T 0506/08 (Online-Auktion / Volkswagen) 16-08-2012
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Verfahren und Vorrichtung zum Durchführen einer elektronischen Auktion in einem Kommunikationsnetz
Erstattung der internationalen Recherchengebühr wegen Nicht-Durchführung der Recherche - unzulässiger Antrag (Unzuständigkeit der Beschwerdekammer)
Vorlage von Rechtsfragen an GBK - verneint
Erfinderische Tätigkeit - verneint (nichttechnischer Zweck)
Zurückverweisung zur Durchführung einer Nachrecherche - verneint
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 01982220.4 mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zum Durchführen einer elektronischen Auktion in einem Kommunikationsnetz" wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973) zurückzuweisen.
II. Die zu Grunde liegende internationale Anmeldung PCT/EP01/09898 wurde am 28. August 2001 unter Inanspruchnahme einer DE-Priorität beim Europäischen Patentamt (EPA) eingereicht. Anspruch 1 lautete:
"1. Verfahren zum Durchführen einer elektronischen Online-Auktion zwischen einer Anzahl von Bietern und einem Käufer zur Beschaffung eines vom Käufer benötigten Produkts über ein Kommunikationsnetzwerk mit den folgenden Schritten:
Auswählen einer Anzahl von Bietern, die das benötigte Produkt bereitstellen können,
Benachrichtigen der Bieter über den Zeitpunkt, den vorgesehenen zulässigen Zeitraum der Auktion und den Online-Auktionsraum der Auktion,
Durchführen der Auktion zu dem angegebenen Zeitpunkt, wobei jeder Bieter seine Gebote während den zulässigen Zeitraums abgeben kann, der durch die vorgegebene erste Zeitdauer gebildet wird, jeder Bieter mindestens das geringste Gebot der Konkurrenten in anonymisierter Form und die verbleibende Auktionszeit angezeigt bekommt, und zum Vergleich der Gebote der einzelnen Bieter online für jedes Gebot eine Vergleichsgröße Gesamtkosten als Funktion des jeweiligen Preises und weiterer geeigneter Kriterien berechnet wird,
dadurch gekennzeichnet, dass die zulässige Zeitdauer der Auktion vor deren Ablauf um ein Verlängerungsintervall verlängert wird, so dass sich eine neue zulässige Zeitdauer ergibt."
III. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2001 wurde der Anmelderin vom Europäischen Patentamt als internationaler Recherchenbehörde (ISA, International Searching Authority) mitgeteilt, dass kein internationaler Recherchenbericht erstellt werde. Die Nicht-Recherche-Erklärung wurde mit folgendem Standardsatz begründet:
"Die Ansprüche beziehen sich auf einen Sachverhalt, für den eine Recherche nach Regel 39 PCT nicht durchgeführt zu werden braucht. In Anbetracht dessen, dass der beanspruchte Gegenstand entweder nur derartige nichttechnische Sachverhalte oder allgemein bekannte Merkmale zu deren technologischen Umsetzung anführt, konnte der Rechercheprüfer keine technische Aufgabe feststellen, deren Lösung eventuell eine erfinderische Tätigkeit beinhalten würde. Es war daher nicht möglich, sinnvolle Ermittlungen über den Stand der Technik durchzuführen (Art. 17(2)(a)(i) und (ii) PCT; EPÜ Richtlinien Teil B Kapitel VIII, 1-6)."
Gleichzeitig wurde die Anmelderin darauf hingewiesen, dass Patentansprüche auf Erfindungen, für die kein internationaler Recherchenbericht erstellt wurde, normalerweise nicht Gegenstand einer internationalen vorläufigen Prüfung sein könnten (Regel 66.1(e) PCT).
IV. Die internationale Anmeldung wurde am 14. März 2002 als
A2: WO-A2-02/21353
veröffentlicht, zusammen mit der oben genannten Nicht-Recherche-Erklärung nach Artikel 17(2)(a) PCT.
V. Am 29. April 2002 übermittelte das Europäische Patentamt als mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde (IPEA, International Preliminary Examining Authority) der Anmelderin einen internationalen vorläufigen Prüfungsbericht mit folgendem Standardsatz:
"Die Frage, ob die beanspruchte Erfindung als neu, auf erfinderischer Tätigkeit beruhend und gewerblich anwendbar anzusehen ist, war nicht Gegenstand einer internationalen vorläufigen Prüfung für die ganze Anmeldung, weil für keinen Anspruch ein internationaler Recherchenbericht erstellt wurde (Artikel 17(2)(a) oder (3) und Regel 66.1(e) PCT; siehe auch die Erklärung gemäß Artikel 17(2)(a) PCT)."
Mit Schreiben vom selben Tag teilte das EPA der Anmelderin unter Hinweis auf ein rationalisiertes Verfahren und einen Beschluss des EPA-Präsidenten vom 2. November 2001 (ABl. EPA 2001, 539) mit, dass zwei Drittel der für die internationale vorläufige Prüfung gezahlten Gebühr erstattet würden.
VI. Nach Eintritt der Anmeldung in die europäische Phase wiederholte und detaillierte die Prüfungsabteilung (Erstbescheid vom 8. September 2006) unter Bezugnahme auf Artikel 52 (2) (3) EPÜ den Einwand, dass die Ansprüche sich auf einen Sachverhalt bezögen, der von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei. Jedenfalls lasse sich keine technische Aufgabe feststellen, deren Lösung eventuell eine erfinderische Tätigkeit beinhalten würde, so dass es nicht möglich gewesen sei, sinnvolle Ermittlungen über den Stand der Technik durchzuführen. Anspruch 1 definiere ein Schema für den organisatorischen Ablauf einer Online-Auktion und somit ein Geschäftsverfahren. Ein technischer Charakter der beanspruchten Vorgehensweise liege lediglich darin, dass sie mittels einer (herkömmlichen) Datenverarbeitungseinrichtung über das Internet durchgeführt werde.
VII. Daraufhin reichte die Anmelderin einen geänderten Anspruchssatz ein und bat, Ermittlungen über den Stand der Technik anzustellen. Das Verfahren nach Anspruch 1 verwende technische Mittel (Computer, Netzwerk), habe technische Wirkungen und verfolge technische Zwecke: es steuere das Anbieten von technischen Produkten, wobei die Daten technische Gegenstände verkörperten. Mit der Erfindung würden Qualität und Herstellung eines Kraftfahrzeugs verbessert, weil durch die Auktion der Bezug hierfür benötigter Teile vereinfacht werde. Da es sich also nicht mehr um eine Geschäftsmethode als solche handeln könne, bat die Anmelderin um "ordnungsgemäße Prüfung".
VIII. Die Prüfungsabteilung lud zu einer mündlichen Verhandlung und wiederholte in einem Ladungsanhang ihren Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit, da die Auktionsregeln nicht zum technischen Charakter des computerimplementierten Verfahrens beitragen würden. Der nächstkommende Stand der Technik, nämlich eine EDV-Anlage aus mehreren Computern, die über ein Kommunikationsnetz (zB das Internet) kommunizieren, sei zur Prioritätszeit (2000) so bekannt gewesen, dass er keines Nachweises bedürfe.
IX. Die Anmelderin beanstandete, dass trotz Zahlung der Recherchengebühr keine ordnungsgemäße Recherche durchgeführt worden sei, zumal das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) zu einer Recherche in der Lage gewesen sei. Die Prüfungsabteilung versuche in unzulässiger Weise, den Gegenstand der Erfindung zu zergliedern, um der Erfindung die Technizität absprechen zu können.
X. Am Ende der mündlichen Verhandlung vom 9. Oktober 2007 verkündete die Prüfungsabteilung ihre Entscheidung, die Anmeldung wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückzuweisen. Die schriftlichen Entscheidungsgründe wurden unter dem Datum 18. Oktober 2007 abgesandt.
XI. Am 5. November 2007 erhob die Anmelderin Beschwerde und reichte am 18. Februar 2008 deren Begründung ein. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der Zurückweisungsentscheidung und die Erteilung eines Patents aufgrund eines von zwei Anspruchssätzen (Hauptantrag, Hilfsantrag), die mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden. Ferner wurde die Erstattung der Recherchengebühr beantragt. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
a) Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"1. Verfahren zum Durchführen einer elektronischen Online-Auktion in einem virtuellen Auktionsraum auf einem Server und mit dem Server über ein Kommunikationsnetzwerk verbundene [sic], einem Bieter zugeordnete [sic] Bieterstationen zur Beschaffung eines von einem Käufer benötigten Produkts, wobei eine Anzahl von Bietern, die das benötigte Produkt bereitstellen können, ausgewählt und über den Zeitpunkt, den vorgesehenen zulässigen Zeitraum der Auktion und den Online-Auktionsraum der Auktion benachrichtigt werden,
wobei die elektronische Online-Auktion die folgenden Schritte aufweist:
Durchführen der Auktion zu dem angegebenen Zeitpunkt, wobei jeder Bieter über seine Bieterstation seine Gebote innerhalb einer vorgegebenen bieterseitigen Auktionsoberfläche während des zulässigen Zeitraums an den Server abgeben kann und jede Bieterstation in der bieterseitigen Auktionsoberfläche mindestens das geringste Gebot der anderen Bieter in anonymisierter Form und die verbleibende Auktionszeit vom Server übermittelt bekommt,
zum Vergleich der Gebote der einzelnen Bieter online für jedes Gebot der Server eine Vergleichsgröße Gesamtkosten als Funktion des jeweiligen Preises und weiterer geeigneter Kriterien berechnet und in der serverseitigen Auktionsoberfläche des Servers darstellt,
die zulässige Zeitdauer der Auktion vor deren Ablauf seitens des Servers um ein Verlängerungsintervall verlängert und eine neue zulässige Zeitdauer bestimmt wird, und die verbleibende Auktionszeit basierend auf der neuen zulässigen Zeitdauer in der bieterseitigen Auktionsoberfläche dargestellt wird."
b) Der Hilfsantrag vom 18. Februar 2008 fügt dem Anspruch 1 folgende zwei Schlussabsätze hinzu:
"und im Server ein Restzeit-Intervall definiert ist und den Bieterstationen seitens des Servers anstelle der verbleibenden Auktionszeit nur dieses Restzeit-Intervall mitgeteilt und in der bieterseitigen Auktionsoberfläche dargestellt wird, wenn die verbleibende Auktionszeit kleiner oder gleich dem Restzeit-Intervall ist, und
die Verlängerung der Auktion durch den Server in dem Restzeit-Intervall durchgeführt wird."
XII. In materieller Hinsicht enthielt die Beschwerdebegründung im Wesentlichen folgende Argumente.
a) Technische Merkmale des Verfahrens nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag würden auf der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit beruhen, da eine Standard-EDV-Anlage weder die Auswahl der bieterseitig und serverseitig darzustellenden Informationen noch die Art der serverseitigen zeitlichen Verlängerung anrege. Auf die verwendete Auktionsterminologie sei nicht abzustellen.
b) Der Erfindung gemäß Hilfsantrag liege die objektive Aufgabe zugrunde, ein Online-Auktionsverfahren hinsichtlich der zeitlichen Ausgestaltung und der Auswahl der darzustellenden Information weiter zu optimieren. Demgemäß enthalte Anspruch 1 die technische Anweisung, wie mit der Darstellung der verbleibenden Auktionszeit in der bieterseitigen Auktionsoberfläche verfahren werde. Eine bedingte Änderung der Darstellung der verbleibenden Auktionszeit auf der Bieterseite mittels eines Restzeitintervalls durch den Server sei dem vorliegenden Stand der Technik weder zu entnehmen noch durch diesen nahegelegt. Die Aussage, dass ein Fachmann ein EDV-System entsprechend programmieren "kann", wie dies letztlich die Prüfungsabteilung in der angefochtenen Entscheidung vorgenommen habe, um eine erfinderische Tätigkeit verneinen zu können, genüge nicht den Anforderungen des EPÜ.
XIII. Zum Antrag auf Erstattung der Recherchengebühr argumentierte die Beschwerdeführerin, dass eine Recherche hätte durchgeführt werden müssen, da beispielsweise das Anspruchsmerkmal, dass die zulässige Zeitdauer der Auktion vor deren Ablauf um ein Verlängerungsintervall verlängert und eine neue zulässige Zeitdauer bestimmt werde, ein Merkmal mit technischem Charakter sei, das im virtuellen Auktionsraum, d.h. auf dem Server, ausgeführt werde und dazu diene, "die Bieter über das tatsächliche Ende der Auktion im Unklaren zu lassen, so dass auf den Bieter ein Druck zur Abgabe weiterer Gebote erzeugt wird" (Beschwerdebegründung, Seite 2, Absatz 5).
Eine Recherche in der Espacenet-Datenbank ergebe für elektronische Auktionen eine Vielzahl von Treffern, d.h. recherchierbarer Stand der Technik sei im Europäischen Patentamt offensichtlich vorhanden. Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) sei im parallelen Verfahren in der Lage gewesen, eine Recherche durchzuführen und entsprechenden Stand der Technik zu ermitteln.
Trotz Entrichtung der Recherchengebühr und trotz mehrfacher Aufforderung zur Durchführung einer Recherche habe auch die Prüfungsabteilung keine (Nach-)Recherche durchgeführt. Der Antrag auf Rückerstattung der Recherchengebühr sei daher gerechtfertigt.
XIV. Mit Ladung vom 9. Mai 2012 beraumte die Kammer eine mündliche Verhandlung für 24. Juli 2012 an und teilte in einem Anhang ihre erste vorläufige Stellungnahme mit.
a) In materieller Hinsicht scheine das Auktionsverfahren nach Anspruch 1 (Haupt- und Hilfsantrag vom 18. Februar 2008) kein technisches Problem in technisch erfinderischer Weise zu lösen.
b) Bezüglich des Antrags auf Erstattung der Recherchengebühr äußerte die Kammer Zweifel, dass sie befugt sei, im regionalen Verfahren nach dem EPÜ die Erstattung einer internationalen Recherchengebühr anzuordnen, die gemäß PCT-Vorschriften während der internationalen Phase entrichtet worden sei. Es bestehe keine Regelung zur Erstattung einer internationalen Recherchengebühr im Fall einer Nicht-Recherche-Erklärung.
Nach vorläufiger Ansicht der Kammer sei die Recherche im vorliegenden Fall zu Recht verweigert worden. Weder notorischer Stand der Technik (vernetzte Rechner) noch nicht-technische Gesichtspunkte (Auktionsregeln) bräuchten nachgewiesen zu werden (T 1242/04).
XV. Per Fax vom 19. Juni 2012 beantragte die Beschwerdeführerin auch direkt beim EPA als ISA die Rückerstattung der internationalen Recherchengebühr.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2012 antwortete das EPA, dass keine Rückerstattung der internationalen Recherchengebühr erfolgen würde. Gemäß Regel 16.1 a) PCT könne jede internationale Recherchenbehörde verlangen, dass der Anmelder zugunsten der Behörde "eine Gebühr für die Durchführung der internationalen Recherche und aller anderen den Internationalen Recherchenbehörden ... übertragenen Aufgaben" entrichte. Unter besagte Aufgaben falle auch das Erstellen einer Erklärung nach Artikel 17(2) a) PCT.
XVI. Mit einem an die Kammer gerichteten Fax vom 22. Juni 2012 reichte die Beschwerdeführerin als zweiten Hilfsantrag einen weiteren geänderten Anspruchssatz ein, dessen Anspruch 1 eine Vorrichtung betrifft:
"1. Vorrichtung zur Durchführung einer reversen elektronischen Online-Auktion in einem virtuellen Auktionsraum mit einem Server zum Durchführen der Auktion, mit dem Server über ein Kommunikationsnetz verbundenen Bieterstationen und einer Einrichtung zum Online-Ermitteln der jeweiligen Kostenfunktionen eines Gebots, wobei zu einem vorgegebenen Zeitpunkt eine Online-Auktion in dem virtuellen Auktionsraum innerhalb eines zulässigen Zeitraums durchgeführt wird,
- auf dem Server und den Bieterstationen jeweils eine serverseitige Auktionsoberfläche und bieterseitige Auktionsoberflächen generiert und dargestellt werden,
- jede Bieterstation mittels der bieterseitigen Auktionsoberfläche Gebote abgeben kann, die über das Kommunikationsnetzwerk an den Server übermittelt werden,
- jede Bieterstation in der bieterseitigen Auktionsoberfläche mindestens das geringste Gebot der anderen Bieterstationen in anonymisierter Form und die verbleibende Auktionszeit vom Server übermittelt erhält,
- die bieterseitige Auktionsoberfläche Informationen über das letzte gültige Gebot der Bieterstation, das derzeit günstigste Gebot der anderen Bieterstationen in anonymisierter Form, die verbleibende Auktionsdauer und den Auktionsgegenstand enthält, und Eingabefelder zum Eingeben eines neuen Gebots vorgesehen sind,
- der Server eine Einrichtung zur Berechnung einer Vergleichsgröße Gesamtkosten aufweist, die aus jedem übermittelten Gebot die Vergleichsgröße Gesamtkosten als Funktion des jeweiligen Preises und weiterer geeigneter Kriterien berechnet und in der serverseitigen Auktionsoberfläche darstellt,
- der Server eine Einrichtung zur Bestimmung der zulässigen Zeitdauer aufweist, die die zulässige Zeitdauer der Auktion vor deren Ablauf um ein Verlängerungsintervall verlängert und eine neue zulässige Zeitdauer bestimmt, und basierend auf der neuen zulässigen Zeitdauer die verbleibende Auktionszeit in der bieterseitigen Auktionsoberfläche darstellt, wobei
- die Einrichtung zur Bestimmung der zulässigen Zeitdauer ein Restzeit-Intervall gespeichert hat und den Bieterstationen zur Darstellung in der bieterseitigen Auktionsoberfläche anstelle der verbleibenden Auktionszeit nur dieses Restzeit-Intervall mitteilt, wenn die verbleibende Auktionszeit kleiner oder gleich dem Restzeit-Intervall ist und die Verlängerung der Auktion in dem Restzeit-Intervall durchgeführt wird, und
- der Server eine Einrichtung zur Auswahl einer Bieteruntermenge aufweist, welche nach Beendigung der Auktion mittels der ermittelten Kostenfunktionen der Gebote eine Untermenge der Bieter zur Durchführung einer weiteren Online-Auktion auswählt."
XVII. Die Zusatzargumente der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 22. Juni 2012 lassen sich wie folgt zusammenfassen.
a) In der Frage der Patentierbarkeit verglich die Beschwerdeführerin das beanspruchte Auktionsverfahren mit patentierten mathematischen Verschlüsselungsverfahren und argumentierte, dass für verschiedene Gebiete der Technik eine widersprüchliche Erteilungspraxis vorliege, die gegen den in allen Vertragsstaaten anerkannten Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße (Hinweis auf Artikel 125 EPÜ).
Der Zweck des Patentrechts (Innovations- und Investitionsschutz, Schutz vor Nachahmern) gebiete eine weite Auslegung des Technikbegriffs, wie dies offensichtlich bei den Verschlüsselungsverfahren geschehe. Es bestehe Konsens darüber, dass Verschlüsselungsverfahren ein Gebiet der Technik seien. Allerdings seien auch elektronische Auktionsverfahren und entsprechende Vorrichtungen schützenswerte Innovationen und bildeten ein Teilgebiet der Technik. Hilfsantrag 2 formuliere Anspruch 1 als Vorrichtungsanspruch und stelle somit den technischen Inhalt der Anmeldung in besonders geeigneter Weise heraus.
b) Für den Antrag auf Erstattung der internationalen Recherchengebühr (oder eines Teils davon) sei die befasste Technische Beschwerdekammer zuständig, da der PCT die Erfüllung der grundgesetzlichen Rechtsweggarantie (gerichtliche Überprüfbarkeit behördlicher Entscheidungen) bewusst in die nationale/regionale Phase verlagert habe.
Eine Erstattung der internationalen Recherchengebühr bei Nicht-Durchführung der Recherche sei zwar nicht kodifiziert. Da aber das EPA als ISA keine Recherche durchgeführt habe, stelle die vom EPA vereinnahmte Recherchengebühr eine ungerechtfertigte Bereicherung dar, die nach allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen herauszugeben sei (Hinweis auf Artikel 125 EPÜ, EuGH-Entscheidung 259/87 und Entscheidung T-171/99 "Schadenersatzklage" des Europäischen Gerichts erster Instanz). Der Herausgabeanspruch bestehe unabhängig davon, ob das EPA als ISA die Durchführung einer internationalen Recherche zu Recht oder zu Unrecht abgelehnt habe.
Die in Beschwerdekammerentscheidungen (zB J 3/09) überwiegend vertretene grundsätzliche Auffassung, dass jegliche Gebührenerstattung eine positive Regelung im EPÜ, in seiner Ausführungsordnung, in seiner Gebührenordnung oder in einem Beschluss des EPA-Präsidenten voraussetze, stehe im Gegensatz zu einer älteren Entscheidung (J 6/83), die zunächst festgestellt habe, dass der Erstattung einer bestimmten Gebühr (Prüfungsgebühr) kein Verbot entgegenstehe, und in der dann die Erstattung der Gebühr angeordnet worden sei, weil die Umstände des Falles die zugehörige Gegenleistung des EPA (Sachprüfung) unmöglich gemacht hätten.
Aufgrund uneinheitlicher Rechtsprechung der Kammern und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (drohende Verstöße gegen allgemeine Rechtsgrundsätze) sei es daher nach Artikel 112 EPÜ erforderlich, dass die Große Beschwerdekammer mit der Frage befasst werde, ob die Erstattung einer Gebühr ohne korrespondierendes Verwaltungshandeln des EPA geboten und möglich sei, auch wenn kein spezifischer Erstattungstatbestand die Erstattung vorsehe.
XVIII. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung übersandte die Kammer mit Mitteilung vom 9. Juli 2012 eine zweite vorläufige Stellungnahme.
a) In materieller Hinsicht machte die Kammer darauf aufmerksam, dass bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit das Kriterium (technischer Zweck) für eine Berücksichtigung mathematischer Schritte das gleiche sei wie für eine Berücksichtigung geschäftlicher Schritte und von allen Kammern anerkannt werde.
Was die technische Implementierung der Auktionsregel anbelange, scheine die Anmeldung keine erfinderische Bereicherung der Technik zu offenbaren, sondern sich auf bestehende Kenntnisse und Fertigkeiten des Fachmanns zu verlassen. Auch Hilfsantrag 2 scheine dieses Bedenken nicht zu überwinden.
b) Zum Antrag auf Erstattung der internationalen Recherchengebühr, die zwischenzeitlich vom EPA am 4. Juli 2012 abgelehnt worden war, äußerte die Kammer die vorläufige Meinung, dass sie zwar überprüfen könne, ob zu Recht oder zu Unrecht keine Recherche erfolgt sei, und dass sie die Prüfungsabteilung ggf. im Rahmen einer Zurückverweisung zu einer Nachrecherche verpflichten könne.
Hingegen könne die Kammer nicht das in Regel 16.1 a) PCT niedergelegte Recht der ISA in Frage stellen, eine Gebühr für die Durchführung der internationalen Recherche "und aller anderen den Internationalen Recherchenbehörden ... übertragenen Aufgaben" zu verlangen und unter diese Aufgaben das Erstellen einer Erklärung nach Artikel 17(2) a) PCT zu subsumieren. Ein zur Recherchengebühr korrespondierendes Verwaltungshandeln bestehe nicht zwingend in der Durchführung einer Recherche. Den Nutzern des Patentsystems gemäß PCT und EPÜ sei bekannt, dass an die Stelle eines Recherchenberichts eine Nicht-Recherche-Erklärung treten könne, insbesondere wenn die Anmeldung ein Geschäftsverfahren betreffe und in technischer Hinsicht nur stichwortartige Merkmale aus dem fachmännischen Wissen abrufe.
XIX. Am anberaumten Termin (24. Juli 2012) fand vor der Kammer eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf die Beschwerdeführerin Umfang und Reihenfolge ihrer Anträge wie folgt aktualisiert hat:
a) Es wird beantragt, die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 18. Oktober 2007 aufzuheben und ein Patent zu erteilen, und zwar:
- im Umfang der Ansprüche gemäß Hauptantrag vom 18. Februar 2008,
- hilfsweise im Umfang der Ansprüche nach dem Hilfsantrag vom 18. Februar 2008 (nun Hilfsantrag 1),
- hilfsweise im Umfang der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 2 vom 22. Juni 2012.
b) Ferner wird beantragt, die internationale Recherchengebühr zu erstatten. Hilfsweise wird beantragt, einen von der Kammer zu bestimmenden Teil der internationalen Recherchengebühr zu erstatten.
b1) Für den Fall, dass die Technische Beschwerdekammer die Juristische Beschwerdekammer als für den Erstattungsantrag zuständig ansehe, wird insoweit hilfsweise die Abtrennung und Verweisung des Beschwerdeverfahrens an die Juristische Beschwerdekammer beantragt.
b2) Als entscheidungserheblich und zur Sicherung/Fortbildung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sieht die Beschwerdeführerin eine Klärung folgender Fragen an, die der Großen Beschwerdekammer nach Artikel 112 (1) a) EPÜ vorgelegt werden sollen:
1. Erfordert die Rückerstattung von Gebühren eine expliziten Tatbestand im Sinne eines Rückerstattungsgebotes (J 3/09) oder sind Gebührenzahlungen, die den im Gebührentatbestand festgelegten Zweck (hier: Regel 16.1 a) PCT: "... für die Durchführung einer internationalen Recherche") verfehlen, immer zurückzuerstatten, es sei denn es gilt ein explizites Rückzahlungsverbot (J 6/83)?
2. Ist Artikel 125 EPÜ auf Handlungen des EPA in der internationalen Phase einer PCT-Anmeldung, zB Handlungen als ISA, anwendbar?
3. Ergibt sich aus dem in allen Mitgliedsstaaten anerkannten Grundsatz des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung ein Rückforderungstatbestand (Anwendung von Artikel 125 EPÜ), wenn ein im Gebührentatbestand genannter Zweck der Gebühr (hier: Durchführung einer internationalen Recherche) nicht oder nicht vollständig erfüllt wird (rechtsgrundlose Gebührenzahlung)?
c) Äußerst hilfsweise wird beantragt, die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur Durchführung einer Nachrecherche zurückzuverweisen.
XX. Die in der mündlichen Verhandlung hinzugetretenen oder besonders hervorgehobenen Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen.
a) In materieller Hinsicht argumentierte die Beschwerdeführerin, dass der Technikbegriff nicht statisch, sondern dynamisch zu sehen sei. Die Große Beschwerdekammer habe den Technikbegriff bewusst offen gelassen (G 3/08, Punkt 9.2), um den Zugang von Innovationen zum Patentschutz fortlaufend an veränderte Gegebenheiten und rechtspolitische Ziele anpassen zu können, je nachdem, welche Arten von Innovationen der Zeitgeist als sinnvolle oder vernünftige Technologien erachte. Die Zeit sei reif für eine wertende Entscheidung, auch elektronische Auktionen als technisch anzuerkennen und sie dadurch in die prinzipiell patentschutzwürdigen Innovationen aufzunehmen.
Die beanspruchte Online-Auktion optimiere betriebswirtschaftliche Abläufe, erleichtere ihre Handhabung und spare Zeit. Bei bekannten Online-Auktionen (zB per eBay) bündele sich die Aktivität der Bieter auf die letzten Sekunden der Auktion. Da demgegenüber die Bieter im anmeldungsgemäßen Verfahren das genaue Ende der Auktion nicht kennen würden, entzerre sich die Belastung des Rechnernetzes. Der technische Fachmann in Person eines Informatikers lese diese technische Wirkung in der Anmeldung mit. Es gehe somit nicht nur um eine psychologische Wirkung auf die Bieter.
b) Für den Antrag auf (Teil-)Erstattung der internationalen Recherchengebühr sei die angerufene Kammer zuständig. Bei der Schaffung des PCT-Systems hätten die mehr als 100 Vertragsstaaten bewusst nicht den politisch aussichtslosen Versuch unternommen, ein gemeinsames PCT-Gericht einzurichten, sondern hätten den grundrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutz --- die gerichtliche Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen --- den regionalen Gerichtsbarkeiten überlassen, die für die Bestimmungsämter zuständig seien. Die Fachgerichte für das EPA seien die Beschwerdekammern, die vom Bundesverfassungsgericht in Deutschland und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als Gerichte bestätigt worden seien (Hinweis auf deren Entscheidungen 2 BvR 2368/99 Europäische Eignungsprüfung und 40382/04 Rambus ./. Deutschland).
Falls die Beschwerdekammern ihre Zuständigkeit für das EPA als PCT-Behörde nicht anerkennen oder ausüben wollten, würde das Euro-PCT-Vertragssystem eine strukturelle Rechtsschutzlücke aufweisen, die insbesondere den Anforderungen des deutschen Bundesverfassungsgerichts an zwischenstaatliche Vertragssysteme nicht genüge (Hinweis auf Artikel 19 (4) des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland).
Die gerichtliche Aufsicht über das EPA dürfe nicht davon abhängen, ob das EPA als internationale Behörde nach dem PCT oder als europäische Behörde nach dem EPÜ handle. Die Beschwerdeführerin verlange selbstverständlich keinen Eingriff in eine fremde Gerichtsbarkeit (wenn etwa ein anderes Amt die ISA gewesen wäre), sondern erwarte von der Kammer eine gerichtliche Kontrolle für alle Tätigkeiten des EPA.
c) In allen Vertragsstaaten des EPÜ sei der Rechtsgrundsatz anerkannt, dass eine ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben sei. So habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung 259/87 vom 10. Juli 1990 festgestellt, dass eine ungerechtfertigte Bereicherung der Europäischen Gemeinschaft gegen die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verstoßen würde. Ebenso habe sich das Europäische Gericht erster Instanz auf einen "im nationalen Recht der Mitgliedsstaaten allgemein anerkannten Grundsatz im Zusammenhang mit der Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beträge, die auf dem Grundsatz des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung aufbaut" gestützt, um der Klage eines Unternehmens gegen die Europäische Kommission stattzugeben (T-171/99 vom 10. Oktober 2001).
d) Im vorliegenden Fall sei das EPA auf Kosten der Beschwerdeführerin bereichert, weil das EPA als ISA die internationale Recherchengebühr vereinnahmt habe, aber einen wesentlichen Teil der gesetzlich vorgesehenen Gegenleistung --- die Durchführung einer Recherche --- unterlassen habe. Die internationale Recherchengebühr werde gemäß Regel 16.1 a) PCT für die Durchführung der internationalen Recherche "und" (nicht: "oder") aller anderen den Internationalen Recherchenbehörden durch den Vertrag und diese Ausführungsordnung übertragenen Aufgaben entrichtet. Wenn die Durchführung einer Recherche unterbleibe, werde ein wesentlicher Zweck der Gebührenzahlung verfehlt und für einen entsprechenden Teil der Gebührenzahlung entfalle der Rechtsgrund.
Der Anteil der Recherchenarbeit an den Aufgaben der ISA sei so bedeutend, dass die ISA bei unterlassener Recherchenarbeit nicht die gesamte Recherchengebühr behalten dürfe. Die Beschwerdeführerin überlasse es der Beschwerdekammer festzulegen, welcher Anteil der Recherchengebühr zu erstatten sei. Die Beschwerdeführerin sehe zwar ein, dass die ISA einen Teil der Recherchengebühr für die Erstellung einer Nicht-Recherche-Erklärung einbehalte, akzeptiere aber nicht den vollständigen Einbehalt der Recherchengebühr. Der vorliegende Fall sei kein Einzelfall.
e) Die PCT-Regelung, der zufolge die Internationale Recherchenbehörde keine Recherche für geschäftliche Tätigkeiten durchzuführen brauche (Regel 39.1 iii PCT), sei zeitlich erst nach den PCT-Vorschriften entstanden, die eine Erstattung von Gebühren regeln. Die historisch entstandene offensichtliche Lücke in den Erstattungstatbeständen sei durch Rechtsanwendung zu schließen, um grundlos gezahlte Gebühren(-teile) zu erstatten. Eine dahin gehende ergänzende Auslegung des PCT entspreche auch dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge.
In der Geänderten Vereinbarung vom 31. Oktober 2001 zwischen der Europäischen Patentorganisation und dem Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum über die Aufgaben des Europäischen Patentamts als Internationale Recherchenbehörde und mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde nach dem Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (ABl. EPA 2001, 601; nachstehend "Vereinbarung" genannt) besage Anhang C, Teil II, Absatz 1 ausdrücklich, dass grundlos gezahlte Beträge zu erstatten seien.
f) Es gehe auch um eine Gleichbehandlung von internationalen und europäischen Patentanmeldungen. In der Gebührenordnung zum EPÜ sei ausdrücklich die Erstattung europäischer Recherchengebühren für Fälle vorgesehen, in denen das EPA mit der Erstellung des Recherchenberichts nicht begonnen habe (Artikel 9 GebO). Eine solche Erstattung müsse erst recht für Fälle gelten, in denen das EPA nicht einmal die Recherche begonnen habe, und eine Erstattung aus diesem Grund müsse gleichermaßen für eine internationale Recherchengebühr bei Nicht-Durchführung der internationalen Recherche zur Verfügung stehen.
Das vorhandene abgestufte System von Erstattungen spiegele das Verhältnismäßigkeitsprinzip wider, dass die Gebührenhöhe dem Aufwand der Behörde entsprechen solle.
g) Nach alledem erstrecke die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde ausdrücklich auf die Mitteilung vom 4. Juli 2012, mit der das EPA die beantragte Erstattung der internationalen Recherchengebühr aktuell abgelehnt habe. Diese Mitteilung habe zwar bei Einreichung und Begründung der Beschwerde (November 2007, Februar 2008) noch nicht existiert, könne jedoch gemäß allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen ("prozessuale Überholung") bis zum Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer in den Streitstoff des laufenden Beschwerdeverfahrens eingebracht werden.
Die Mitteilung des EPA vom 4. Juli 2012 sei als Entscheidung anzusehen, und zwar als Entscheidung der Prüfungsabteilung, denn die Eingangsstelle könne nicht mehr zuständig sein, nachdem die Zuständigkeit bereits auf die Prüfungsabteilung übergegangen sei.
XXI. Am Ende der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2012 schloss die Kammer die Debatte und kündigte an, eine Entscheidung auf schriftlichem Wege zu erlassen.
XXII. Mit einem an die Beschwerdekammer gerichteten Fax vom 3. August 2012 bekräftigte die Beschwerdeführerin, dass sie die Mitteilung des EPA vom 4. Juli 2012 als Entscheidung der Prüfungsabteilung ansehe und diese ausdrücklich zum Gegenstand der anhängigen Beschwerde gemacht habe. Nach allgemeinen Grundsätzen komme es auf die Verfahrenslage zum Schluss der mündlichen Verhandlung an (prozessuale Überholung; Hinweis auf Artikel 15 (6) VOBK [Nummer berichtigt durch die Kammer]: "am Ende der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif").
Mit einem an das EPA gerichteten Fax vom selben Tag beantragte die Beschwerdeführerin vorsorglich für den Fall, dass die EPA-Mitteilung vom 4. Juli 2012 nicht als Entscheidung anzusehen sei, den Erlass einer beschwerdefähigen Entscheidung nach Regel 112 (2) EPÜ.
Hauptantrag
1. Artikel 123 (2) EPÜ - Ursprüngliche Offenbarung
Anspruch 1 betrifft ein Online-Auktionsverfahren, bei dem das zeitliche Ende der Auktion nicht von vornherein feststeht, sondern verlängert werden kann. Die Möglichkeit der Verlängerung und die Anzeige der verbleibenden Auktionszeit sind ursprünglich offenbart (A2, Seite 5, Absätze 2 und 3; Seite 8, Zeilen 8 bis 10; Ansprüche 1 bis 4).
Die im Lauf des Beschwerdeverfahrens angeführten Zwecke einer verlängerbaren Auktion (Druck auf die Bieter zur Abgabe weiterer Gebote; Entzerrung des Datenverkehrs im Kommunikationsnetz) sind in der ursprünglichen Anmeldung nicht genannt, wurden aber auch nicht in den Anspruch 1 aufgenommen.
Die Kammer ist daher überzeugt, dass das Verfahren nach Anspruch 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht.
2. Artikel 56 EPÜ 1973 - Erfinderische Tätigkeit
Im Licht des Artikels 52 (2) (3) EPÜ verlangt Artikel 56 EPÜ 1973 einen nicht-nahelie genden technischen Beitrag, siehe die Entscheidung T 641/00-Zwei Identitäten/COMVIK, Leitsatz I (ABl. EPA 2003, 352). Naheliegende Beiträge und nicht-technische (insbesondere geschäftsbezogene) Beiträge können somit die Erfordernisse dieses Artikels nicht erfüllen.
2.1 Die Kammer stimmt mit der Prüfungsabteilung überein, ein Netzwerk von Universalrechnern als nächstkommenden Stand der Technik zu betrachten. Auch die Beschwerdeführerin definiert ihre Aufgabenstellung gegenüber einer herkömmlichen computerisierten Netzwerk-Auktion. Die Beschreibungseinleitung der Anmeldung geht von bekannten elektronischen Auktionen, insbesondere Internet-Auktionen, aus. Nachteilig sei, dass die verwendeten Auktionsformen noch keine optimalen Ergebnisse für den Veranstalter der Auktion hinsichtlich des Bieterverhaltens und der Auswahl des geeignetsten Bieters für ein benötigtes Produkt liefern würden (A2, Seite 2, Absatz 3 bis Seite 4, Absatz 1). Daher liege der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Auktionsverfahren zu schaffen (A2, Seite 4, Absatz 2).
Die Beschwerdebegründung präzisiert die Aufgabenstellung dahin, dass die zeitliche Ausgestaltung einer Online-Auktion optimiert werden solle.
2.2 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei das Lösungsmerkmal, dass die zulässige Zeitdauer der Auktion vor deren Ablauf um ein Verlängerungsintervall verlängert und eine neue zulässige Zeitdauer bestimmt wird, ein Merkmal mit technischem Charakter, das im virtuellen Auktionsraum, d.h. auf dem Server, ausgeführt werde und nur bei einer Online-Auktion durchführbar sei; es existiere kein Vorbild bei realen Auktionen.
Die Verlängerungsmöglichkeit lasse die Bieter über das tatsächliche Ende der Auktion im Unklaren, so dass auf die Bieter ein Druck erzeugt werde, weitere Gebote bald abzugeben, anstatt die äußerste Endphase der Auktion abzuwarten. Auf diese Weise werde die herkömmliche Gebotshäufung zum Ende der Auktion vermieden und somit der Datenverkehr im Kommunikationsnetz zeitlich entzerrt und eine Überforderung der vernetzten Rechner vermieden.
2.3 Nach Ansicht der Kammer kann eine Gebotsfrist sowohl bei einer elektronischen als auch bei einer Präsenzauktion verlängert werden, sobald der geschäftliche, psychologische oder administrative Wunsch des Veranstalters nach einer zeitlichen Verlängerungsoption aufkommt und diese von den Teilnehmern als Geschäftsbedingung der Auktion akzeptiert wird. Diese möglicherweise innovative Auktionsregel ist kein Ergebnis von in der Anmeldung offenbarten technischen Überlegungen.
Nachträglich (in der mündlichen Verhandlung) machte die Beschwerdeführerin geltend, dass ein offenes Auktionsende im Vergleich zu einem herkömmlichen, festgelegten Auktionsende den Netzdatenverkehr zeitlich entzerren und den Auktionsserver vor Belastungsspitzen bewahren würde.
Nach dem Urteil der Kammer wird jedoch das zugrunde liegende technische Problem, nämlich der Leistungsengpass des Kommunikationsnetzes und der vernetzten Rechner, durch die neue Auktionsregel nicht behoben, sondern nur administrativ umgangen. Die Umgehung eines technischen Problems macht aber einen geschäftlichen Verfahrensschritt noch nicht zu einem technischen Mittel (T 258/03-Auktionsverfahren/HITACHI, Leitsatz II, ABl. EPA 2004, 575).
2.4 Dementsprechend argumentiert die Beschwerdeführerin, dass eine innovative Auktionsregel dadurch zum technischem Mittel erhoben werden solle, dass die Kammer Online-Auktionen generell zu einem modernen technischen Gebiet mit technischem Zweck erklären möge, so wie dies bei Verschlüsselungsverfahren geschehen sei, deren mathematische Schritte seitdem als technische Mittel mitberücksichtigt würden.
Die Kammer folgt dieser Anregung nicht, denn der Gesamtzweck der Auktion, den geschäftlich geeignetsten (günstigsten, lieferfähigsten etc) Bieter zu ermitteln, wird auch nicht dadurch technisch, dass die Bieter der Online-Auktion möglicherweise Zulieferer von Autoteilen sind.
Der technische Gesamtzweck der Computer-Implementierung der Auktion besteht in deren Automatisierung und damit in ihrer schnelleren und einfacheren Handhabung. Dies ist jedoch der übliche technische Zweck jeder computer-gestützten Automatisierung und rechtfertigt daher keinen patentrechtlichen Sonderweg zugunsten einer bestimmten Art von Geschäftsmethoden (Auktionsverfahren). Der wirtschaftlich motivierte Wunsch, Geschäftsmethoden vor Nachahmern zu schützen, reicht als Zugangskriterium zum patentrechtlichen Schutz ebenfalls nicht aus.
2.5 Die Implementierung der Fristverlängerung mag technische Gesichtspunkte (Zeitmessung, -vergleich) umfassen, erfordert aber keinen erfinderischen Beitrag. Dies räumt implizit auch die Anmeldung ein, die Einzelheiten der Implementierung dem fachmännischen Leser überlässt. In der Anmeldung sind technische Gesichtspunkte nur angedeutet und als fachmännisches Wissen vorausgesetzt. Ausführlich und ausdrücklich dargestellt sind nur die Regeln zur Durchführung der angestrebten Auktion.
2.6 Insgesamt löst das beanspruchte Verfahren kein technisches Problem in technisch erfinderischer Weise und erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ 1973.
Hilfsantrag 1
3. Artikel 123 (2) EPÜ - Ursprüngliche Offenbarung
Die Darstellung des Restzeit-Intervalls und die Verlängerung der Auktion in dem Restzeit-Intervall gehen aus folgenden Stellen der A2-Schrift hervor: Seite 5, Absatz 2; Seite 8, Zeilen 8 bis 10; ursprüngliche Ansprüche 2 bis 4.
4. Artikel 56 EPÜ 1973 - Erfinderische Tätigkeit
4.1 Die Anmeldung nennt kein Kriterium für die Verlängerung einer Auktion. Insbesondere ist kein technisches Kriterium ersichtlich, gemäß dem die Länge eines Verlängerungsintervalls gewählt werden sollte. Sie könnte beliebig oder zufällig sein, etwa um die Bieter zu verunsichern --- aber Mittel und Zweck bleiben mangels Offenbarung spekulativ.
4.2 In der Schlussphase der Auktion wird den Bietern statt der verbleibenden Auktionszeit nur das Restzeit-Intervall dargestellt, in welchem (irgend)eine Verlängerung stattfindet oder nicht. Auf diese Weise fühlt sich ein Bieter möglicherweise veranlasst, vorsorglich rasch ein (besseres) Gebot abzugeben, weil er nicht weiß, wie lange er dazu noch Gelegenheit hat, falls genau in dieser Phase ein Gebot eines Konkurrenten eingehen sollte. Diese Geschäftspsychologie beruht nicht auf technischen Überlegungen und kann daher eine Feststellung erfinderischer Tätigkeit nicht stützen.
4.3 Eine "bedingte Änderung der Darstellung der verbleibenden Auktionszeit" (Beschwerdebegründung, Seite 5, Absatz 3) scheint zwar vordergründig ein technischer Gesichtspunkt zu sein. Bei näherer Betrachtung stellt sich diese Bedingung jedoch als nicht-technisch dar, nachdem der Auktionator aus ersichtlich ihm überlassenen Gründen festlegt, ob er die Bieter über die tatsächliche Restzeit der Auktion im Unklaren lässt, d.h. ob und wann er an den Bieterstationen die verbleibende Auktionszeit oder das Restzeit-Intervall anzeigen lässt.
Selbst wenn ein solcher Anzeigemodus ein Beitrag der Anmeldung gegenüber bekannten Online-Auktionen sein sollte, könnte er bei der Beurteilung erfinderischer Tätigkeit nicht berücksichtigt werden, denn er löst kein technisches Problem (T 72/95, Punkt 5.4: "technically non-functional modifications are therefore irrelevant to inventive step"). Daher braucht nicht nachgewiesen zu werden, ob eine bedingte Darstellung der Auktionszeit dem Fachmann in irgendeiner Form (zB als Teil der Aufgabenstellung) bekannt war oder nahelag (T 164/06, Punkt 7.4).
Eine technische Umsetzung der bedingten Darstellung der verbleibenden Auktionszeit ist nicht offenbart und somit als Routinemaßnahme des Fachmanns vorausgesetzt.
4.4 Die Kammer erkennt daher auch in Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags keinen erfinderischen technischen Beitrag.
Hilfsantrag 2
5. Artikel 13 (1) (3) VOBK - Zulassung des nachgereichten Hilfsantrags
Hilfsantrag 2 wurde zwar erst nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung vorgelegt. Jedoch erhöht er die Komplexität des Falls nicht wesentlich, die Kammer kann ohne erheblichen Zusatzaufwand über den Antrag mitentscheiden. Der Antrag erfordert keine Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung, die Dauer des Verfahrens verlängert sich nicht, Rechtssicherheit für Dritte wird nicht verzögert. In Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1) (3) VOBK nimmt die Kammer daher den nachgereichten Hilfsantrag 2 zur Entscheidung an.
6. Artikel 123 (2) EPÜ - Ursprüngliche Offenbarung
Der geänderte Anspruch 1 ist als Vorrichtungsanspruch formuliert. Insbesondere aus den ursprünglichen Ansprüchen 14 bis 16 (A2, Seite 22) geht hervor, dass die Anmeldung auch Vorrichtungen zur Durchführung des Auktionsverfahrens betrifft.
Im Vergleich zu Hilfsantrag 1 definiert der geänderte Anspruch 1 ferner das Zusatzmerkmal, dass der Server eine Einrichtung aufweist, die dem Zweck dient, nach Beendigung der Auktion mittels der ermittelten Kostenfunktionen der Gebote eine Untermenge der Bieter zur Durchführung einer weiteren Online-Auktion auszuwählen. In der Anmeldung ist die weitere Online-Auktion als "Nachverhandlung" (ursprünglicher Anspruch 11) oder "Online-Nachverhandlung" (A2, Seite 7, Absatz 2) bezeichnet.
7. Artikel 56 EPÜ 1973 - Erfinderische Tätigkeit
7.1 In der mündlichen Verhandlung argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die Einrichtung zur Auswahl einer Untermenge der Bieter diese Auswahl automatisch treffe, so dass eine etwaige Begünstigung einzelner Bieter durch eine auswählende Person ausgeschlossen sei. Mithin erfolge die Auswahl objektiver als durch einen Menschen (Compliance bezüglich innerbetrieblicher Richtlinien).
Die Kammer merkt zunächst am Rande an, dass nach ihrer Ansicht der Begriff "Einrichtung zur Auswahl einer Bieteruntermenge" auch eine Eingabeeinrichtung umfasst, mit deren Hilfe die Einkaufsabteilung (Einkauf 1) Bieter auswählen (zB auf einem Bildschirm anklicken) kann, die dann an einer zweiten Auktionsrunde teilnehmen dürfen (A2, Seite 7, Absatz 2).
7.2 Jedoch kann die Frage, wie breit das zusätzliche Anspruchsmerkmal auszulegen ist, dahinstehen, denn die Aufgabe, die kostengünstigsten der ursprünglichen Geschäftspartner in eine engere Wahl für eine Nachverhandlung einzubeziehen, beruht jedenfalls auf rein geschäftlichen Überlegungen und kann daher eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Ob die Nachverhandlung in Form einer zweiten Online-Auktion abläuft oder sonstige bekannte Kommunikationswege nutzt, ist eine Wahl zwischen naheliegenden Möglichkeiten.
Die Anmeldung überlässt die technische Implementierung wiederum dem Fachmann. Die Offenbarung im Zusammenhang mit Figur 1 ist rein schematisch und aufgabenhaft.
8. Aus den vorgenannten Gründen erkennt die Kammer in keiner der drei Fassungen des Anspruchs 1 eine erfinderische Bereicherung der Technik.
Antrag auf Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung
9. Äußerst hilfsweise hat die Beschwerdeführerin beantragt, die Sache zur Durchführung einer Recherche nach Stand der Technik an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen, da die Ansprüche nicht-notorische technische Merkmale enthalten würden. Dass eine Recherche möglich sei, habe zB die Druckschriftenermittlung des DPMA gezeigt, und auch die Datenbank espacenet des EPA enthalte zahlreiche Beispiele für elektronische Auktionsverfahren.
10. Nach der Rechtsprechung der Kammer sollte einerseits die Durchführung einer Recherche nicht davon abhängen, welche Relevanz ihr Ergebnis für die spätere Sachprüfung hat. Denn die Recherche ist Grundlage für die Sachprüfung und nicht umgekehrt (T 1242/04-Bereitstellung produktspezifischer Daten/MAN, ABl. EPA 2007, 421, Punkt 8.3).
Andererseits, nämlich falls keine Recherche durchgeführt wurde, braucht die Prüfungsabteilung dennoch keine Zusatz- oder Nachrecherche durchzuführen, wenn ihr Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit auf notorisches Fachwissen gestützt wird (T 1242/04, Punkt 9.2).
Im vorliegenden Fall zählen vernetzte Rechner nach dem Urteil der Kammer zweifellos zum notorischen Stand der Technik. Merkmale, die nicht zum technischen Charakter eines Anspruchsgegenstands beitragen (hier: Auktionsregeln, Kostenüberlegungen), brauchen nicht als bekannt nachgewiesen zu werden, da sie eine erfinderische Tätigkeit nicht stützen können.
11. Soweit nicht-notorische technische Implementierungen geltend gemacht werden, sind diese im Licht der Offenbarung zu beurteilen. Die als Auktionsregel vorgegebene Verlängerung der Zeitdauer erfordert zwar möglicherweise (irgend)eine technische Implementierung, die vielleicht auch mit nicht-notorischen Mitteln erfolgen könnte. Die Beschreibung offenbart aber keine solchen Mittel, sondern verbleibt im Bereich einer geschäftlich motivierten Aufgabe, die durch notorische programmtechnische Mittel zu verwirklichen ist. Es ist nicht die Pflicht der Prüfungsabteilung, sich ein in der Offenbarung fehlendes nicht-notorisches technisches Mittel auszudenken, um es dann zu recherchieren.
12. Nach dem Urteil der Kammer hat daher die Prüfungsabteilung eine Nachrecherche nicht zu Unrecht unterlassen. Eine Zurückverweisung zum Zweck einer Nachrecherche scheidet daher aus.
Antrag auf (Teil-)Erstattung der internationalen Recherchengebühr wegen Nicht-Durchführung der Recherche
13. Unzuständigkeit der Beschwerdekammer
Im vorliegenden Fall hat das EPA in der internationalen Phase der Anmeldung keine Recherche durchgeführt, sondern eine standardisierte Nicht-Recherche-Erklärung abgegeben. In der europäischen Phase hat das EPA auch keine Nachrecherche durchgeführt. Aufgrund dessen beantragt die Beschwerdeführerin eine --- ggf teilweise --- Erstattung der in der internationalen Phase an das EPA entrichteten Recherchengebühr.
Da die Kammer den Fall nicht an die Prüfungsabteilung zurückverweist, steht nunmehr fest, dass eine Recherche nicht nachgeholt wird.
Für den Antrag auf (Teil-)Erstattung der internationalen Recherchengebühr bei Nicht-Durchführung der Recherche sieht die Kammer sich jedoch nicht als zuständig an.
13.1 Das zentrale Argument der Beschwerdeführerin besteht darin, dass es einen Rechtsweg zur gerichtlichen Überprüfung von Handlungen des EPA als internationaler PCT-Behörde geben müsse (Rechtsweggarantie) und dass daher die Kammer dafür zuständig sein müsse, das Verhältnis zwischen internationaler Recherchengebühr und tatsächlicher Gegenleistung zu überprüfen.
Die Kammer ist sich der grundrechtlichen Rechtsweggarantie der EPÜ-Vertragsstaaten bewusst (siehe G 3/08, Punkt 7.2.1: "Nachprüfbarkeit allen staatlichen Handelns"; Punkt 7.2.2: "Rechtsweggarantie innerhalb der EPO"). Die gerichtliche Überprüfung, für die die Kammer zuständig ist, hat auch stattgefunden, nämlich ob nach den Kriterien des EPÜ das EPA im vorliegenden Fall die Durchführung einer Recherche zu Recht oder zu Unrecht ablehnte und ob dementsprechend eine Recherche entbehrlich oder erforderlich war. Die durchgeführte Überprüfung entspricht der Rechtsprechung, dass die Beschwerdekammern nur in der europäischen Phase Rechtsschutz gemäß dem EPÜ bieten und nur die Folgen einer Entscheidung einer PCT-Behörde regional korrigieren können (J 20/89, ABl. EPA 1991, 375; J 4/94).
Die Rechtsweggarantie bedeutet hingegen nicht, dass für jedwede Forderung gegen das EPA der Rechtsweg über die Beschwerdekammern zu führen hätte (siehe zB J 14/87, ABl. EPA 1988, 295, Punkt 13 der Entscheidungsgründe, Hinweis auf Artikel 9 EPÜ 1973).
13.2 Es ist unstreitig, dass für den Fall einer Nicht-Recherche-Erklärung keine ausdrückliche Rechtsgrundlage für eine (Teil-)Erstattung der internationalen Recherchengebühr existiert. Eine Erstattung ist für einen solchen Fall weder im PCT noch in der vom 31. Oktober 2001 datierenden und mehrfach aktualisierten Vereinbarung zwischen der Europäischen Patentorganisation und der WIPO (namentlich deren Anhang C, Teil II) geregelt, und auch ein einschlägiger Beschluss des EPA-Präsidenten (etwa nach dem Muster der Teilerstattung der Gebühr für die internationale vorläufige Prüfung, ABl. EPA 2001, 539) existiert nicht.
Die Kammer fügt an, dass die internationale Recherchengebühr nicht "grundlos" gezahlt wurde, sondern zusammen mit der internationalen Anmeldegebühr fällig wurde (Regel 16.1 f) und 15.4 PCT). Daher bildet im vorliegenden Fall auch Anhang C, Teil II, Absatz 1 der Vereinbarung keinen Tatbestand zur Erstattung der internationalen Recherchengebühr.
13.3 Somit zielt nach Ansicht der Kammer das Überprüfungsbegehren der Beschwerdeführerin darauf ab, dass die Kammer in die Gebührenregeln des PCT (zB Regel 16.2 oder 16.3 PCT) oder in die Vereinbarung zwischen EPO und WIPO (Anhang C, Teil II) eingreifen solle, um insbesondere für den Fall einer standardisierten Nicht-Recherche-Erklärung einen neuen Gebührenerstattungstatbestand zu schaffen und dadurch eine als ungerecht empfundene Gebührenkonstellation zu mildern.
Zu einem solchen Eingriff sieht sich die Kammer jedoch nicht befugt, und zwar unabhängig davon, ob das Fehlen eines Erstattungstatbestands das Ergebnis einer beabsichtigten oder unbeabsichtigten historischen Entwicklung der PCT-Vorschriften und -Vereinbarungen ist.
13.4 Nach Artikel 21 (1) EPÜ 1973 sind die Beschwerdekammern für die Prüfung von Beschwerden gegen Entscheidungen der Eingangsstelle, der Prüfungsabteilungen, der Einspruchsabteilungen und der Rechtsabteilung zuständig.
Somit können die Beschwerdekammern nicht in Beschlüsse der PCT-Vertragsstaaten eingreifen, und sie können nicht in die Vereinbarung zwischen der EPO und der WIPO eingreifen, denn ein solches Abkommen ist Sache des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation. Dieser kann den Präsidenten des Europäischen Patentamts ermächtigen, Verhandlungen über Abkommen mit zwischenstaatlichen Organisationen zu führen und diese Abkommen mit Genehmigung des Verwaltungsrats für die Europäische Patentorganisation zu schließen (Artikel 33 (4) EPÜ 1973 und 2000).
Die Zuständigkeit für die Schaffung neuer Gebührenerstattungstatbestände liegt bei den vorgenannten Entscheidungsträgern, deren Entscheidungen außerhalb der Zuständigkeit der Beschwerdekammer liegen. Die Große Beschwerdekammer hat zwar festgestellt (und insoweit eine Entscheidung des Verwaltungsrats überprüft), dass die Befugnisse des Verwaltungsrats durch das EPÜ begrenzt sind: er darf keine Regelung schaffen, die den Vorschriften des EPÜ selbst widersprechen würde (G 6/95, Punkt 4 der Entscheidungsgründe). Ein solcher Widerspruch ist im vorliegenden Fall jedoch weder dargetan noch ersichtlich.
13.5 Artikel 125 EPÜ 1973 erlaubt der Kammer nur die ergänzende Anwendung allgemein anerkannter Grundsätze des Verfahrensrechts und überträgt ihr insbesondere keine gebührenrechtliche Zuständigkeit.
13.6 Ein weiteres Argument der Beschwerdeführerin stützt sich auf die erforderliche Gleichbehandlung von europäischen und internationalen Anmeldungen. Wenn eine Anmeldung direkt als europäische Anmeldung eingereicht werde und zu ihr keine Recherche durchgeführt werde, sei die europäische Recherchengebühr wenigstens teilweise zu erstatten, da Artikel 9 der EPÜ-Gebührenordnung erkennbar auf dem Prinzip beruhe, dass die Höhe der Recherchengebühr dem Arbeitsaufwand des EPA entsprechen solle.
Die Kammer und die Beschwerdeführerin stimmen überein, dass in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern kein Präzedenzfall zu der Rechtsfrage existiert, ob im Fall einer direkten europäischen Anmeldung eine Nicht-Recherche-Erklärung (Regel 45 EPÜ 1973 bzw Regel 63 EPÜ) dazu führen könnte, dass die europäische Recherchengebühr ganz oder teilweise zu erstatten sei. Da der Vergleichsfall der Beschwerdeführerin ersichtlich hypothetisch ist, kann eine Ungleichbehandlung nicht festgestellt werden.
14. Da die Kammer für den Antrag auf (Teil-)Erstattung der internationalen Recherchengebühr bei Nicht-Durchführung der Recherche nicht zuständig ist, ist dieser Antrag unzulässig.
15. Die von der Beschwerdeführerin formulierten Rechtsfragen zur Vorlage an die Große Beschwerdekammer beziehen sich auf eine inhaltliche Behandlung des vorgenannten Antrags. Da die Kammer den Antrag bereits als unzulässig erachtet, legt sie diese Fragen mangels Entscheidungserheblichkeit nicht der Großen Beschwerdekammer vor.
Schon aus dem nämlichen Grund scheidet auch eine Abtrennung und Abgabe von Rechtsfragen an die Juristische Beschwerdekammer aus.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der internationalen Recherchengebühr wird als unzulässig verworfen.