden Mitteilung.
Gleichzeitig gab er an, daß er die Anmeldung übernommen habe und eine Übertragungsurkunde in Kürze ausgestellt werde.
VI. Mit Mitteilung vom 8. Februar 1996 wies das Amt die Beschwerdeführerin gemäß Regel 69 (1) EPÜ darauf hin, daß die Anmeldung mangels wirksamer Stellung eines Prüfungsantrags als zurückgenommen gelte, da die Prüfungsgebühr nicht fristgerecht entrichtet worden sei.
VII. Auf den Antrag der Beschwerdeführerin vom 1. April 1996 gemäß Regel 69 (2) EPÜ, eine beschwerdefähige Entscheidung zu erlassen, stellte die Eingangsstelle mit Entscheidung vom 12. August 1996 fest, daß die Anmeldung als zurückgenommen gelte.
VIII. Hiergegen richtet sich die am 11. Oktober 1996 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr eingegangene Beschwerde der Beschwerdeführerin. Sie wurde am 19. Dezember 1996 begründet.
Die Beschwerdeführerin macht folgendes geltend:
Der Erfinder, der zum Zeitpunkt der Einzahlung die Anmeldung habe übernehmen wollen, sei, obwohl er über den zugelassenen Vertreter den Hinweis des Amtes auf Artikel 8 (3,4) GebO und Regel 85b EPÜ erhalten habe, im guten Glauben gewesen, daß die Prüfungsgebühr durch seine am 5. Oktober 1995 veranlaßte Zahlung ordnungsgemäß und fristgerecht entrichtet worden sei. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß der Erfinder mit den Erfordernissen des EPÜ im Einzelnen nicht vertraut gewesen sei, so daß an die zu wahrende Sorgfalt nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden könnten wie bei einem zugelassenen Vertreter oder der Patentabteilung eines Großunternehmens.
Vom Erfinder seien durch die telegraphische Anweisung bei dem gleichen Geldinstitut alle diesem zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft worden, um die Prüfungsgebühr noch am selben Tag auf dem Konto des EPA eingehen zu lassen.
Während größere Unternehmen, die bei der Europäischen Patentorganisation ein laufendes Konto unterhielten, den letzten Fristtag voll, nämlich bis 24.00 Uhr nützen könnten, sei eine Einzelperson, die aus Kostengründen kein laufendes Konto unterhalten könne, hierzu nicht in der Lage. Dies bedeute eine unzumutbare Schlechterstellung gegenüber größeren Unternehmen. Zur Vermeidung der Schlechterstellung des Erfinders als Einzelperson müsse hier die Frist als gewahrt angesehen werden, da die Zahlung noch innerhalb der Frist veranlaßt worden sei.
Im übrigen habe hier die Möglichkeit bestanden, entsprechend dem Hinweis des Amtes, gemäß Artikel 8. (3) (b) GebO eine Zuschlagsgebühr von 10 % der Prüfungsgebühr zu entrichten.
Ein geringfügiger Fehlbetrag der zu entrichtenden Gebühr könne nach Artikel 9 (1) Satz 4 EPÜ, wenn dies der Billigkeit entspreche, ohne Rechtsnachteil für den Einzahler unberücksichtigt bleiben. Zweifelsohne sei ein Betrag von 10 % einer Gebühr als geringfügiger Fehlbetrag anzusehen. Hierzu werde auf die Entscheidungen T 130/82 (ABl. EPA 1984, 172); J 11/85 (ABl. EPA 1986, 1); T 109/86; T 290/90 (ABl. EPA 1992, 368); J 27/92 (ABl. EPA 1995, 288) verwiesen.
IX. Die Beschwerdeführerin beantragt,
a) die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Einzahlung der Prüfungsgebühr als fristgemäß anzuerkennen;
b) die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Ihren Antrag auf mündliche Verhandlung hat sie nach einem die Ladung begleitenden Bescheid der Kammer zurückgenommen.
1. Gemäß Artikel 94 (2) Satz 1 EPÜ kann der Prüfungsantrag vom Anmelder bis zum Ablauf von 6 Monaten nach dem Tag gestellt werden, an dem im Europäischen Patentblatt auf die Veröffentlichung des Europäischen Recherchenberichts hingewiesen worden ist. Dieser Hinweis erfolgte am 5. April 1994, so daß die Sechsmonatsfrist gemäß Regel 83 (1), (2), (3) EPÜ am 5. Oktober 1994 ablief.
2. Zu diesem Zeitpunkt lag ein Prüfungsantrag der Beschwerdeführerin vor. Gemäß Artikel 94 (2) Satz 2 EPÜ gilt der Prüfungsantrag allerdings erst dann als gestellt, wenn die Prüfungsgebühr entrichtet worden ist. Diese war aber vom Erfinder einen Tag zu spät entrichtet worden, so daß der Prüfungsantrag mit Ablauf der Sechsmonatsfrist als nicht gestellt galt. Der Umstand, daß die Prüfungsgebühr nicht von der Beschwerdeführerin entrichtet wurde, ist, worauf bereits die erste Instanz zutreffend hingewiesen hat, unbeachtlich, da gemäß Rechtsauskunft 6/91 rev. (ABl. EPA 1991, 573) Gebühren an das EPA von jedermann wirksam entrichtet werden können.
3. Gemäß Regel 85 b) EPÜ kann der Prüfungsantrag, wenn er nicht innerhalb der in Artikel 94 (2) EPÜ vorgesehenen Sechsmonatsfrist gestellt wird, noch innerhalb einer Nachfrist von einem Monat nach Zustellung einer Mitteilung, in der auf die Fristversäumung hingewiesen wird, wirksam gestellt werden, sofern innerhalb dieser Frist eine Zuschlagsgebühr entrichtet wird. Die Zuschlagsgebühr beträgt gemäß Artikel 8 (3) b) GebO 10 % der zu entrichtenden Gebühr, also im vorliegenden Fall der Prüfungsgebühr.
Die in Regel 85 b) EPÜ vorgeschriebene Mitteilung hat die Eingangsstelle der Beschwerdeführerin am 23. November 1995 übermittelt, so daß die Frist gemäß Regel 78 (3) EPÜ in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung und Regel 83 (1), (2), (3) EPÜ am 3. Januar 1996 ablief.
Die Zuschlagsgebühr wurde weder von der Anmelderin noch vom Erfinder entrichtet.
4. Vielmehr verlangte der Erfinder mit Schreiben vom 19. Januar 1996 unter Vorlage eines Nachweises über die erfolgte Zahlung der Prüfungsgebühr die Rücknahme der in der Mitteilung der Eingangsstelle vom 23. November 1995 getroffenen Feststellung des verspäteten Eingangs der Prüfungsgebühr. Abgesehen davon, daß das Begehren auf einem Irrtum beruhte, war der Erfinder nicht Verfahrensbeteiligter, denn ein Rechtsübergang war dem Amt nur in Aussicht gestellt. Da gemäß Regel 20 (3) EPÜ (in der bis zum 31. Mai 1995 geltenden Fassung) ein Rechtsübergang erst wirksam wird, wenn er dem Amt gegenüber durch entsprechende Unterlagen nachgewiesen wird, was nicht der Fall war, konnte der Erfinder keine wirksamen Anträge stelle, dies steht nur den Verfahrensbeteiligten zu.
5. Nachdem weder innerhalb der sechsmonatigen Prüfungsantragsfrist noch innerhalb der einmonatigen Nachfrist mangels rechtzeitiger Zahlung der Prüfungsgebühr sowie der Zuschlagsgebühr ein wirksamer Prüfungsantrag gestellt wurde, gilt die Anmeldung gemäß Artikel 94 (3) EPÜ als zurückgenommen, wie dies bereits zutreffend von der Eingangsstelle festgestellt worden ist.
6. Auch die von der Anmelderin mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Argumente können nicht zu einem anderen Ergebnis führen.
6.1. Im vorliegenden Fall wurde die Zahlung der Prüfungsgebühr am späten Nachmittag des letzten Fristtages veranlaßt, wie bereits im Bescheid dargelegt, dürfte jedem, der auf diese Weise eine Frist einzuhalten versucht, bewußt sein, daß eine derartige Vorgehensweise risikobehaftet ist und deshalb damit gerechnet werden muß, daß trotz telegraphischer Überweisung innerhalb desselben Geldinstituts der überwiesene Betrag erst am folgenden Tag auf dem Konto des Empfängers eintrifft. Hierbei kommt es nicht auf Kenntnisse über die Erfordernisse des EPÜ an, sondern es geht nur um den Versuch einer Fristeinhaltung am letzten Tag, ein alltäglicher Vorgang, wie er bei vielen anderen Gelegenheiten vorkommt, bei denen Fristen einzuhalten sind. Deshalb kann der Umstand, daß der Einzahler hier der Erfinder war, schon aus diesem Grund nicht zu einem Anlegen anderer Maßstäbe führen, ganz abgesehen davon, daß dem Erfinder der zugelassene Vertreter der Anmelderin zur Seite stand.
6.2. Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, daß der Erfinder, nachdem er über den zugelassenen Vertreter der Anmelderin von dem Eingang der Prüfungsgebühr nach Fristablauf durch die Eingangsstelle in Kenntnis gesetzt und ihm die Möglichkeiten zur Behebung des Mangels aufgezeigt wurden, nicht zumindest die Sachlage seinerseits überprüfte.
6.3. Es ist der Anmelderin zuzugestehen, daß der Erfinder alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft hat, um den Eingang der Prüfungsgebühr auf dem Konto des EPA am gleichen Tag zu bewirken. Er hat diese Mittel jedoch erst gegen Ende des letzten Fristtages eingesetzt und damit riskiert, daß selbst bei Einsatz dieser Mittel das Ziel nicht erreicht werden würde.
6.4. Es trifft ferner zu, daß derjenige, der beim EPA ein Abbuchungskonto unterhält, die Zahlungsfrist bis zum Ende des letzten Fristtages, also bis kurz vor Mitternacht voll ausnutzen kann. Das Amt stellt aufgrund von Artikel 5 (2) GebO die Möglichkeit, ein laufendes Konto bei ihm zu unterhalten, jedem, der sie ergreifen möchte, zur Verfügung (siehe Vorschriften über das laufende Konto-VLK - ABl. EPA 1982, 15; nunmehr Beilage zum Amtsblatt Nr. 2, 1999). Ob jemand diese Möglichkeit nutzen möchte, hängt von seiner persönlichen Entscheidung ab, die natürlich in der Regel eine Kosten-Nutzen-Analyse einbezieht.
Der von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang im Hinblick auf den Erfinder erhobene Vorwurf der unzumutbaren Schlechterstellung erscheint verfehlt, da das Amt ja gerade allgemein den interessierten Personen diese Möglichkeit eröffnet hat. Wenn sie jemand nicht nutzt, weil der Unterhalt des Kontos zu teuer ist, dann muß er entsprechende Nachteile bei fristgerecht zu erfolgenden Zahlungen in Kauf nehmen. Dies ist jedoch nicht Sache des Amtes, sondern die persönliche Entscheidung eines Jeden.
6.5. Gemäß Artikel 8 (3) a) ii) GebO gilt bei nach Ablauf einer Frist eingegangener Gebührenzahlung diese Frist dennoch als gewahrt, wenn der Einzahler innerhalb der Frist, in der die Zahlung hätte erfolgen müssen, in einem Vertragsstaat einen Auftrag zur Überweisung des zu entrichtenden Betrags einem Bankinstitut oder Postscheckamt formgerecht erteilt hat und gemäß Buchstabe b) dieser Vorschrift eine Zuschlagsgebühr in Höhe von 10 % der betreffenden Gebühr entrichtet hat.
Während im vorliegenden Fall das Erfordernis gemäß Buchstabe a) ii) erfüllt ist, ist dies bei dem Erfordernis gemäß Buchstabe b), wie bereits dargelegt, nicht geschehen; es wurde überhaupt keine Zuschlagsgebühr entrichtet, auch nicht in Form eines Teilbetrags.
6.6. Nun bestimmt Artikel 9 (1) Satz 1 GebO, daß eine Zahlungsfrist grundsätzlich nur dann als eingehalten gilt, wenn der volle Gebührenbetrag rechtzeitig gezahlt worden ist. Nach Satz 4 dieses Absatzes können allerdings, soweit dies der Billigkeit entspricht, geringfügige Fehlbeträge der zu entrichtenden Gebühr ohne Rechtsnachteil für den Einzahler unberücksichtigt bleiben. Diese Bestimmung kann aber nur zum Tragen kommen, wenn tatsächlich der Hauptteil der einschlägigen Gebühr fristgerecht entrichtet worden ist. Im vorliegenden Fall wäre die einschlägige Gebühr die 10 % Zuschlagsgebühr, nicht die Prüfungsgebühr, d. h. es hätte zumindest ein Teilbetrag dieser Zuschlagsgebühr innerhalb der Frist entrichtet sein müssen, um überhaupt die Bestimmung des Artikels 9 (1) Satz 4 GebO in Erwägung zu ziehen.
Da hier überhaupt keine Zuschlagsgebühr entrichtet worden ist, kann auch kein geringfügiger Fehlbetrag entstehen. Diese Bestimmung kann somit im vorliegenden Fall keine Anwendung finden.
Nichts anderes ergibt sich aus den von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen; bei den diesen zugrunde liegenden Fällen war stets ein Teilbetrag der zu entrichtenden Gebühren fristgerecht gezahlt worden.
7. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird gemäß Regel 67 EPÜ angeordnet, wenn der Beschwerde stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.
Im vorliegenden Fall scheitert die Rückzahlung bereits an dem ersten Erfordernis, da der Beschwerde der Erfolg versagt bleibt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.