T 0198/02 03-02-2004
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Vorrichtung zum Behandeln eines Schüttgutbetts mit einem Gas, insbesondere Brenngutkühler
Zulässigkeit des Einspruchs - (bejaht)
Neuheit - (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit - (bejaht)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 7. Dezember 2001, zur Post gegeben am 20. Dezember 2001, das europäische Patent Nr. 0 616 184 zu widerrufen. Dieses Patent betrifft eine Vorrichtung zum Behandeln eines Schüttgutbetts mit einem Gas, insbesondere Brenngutkühler, und umfaßt siebzehn Ansprüche, von denen der unabhängige Anspruch 1 den folgenden Wortlaut hat:
"1. Vorrichtung zum Behandeln eines Schüttgutbetts mit einem Gas, insbesondere Brenngutkühler, die einen Schubrost (1) mit mindestens einem in Förderrichtung hin- und herbewegten Rostelement (3) umfasst, dem das Gas von einer stationären Quelle (15) über eine Rohrleitung (6,7,8,13,17,18) zuführbar ist, die innerhalb eines im wesentlichen geschlossenen, überdruckbeaufschlagten Rostunterraums (20) einen Kompensator (16) zur Aufnahme der Relativbewegung zwischen der stationären Quelle und dem Rostelement umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass der Kompensator (16) von teleskopisch ineinander verschiebbaren Teilen (17,18) gebildet ist, deren Leckrate auf den Gasbedarf zur Aufrechterhaltung des Überdrucks in dem Rostunterraum abgestimmt ist."
II. Der Einspruch war auf den Grund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den folgenden Stand der Technik gestützt:
D1: EP-A-0 553 878
D2: R.Schneider, "Pyrostep - die 3. Rostkühler- Generation", Vortrag gehalten am 14. Oktober 1992 auf der 4. Internationalen Rollenpressen-Tagung und 2. Internationalen Kurzofen-Tagung bei KHD Humboldt Wedag AG, 14.10. bis 16.10. 1992, & KHD Symposium '92, Band 2, Seiten 61 bis 69
D3: GB-A-961 719
Die Patentinhaberin hatte unter anderem geltend gemacht, daß der Einspruch unzulässig sei, da er keine ausreichende Angabe von Tatsachen und Beweismitteln zu D2 enthalten habe.
Die Einspruchsabteilung war zu der Auffassung gelangt, daß der Einspruch zulässig und auch erfolgreich war, da der Gegenstand des Anspruchs 1 aus der D1 bekannt und ferner im Hinblick auf die D2 naheliegend sei, insbesondere weil das die Leckrate angebende Merkmal im Anspruch 1 keinen quantifizierbaren Unterschied gegenüber einem durch Verschleiß undichten Kompensator bezeichne.
III. Die Patentinhaberin (im folgenden: Beschwerdeführerin) hat die Beschwerde am 18. Februar 2002 eingelegt und die Beschwerdegebühr am gleichen Tag bezahlt. In der am 28. März 2002 eingegangenen Beschwerdebegründung hat sie zum Stand der Technik ferner noch auf die folgenden Druckschriften verwiesen:
D4: US-A-4 563 959
D5: US-A-2 055 940
In einer Mitteilung gemäß Artikel 11 (1) VOBK hat die Kammer den Parteien ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage zur Kenntnis gebracht.
Eine mündliche Verhandlung fand am 3. Februar 2004 statt.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, hilfsweise mit der Maßgabe, daß im Kennzeichen des Anspruchs 1 zwischen "Kompensator (16)" und "von" die Worte "prinzipiell undicht ist und" eingefügt werden.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Zur Stützung ihrer Anträge haben die Parteien im wesentlichen folgendes vorgebracht:
Beschwerdeführerin:
Der Einspruch habe sich zum Anspruch 1 im wesentlichen auf einen Vortrag im Jahre 1992 gestützt (D2). Der Inhalt dieses Vortrags sei aber nicht belegt und es fehle auch ein Nachweis dafür, daß dieser Inhalt mit dem der undatierten Publikation im KHD-Symposium '92 identisch sei. Damit fehle dem Einspruch die ausreichende Angabe von Tatsachen und Beweismitteln, sodaß er als unzulässig angesehen werden müsse.
Das Streitpatent beruhe auf der Erkenntnis der einander ergänzenden Funktionen des überdruckbeaufschlagten Rostunterraums und des undichten Kompensators, wodurch aufgrund der Unterbringung im überdruckbeaufschlagten Rostunterraum der Kompensator undicht ausgeführt werden könne, was Einsparungen sowohl beim Herstellungsaufwand als auch beim Betriebsaufwand ermögliche.
Die D1 sei nach dem Prioritätstag des Patents veröffentlicht und komme daher nur für die Neuheit in Betracht. Allerdings sei mangelnde Neuheit im Einspruchsschriftsatz nicht geltend gemacht worden und daher gemäß den Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 1/95 und G 7/95 nicht zu berücksichtigen.
Der D1 sei auch nicht entnehmbar, daß der Rostunterraum einschließlich des Kastens für den Kompensator geschlossen sei und unter Überdruck stehe. So könne der in Zeile 15 von Seite 3 genannte "Druck" jeden Wert, also auch Unterdruck oder atmosphärischen Druck, bezeichnen. Bei der Reihenbelüftung der beweglichen Rostelemente bestehe, im Gegensatz zur Kammerbelüftung, auch kein Bedarf an einem geschlossenen, überdruckbeaufschlagten Rostunterraum. Schließlich sei auch die zuverlässige und betriebssichere Abdichtung des Kompensators mehrfach erwähnt, was der Annahme einer Undichtigkeit im Betrieb unmittelbar widerspreche. Ein Verschleiß der Dichtung als Ursache für eine Undichtigkeit solle hier gerade durch die staubgeschützte Anordnung des Kompensators in einem Kasten verhindert werden.
Bei der D2 sei der Inhalt des Vortrags nicht bekannt. Erfahrungsgemäß könne angenommen werden, daß der Artikel im KHD-Symposium '92, der wegen nicht nachgewiesenen Veröffentlichungsdatums nicht zum Stand der Technik zähle, eine überarbeitete Version darstelle und nicht in jedem Detail mit dem Vortrag übereinstimme. Selbst wenn man jedoch annähme, daß der Vortrag dem Inhalt diese Artikels entspreche, so fehlten ebenfalls Angaben zur Geschlossenheit des Rostunterraums und dessen Druckbeaufschlagung. Der Hinweis auf "Sperrluft- Ventilatoren" auf Seite 68 oben könne sich auch auf andere, kammerbelüftete Bereiche beziehen. Aus der Beschreibung des Kompensators als "spezielle Schiebedichtung" könne auch weder eine Teleskop- Ausbildung noch eine gewollte Undichtigkeit abgeleitet werden. Eine derartige undichte Teleskopdichtung sei auch den übrigen Druckschriften nicht entnehmbar.
Beschwerdegegnerin:
Im Einspruchsschriftsatz wurde im Zusammenhang mit dem Einspruchsgrund, daß der Gegenstand des Patents nach den Artikeln 52 bis 57 nicht patentfähig sei, auf die Druckschrift D1 und den Stand der Technik nach D2 Bezug genommen. Damit sei zwangsläufig die Neuheit Gegenstand eines zulässigen Einspruchsverfahrens.
Aus den Figuren 2 und 4 der D1 sei eindeutig ersichtlich, daß der Rostunterraum geschlossen sein solle. Anders könne auch der Hinweis auf den "Druck der Luftkammer" in Zeile 15 der Seite 3 nicht verstanden werden, da dem Fachmann als Mann der Praxis klar sei, daß im Rostunterraum auch bei direkt belüfteten Rostelementen ein Überdruck zur Erzeugung von Sperrluft gewünscht sei, um eine Rückströmung der Kühlluft und einen Staubdurchfall durch den Rost zu verhindern. Davon sei offensichtlich auch die Beschwerdeführerin ausgegangen, da sich das Merkmal des geschlossenen, überdruckbeaufschlagten Rostunterraums im Oberbegriff des Anspruchs 1 befinde. Unter Berücksichtigung der auftretenden Betriebsbedingungen entnehme der Fachmann ebenfalls, daß die zuverlässige und betriebsichere Abdichtung des Teleskop-Kompensators eine begrenzte Undichtigkeit und nicht eine völlige Dichtheit ausdrücken solle. Dies ergebe sich nämlich implizit aus dem erforderlichen Spiel für die Dichtung wegen der ungenauen Führung des Schwingrahmens im Betrieb sowie aus dem unvermeidlichen Verschleiß der Dichtung unter den ungünstigen Temperatur- und Staubbedingungen im Betrieb. Die damit notwendigerweise vorhandene Leckrate trage automatisch zur Aufrechterhaltung des Kühlluft- Überdrucks im Rostunterraum bei.
Bei der D2 bestünden keine triftigen Gründe dafür, an einer Übereinstimmung des Vortrags mit dem Artikel im KHD-Symposium '92 zu zweifeln. Auch bei dem dort beschriebenen Pyrostep-Rostkühler sei der Rostunterraum geschlossen und überdruckbeaufschlagt, da sonst der Hinweis auf die zusätzlichen Sperrluft-Ventilatoren gemäß Seite 68 oben sinnlos sei. Die auf Seite 67 erwähnten Schiebedichtungen seien zwar nicht näher beschrieben und auch der Figur 5 nicht entnehmbar, der Fachmann würde hier aber die gängige Teleskop-Bauweise, wie sie beispielsweise aus der D3 oder der D5 bekannt sei, als geeignet in Betracht ziehen.
1. Die Beschwerde entspricht den Bestimmungen der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist damit zulässig.
2. Zulässigkeit des Einspruchs
Nach Regel 56 (1) EPÜ ist ein Einspruch nur dann zulässig, wenn er die Erfordernisse der Regel 55 c) erfüllt und die zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel angibt. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, daß dieses Erfordernis nicht erfüllt sei, da sich der Einspruch im wesentlichen auf einen Vortrag gestützt habe, dessen Inhalt nicht nachgewiesen worden sei.
Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Im Einspruchsschriftsatz wurde zunächst die Druckschrift D1 als nur hinsichtlich der Neuheit relevanter Stand der Technik behandelt und hierzu zweifellos ausreichend Stellung genommen. Die folgenden Ausführungen zum Stand der Technik nach D2 betrafen offensichtlich sowohl die Art und Dichtigkeit des in D1 vorhandenen Kompensators als auch unabhängig davon einen angeblich im Rahmen eines Vortrags mündlich offenbarten Schüttgutkühler. Zu diesem Vortrag wurde angegeben, daß er "von Herrn Richard Schneider der KHD Humboldt Wedag AG am Mittwoch 14. Oktober 1992 in Köln im Gebäude der Hauptverwaltung der Klöckner-Humboldt-Deutz AG, Deutz- Mülheimer-Strasse 111, vor einem großen Fachpublikum gehalten worden ist", wobei das Vortragsmanuskript von Herrn R. Schneider durch das Dokument D2 belegt werde (Seite 3, dritter vollständiger Absatz der Einspruchsschrift). Ferner wurde zum Beweis der Richtigkeit "der über den Vortrag des Herrn Richard Schneider vorgebrachten und durch Dokument D2 belegten Tatsachenbehauptungen" die Vernehmung des Zeugen Richard Schneider angeboten (Seite 5 der Einspruchsschrift). Damit waren auch zu der behaupteten mündlichen Offenbarung die zur Nachprüfung erforderlichen Angaben zur Zeit, zum Inhalt und zu den Umständen vorhanden.
Der Einspruch ist somit zulässig.
3. Einspruchsgründe
Die Beschwerdeführerin führt aus, daß im Einspruchsschriftsatz der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit nicht geltend gemacht worden sei und daher als neuer Einspruchsgrund gemäß den Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 1/95 und G 7/95 nicht zu berücksichtigen sei.
Diesem Einwand ist schon deshalb nicht zu folgen, weil die mangelnde Neuheit durchaus bereits Gegenstand des Einspruchsschriftsatzes war. Zwar ist aus dem pauschalen Verweis auf die Artikel 52 bis 57 EPÜ auf der Seite 1 der Einspruchsschrift noch nicht klar ersichtlich, welcher der von diesen Artikeln umfaßten Einspruchsgründe tatsächlich herangezogen werden soll. Dies wird allerdings bei der weiteren Begründung klar, in der auf die Druckschrift D1 Bezug genommen wird, die als "Dokument nach Artikel 54 (3) EPÜ" (Seite 3, dritter Absatz) nur für die Neuheit in Betracht kommt, und in der die Neuheit ferner ausdrücklich angesprochen wird (Seite 5, Zeilen 1 bis 4).
Unabhängig hiervon ist aber auch zu berücksichtigen, daß die Frage der Neuheit von der Erstinstanz abgehandelt wurde, wozu sie auch dann befugt gewesen wäre, wenn mangelnde Neuheit im Einspruch nicht geltend gemacht worden wäre. Die Einschränkungen hinsichtlich der Berücksichtigung neuer Einspruchsgründe betreffen nämlich nur das Beschwerdeverfahren (siehe Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 09/91, Punkt 16 und 17 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 1993, 408,418,419). Wenn die Erstinstanz von dieser Befugnis Gebrauch gemacht hat, dann handelt es sich im Beschwerdeverfahren nicht um einen neuen Einspruchsgrund (siehe Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/95, Punkt 5.3 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 1996, 615,623), zu dessen Berücksichtigung das Einverständnis der Beschwerdeführerin erforderlich wäre.
Damit ist die Frage der Neuheit unabhängig von möglichen Verknüpfungen mit der erfinderischen Tätigkeit, wie sie im Punkt 7.2 der Entscheidung G 1/95 für den Fall angesprochen sind, daß die Neuheit keinen gültigen Einspruchsgrund darstellt, zu prüfen.
4. Neuheit
4.1. Zu der zum Einspruchsgrund mangelnder Neuheit herangezogenen Druckschrift D1 ist im Absatz 0006 des Streitpatents ausgeführt, daß sie "einen Schubrostkühler mit allen Merkmalen der Erfindung mit Ausnahme des Merkmals, daß das erfindungsgemäß vorgesehene Leck zwischen den teleskopisch ineinander verschiebbaren Teilen des Kompensators dort durch eine Dichtung vermieden ist", offenbart. Die Einspruchsabteilung hat diesen Unterschied nicht anerkannt, da auch bei der D1 zumindest nach einer gewissen Betriebszeit und bei entsprechender Abnützung eine Undichtigkeit der dort vorgesehenen Ringdichtung auftrete. Die Beschwerdeführerin sieht dagegen noch einen weiteren Unterschied darin, daß bei der D1 der Rostunterraum weder geschlossen noch überdruckbeaufschlagt sei.
4.2. Die D1 offenbart zwei Ausführungsbeispiele eines Schubrostkühlers, die sich im wesentlichen dadurch unterscheiden, daß bei der ersten Ausführungsform nach den Figuren 1 bis 3 der aus den teleskopisch ineinander greifenden Rohrstutzen 19,22 bestehende Kompensator in einem Kasten 23 angeordnet ist, der an einer Kühlerseitenwand oder gemäß Seite 3, Zeile 16, auch innerhalb des Kühlergehäuses der beweglichen Rostplatten angeordnet ist, und bei der zweiten Ausführungsform nach den Figuren 4 bis 6 der Kompensator 24,25 in einem Bereich unterhalb eines separat belüfteten feststehenden Rostes liegt. Während dieser Bereich in Figur 4 geschlossen dargestellt ist, kann beim ersten Ausführungsbeispiel den Figuren hierzu nichts entnommen werden. Allerdings ist in Zeile 15 der Seite 3 des Streitpatents davon die Rede, daß in dem Kasten 23 "der Druck der Luftkammer des Kühlergehäuses herrscht". Bei dem Kühlergehäuse, das dem Rostunterraum des Streitpatents entspricht, handelt es sich also offensichtlich um eine "Kammer", die unter einem bestimmten Druck steht. Aus dem Umstand, daß zu diesem Druck keine weiteren Angaben gemacht werden, folgert die Beschwerdeführerin, daß damit jeder Wert, auch ein Unterdruck, gemeint sein könne. Dieses Argument läßt aber außer Acht, daß sich die Patentschrift an einen Fachmann wendet, dem aufgrund seiner Fachkenntnisse bekannt ist, daß auch bei reihenbelüfteten oder direktbelüfteten Rosten ein Überdruck unterhalb der Roste vorteilhaft ist, um eine Rückströmung von Kühlluft und damit auch ein Eindringen von Staub durch die Zwischenräume zwischen den Rostplatten in den Rostunterraum zu verhindern. Der Fachmann wird also den "Druck der Luftkammer des Kühlergehäuses" auch ohne weitere Angaben so verstehen, daß damit ein über dem Druck auf der Schüttgutseite des Rosts liegender Luftdruck gemeint ist. Daß damit der Rostunterraum im wesentlichen geschlossen sein muß, liegt auf der Hand und wird auch durch den Begriff "Luftkammer" angedeutet.
4.3. Zur Abdichtung des Kompensators ist bei der D1 zwischen den Rohrstutzen (19,22 bzw. 24,25) eine Ringdichtung (21) vorgesehen. In der angefochtenen Entscheidung wurde hierzu festgestellt, daß aufgrund der Temperatur- und Staubbelastungen der Dichtung im Betrieb zwangsläufig eine Undichtigkeit oder Leckage der Dichtung auftreten wird, sodaß eine nicht unwesentliche Leckrate vorliegen wird, die zur Aufrechterhaltung des Überdrucks beiträgt und damit auch auf den Gasbedarf zu dieser Aufrechterhaltung abgestimmt ist. Die Beschwerdegegnerin argumentiert ferner, daß neben dem Verschleiß auch das zwischen beiden Rohrstutzen notwendige Spiel eine Leckrate bedinge, die damit implizit vorhanden sei.
4.4. Die Kammer kann sich diesen Argumenten nur insofern anschließen, als aufgrund der breiten Definition der Abstimmung der Leckrate auf den Gasbedarf gemäß Absatz 0023 des Streitpatents jede nicht unwesentliche Leckrate des Kompensators und damit jeder nennenswerte Beitrag zur Aufrechterhaltung des Überdrucks im Rostunterraum vom Anspruch 1 des Streitpatents umfaßt ist.
Allerdings weist die D1 wiederholt darauf hin, daß die Abdichtung des Kompensators "zuverlässig und betriebssicher" sein soll (Seite 2, Zeilen 33 bis 35, und Seite 3, Zeilen 12,13). Diese Aussage kann nur so verstanden werden, daß auch nach längerem Betrieb noch eine zuverlässige Abdichtung vorliegen und eine Leckage damit dauerhaft ausgeschlossen sein soll. Die Annahme einer nicht unerheblichen Leckage im Betrieb stünde damit in klarem Widerspruch zur Offenbarung der D1. Sie ist auch nicht notwendig oder implizit, da dem Fachmann neben dem Austausch der Dichtung bei Auftreten von Verschleiß auch technische Mittel zur Verfügung stehen, einen solchen Verschleiß zu verhindern. So sind entsprechende temperaturfeste Dichtungsmaterialien bekannt, und zum Schutz gegen Staub nennt die D1 selbst die Maßnahmen, die Dichtung in einem staubgeschützten Raum anzuordnen, der entweder wie beim ersten Ausführungsbeispiel durch einen seitlichen Kasten oder wie beim zweiten Ausführungsbeispiel durch einen separat belüfteten Bereich neben dem staubbelasteten Raum unterhalb des beweglichen Schubrostes gebildet werden kann.
Für die Aufnahme der durch eine ungenaue Führung des Schwingrahmens möglicherweise bedingten Horizontalbewegung zwischen den Rohrstutzen des Kompensators käme eine entsprechende Aufhängung eines oder beider Rohrstutzen in Frage.
4.5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist damit neu gegenüber der D1. Mangelnde Neuheit im Hinblick auf die anderen Druckschriften wurde nicht geltend gemacht und liegt nach Überzeugung der Kammer auch nicht vor.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1. Bei der D1 handelt es sich um eine ältere europäische Patentanmeldung, deren Veröffentlichungsdatum, der 4. August 1993, nach dem gültigen Prioritätstag des Streitpatents, dem 19. März 1993, liegt. Damit stellt die D1 einen Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ dar, der gemäß Artikel 56 Satz 2 EPÜ bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht zu ziehen ist.
5.2. In der angefochtenen Entscheidung und von der Beschwerdegegnerin wurde daher für die Frage der erfinderischen Tätigkeit der, wie geltend gemacht, als Artikel im KHD Symposium '92 (D2) veröffentlichte Vortrag als nächstkommender Stand der Technik angesehen. Dabei wurde aufgrund der Umstände, beispielsweise einem Vergleich der Länge des Artikels mit dem für den Vortrag zur Verfügung stehenden Zeit, unterstellt, daß der Inhalt der Vortrags mit dem Artikel identisch sei und auch keine triftigen Gründe vorlägen, dieses in Zweifel zu ziehen.
Dies ist nicht überzeugend. Insbesondere in dem vorliegenden Fall, bei dem von einer Veröffentlichung des Artikels nach dem Prioritätstag des Streitpatents und damit mehr als fünf Monate nach dem Vortrag auszugehen ist, kann nicht ohne weiteres eine Identität angenommen werden. Vielmehr fließen erfahrungsgemäß in derartige Artikel häufig noch Informationen ein, die beim Vortrag noch nicht vorlagen oder dort auch bewußt weggelassen wurden. Dies ist umso wahrscheinlicher, je knapper die Zeit für den Vortrag ist und je weniger diese Informationen mit dem zentralen Thema des Vortrags zu tun haben. Im vorliegenden Fall hat der Artikel nicht einen Umfang von knapp drei A4-Seiten, wie in der angefochtenen Entscheidung festgestellt wurde, sondern von mehr als sieben relativ eng gedruckten Spalten mit einer Tabelle und neun Bildern, was für die angegebene Vortragsdauer von 30 Minuten recht umfangreich ist. Der Artikel befaßt sich auch vornehmlich mit der Ausbildung der Roste in unterschiedlichen Rostzonen, wobei die Einzelheiten der Luftzuführung zu den Rosten lediglich am Rande behandelt werden. Die Dichtungen, auf die es beim Streitpatent besonders ankommt, sind nur einmal erwähnt, und zwar im deutschen Text des Artikels auf Seite 67, linke Spalte, erster Absatz.
Es kann daher ohne weiteren Nachweis nicht mit der ausreichenden Sicherheit davon ausgegangen werden, daß der Vortrag denselben Inhalt wie der Artikel und insbesondere auch die Luftzuführung mit den Dichtungen umfaßt hatte. Die Beschwerdegegnerin hatte zwar im erstinstanzlichen Verfahren zum Nachweis eine Zeugeneinvernahme angeboten, die aber von der Einspruchsabteilung nicht angenommen wurde. Ein entsprechendes Beweisangebot fehlt im Beschwerdeverfahren, obwohl die Kammer mit der Mitteilung vom 12. März 2003 darauf hingewiesen hatte.
Damit ist D2 nicht zum Stand der Technik zu rechnen.
5.3. Es wird jedoch angemerkt, daß der Gegenstand des Streitpatents auch dann nicht naheliegend wäre, wenn der Artikel (D2) als Stand der Technik angesehen würde.
So werden zwar auf Seite 67 des Artikels "spezielle Schiebedichtungen" für die Luftzuführung zu den beweglichen Rostreihen erwähnt, die an den Seitenwänden des Gehäuseunterteils oder im Gehäuseunterteil angeordnet sind. Es ist aber nicht klar, ob bei diesen Dichtungen die Schieberichtung in der Dichtungsebene liegt, wie das bei den in Figur 3 der D4 gezeigten Dichtungen der Fall ist, oder ob diese Schieberichtung senkrecht zur Dichtungsebene liegt. Letztere Möglichkeit ist zwar an sich aus der D5 (Kompensator 56) bekannt, und der in der D3 auf Seite 2, Zeilen 21 bis 25, erwähnte "sliding joint" zum Anschluß des beweglichen Rohrs 1 4 an das Gebläse dürfte vom Fachmann ebenfalls als ein Kompensator mit derartigen teleskopisch ineinander verschiebbaren Teilen verstanden werden. Allerdings setzt diese Version voraus, daß die Verschieberichtung der beweglichen Kanalteile in Kanalrichtung liegt, was bei einer Anordnung der Dichtungen an den Seitenwänden des Gehäuseunterteils gemäß der D2 nicht ohne weitere konstruktive Änderungen realisierbar ist.
Schließlich ist weder in der D2 noch in den übrigen Druckschriften von einer Anordnung der Dichtung bzw. des Kompensators innerhalb eines im wesentlichen geschlossenen, überdruckbeaufschlagten Rostunterraums und von einer bestimmten Leckrate dieser Schiebedichtung die Rede. Selbst wenn man der Beschwerdegegnerin folgen würde und aus dem Hinweis auf die "zusätzlichen Sperrluft-Ventilatoren" auf Seite 68 des Artikels von D2 schließen würde, daß ein überdruckbeaufschlagter Rostunterraum vorläge, so wäre noch nicht erkennbar, welchen der in der Figur 4 dargestellten Bereiche dies betrifft und ob die Schiebedichtung an den Seitenwänden in diesem Bereich vorgesehen sein soll. Nur mit der Merkmalskombination der Anordnung eines mit einer bestimmten Leckrate versehenen, gewollt undichten Kompensators im überdruckbeaufschlagten Rostunterraum wird aber beim Streitpatent erreicht, daß der wegen der Leckrate vereinfacht herstellbare und betreibbare Kompensator keinen Nachteil im Betrieb darstellt, da die Leckluft einen Beitrag zur Aufrechterhaltung des im Rostunterraum angestrebten Überdrucks liefert.
6. Da somit die Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehen, muß auf die hilfsweise beantragten Änderungen des Patents nicht eingegangen werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird aufrechterhalten wie erteilt.