T 1117/16 22-11-2022
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Vorrichtung zur Steuerung der Schaltbewegung eines Ventils
Zulassung einer erst im Beschwerdeverfahren geltend gemachten behaupteten offenkundigen Vorbenutzung (nein)
Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag: nein, Hilfsantrag 1': ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (Hilfsantrag 1: ja, Hilfsantrag 1': nein)
Patentansprüche - Klarheit nach Änderung
Patentansprüche - keine Prüfungsbefugnis
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - wesentlicher Verfahrensfehler wegen nicht stattgefundener Zeugeneinvernahme vor nationalen Gerichten (nein)
Kostenverteilung - unbillig
I. Die Beschwerde der Einsprechenden 1 richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 846 681 zurückzuweisen und die der Patentinhaberin durch die am 2. März 2016 abgehaltene mündliche Verhandlung entstandenen Kosten der Einsprechenden 1 gemäß Artikel 104 (1) EPÜ aufzuerlegen.
II. Im Einspruchsverfahren wurden fehlende Neuheit (Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54(1) EPÜ) und mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 56 EPÜ) als Einspruchsgründe angeführt.
III. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem auf die Druckschriften
D16|WO 02/093058 A1|
D17|US 4,683,454 |
Bezug genommen.
IV. Die Einsprechende 2 hat ihren Einspruch im Laufe des Einspruchsverfahrens zurückgenommen. Sie ist somit nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt (Artikel 107 Satz 2 EPÜ).
V. Nachdem sie sich im Verfahren vor der Einspruchsabteilung bereits auf die behaupteten und als oV1 und oV2 bezeichneten offenkundigen Vorbenutzungen bezogen hatte, machte die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 18. November 2016 erstmalig eine weitere angebliche offenkundige Vorbenutzung (im Folgenden "Vorbenutzung oV3") geltend und stützte ihren Antrag auf Widerruf des Streitpatents wegen fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit auch auf diese Vorbenutzung. Sie behauptete, dass im Jahr 2004 als "ThinkTop" bezeichnete Ventilsteuerungseinheiten von der dänischen Firma Alfa Laval Kolding A/S an die finnische Firma Tetra Pak Oy geliefert worden seien und dass eine solche Einheit mit der Seriennummer 96126155.02 als Teil eines integrierten Systems am 4. Mai 2005 von der Firma Tetra Pak Oy wiederum an die finnische Firma Valio Oy Lapinlahti Factory geliefert worden sei. Als schriftliche Beweismittel für diese Behauptung waren dem Schreiben eine "Eidesstattl. Versicherung Valtonen" und eine "Eidesstattl. Versicherung Drimus" beigefügt. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2016 wurden notariell beglaubigte Kopien der Originale dieser schriftlichen Erklärungen eingereicht. Die als "Eidesstattl. Versicherung Valtonen" bezeichnete Erklärung vom 21. März 2016 ist eine schriftliche Zeugenerklärung ("WITNESS STATEMENT") von Herrn Iiro Valtonen, einem Angestellten der Firma Tetra Pak Oy, der fünf Anlagen ("Exhibits" 1 bis 5) beigefügt sind. Die als "Eidesstattl. Versicherung Drimus" bezeichnete schriftliche Erklärung vom 9. November 2016 ist eine Stellungnahme des von der Firma Alfa Laval Kolding A/S beauftragten Sachverständigen Alin Marian Drimus ("EXPERT OPINION"), der vier Anlagen ("Exhibits" 1 bis 4) beigefügt sind.
VI. Mit einer Ladung vom 6. Mai 2020 wurden die Beteiligten zu einer für den 15. März 2021 anberaumten mündlichen Verhandlung geladen, die später auf den 22. November 2022 verlegt wurde.
VII. In der am 22. Januar 2021 erlassenen Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern in der seit dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung (VOBK 2020, ABl. EPA 2021, A35) brachte die Kammer ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage zum Ausdruck.
VIII. Am 22. November 2022 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Während der mündlichen Verhandlung reichte die Patentinhaberin geänderte Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1' ein. Die Beschwerdeführerin bestätigte in der mündlichen Verhandlung, dass sie die im Verfahren vor der Einspruchsabteilung behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen oV1 und oV2 nicht im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag 1 geltend mache und dass sie auch keine weiteren Einwände gegen den Hilfsantrag 1' habe.
IX. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Ferner beantragte sie die Aufhebung der Entscheidung über die anderweitige Kostenverteilung.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag) oder hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche eines der Hilfsanträge 1, 1', 1a, 2, 2a, 3, 3a, 4 oder 4a, wobei die Hilfsanträge 1, 2 und 3 mit der Beschwerdeerwiderung, die Hilfsanträge 1a, 2a, 3a, 4 und 4a mit Schreiben vom 13. Juni 2017 und der Hilfsantrag 1' in der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2022 eingereicht wurden.
X. Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung (entsprechend dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin) lautet wie folgt (die von der Einspruchsabteilung verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern eingefügt):
"Vorrichtung zur Steuerung der Schaltbewegung eines Ventils, [1.1] wobei die Steuervorrichtung (1) modular strukturiert ist und [1.2] das Ventil (100) wenigstens eine ein Schließglied (101; 101*) tragende, translatorisch oder rotativ bewegte Ventilstange (101a; 101a*) aufweist, [1.2.1] die Ventilstange(n) (101a; 101a*) mittels eines druckmittelbeaufschlagten Ventilantriebes (105) in zwei Endstellungen, eine Schließ- (SS) und eine Offenstellung (OS), verbracht wird/werden, [1.2.2] erforderlichenfalls wenigstens eine Ventilstange (101 a; 101a*) in eine zwischen diesen Endstellungen positionierte, eine Teiloffenstellung des zugeordneten Schließgliedes (101; 101*) bildende Zwischenstellung (ZS) verbracht wird, [1.3] die Steuervorrichtung (1) Mittel (5) zur Steuerung des Druckmittels (D) für den Ventilantrieb (105) [1.4] sowie einen Stellungsgeber (4) aufweist, [1.4.1] der wenigstens die Endstellungen und ggf. die Zwischenstellung (ZS) der Ventilstange (101a; 101a*) in Bezug auf ein festgelegtes Bezugssystem erfasst und diesbezügliche aktuelle Stellungsmeldungen liefert, [1.5] und die Steuervorrichtung (1) eine modulare, interne Steuereinheit (2) aufweist, die einerseits mit einer externen Steuereinheit (3) im Umfeld des Ventils (100) im Datenaustausch steht und andererseits die Mittel (Pilotventile) (5) zur Steuerung des Druckmittels (D) ansteuert, dadurch gekennzeichnet,
* [1.6.1] dass die interne Steuereinheit (2) eine standardisierte Betriebsspannung (UB) aufweist,
* [1.6.2] dass auch das(die) Pilotventil(e) (5) mit der standardisierten Betriebsspannung (UB) arbeitet(arbeiten),
* [1.6.3] dass in der Steuervorrichtung (1) ein Anpassungsmodul (I; I*) Aufnahme findet,
* [1.6.4] der über eine interne Schnittstelle (B) mit der internen Steuereinheit (2) verbunden ist,
* [1.6.5] dass die jeweilige Signalstruktur der Steuereinheit (2) und des Anpassungsmoduls (I; I*) an der internen Schnittstelle (B) gleich sind, und
* [1.6.6] dass die interne Steuereinheit (2) über den Anpassungsmodul (I; I*) spannungsversorgt ist."
XI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung durch die folgenden, von der Kammer durch Unterstreichung gekennzeichneten Änderungen in den Merkmalen 1.6.4 und 1.6.6:
"[1.6.4'] der über eine interne Schnittstelle (B) mit der internen Steuereinheit (2) und über eine externe Schnittstelle (A) mit der externen Steuereinheit (3) verbunden ist,"
"[1.6.6'] dass die interne Steuereinheit (2) über den Anpassungsmodul (I; I*) spannungsversorgt ist, wobei durch den Anpassungsmodul (I, I*) eine Anpassung an die jeweilige Betriebsspannung der externen Steuereinheit (3) erfolgt."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 des Hilfsantrags 1 entsprechen den abhängigen Ansprüchen 2 bis 10 des Patents in erteilter Fassung. Anspruch 4 des Hilfsantrags 1 hat folgenden Wortlaut:
"4. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der zweite Anpassungsmodul (AS-Interface Modul) (I*) die Signale und den Signalpegel der mit der standardisierten Betriebsspannung (UB) arbeitenden internen Steuereinheit (2) auf die entsprechenden Signale und den Signalpegel eines mit einer zweiadrigen BUS-Leitung arbeitenden AS-Interface BUS Datenübertragungssystems umsetzt und an einer externen Schnittstelle (A), über die er mit der externen Steuereinheit (3) verbunden ist, bereitstellt und auch in umgekehrter Richtung eine entsprechende Umsetzung vornimmt."
XII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1' ist identisch mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1. Im Vergleich zu Hilfsantrag 1 wurde der abhängige Anspruch 4 gestrichen und die abhängigen Ansprüche 5 bis 10 entsprechend neu nummeriert.
XIII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Zulassung der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung oV3
Die Vorbenutzung oV3 betreffe die am 4. Mai 2005 erfolgte Lieferung eines Geräts mit einer als "ThinkTop" bezeichneten Vorrichtung zur Steuerung der Schaltbewegung eines Ventils mit der Seriennummer 96126155.02, die die dänische Firma Alfa Laval Kolding A/S seit Ende 1999 vertrieben habe. Die Lieferung dieses Geräts sei zunächst an die Firma Tetra Pak Oy erfolgt und von dieser sei es dann als Teil eines Endprodukts an einen Endabnehmer weitergeliefert worden, also ohne jegliche Verpflichtung zur Geheimhaltung, sodass das gelieferte Gerät zum Stand der Technik gehöre. Dieses Gerät sei in den Anlagen 1 und 4 der eidesstattlichen Versicherung von Herrn Iiro Valtonen sowie in der eidesstattlichen Versicherung von Herrn Alin Marian Drimus, der die an die Firma Tetra Pak Oy gelieferte Steuervorrichtung als Sachverständiger untersucht habe, dargestellt.
Die Steuervorrichtung des vorbenutzten Geräts weise alle Merkmale des Anspruchs 1 des erteilten Streitpatents auf. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei somit nicht neu. Zu den Anspruchsmerkmalen 1.6.3, 1.6.4 und 1.6.6 werde mit Verweis auf die eidesstattliche Versicherung von Herrn Drimus bemerkt, dass das vorbenutzte Gerät in der Steuervorrichtung ein Anpassungsmodul aufweise, das einen ASI3+Chip enthalte (s. Seite 19, Absatz q) sowie Seite 11, Figur 10(b)), wobei das Anpassungsmodul in der Steuervorrichtung angeordnet und zur Spannungsversorgung an die interne Steuereinheit angeschlossen sei, was eine interne Schnittstelle impliziere (s. Seite 19, Absatz r) sowie Seite 11, Figur 10(b) und Seite 20, Absatz t)). Dabei sei zu berücksichtigen, dass ein Anpassungsmodul tatsächlich nur eine Baugruppe verlange, die eine oder mehrere Funktionen übernehme und durch elektronische Schaltkreise realisiert sei. Ein Modul sei nicht zwingend als eine mechanisch leicht austauschbare Einheit zu verstehen. Wie in der eidesstattlichen Versicherung von Herrn Drimus in Ziffer 3.6 erläutert werde, sei die Steuervorrichtung des vorbenutzten Geräts modular aufgebaut.
Die Vorbenutzung oV3 sei durch die beiden eidesstattlichen Versicherungen bewiesen und somit hochrelevant, weshalb deren Zulassung nach den in der Entscheidung T 691/12 festgelegten Grundsätzen zum Verfahren geboten sei. Die Beschwerdeführerin habe erst im September 2016 von der offenkundigen Vorbenutzung oV3, an der sie nicht beteiligt gewesen sei, Kenntnis erlangt. Die Vorbenutzung stamme nicht aus der Sphäre der Beschwerdeführerin, sondern sie sei von Dritten darauf aufmerksam gemacht worden. Deshalb habe sie diese Vorbenutzung nicht früher im Verfahren geltend machen können.
Die Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass die Vorbenutzung nicht nachgewiesen sei, sei nicht richtig. Dies lasse sich anhand der vorgelegten Beweismittel überprüfen. Die von der Beschwerdegegnerin zitierte Entscheidung T 129/88 sei deshalb im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Hinsichtlich der eidesstattlichen Erklärungen komme es nicht entscheidend auf die genaue Bezeichnung bzw. Überschrift an. Im vorliegenden Fall sei auch zu berücksichtigen, dass Herr Valtonen die Erklärung in Finnland und Herr Drimus in Dänemark abgegeben habe. Dort sei die Bezeichnung "sworn statement" nicht üblich und im dänischen bzw. finnischen Recht auch nicht vorgesehen. Stattdessen sei die im Rechtsverkehr in Dänemark und Finnland übliche Formulierung "promise and affirm on my honor and conscience" verwendet worden.
Der Antrag auf Widerruf des Streitpatents wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit werde auch auf die offenkundige Vorbenutzung oV3 gestützt.
Hauptantrag
Ausgehend vom Dokument D16 beruhe der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Interpretation der Einspruchsabteilung, wonach der Stellungsmelder 5 des Dokuments D16 insgesamt als interne Steuereinheit im Sinne des Anspruchs 1 gelte, widerspreche dem Wortlaut des Anspruchs 1, der verlange, dass die Steuervorrichtung Mittel zur Steuerung des Druckmittels für den Ventilantrieb sowie einen Stellungsgeber aufweise. Anspruch 1 verlange zudem, dass die Steuervorrichtung eine modulare, interne Steuereinheit aufweise. Demnach könne im Sinne des Streitpatents der Stellungsmelder 5 bestehend aus Sensoreinheit 5.1 und Kommunikationseinheit 5.2 nur als Steuervorrichtung angesehen werden, nicht aber als interne Steuereinheit. Der Stellungsmelder 5 enthalte nämlich sowohl einen Stellungsgeber (die Sensoreinheit 5.1) gemäß Merkmal 1.4 als auch Mittel zur Steuerung des Druckmittels gemäß Merkmal 1.3. Nach dem Merkmal 1.5 sei die interne Steuereinheit Teil der Steuervorrichtung, was auf den Mikroprozessor 8 zutreffe. Der Mikroprozessor 8 stehe dabei über die Schnittstelle 8g mit einer externen Steuereinheit in Verbindung und steuere über die Signalanpassung 8c und die Schnittstellen 8e und 8h die Pilotventile. Die Aufgabe der Signalanpassung sei es, die Pilotventile mit Strom zu versorgen und die Kommunikation zwischen dem Mikroprozessor 8 und den Pilotventilen zu ermöglichen. Der Mikroprozessor sei somit eine interne Steuereinheit gemäß dem Merkmal 1.5. Die Verbindung mit den Pilotventilen werde in der Sensoreinheit 5.1 einfach durchgeleitet. Die Signalanpassung 8c sei ein Anpassungsmodul im Sinne des Merkmals 1.6.3. Das Streitpatent verwende den Begriff in der allgemeinen Beschreibung nur in Absatz [0012], der jedoch keinen weitergehenden Inhalt als die betreffenden Anspruchsmerkmale habe. Die Signalanpassung 8c sei ersichtlich über eine interne Schnittstelle mit dem Mikroprozessor 8 als der internen Steuereinheit verbunden, sodass auch das Merkmal 1.6.4 erfüllt sei. Der Mikroprozessor 8 werde über die Signalanpassung 8c mit Spannung versorgt. Der Mikroprozessor 8 und die Signalanpassung 8c erfüllten somit auch das Anspruchsmerkmal 1.6.6. Das Merkmal 1.6.1 sei im Dokument D16 implizit offenbart, da Mikroprozessoren standardisierte Betriebsspannungen benötigten. Für das Verständnis des Anspruchsmerkmals 1.6.5 sei der Absatz [0016] des Streitpatents von Bedeutung. Demnach verwiesen gleiche Signalstrukturen der Steuereinheit und des Anpassungsmoduls darauf, dass Signale und Signalpegel der internen Steuereinheit auf eine vorgegebene externe Spannung und in umgekehrter Richtung entsprechende Signale der externen Spannung auf den entsprechenden Pegel der internen Signale umzusetzen seien. Eben dies leiste die Signalanpassung 8c des Dokuments D16. In Anbetracht der Offenbarung auf Seite 9, Zeile 31 bis Seite 10, Zeile 4 des Dokuments D16 sei deshalb auch das Merkmal 1.6.5 bekannt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents unterscheide sich vom Dokument D16 nur durch das Merkmal 1.6.2. Das Dokument D16 enthalte diesbezüglich keine Angaben.
Indem das Anpassungsmodul nur eine einzige, einheitliche Betriebsspannung zur Verfügung stelle, vereinfache sich sein Aufbau. Es wäre für einen Fachmann deshalb bereits ohne zusätzliche Anregung naheliegend gewesen, die bekannte Signalanpassung gemäß dem Merkmal 1.6.2 auszugestalten. Zudem erläutere das Streitpatent in Absatz [0004] zutreffend, dass dieses Merkmal bei bekannten Steuerköpfen regelmäßig verwirklicht sei. Für einen Fachmann wäre es deshalb naheliegend gewesen, den aus dem Dokument D16 bekannten Steuerkopf so auszubilden, dass die Signalanpassung 8c den Pilotventilen 9, 10, 11 und dem Mikroprozessor 8 jeweils dieselbe Betriebsspannung zur Verfügung stelle. Ausgehend vom Dokument D16 wäre ein Fachmann deshalb unter Inanspruchnahme seines allgemeinen Fachwissens in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt.
Unabhängig davon hätte ein Fachmann im Dokument D17 Anregungen gefunden, die ihn ausgehend vom Dokument D16 in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 geführt hätten. Das Dokument D17 lehre nämlich, bei einem Steuerkopf für Ventile die Modularität zu steigern, indem die Spannungsversorgung über steckbare Module vorgenommen werde, die beispielsweise eine externe Wechselspannung in eine von dem Steuerkopf benötigte Gleichspannung umwandelten. Dokument D17 offenbare somit ein Anpassungsmodul, mit dem ein Steuerkopf beispielsweise nach Bedarf für 230 V, 50 Hz Wechselspannung oder 110 V, 60 Hz Wechselspannung ausgerüstet werden könne. Mit einem Anpassungsmodul zur Umwandlung von externer Wechselspannung in Gleichspannung gemäß dem Dokument D17 lasse sich der Aufbau der recht aufwendigen Signalanpassung 8c der aus dem Dokument D16 bekannten Vorrichtung vereinfachen, da auf diese Weise die Signalanpassung 8c als ein einfacher DC/DC Wandler ausgelegt werden könne, während anderenfalls die Signalanpassung 8c sowohl einen AC/DC als auch einen DC/DC Wandler aufweisen müsse. Diese Vereinfachung durch eine zusätzliche Modularisierung der Signalanpassung 8c entspreche im Übrigen auch der im Dokument D16 auf Seite 9 im letzten Absatz erläuterten Lehre, die Schaltungsanordnung modular aufzubauen.
Für den Fall, dass kein Anpassungsmodul im Dokument D16 offenbart sei, ergäben sich zwei Teilaufgaben. Während die erste, vom Merkmal 1.6.2 gelöste Teilaufgabe in der sinnvollen Auswahl der Betriebsspannung der verschiedenen Komponenten bestehe, könne die zweite, von den Merkmalen 1.6.3 bis 1.6.6 gelöste Teilaufgabe dahingehend formuliert werden, den Lagerbestand zu verringern. Dabei liege kein synergistischer Effekt vor.
Hilfsantrag 1
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei das Merkmal "externe Schnittstelle" ohne die weiteren Merkmale der Ansprüche 3 oder 4 in der ursprünglich eingereichten Fassung aufgenommen worden. Somit liege eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vor. Zudem finde sich in der von der Beschwerdegegnerin genannten Textpassage auf Seite 4 der Beschreibung keine externe Schnittstelle. Außerdem habe der Begriff "verbunden" in Merkmal 1.6.4' eine andere Bedeutung als der auf Seite 13, Zeile 26 bis Seite 14, Zeile 2 der ursprünglich eingereichten Anmeldung verwendete Begriff "angekoppelt". In Zusammenschau mit dem geänderten Merkmal 1.6.6' des Anspruchs 1 seien auch die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 4 des Hilfsantrags 1 ohne Stütze in den Anmeldungsunterlagen.
Daher liege ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vor.
Hilfsantrag 1'
- Zulässigkeit der Änderungen
Die Einwände der unzulässigen Änderungen, die gegen den Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 erhoben worden seien, beträfen auch Anspruch 1 des Hilfsantrags 1'.
- Klarheit
In Merkmal 1.6.4' sei die Verbindung mit der externen Steuereinheit hinzugefügt. Die externe Steuereinheit sei jedoch nicht eindeutig Teil der beanspruchten Vorrichtung. Vielmehr sei der Begriff "verbunden" in diesem Zusammenhang als "verbindbar" zu verstehen. Die externe Schnittstelle sei vorgesehen, sodass, wenn die Vorrichtung im Betrieb an eine externe Steuereinheit angeschlossen sei, ein Datenaustausch stattfinden könne. Anspruch 1 sei daher nicht deutlich gefasst.
- Erfinderische Tätigkeit
Die auf Seite 8, Zeilen 27 bis 32 des Dokuments D16 erwähnte Steuerung stelle eine externe Steuereinheit dar. Sie werde über die in Figur 1 mit mindestens vier Klemmen versehene Klemmenleiste 8f mit der Kommunikationseinheit 5.2 verbunden. Werde die externe Steuereinheit mit einer anderen Spannung betrieben als die interne Steuereinheit, dann müsse diese angepasst werden. Deswegen schließe die aus der Kombination der Dokumente D16 und D17 nahegelegte Lösung, die Signalanpassung 8c als eigenständiges Anpassungsmodul zu gestalten, auch eine externe Schnittstelle für die Verbindung mit der externen Steuereinheit mit ein. Eine Verbindung über den Anschluss 8g hätte keine Anpassung der Spannung ermöglicht und sei deshalb unwahrscheinlich. Das im Dokument D16 genannte Parametrisierungsgerät diene lediglich der Zuweisung von Parametern am Anfang des Ventilbetriebs.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1' beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wesentlicher Verfahrensfehler
Die Einspruchsabteilung habe die im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachten Vorbenutzungen oV1 und oV2 als unbewiesen angesehen, jedoch verkannt, dass bei der Entscheidung über die Frage, ob eine Vorbenutzung stattgefunden habe oder nicht, alle Begleitumstände zu berücksichtigen und zu würdigen seien. Zu diesen Begleitumstanden gehöre auch eine unbegründete Aussageverweigerung der angebotenen Zeugen. Nach Singer/Stauder, Europäisches Patentübereinkommen, 7. Auflage, Rdnr. 92 zu Artikel 117 EPÜ, habe das Europäische Patentamt eine unbegründete Verweigerung der Aussage eines Zeugen entsprechend zu würdigen. In Anbetracht der eindeutigen Erklärungen der Zeugen, nicht (mehr) zu einer Aussage bereit zu sein, habe die Beschwerdeführerin beantragt, die Zeugen durch ein nationales Gericht vernehmen zu lassen, da dies die einzige Möglichkeit sei, von einem unwilligen Zeugen eine Aussage zu erhalten. Das habe die Einspruchsabteilung nicht als erforderlich angesehen, obwohl bereits eine Entscheidung über eine Beweisaufnahme erlassen worden sei und die entsprechenden Kostenverzichtserklärungen vorgelegen hätten. Auch gäbe es keinen Grund, Kostenvorschüsse für die Zeugen zu bezahlen, nachdem sie schon erklärt hätten, nicht zu der mündlichen Verhandlung zu kommen. Dabei seien die Kosten für eine Zeugeneinvernahme vor nationalen Gerichten wesentlich geringer als für die Vernehmung von Zeugen vor dem Europäischen Patentamt. Die Einspruchsabteilung habe der Beschwerdeführerin jedoch nie die Möglichkeit gegeben, einen Kostenvorschuss für eine Zeugeneinvernahme durch nationale Gerichte einzuzahlen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Vernehmung unwilliger Zeugen durch ein nationales Gericht, obwohl sie eine längere Dauer des Verfahrens impliziere, die einzige Möglichkeit sei, deren Aussage zu erhalten und somit den Beweis über die von der Einspruchsabteilung als relevant angesehenen Vorbenutzungen zu erbringen. Es sei anzumerken, dass Artikel 131 (2) EPÜ eine gerichtliche Einvernahme von Zeugen vorsehe. Die von der Beschwerdegegnerin zitierte Regel 120 EPÜ enthalte keine abschließende Aufzählung der Fälle, in denen eine gerichtliche Vernehmung durchgeführt werden könne. Der Begriff "kann" in Absatz 1 dieser Vorschrift beziehe sich nicht auf die Möglichkeit des Europäischen Patentamts, die Zeugen nach Belieben zu laden, sondern darauf, dass die Zeugen nur für entscheidungsrelevante Themen zu laden seien. Regel 120 Absatz 1 EPÜ dürfe auch nicht so gelesen werden, dass ein Zeuge vor ein nationales Gericht zu laden wäre, wenn er sich innerhalb der in der Ladung festgesetzten Frist nicht geäußert habe, nicht aber dann, wenn er sich weigere auszusagen. Nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen, auf die Artikel 125 EPÜ verweist, hätten Zeugen kein Zeugnisverweigerungsrecht. Dies würde den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen der Vertragsstaaten des Europäischen Patentamts widersprechen.
Die Einspruchsabteilung habe somit einen schweren Verfahrensfehler begangen, indem sie entschieden habe, die als Beweis für die behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen oV1 und oV2 angebotenen Zeugen nicht vor einem nationalen Gericht vernehmen zu lassen, obwohl die Vorbenutzungen oV1 und oV2 von ihr als relevant angesehen worden seien und die Zeugen vor dem zuständigen nationalen Gericht kein Zeugnisverweigerungsrecht hätten.
Kostenentscheidung
Die Kostenauferlegung zugunsten der Beschwerdegegnerin gemäß der angefochtenen Entscheidung sei unbillig. Nach dem Verfahrensstand und der Antragslage sei aus folgenden Gründen keine mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung erforderlich gewesen: Nachdem die vormalige Einsprechende 2 das Erscheinen der Zeugen angekündigt und die entsprechenden Kostenverzichtserklärungen der Zeugen eingereicht habe, habe die Beschwerdeführerin angekündigt, nicht an der anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen. Auf die überraschende Rücknahme des Einspruchs der vormaligen Einsprechenden 2 hin habe die Einspruchsabteilung dann den Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben. In Anbetracht dieser überraschenden und grundlegenden Änderung der Verfahrensumstände habe die Beschwerdeführerin darauf umgehend mit einem Antrag auf mündliche Verhandlung reagiert. Nachdem die Zeugen aber schriftlich erklärt hätten, dass sie nicht zu einer Aussage bereit seien und deshalb nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen würden, habe die Beschwerdeführerin den Antrag gestellt, die Zeugen vor einem nationalen Gericht vernehmen zu lassen. Außerdem habe sie zwanzig Tage vor der mündlichen Verhandlung ihren Antrag auf mündliche Verhandlung ausdrücklich zurückgenommen. Die Kosten seien also durch die Einspruchsabteilung, die die mündliche Verhandlung ohne Notwendigkeit abgehalten habe, verursacht worden und nicht durch das Verhalten der Beschwerdeführerin. Es stelle auch keinen Verfahrensmissbrauch dar, dass die Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung ursprünglich lediglich zur Erbringung eines Zeugenbeweises habe nutzen wollen.
XIV. Der Vortrag der Beschwerdegegnerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Zulassung der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung oV3
Es werde beantragt, die behauptete offenkundige Vorbenutzung oV3 nicht in das Verfahren zuzulassen. Es handle sich bei dieser neu vorgebrachten Vorbenutzung nicht um eine Reaktion auf die Beschwerdeerwiderung, sondern um einen ganz neuen Angriff gegen das Streitpatent, der nicht durch das Vorbringen der Beschwerdegegnerin veranlasst worden sei. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei deshalb verspätet und nicht zu berücksichtigen. Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Umstand, warum sie die Vorbenutzung oV3 nicht früher im Verfahren habe vorbringen können, könne nicht zum Nachteil der Beschwerdegegnerin berücksichtigt werden. Außerdem seien vorliegend die in der Entscheidung T 691/12 aufgestellten strengen Voraussetzungen für erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgebrachte offenkundige Vorbenutzungen nicht erfüllt, da das Verhalten der Beschwerdeführerin einen Verfahrensmissbrauch darstelle. Gemäß der Entscheidung T 129/88 solle in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine behauptete offenkundige Vorbenutzung nicht in der Sphäre der Einsprechenden liege und die maßgeblichen Tatsachen ohne Mitwirkung einer an dem Verfahren nicht beteiligten Partei, in deren Sphäre die Vorbenutzung liege, schwer zu ermitteln seien, von weiteren Ermittlungen von Amts wegen abgesehen werden.
Darüber hinaus sei die Vorbenutzung oV3 in keiner Weise lückenlos nachgewiesen. Die zur Stützung vorgelegten schriftlichen Erklärungen seien keine eidesstattlichen Versicherungen. Es handle sich um einfache schriftliche Erklärungen mit einer entsprechend geringen Beweiskraft. Auch seien die beiden Erklärungen teilweise wortidentisch. Offenbar seien sie nicht von den Erklärenden selbst formuliert worden, sondern vermutlich von der Patentanwaltskanzlei. Herr Valtonen könne die Tatsachen zu dem angeblichen Verkauf aus dem Jahr 2004 nicht aus persönlicher Kenntnis und Erinnerung bestätigen, da er erst seit dem 3. Februar 2014 bei Tetra Pak Oy beschäftigt sei. Herr Drimus wiederum sei augenscheinlich für die Anfertigung des Gutachtens bezahlt worden, vermutlich von der Firma Alfa Laval Kolding A/S, sodass dem Parteigutachten keine unvoreingenommene Prüfung des Sachverhalts zugrunde gelegen habe. Daher seien die Erklärungen ungeeignet, die Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzung oV3 nachzuweisen. Außerdem sei der angebliche Verkauf, der die Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzung oV3 belegen solle, nach den hier anzulegenden strengen Maßstäben nicht nachgewiesen, da dazu im Wesentlichen keine schriftlichen Unterlagen vorgelegt worden seien. Die der Erklärung Valtonen beigefügten Anlagen 1 und 4 seien undatiert. Der der Erklärung Valtonen als Anlage 3 beigefügte Auszug aus einer elektronischen Kundenauftragsliste sei unleserlich. Es handle sich zudem um einen offenbar nach dem Prioritätstag des Streitpatents erstellten Auszug aus einem internen Bestellsystem. Es sei somit nicht sichergestellt, dass er nicht aus einer Zeit nach dem Prioritätstag stamme bzw. nach dem Prioritätstag verändert worden sei. Der behauptete Verkauf der Ventilsteuerung sei damit nicht nachgewiesen. Dazu hätten Verkaufsunterlagen vorgelegt werden müssen, insbesondere ein Auftrag, eine Auftragsbestätigung, ein Lieferschein und eine Rechnung.
Außerdem sei die Vorbenutzung oV3 nicht prima facie relevant. Es fehle dem angeblich vorbenutzten Gegenstand unter anderem an einem Anpassungsmodul, das über eine interne Schnittstelle mit der internen Steuereinheit verbunden sei. Ein Modul bilde nämlich eine "mechanisch leicht austauschbare Einheit". Gemäß dem fachmännischen Verständnis der Merkmale 1.6.3 und 1.6.4 von Anspruch 1 müsse das erfindungsgemäße Anpassungsmodul also als ein diskretes Bauteil angesehen werden, das über die interne Schnittstelle als trennfähige Verbindung mit der internen Steuereinheit verbunden sei. Bei der Ventilsteuerung "ThinkTop" befänden sich die von der Beschwerdeführerin als Anpassungsmodul und interne Steuereinheit angesehenen Komponenten jedoch zusammen auf einer gemeinsamen Leiterplatte. Sie seien über in die Leiterplatte integrierte Leitbahnen elektrisch miteinander verbunden und mit einer Epoxidschicht bedeckt. Sie seien also gerade nicht leicht austauschbar und über eine trennfähige Verbindung miteinander verbunden. Der Aufbau der Steuereinheit des "ThinkTop" sei für den Fachmann nicht erkennbar, da er vollständig mit einem Epoxidharz bedeckt sei. Eine zerstörungsfreie Untersuchung der Steuereinrichtung sei daher nicht möglich gewesen, sodass die vom Harz bedeckten Komponenten selbst durch einen Verkauf ohne Geheimhaltung nicht der Öffentlichkeit zugänglich geworden seien. Damit seien die Merkmale 1.6.3 bis 1.6.6 nicht in für den Fachmann erkennbarer Weise durch die angebliche offenkundige Vorbenutzung oV3 offenbart worden.
Hauptantrag
Das Dokument D16 stelle den nächstkommenden Stand der Technik dar und offenbare lediglich den Oberbegriff von Anspruch 1. Die Anordnung des Stellungsgebers 5.1a in der Sensoreinheit 5.1 zeige, dass das Dokument D16 eine grundlegend anders strukturierte Steuervorrichtung offenbare als die Erfindung. Die Merkmale 1.6.1 und 1.6.2 von Anspruch 1 seien in Kombination miteinander zu betrachten. Wie die Einspruchsabteilung überzeugend dargelegt habe, sei im Dokument D16 das gesamte Bauteil 5 als interne Steuereinheit anzusehen, und nicht nur die Bestandteile 8, 8a und 8b. Nur gemeinsam erfüllten die Einheiten 5.1 und 5.2 die Funktionen der internen Steuereinheit nach Merkmal 1.5 des Anspruchs 1. Einerseits realisiere die in Figur 1 des Dokuments D16 dargestellte Kommunikationseinheit 5.2 über die Anschlüsse der Klemmenleiste 8f den Datenaustausch mit einer nicht dargestellten externen Steuereinheit im Umfeld des Ventils. Andererseits steuere die Sensoreinheit 5.1 die Pilotventile 9 bis 11 über die Anschlüsse 8h, welche somit zur internen Steuereinheit gehörten, an (s. Dokument D16, Seite 16, Zeile 26 bis Seite 17, Zeile 27). Die Signalanpassung 8c des Dokuments D16 sei darüber hinaus nicht über eine lösbare Verbindung mit der internen Steuereinheit verbunden. Die interne Steuereinheit werde nicht über die Signalanpassung 8c mit Spannung versorgt, sondern die Signalanpassung 8c bilde selbst einen integralen Bestandteil der internen Steuereinheit. Die Signalanpassung 8c des Dokuments D16 bilde also kein Anpassungsmodul im Sinne der Erfindung. Sie sei keine "mechanisch leicht austauschbare Einheit". Es sei nicht richtig, dass eine aus dem gesamten Stellungsmelder 5 bestehende interne Steuereinheit nicht zu der von Anspruch 1 erforderten Modularität der Steuervorrichtung führen würde, denn das Merkmal "modular" werde in der Beschreibung des Streitpatents nur im Kontext des ersten und zweiten Anpassungsmoduls und der internen Steuereinheit verwendet. Die beanspruchte modulare Struktur der Steuervorrichtung setze nicht voraus, dass alle Komponenten der Steuervorrichtung, also insbesondere auch der Stellungsgeber und die Mittel zur Steuerung des Druckmittels, modular seien. Im Dokument D16 sei weder für das Pilotventilsystems noch für den Magnetwandler 5.1a eine modulare Struktur offenbart.
Damit sei im Dokument D16 keines der Merkmale 1.6.1, 1.6.2. 1.6.3, 1.6.4 und 1.6.5 offenbart. Die Vorrichtung gemäß Dokument D16 sei daher mit den Nachteilen behaftet, die in den Absätzen [0004] bis [0007] des Streitpatents erläutert seien. Entsprechend stelle sich ausgehend vom Dokument D16 als nächstkommendem Stand der Technik für den Fachmann die in Absatz [0009] des Streitpatents genannte objektive Aufgabe, die Vorrichtung derart auszugestalten, dass sie weitgehend vorgefertigt und sehr einfach auf unterschiedliche Betriebsspannungen oder Datenprotokolle umrüstbar sei, dass der Lagerbestand dieser Vorrichtungen verringert werden könne und das Erreichen wirtschaftlicher Stückzahlen leichter als bisher möglich sei. Die Unterscheidungsmerkmale führten nicht zu verschiedenen Teilaufgaben. Durch die Kombination dieser Merkmale werde vielmehr erreicht, dass trotz unterschiedlicher Betriebsspannungen der externen Steuereinheit nur eine interne Steuereinheit gebraucht werde. Aus den beiden in den Absätzen [0010] und [0011] des Streitpatents erwähnten Grundgedanken ergäben sich die in Absatz [0009] angesprochenen Vorteile.
Die Beschwerdeführerin kombiniere das Dokument D16 mit der Offenbarung in Absatz [0004] des Streitpatents und der technischen Lehre des Dokuments D17. Diese Kombination von drei Quellen des Standes der Technik sei nicht gerechtfertigt.
Es sei nicht erkennbar, wie der Fachmann, ausgehend vom Dokument D16, auf Grundlage seines allgemeinen Fachwissens, das im Übrigen von der Beschwerdeführerin in keiner Weise belegt worden sei, zu sämtlichen im Dokument D16 fehlenden Merkmalen sowie den damit verbundenen Vorteilen der beanspruchten Erfindung hätte gelangen können. Die genannten Angaben im Streitpatent könnten schon aufgrund fehlender Vorveröffentlichung dem Fachmann keinen Hinweis auf die Lehre der Erfindung nach dem Streitpatent geben. Die Ausführungen in Absatz [0004] des Streitpatents, welcher sich auf Absatz [0003] und nicht auf Absatz [0002] beziehe, stellten daher keinen Stand der Technik dar. Darüber hinaus sei die in Absatz [0004] erwähnte Betriebsspannung von 24 Volt Gleichspannung (24 VDC) nur eine von vielen Möglichkeiten. In den Absätzen [0005] und [0006] sei offenbart, dass ein Betrieb mit einer anderen Spannung als 24 VDC bzw. eine Vielfalt unterschiedlicher interner Steuereinheiten möglich sei.
Das Dokument D17 zeige zwar ein Anpassungsmodul zur Anpassung eines elektromagnetischen Stellantriebs für ein Ventil an unterschiedliche elektrische Verbindungsstecker. Es seien aber weder Pilotventile noch Stellungsgeber offenbart. Auch eine interne Steuereinheit und eine parallele Spannungsversorgung einer internen und externen Steuereinheit seien nicht offenbart. Das Dokument D17 gebe dem Fachmann daher keinen Hinweis auf die Kombination der Merkmale 1.6.1 und 1.6.2. Gleiches gelte für das Merkmal 1.6.5. Damit fehlten auch in der Zusammenschau der Dokumente D16 und D17 wesentliche Merkmale des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1. Außerdem arbeite das Ventil gemäß Dokument D16 im Gegensatz zu dem Ventil gemäß Dokument D17 autark. Es bestehe keinerlei Anlass, das komplexe, in einer Leiterplatte integrierte elektronische Bauteil 8c des Dokuments D16 durch einen aus dem Dokument D17 bekannten Adapterstecker zu ersetzen, zumal bereits an mehreren Stellen im Dokument D16 die Modularität der Steuervorrichtung betont sei, ohne dass die Signalanpassung jedoch modular aufgebaut sei. Die Kombination dieser Dokumente könne die Lehre der Erfindung nach Anspruch 1 des Streitpatents nicht nahelegen.
Daher beruhe der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsantrag 1
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 seien die Merkmale 1.6.4 und 1.6.6 weiter konkretisiert worden. Die ursprüngliche Offenbarung dieser geänderten Merkmale finde sich auf Seite 4, Zeilen 20 bis 23, sowie auf Seite 13, Zeile 26 bis Seite 14, Zeile 2, der ursprünglich eingereichten Anmeldung. Eine Grundlage für die "externe Schnittstelle" finde sich auch in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 3 und 4. Da nur zwei Varianten des Anpassungsmoduls offenbart seien, nämlich die in den Figuren 1 und 2 dargestellten AC- bzw. AS-Interface Module, und da die Verbindung zu einer externen Steuereinheit über eine externe Schnittstelle für jedes Anpassungsmodul gegeben sei, führe die Aufnahme der externen Schnittstelle ohne Angabe der Ausstattung als AC-Modul oder als AS-Modul nicht zu einer Zwischenverallgemeinerung. Anspruch 4 des Hilfsantrags 1 entspreche dem ursprünglich eingereichten Anspruch 4.
Somit seien die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt.
Hilfsantrag 1'
- Zulässigkeit der Änderungen
Anspruch 4 des Hilfsantrags 1 sei gestrichen worden. Daher liege kein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vor.
- Klarheit
Die externe Steuereinheit sei Teil der beanspruchten Vorrichtung. Der Wortlaut des Merkmals 1.6.4' enthalte den Begriff "verbunden", nicht "verbindbar". Dies ergebe sich auch aus dem Merkmal 1.5, wonach die interne Steuereinheit mit einer externen Steuereinheit "im Datenaustausch steht". Der Datenaustausch komme durch die Verbindung mit der externen Steuereinheit zustande. Deshalb sei Anspruch 1 deutlich gefasst.
- Erfinderische Tätigkeit
Durch das Merkmal 1.6.6' müsse das Anpassungsmodul jetzt zwischen der internen Steuereinheit und einer externen Steuereinheit angeordnet sein. Die aus dem Dokument D16 bekannte Steuervorrichtung offenbare zwar einen Anschluss 8g für ein Parametrisierungsgerät (vgl. Seite 8, Zeilen 28 bis 32). Dieser sei allerdings nicht mit der Signalanpassung 8c verbunden. Die Klemmenleiste 8f sei nicht für eine Verbindung mit einer externen Steuereinheit vorgesehen. Eine solche Verbindung sei nicht offenbart. Auch das Dokument D17 könne das Merkmal 1.6.6' nicht nahelegen. Eine Änderung der technischen Aufgabenstellung sei angesichts der Änderungen in den Merkmalen 1.6.4' und 1.6.6' nicht erforderlich.
Wesentlicher Verfahrensfehler
Es liege keiner der beiden in Regel 120 EPÜ genannten Fälle, in denen das Europäische Patentamt Zeugen vor einem zuständigen nationalen Gericht vernehmen lassen könne, vor. Der erstgenannte Fall liege nicht vor, da die als Beweis für die angeblichen offenkundigen Vorbenutzungen oV1 und oV2 angebotenen Zeugen erklärt hätten, dass sie für eine Zeugeneinvernahme nicht zur Verfügung stünden. Der zweite Fall einer erneuten Vernehmung liege hier offensichtlich ebenfalls nicht vor. Für ein Ersuchen des Europäischen Patentamts auf Vernehmung der Zeugen durch das zuständige nationale Gericht bestehe deshalb kein Raum. Zeugen, die eine Partei zu einer offenkundigen Vorbenutzung benannt habe, dürften nach Ausscheiden dieser Partei aus dem Verfahren nicht von einer anderen Partei dazu genutzt werden, einen ihr unbekannten Sachverhalt auszuforschen. Dies käme einem unzulässigen Ausforschungsbeweis gleich. Ein Weiterverfolgen der Vorbenutzungen durch das Europäische Patentamt hätte eine Amtsermittlung dargestellt. Eine Amtsermittlung dürfe aber, wie in der Entscheidung T 129/88 ausgeführt, nicht bis zur Prüfung einer behaupteten offenkundigen Vorbenutzung gehen, wenn die Partei, die diese Behauptung zu einem früheren Zeitpunkt aufgestellt habe, aus dem Verfahren ausgeschieden sei und alle maßgeblichen Tatsachen ohne ihre Mitwirkung schwer zu ermitteln seien.
Regel 122 EPÜ mache die Beweisaufnahme abhängig von einem Kostenvorschuss, der von der Partei zu entrichten sei, die sich auf die Zeugen berufe. Da gemäß Regel 120 EPÜ auch die Vernehmung vor dem zuständigen nationalen Gericht eine solche Beweisaufnahme darstelle, sei auch hier die Entrichtung des Kostenvorschusses zwingend. Da sich die Beschwerdeführerin - nach der Ladung zu einer nur wegen der von ihr geforderten Zeugeneinvernahme anberaumten zweiten mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung - standhaft und abschließend geweigert habe, einen Kostenvorschuss für die Zeugen zu entrichten, sei die Vernehmung der Zeugen vor einem nationalen Gericht bereits aus formalen Gründen ausgeschlossen. Aus den Eingaben der Zeugen zur ersten anberaumten mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung sei offensichtlich gewesen, dass sich die damals vorliegenden Kostenverzichtserklärungen nur auf die im Rahmen der ersten mündlichen Verhandlung durchzuführende Beweisaufnahme bezogen hätten. Sogar wenn Regel 120 EPÜ nicht als eine "Kann"-Vorschrift zu verstehen sei, hätte die Einspruchsabteilung aufgrund dieser Weigerung die Zeugen nicht laden müssen. Die Erklärung der Beschwerdeführerin, dass sie keinen Kostenvorschuss für eine Zeugeneinvernahme entrichten werde, könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie den Kostenvorschuss möglicherweise nur nicht für eine Zeugeneinvernahme vor dem Europäischen Patentamt entrichten wollte, dies aber für eine Zeugeneinvernahme vor einem nationalen Gericht getan hätte. Zudem dürften die Kosten für eine Zeugeneinvernahme vor einem nationalen Gericht, unter anderem aufgrund des Auslandsbezugs der Zeugen, erheblich höher sein, als bei einer Teilnahme der Zeugen an einer mündlichen Verhandlung vor dem Europäischen Patentamt.
Kostenentscheidung
Nachdem die Beschwerdeführerin ihren hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem ersten im Einspruchsverfahren anberaumten Verhandlungstermin zurückgenommen habe und die vormalige Einsprechende 2 daraufhin ihren Einspruch zurückgenommen habe, hätte die Einspruchsabteilung bei der seinerzeitigen Sachlage eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren erlassen können. Mit ihrem anschließenden Antrag, die bereits zuvor geladenen Zeugen doch noch zu vernehmen, habe die Beschwerdeführerin eine erneute Ladung zu einer mündlichen Verhandlung verursacht. Daher sei diese zweite mündlichen Verhandlung allein auf das Verhalten der Beschwerdeführerin zurückzuführen. Unter Berücksichtigung des vorherigen Verhaltens der Beschwerdeführerin habe die Einspruchsabteilung die zweite mündliche Verhandlung nach der Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung seitens der Beschwerdeführerin nicht absagen können. Sie habe vielmehr sicherstellen müssen, dass das auf Grundlage des verfahrensmissbräuchlichen Verhaltens der Beschwerdeführerin zum damaligen Zeitpunkt bereits um ein Jahr verzögerte Verfahren zu einem Abschluss komme. Die Beschwerdeführerin habe durch ihr voriges Verhalten im Einspruchsverfahren gezeigt, dass auf die Rücknahme ihres Antrags auf mündliche Verhandlung kein Verlass sei. Es sei deshalb davon auszugehen gewesen, dass die Beschwerdeführerin bei einer Absage der zweiten mündlichen Verhandlung versucht hätte, das Verfahren durch einen weiteren Antrag auf mündliche Verhandlung wieder erheblich zu verzögern. Deshalb habe die Einspruchsabteilung am zweiten anberaumten Verhandlungstermin festgehalten, wie sie in der dann tatsächlich stattgefundenen mündlichen Verhandlung dem Vertreter der Beschwerdegegnerin mündlich mitgeteilt habe. Die Beibehaltung des zweiten Verhandlungstermins durch die Einspruchsabteilung sei also folgerichtig gewesen. Die Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung durch die Beschwerdeführerin ändere nichts daran, dass die Durchführung der zweiten mündlichen Verhandlung durch ihr Verhalten in dem vorangegangenen Einspruchsverfahren verursacht worden sei. Bei dieser Sachlage seien zur pflichtgemäßen Wahrung der Interessen der Beschwerdegegnerin die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und das Erscheinen des Vertreters der Beschwerdegegnerin erforderlich gewesen. Sie habe ihren Antrag auf mündliche Verhandlung für den Fall gestellt, dass die Einspruchsabteilung die Aufrechterhaltung des Streitpatents gemäß Hauptantrag nicht im schriftlichen Verfahren beschließen könne. Ein solcher Beschluss im schriftlichen Verfahren wäre bei einem anderen Verhalten der Beschwerdeführerin im Vorfeld möglich gewesen, da die Einspruchsabteilung zu dem Ergebnis gelangt sei, dass eine Zeugeneinvernahme vor einem nationalen Gericht nicht angezeigt sei. Entsprechend habe auch vor diesem Hintergrund keine Notwendigkeit für die Durchführung der zweiten mündlichen Verhandlung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdegegnerin bestanden.
Folglich sei die Entscheidung der Einspruchsabteilung, der Beschwerdeführerin die der Beschwerdegegnerin durch die zweite mündliche Verhandlung entstandenen Kosten aufzuerlegen, richtig gewesen.
Anzuwendendes Recht
1. Die dem Streitpatent zugrundeliegende Anmeldung wurde am 16. Januar 2006 eingereicht. Deshalb sind im vorliegenden Fall gemäß dem Beschluss des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 243) die Artikel 54 (2), 56, 84, 100 und 131 EPÜ 1973 sowie Artikel 101, 104, 117 und 123 EPÜ in der am 13. Dezember 2007 in Kraft getretenen Fassung (im Folgenden: "EPÜ") anzuwenden. Zur Vermeidung von Widersprüchen und Regelungslücken gelten Übergangsregelungen für Artikel des EPÜ entsprechend für diesen Vorschriften zugeordnete und sie ausgestaltende Regeln der Ausführungsordnung (vgl. Entscheidung J 10/07 der Juristischen Beschwerdekammer vom 31. März 2008, Punkt 1.3 der Entscheidungsgründe). Da Regel 120 EPÜ dem Artikel 117 EPÜ zugeordnet ist und zudem den Regelungsinhalt von Artikel 117 (4) bis (6) EPÜ 1973 weitgehend übernimmt, ist sie im vorliegenden Fall ebenfalls anwendbar.
2. Die Beschwerde ist vor dem Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) am 1. Januar 2020 eingereicht worden. Diese ist für am Tag des Inkrafttretens bereits anhängige Beschwerden ebenso anwendbar wie für danach eingelegte Beschwerden (Artikel 25 (1) VOBK 2020). Für Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung ist daher Artikel 13 (1) VOBK 2020 anzuwenden, wobei die darin enthaltenen Kriterien der Ermessensausübung im Wesentlichen auf der ständigen Rechtsprechung im Hinblick auf Artikel 13 (1) der zuvor geltenden Fassung (VOBK 2007) beruhen. Da die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 6. Mai 2020 und damit nach dem Inkrafttreten der VOBK 2020 zugestellt wurde, ist gemäß Artikel 25 (1) und (3) VOBK 2020 für die Frage der Änderung des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach dieser Zustellung Artikel 13 (2) VOBK 2020 anzuwenden.
Zulassung der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung oV3
3. Mit Schreiben vom 18. November 2016 hat die Beschwerdeführerin eine offenkundige Vorbenutzung (Vorbenutzung oV3) behauptet und ihren "Antrag auf Widerruf des Streitpatents wegen Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit" auch auf diese Vorbenutzung gestützt (s. Punkt V oben).
4. Die Vorbenutzung oV3 wurde erstmals nach dem Einreichen der Beschwerdebegründung und vor der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung geltend gemacht und stellt daher eine Änderung des Beschwerdevorbringens nach Artikel 13 (1) VOBK 2020 dar. Artikel 13 (1) VOBK 2020 implementiert die sogenannte zweite Stufe des im Beschwerdeverfahren anzuwendenden Konvergenzansatzes und schränkt die Möglichkeit einer Änderung des Beschwerdevorbringens in dieser Beschwerdephase ein (s. auch Dokument CA/3/19, Abschnitt VI, Erläuterungen zu Artikel 13 (1), 1. Absatz, Satz 1 und 2).
Nach Artikel 13 (1) Satz 1 VOBK 2020 bedarf eine Änderung eines Beteiligten in dieser Phase rechtfertigender Gründe seitens des Beteiligten, und ihre Zulassung steht im Ermessen der Kammer. Der Beteiligte muss gemäß Artikel 13 (1) Satz 3 VOBK 2020 die Gründe dafür angeben, weshalb er die Änderung erst in dieser Phase des Beschwerdeverfahrens einreicht. Artikel 13 (1) Satz 4 VOBK 2020 enthält eine nicht erschöpfende Liste von Kriterien für die Ausübung des Ermessens seitens der Kammer. Die Kammer berücksichtigt insbesondere den Stand des Verfahrens, die Eignung der Änderung zur Lösung der von einem anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren in zulässiger Weise aufgeworfenen Fragen oder der von der Kammer selbst aufgeworfenen Fragen, ferner ob die Änderung der Verfahrensökonomie abträglich ist.
5. Die Kammer stellt zunächst fest, dass die Beschwerdebegründung nur Ausführungen enthält, warum der Fachmann ausgehend vom Dokument D16 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen oder mit dem Dokument D17 in naheliegender Weise zu dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gelangt wäre, und dass es diesem Gegenstand somit an einer erfinderischen Tätigkeit fehle.
6. Die Beschwerdeführerin hat dargelegt, dass sie von der von ihr behaupteten offenkundigen Vorbenutzung oV3, an der sie nicht beteiligt gewesen sei, erst im September 2016 Kenntnis erlangt habe, indem sie von Dritten darauf aufmerksam gemacht worden sei, und dass sie deshalb diese Vorbenutzung nicht früher in das Verfahren habe einführen können. Außerdem habe sie diese Vorbenutzung unverzüglich, nachdem sie von ihr Kenntnis erlangt habe, geltend gemacht. Damit hat sie Gründe gemäß Artikel 13 (1) Satz 3 VOBK 2020 dafür angegeben, weshalb sie die Vorbenutzung oV3 erst in dieser Phase des Beschwerdeverfahrens vorgebracht hat.
Die Kammer sieht in den von der Beschwerdeführerin angegebenen Gründen keine Rechtfertigung für das erstmalige Vorbringen der Vorbenutzung oV3 nach Einreichung der Beschwerdebegründung.
Nach der gefestigten Rechtsprechung müssen die Beteiligten die Tatsachen, Beweismittel und Argumente frühzeitig vorbringen. Es wurde insbesondere in den Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 9/91 und G 10/91 (ABl. EPA 1993, 408, 420) festgestellt, dass der Hauptzweck des zweiseitigen Beschwerdeverfahrens darin besteht, die Entscheidung der Vorinstanz letztinstanzlich zu überprüfen, wodurch dem Unterlegenen die Möglichkeit gegeben wird, die ihm nachteilige Entscheidung anzufechten und ein gerichtliches Urteil über die Richtigkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung zu erwirken. Dieses vorrangige Ziel ist nunmehr auch in Artikel 12 (2) VOBK 2020 verankert. Somit ist der faktische und rechtliche Rahmen des Einspruchsverfahrens weitestgehend für das nachfolgende Beschwerdeverfahren bestimmend. Damit sind den Beteiligten in ihrer Verfahrensführung gewisse Grenzen gesetzt, die sich im zweiseitigen Verfahren namentlich aus dem Prinzip der Fairness gegenüber den anderen Beteiligten sowie generell aus den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Verfahren ergeben. Insbesondere sind die Beteiligten im zweiseitigen Verfahren auch zur sorgfältigen und beförderlichen Verfahrensführung verpflichtet. Dazu gehört es, alle relevanten Tatsachen, Beweismittel, Argumente und Anträge so früh und vollständig wie möglich vorzulegen (s. hierzu auch die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage, Juli 2022, (nachfolgend "Rechtsprechung"), V.A.5.2.1). Ein Einsprechender, der im Einspruchsverfahren unterlegen ist, kann im Beschwerdeverfahren neuen Stand der Technik vorbringen. Er hat jedoch keinen Rechtsanspruch darauf, dass dieses neue Vorbringen in das Beschwerdeverfahren zugelassen wird. Vielmehr hängt die Zulassung von neuem Vorbringen von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen ab und liegt gegebenenfalls im Ermessen der Kammer. Diese Grundsätze spiegeln sich auch in Artikel 13 (1) VOBK 2020 wieder.
Es ist unerheblich, ob die Beschwerdeführerin von der von ihr behaupteten offenkundigen Vorbenutzung oV3 tatsächlich erst im September 2016 Kenntnis erlangt hat und sie deshalb nicht früher in das Verfahren hat einführen können. Die Suche nach möglichen Entgegenhaltungen fällt in den Verantwortungsbereich der Einsprechenden. Die Tatsache, dass sie einen Stand der Technik nicht rechtzeitig entdeckt, rechtfertigt nicht, das Gebot der Verfahrensökonomie oder das Prinzip der Fairness gegenüber der anderen Beteiligten zu missachten. Die zufällig spät erlangte Kenntnis von der angeblichen offenkundigen Vorbenutzung oV3 darf also der Beschwerdegegnerin nicht zum Nachteil gereichen. Die angebliche Vorbenutzung kann deshalb nicht berücksichtigt werden, zumal sie auch nicht als Reaktion auf das Vorbringen der Beschwerdegegnerin angesehen werden kann.
7. Was die in Artikel 13 (1) Satz 4 VOBK 2020 genannten Kriterien für die Ermessensausübung betrifft, vermag die Kammer nicht zu erkennen, inwiefern die Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin zur Lösung von Fragen, die die Beschwerdegegnerin in zulässiger Weise aufgeworfen hat, geeignet sein soll. Vielmehr stellt das geänderte Vorbringen der Beschwerdeführerin einen ganz neuen Angriff gegen das Streitpatent dar, der nicht durch das Vorbringen der Beschwerdegegnerin veranlasst worden ist. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin diesbezüglich nichts vorgetragen.
8. Ein weiteres Kriterium in Artikel 13 (1) Satz 4 VOBK 2020 ist, ob die Änderung des Beschwerdevorbringens der Verfahrensökonomie abträglich ist.
9. Das geänderte Vorbringen der Beschwerdeführerin betrifft eine zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren vorgebrachte behauptete offenkundige Vorbenutzung. Nach der Rechtsprechung müssen alle zur Ermittlung des Zeitpunkts, des Gegenstands und der Umstände der Vorbenutzungshandlung dienlichen Tatsachen vorliegen, damit die vermeintliche Relevanz des verspäteten Vorbringens ohne weitere Ermittlungen sinnvoll beurteilt werden kann. Selbst wenn der vorliegende Vortrag der Beschwerdeführerin als substantiiert anzusehen wäre, so hat die Beschwerdegegnerin stichhaltig dargelegt, dass nicht alle Behauptungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Vorbenutzung oV3 nachgewiesen worden sind. Es wären deshalb weitere Ermittlungen und Nachweise erforderlich, die dem Gebot einer fairen, zügigen Verfahrensführung zuwiderlaufen würden. Darüber hinaus wäre zumindest eine der Bedingungen a) bis c), die in der Entscheidung T 691/12 aufgestellt wurden, nicht erfüllt.
In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass die Entscheidung T 129/88 einen anderen Sachverhalt betrifft, da im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin, die die Behauptung der offenkundigen Vorbenutzung oV3 aufgestellt hat, nicht aus dem Beschwerdeverfahren ausgeschieden ist.
10. Die Beschwerdeführerin hat zwei schriftliche Beweismittel vorgelegt, die sie jeweils als eine "eidesstattliche Versicherung" bezeichnet hat. Da die Aufzählung in Artikel 117 (1) EPÜ nicht abschließend ist, kann es nach Auffassung der Kammer dahingestellt bleiben, ob es sich bei den eingereichten schriftlichen Beweismitteln um eidesstattliche Versicherungen handelt. Die Frage, um welche Art von Erklärung es sich tatsächlich handelt, könnte allenfalls für die Beweiskraft dieser Erklärungen von Belang sein. Allerdings möchte die Kammer darauf hinweisen, dass es sich bei der "EXPERT OPINION" von Herrn Drimus um kein Sachverständigengutachten i.S.v. Artikel 117 (1) e) EPÜ handeln kann, sondern vielmehr um ein sog. Parteigutachten, das als eine einfache schriftliche Erklärung eines am Verfahren nicht beteiligten Dritten zu werten ist.
Die vorliegenden Unterlagen können den behaupteten Verkauf bzw. die behauptete Lieferung des Gegenstands der Vorbenutzung oV3 prima facie nicht lückenlos belegen. Weder die schriftliche Erklärung von Herrn Valtonen noch jene von Herrn Drimus enthalten einen Nachweis dafür, dass die Ventilsteuerungseinheit mit der Seriennummer 96126155.02, auf die beide Erklärungen Bezug nehmen, durch Verkauf und/oder Lieferung vor dem Prioritätstag des Patents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. In Punkt 2.5 seiner schriftlichen Erklärung gibt Herr Valtonen mit Verweis auf einen Auszug aus einer elektronischen Kundenauftragsliste ("Exhibit 3") an, dass das Produkt mit der Seriennummer 96126155.02 ("the Product Specimen") im Mai 2004 an die Firma Valio Oy Lapinlahti Factory ("the Customer") verkauft und geliefert worden sei. Verkaufsbelege, Lieferscheine oder sonstige Beweisstücke wurden hierzu jedoch nicht vorgelegt oder angeboten, obwohl angeblich hunderte weitere Ventilsteuerungseinheiten verkauft und geliefert worden sind ("hundreds of additional valave control units and valve devices were purchased from Alfa Laval and sold and delivered to the Customer").
11. Darüber hinaus ist die behauptete offenkundige Vorbenutzung oV3, selbst wenn bewiesen, prima facie nicht relevanter als der vorliegende druckschriftliche Stand der Technik.
Die Merkmale 1.6.3, 1.6.4 und 1.6.6 des erteilten Anspruchs 1 verlangen, dass in der Steuervorrichtung ein Anpassungsmodul Aufnahme findet, das über eine interne Schnittstelle mit der internen Steuereinheit verbunden ist, welche über das Anpassungsmodul spannungsversorgt ist. Die Beschwerdeführerin hat unter Verweis auf einzelne Textstellen in der Erklärung von Herrn Drimus zwar vorgetragen, dass der angeblich vorbenutzte Gegenstand auch die Merkmale 1.6.3, 1.6.4 und 1.6.6 des erteilten Anspruchs 1 aufgewiesen habe. Hinsichtlich der technischen Merkmale des angeblich vorbenutzten Gegenstands folgt aus der Erklärung von Herrn Drimus jedoch, dass die Signalanpassung "AS-interface", genauso wie die weiteren elektronischen Komponenten, fest auf der Leiterplatte verlötet, mit einer Epoxyschicht überdeckt und daher Bestandteil der vorbenutzten, in der Figur 10 (a) dargestellten internen Steuereinheit war (s. Punkt 3.6 der Erklärung: "the internal controller was disassembled", "the controller pcb", "All electronic printed ciruit boards were covered with epoxy", "with heat application, it was possible to remove some of the epoxy such as to expose the main chips mounted on the printed circuit boards", "to uncover the AS-interface chip"; s. auch Seite 19, dritte Spalte der Erklärung zu Merkmal q: "This is documented by photos of the PCB after removing of the epoxy"). Dies wird auch durch die Figuren 12, 13 und 14 des "Exhibit 3" der Erklärung von Herrn Drimus bestätigt.
Außerdem ermöglicht die Erklärung von Herrn Valtonen keine Aussage über eine mögliche höhere Relevanz der Vorbenutzung oV3 gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik, da der Vergleich des angeblich vorbenutzten Gegenstands mit der beanspruchten Erfindung in Punkt 3.2 dieser Erklärung keine technischen Merkmale, die den Merkmalen 1.6.1 bis 1.6.6 des erteilten Anspruchs 1 entsprechen könnten, erwähnt.
12. Aus den vorgenannten Gründen hält die Kammer die Behauptungen der Beschwerdeführerin zur Vorbenutzung oV3 prima facie nicht für relevanter als der druckschriftliche Stand der Technik und für nicht schlüssig und lückenlos nachgewiesen. Daher kann die Kammer nicht ohne weitere Ermittlungen zur Feststellung des Gegenstands und der Umstände der Vorbenutzung oV3 eindeutig und abschließend beurteilen, ob diese Vorbenutzung zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ 1973 gehört, und wenn ja, welche Merkmale der vorbenutzte Gegenstand offenbart hat. Es würde deshalb dem Grundsatz der Verfahrensökonomie widersprechen, die behauptete offenkundige Vorbenutzung oV3 in das Beschwerdeverfahren zuzulassen und zu prüfen. 13. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob das Verhalten der Beschwerdeführerin bezüglich des verspäteten Vorbringens als verfahrensmissbräuchlich anzusehen ist. Auch die von der Beschwerdegegnerin aufgeworfene Frage, warum die dänische Firma Alfa Laval Kolding A/S einen erst seit 2014 angestellten Mitarbeiter einer anderen, finnischen Firma damit beauftragte, die offenkundige Vorbenutzung eines von ihr im Jahr 2004 hergestellten Produkts nachzuweisen, und diese Information erst in einem sehr späten Verfahrensstadium an die Beschwerdeführerin weiterleitete, kann deshalb unbeantwortet bleiben. 14. Aus den oben genannten Gründen hat die Kammer die behauptete offenkundige Vorbenutzung oV3 in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1) VOBK 2020 nicht in das Verfahren zugelassen. Somit ist auch jeglicher Einwand der fehlenden Neuheit oder der fehlenden erfinderischen Tätigkeit, der sich auf diese Vorbenutzung stützt, nicht zu berücksichtigen.|
Hauptantrag (erteiltes Patent)
Ausgangspunkt - Dokument D16
15. Die Beteiligten sind sich einig, dass das Dokument D16 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt. Die Kammer sieht keinen Grund, hiervon abzuweichen.
16. Das in Absatz [0002] des Streitpatents gewürdigte Dokument D16 beschreibt eine Vorrichtung zur Steuerung der Schaltbewegung eines Ventils. Am oberen Ende der Ventilstange 3 sind mehrere Hallsensoren 5.1a angeordnet, die die End- und Zwischenstellungen der Ventilstange erfassen. Sie dienen als Stellungsgeber im Sinne des Anspruchsmerkmals 1.4. In Funktion der in der Sensoreinheit 5.1 erfassten Messsignale werden in der|FORMEL/TABELLE/GRAPHIK Ausschnitt aus Figur 1des Dokuments D16|
Kommunikationseinheit 5.2 elektrische Signale erzeugt, mit denen die Pilotventile 9, 10 und 11 betätigt werden (Merkmal 1.3), um so die unterschiedlichen Kolben 105a-c des Ventils gezielt mit Druckmittel zu beaufschlagen.
17. Aus dem oben dargestellten Ausschnitt aus Figur 1 in Verbindung mit der Beschreibung des Dokuments D16 ist ersichtlich, dass die Steuervorrichtung des Dokuments D16, wie vom Merkmal 1.1 verlangt, modular strukturiert ist. Gemäß Seite 8, Zeilen 28 und 29 des Dokuments D16 wird die "Kommunikationseinheit [...] in die Sensoreinheit eingesteckt", d.h. sie sind austauschbar miteinander verbunden. Dementsprechend sind in Figur 1 zwischen der Kommunikationseinheit 5.2 und der Sensoreinheit 5.1 die Schnittstellen 8d und 8e ersichtlich. Außerdem offenbart Seite 8, Zeilen 27 und 28 des Dokuments D16, dass "die Sensoreinheit Steckanschlüsse für die Pilotventile" aufweist. In Figur 1 ist der betreffende Anschluss mit dem Bezugszeichen 8h gekennzeichnet. Auch aus der Beschreibung auf Seite 9, Zeilen 18 bis 27 des Dokuments D16 ("modular aufzubauen" und "jeweils durch Aufstecken entsprechender modularer Bauteile") folgt unmissverständlich, dass die Steuervorrichtung modular strukturiert ist.
18. Das Merkmal 1.5 verlangt, dass die Steuervorrichtung eine modulare, interne Steuereinheit aufweist. Diese soll einerseits mit einer externen Steuereinheit im Umfeld des Ventils im Datenaustausch stehen. Andererseits ist sie dazu gedacht, die Pilotventile anzusteuern. Die Kommunikationseinheit 5.2 des Dokuments D16 erfüllt all diese Bedingungen: Sie ist modular (s. Punkt 17. oben), sie kann über den Anschluss 8g mit einer externen Steuereinheit verbunden werden (s. das auf Seite 17, Zeilen 21 bis 25 erwähnte Parametrierungsgerät), und sie steuert anhand des Mikroprozessors 8, des Datenspeichers 8a und der Signalanpassung 8c direkt die Pilotventile an (s. Seite 17, Zeilen 25 bis 27). Folglich stellt die Kommunikationseinheit 5.2 des Dokuments D16 eine interne Steuereinheit im Sinne von Merkmal 1.5 dar.
19. Die Sichtweise der Beschwerdegegnerin, dass nicht die Kommunikationseinheit 5.2, sondern der gesamte Stellungsmelder 5 des Dokuments D16, d.h. die Kombination der Kommunikationseinheit 5.2 und der Sensoreinheit 5.1, als interne Steuereinheit zu betrachten sei, ist nicht überzeugend. Durch die Merkmale 1.3, 1.4 und 1.5 ist nämlich festgelegt, dass die Mittel zur Steuerung des Druckmittels, der Stellungsgeber und die interne Steuereinheit unterschiedliche Bestandteile der Steuervorrichtung bilden. Die in Figur 1 des Dokuments D16 dargestellte Sensoreinheit 5.1 kann daher nicht gleichzeitig den Stellungsgeber 5.1a umfassen und Teil der internen Steuereinheit sein. Die Tatsache, dass die Pilotventile 9, 10 und 11 nicht direkt, sondern über den Anschluss 8h der Sensoreinheit 5.1 und die Schnittstelle 8e mit der Kommunikationseinheit 5.2 verbunden sind, steht dem nicht entgegen, denn die elektrische Verbindung von der Kommunikationseinheit 5.2 zu den Pilotventilen verläuft ohne nachweisbare Signalverarbeitung zwischen den Schnittstellen 8e und 8h. Sie wird einfach durch die Sensoreinheit 5.1 hindurchgeleitet.
20. Auch dem Argument der Beschwerdeführerin, dass der Mikroprozessor 8 die Funktion der internen Steuereinheit erfülle, kann nicht gefolgt werden. Zwar werden die Pilotventile 9, 10 und 11 von dem in der Kommunikationseinheit 5.2 vorgesehenen Mikroprozessor 8 angesteuert. Die von Merkmal 1.1 erforderte modulare Struktur der Steuervorrichtung setzt aber voraus, dass die einzelnen Funktionseinheiten dieser Vorrichtung austauschbar angeordnet sind. Die Darstellung gemäß Figur 1 lässt jedoch vermuten, dass sowohl der Mikroprozessor 8 als auch der Datenspeicher 8a, das interne Bedien- und Anzeigefeld 8b und die Signalanpassung 8c direkt auf eine gemeinsame Leiterplatte gelötet sind. Mangels gegenteiliger Hinweise im Dokument D16 lässt sich nicht folgern, dass der Mikroprozessor 8 für sich genommen eine modulare, interne Steuereinheit darstellt.
Unterscheidungsmerkmale
21. Es ist unbestritten, dass sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 durch das Merkmal 1.6.2 von der Steuervorrichtung des Dokuments D16 unterscheidet. Es fehlt im Dokument D16 nämlich eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung dafür, dass die Pilotventile mit der gleichen standardisierten Betriebsspannung arbeiten wie die interne Steuereinheit.
Außerdem ist die für die Spannungswandlung zuständige Signalanpassung 8c im Dokument D16 ein integraler Bestandteil der Kommunikationseinheit 5.2 (s. Figur 1 und Seite 9, Zeile 31 bis Seite 10, Zeile 4 und Seite 17, Zeilen 21 bis 27). Ähnlich wie der Mikroprozessor 8 ist die Signalanpassung 8c somit keine als Modul ausgebildete Funktionseinheit der Steuervorrichtung.
Somit kann auch keine interne Schnittstelle zwischen der internen Steuereinheit und der Signalanpassung vorliegen.
22. Daher sind die Merkmale 1.6.2 bis 1.6.6 des erteilten Anspruchs 1 nicht im Dokument D16 offenbart.
Objektive technische Aufgabe
23. Aus den Absätzen [0016], [0017] und [0018] des Streitpatents folgt, dass die technische Wirkung eines eigenständigen Anpassungsmoduls, das über eine interne Schnittstelle mit der internen Steuereinheit verbunden ist, darin liegt, dass die notwendigen Anpassungsmaßnahmen, die gemäß dem Dokument D16 von der Signalanpassung 8c innerhalb der Kommunikationseinheit 5.2 vorgenommen werden und laut Absatz [0006] des Streitpatents zu einem relativ großen Aufwand zur jeweiligen Aus- und/oder Umrüstung der Ventilsteuerungen und zu einem hohen Lagerbestand führen, keinen Einfluss auf die Ausgestaltung und Auslegung der standardisierten internen Steuereinheit haben, so dass letztere unverändert zur Anwendung kommt.
24. Die Beschwerdeführerin hat überzeugend dargelegt, dass das Merkmal 1.6.2 nicht zwingend zu einer Reduzierung des Lagerbestands führt. Der Betrieb von Pilotventilen mit der standardisierten Betriebsspannung der internen Steuereinheit bedeutet, dass die interne Steuereinheit umgerüstet werden muss oder dass entsprechende weitere Anpassungsmaßnahmen erforderlich sind (s. Absatz [0037] des Streitpatents), sobald Pilotventile, welche mit einer anderen Spannung als die der internen Steuereinheit betrieben werden, in der Steuervorrichtung eingesetzt werden. Die Kammer sieht deshalb keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Merkmal 1.6.2 und der technischen Wirkung eines eigenständigen Anpassungsmoduls, das über eine interne Schnittstelle mit der internen Steuereinheit verbunden ist, zumal die Merkmale 1.6.3 bis 1.6.6 ausschließlich das Anpassungsmodul und die interne Steuereinheit sowie die Schnittstelle zwischen dem Anpassungsmodul und der internen Steuereinheit betreffen. Eine Signal- bzw. Spannungsanpassung zwischen der internen Steuereinheit und den Mitteln zur Steuerung des Druckmittels (den Pilotventilen) ist nicht beansprucht. Es handelt sich bei den Merkmalen 1.6.2 einerseits und 1.6.3 bis 1.6.6 andererseits somit um eine bloße Aggregation von Merkmalen, die in keiner funktionellen Wechselwirkung zueinander stehen. Es liegt somit kein synergistischer Effekt vor.
25. Es ist daher angebracht, Teilaufgaben für die jeweiligen Merkmalsgruppen zu formulieren. Zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs genügt es dabei, wenn eine dieser Gruppen etwas Erfinderisches enthält (s. T 345/90, Punkt 5 der Entscheidungsgründe, und T 701/91, Punkte 6.4 und 6.5 der Entscheidungsgründe).
26. Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass die erste Teilaufgabe in der sinnvollen Auswahl der Betriebsspannung der verschiedenen Komponenten besteht. Diese Aufgabe wird durch das Merkmal 1.6.2 gelöst. Die zweite Teilaufgabe ergibt sich dann aus den Merkmalen 1.6.3 bis 1.6.6. Sie kann in Anlehnung an die in Absatz [0009] des Streitpatents erwähnte Aufgabe dahingehend formuliert werden, eine Vorrichtung der gattungsgemäßen Art derart auszugestalten, dass sie weitgehend vorgefertigt und sehr einfach auf unterschiedliche Betriebsspannungen oder Datenprotokolle umrüstbar ist, dass der Lagerbestand dieser Vorrichtungen verringert werden kann und das Erreichen wirtschaftlicher Stückzahlen leichter als bisher möglich ist.
Naheliegen
27. Die angefochtene Entscheidung enthält keinerlei Begründung, warum der Fachmann ausgehend vom Dokument D16 nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gelangt wäre. Insbesondere ist seitens der Einspruchsabteilung nicht dargelegt worden, warum der Fachmann die aus dem Dokument D16 bekannte Signalanpassung 8c zur Reduzierung des Lagerbestands nicht durch ein Anpassungsmodul, welches über eine Schnittstelle mit der internen Steuereinheit verbunden wird, ersetzt hätte.
a) Lösung der ersten Teilaufgabe
28. Mit Verweis auf Absatz [0004] des Streitpatents hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass das Merkmal 1.6.2 bei herkömmlichen Steuerköpfen üblicherweise umgesetzt sei. Dem stimmt die Kammer zu. Unter der Überschrift "STAND DER TECHNIK" sind in den Absätzen [0002] bis [0004] des Streitpatents mehrere Vorrichtungen zur Steuerung der Schaltbewegung eines Ventils beschrieben worden. In Absatz [0002] wird die aus dem Dokument D16 bekannte Lösung gewürdigt. Demgegenüber bezieht sich Absatz [0003] auf "vereinfachte Vorrichtungen", welche als "bekannt" eingestuft werden. Mangels gegenteiliger Hinweise sind deshalb die "vorgenannten Vorrichtungen" in Absatz [0004], unabhängig davon, ob sie auf den Inhalt des Dokuments D16 oder auf die vereinfachten Vorrichtungen von Absatz [0003] Bezug nehmen, dahingehend zu verstehen, dass sie vor dem Prioritätstag der Öffentlichkeit zugänglich waren. Dabei ist die Tatsache, dass Absatz [0003] keine Druckschrift oder sonstige Veröffentlichung nennt, im vorliegenden Fall unerheblich. Denn es gibt keinen Anhaltspunkt, dass es sich bei den Ausführungen in den Absätzen [0003] und [0004] um ein vor dem Prioritätstag des Patents nicht veröffentlichtes firmeninternes Wissen bzw. um einen internen Stand der Technik handelt. Seitens der Beschwerdegegnerin ist diesbezüglich auch nichts vorgetragen worden.
Folglich gelten die Ausführungen in Absatz [0004] bezüglich des "grundsätzlich[en]" Aufbaus der in Absatz [0002] oder Absatz [0003] genannten Vorrichtungen, nämlich dass "die interne Steuereinheit derart spannungsgemäß ausgelegt [ist], dass mit der ihr zugrundeliegenden Steuerspannung einerseits die Pilotventile ansteuerbar sind und andererseits auch eine Kommunikation mit der externen Steuereinheit (SPS) möglich ist", als eine technische Offenbarung, die Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ 1973 beschreibt und belegt, dass das Merkmal 1.6.2 bei herkömmlichen Steuerköpfen üblicherweise umgesetzt wurde.
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29. Vor diesem Hintergrund wäre es für den Fachmann, der sich ausgehend vom Dokument D16 die Frage der sinnvollen Auswahl der Betriebsspannung der verschiedenen Komponenten gestellt hätte, naheliegend gewesen, die Pilotventile 9, 10 und 11 mit der standardisierten Betriebsspannung der internen Steuereinheit 5.2, beispielsweise 24 Volt Gleichspannung, welche sich nach Absatz [0004] des Streitpatents "[i]n Deutschland [...] weitestgehend etabliert [hat]", zu betreiben. Deshalb hätte der Fachmann für das Unterscheidungsmerkmal 1.6.2 nicht erfinderisch tätig werden müssen.
b) Lösung der zweiten Teilaufgabe
30. Als Beleg für das Naheliegen der Lösung der zweiten Teilaufgabe hat die Beschwerdeführerin das in Absatz [0008] des Patents gewürdigte Dokument D17 herangezogen, woraus ein Ventilsteuerkopf mit verschiedenen steckbaren Anpassungsmodulen bekannt ist. In Spalte 1, Zeilen 44 bis 52 und in Spalte 4, Zeilen 3 bis 9 des Dokuments D17 ist als Beispiel eines Steckers ein Modul mit Gleichrichter für die Umwandlung einer externen Wechselspannung in eine interne, für den Betrieb der Ventilspule standardisierte Gleichspannung genannt. Aus Spalte 4, Zeilen 32 bis 40 des Dokuments D17 ergibt sich der Vorteil einer solchen - auch in Absatz [0008] des Streitpatents als Anpassungsmodul bezeichneten - Lösung, nämlich den Lagerbestand zu verringern ("only a single stock [...] need to be maintained", "the inventory [...] can be greatly reduced"). Aufgrund dieser Offenbarung hätte der Fachmann aus Sicht der Kammer eine Veranlassung gehabt, das Dokument D17 in Betracht zu ziehen, um die zweite Teilaufgabe zu lösen. Ausgehend vom Dokument D16, das an mehreren Stellen auf die Bedeutung eines modularen Aufbaus hinweist (s. Punkt 17. oben), wäre es daher für den Fachmann naheliegend gewesen, die Kommunikationseinheit 5.2 über ein eigenständiges Anpassungsmodul anstatt einer integrierten Signalanpassung mit Spannung zu versorgen. Dazu wäre das Anpassungsmodul über eine interne Schnittstelle mit der internen Steuereinheit zu verbinden gewesen, die zweckgemäß die gleiche Signalstruktur wie das Anpassungsmodul aufzuweisen hätte. Deshalb können die Unterscheidungsmerkmale 1.6.3 bis 1.6.6 keine erfinderische Tätigkeit begründen.
31. Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass das Dokument D17 weder Pilotventile noch Stellungsgeber offenbare und deshalb vom Fachmann nicht berücksichtigt worden wäre, hat die Kammer nicht überzeugt. Die entscheidende Frage ist nämlich, was der Fachmann auf der Suche nach einer Lösung der zweiten Teilaufgabe objektiv aus dem Stand der Technik hergeleitet hätte. Wie oben dargelegt, bietet das Dokument D17, welches sich mit der Spannungsversorgung eines elektromagnetischen Ventilantriebs befasst und somit durchaus in einem technisch eng verwandten Gebiet liegt, eine Anregung zur Lösung dieser Teilaufgabe.
32. Die Kammer kann nicht erkennen, weshalb die besondere Betonung der modularen Struktur im Dokument D16 den Fachmann bei der Lösung der zweiten Teilaufgabe davon abgehalten hätte, weitere Komponenten der vorveröffentlichten Steuervorrichtung modular aufzubauen. Vielmehr lässt sich der auf Seite 9, Zeilen 18 bis 27 des Dokuments D16 genannte Hinweis, "die einzelnen Ausbaustufen der Schaltungsanordnung jeweils durch Aufstecken entsprechender modularer Bauteile zu verwirklichen", ohne weiteres auch in Richtung der erfindungsgemäßen Lösung interpretieren.
c) Ergebnis
33. Aus diesen Gründen ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 in erteilter Fassung für den Fachmann in naheliegender Weise ausgehend vom Dokument D16 in Kombination mit dem Dokument D17 und den Ausführungen in Absatz [0004] des Streitpatents. Dieser Gegenstand beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Damit steht der Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 56 EPÜ 1973 der Aufrechterhaltung des erteilten Patents entgegen. Dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin, die Beschwerde zurückzuweisen, kann deshalb nicht stattgegeben werden.
Hilfsantrag 1
34. In Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hat die Beschwerdegegnerin das Merkmal 1.6.4 dahingehend geändert, dass das Anpassungsmodul nun "über eine externe Schnittstelle mit der externen Steuereinheit verbunden ist" (Merkmal 1.6.4'). Außerdem wurde in Merkmal 1.6.6 die Funktion des Anpassungsmoduls, nämlich "eine Anpassung an die jeweilige Betriebsspannung der externen Steuereinheit", festgelegt (Merkmal 1.6.6').
35. Beide Änderungen gehen unmittelbar und eindeutig aus der allgemeinen Beschreibung der Erfindung auf Seite 4, Zeilen 20 bis 27 der ursprünglich eingereichten Anmeldung hervor. Dort ist der Grundgedanke, "die Anpassung an die jeweilige Betriebsspannung der externen Steuereinheit [...] mit dieser in einen Anpassungsmodul zu legen" zusammen mit den Merkmalen 1.6.4 bis 1.6.6 offenbart. Hieraus ergibt sich eine Verbindung zwischen dem Anpassungsmodul und der externen Steuereinheit, welche zwingend eine Verbindungsstelle zwischen den Funktionseinheiten voraussetzt, an der der Austausch von Daten oder Steuersignalen erfolgt. Somit ist das Merkmal 1.6.4' offenbart. Eine solche externe Schnittstelle ist zwar in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 3 und 4, sowie in der Beschreibung auf Seite 5, Zeile 30 bis Seite 6 Zeile 22 und auf Seite 13, Zeile 30 bis Seite 14, Zeile 2 im Zusammenhang mit einem AC-Interface Modul bzw. einem AS-Interface Modul genannt. In Anbetracht der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen sieht die Kammer allerdings keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Ausdruck "externe Schnittstelle" die Aufnahme weiterer Merkmale zumindest einer dieser zwei Modulvarianten erfordert. Eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung liegt deshalb nicht vor.
36. Durch die Änderung in Merkmal 1.6.6' ist nun aber der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 implizit auf die Variante des AC-Interface Moduls beschränkt, welches zur Aufgabe hat, die Signale der mit einer standardisierten Betriebsspannung arbeitenden internen Steuereinheit auf die unterschiedliche Betriebsspannung der externen Steuereinheit umzusetzen. Weder in der Beschreibung noch in den Ansprüchen der Anmeldungsunterlagen ist eine Anpassung an die Betriebsspannung der externen Steuereinheit im Zusammenhang mit der Variante eines AS-Interface Moduls, welche die Signale der internen Steuereinheit für ein BUS Datenübertragungssystem bereitstellt, offenbart. Die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 4 gemäß Hilfsantrag 1 befassen sich jedoch mit dieser zweiten Variante. In Kombination mit Anspruch 1 ist somit eine Lösung beansprucht, in der die Signale der mit einer standardisierten Betriebsspannung arbeitenden internen Steuereinheit sowohl auf die unterschiedliche Betriebsspannung der externen Steuereinheit umgesetzt als auch für ein BUS Datenübertragungssystem bereitgestellt werden. Dafür bieten die Anmeldungsunterlagen keine Grundlage, sodass Anspruch 4 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt.
37. Deshalb kann dem Hilfsantrag 1 nicht stattgegeben werden.
Hilfsantrag 1'
Zulassung
38. In Reaktion auf den von der Kammer erstmalig in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwand der unzulässigen Änderung nach Artikel 123 (2) EPÜ gegen Anspruch 4 des Hilfsantrags 1 hat die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung geänderte Ansprüche in Form eines Hilfsantrags 1' eingereicht. Der neue Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hilfsantrag 1 lediglich darin, dass der abhängige Anspruch 4 gestrichen wurde.
39. Nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
40. Da die Kammer während der mündlichen Verhandlung zum ersten Mal von Amts wegen einen Einwand nach Artikel 123 (2) EPÜ erhoben hat, liegen außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 vor (s.a. T 1561/15, Punkt 3.1 der Entscheidungsgründe).
41. Der Hilfsantrag 1' ist daher als eine legitime und angemessene Reaktion der Beschwerdegegnerin auf die Änderungen im Verfahren anzusehen und wird von der Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 in das Verfahren zugelassen.
Zulässigkeit der Änderungen
42. Durch die Streichung des abhängigen Anspruchs 4 hat die Beschwerdegegnerin den einzigen gegen die Ansprüche des Hilfsantrags 1 erhobenen Einwand nach Artikel 123 (2) EPÜ (s. Punkt 36. oben) ausgeräumt.
Befugnis zur Prüfung der Klarheit, Anspruchsauslegung
43. Seitens der Beschwerdeführerin wurde vorgetragen, dass der Begriff "verbunden" in Merkmal 1.6.4' im Zusammenhang mit der neu hinzugefügten externen Steuereinheit als "verbindbar" zu verstehen sei, sodass die externe Steuereinheit nicht eindeutig als Teil der beanspruchten Vorrichtung und die externe Schnittstelle lediglich als geeignet für den Datenaustausch mit einer externen Steuereinheit zu betrachten sei. Gegen diese Sichtweise hat sich die Beschwerdegegnerin mit dem Argument gewehrt, dass die externe Steuereinheit sowohl aufgrund des Wortlauts des Merkmals 1.6.4' als auch wegen der Bedingung des Merkmals 1.5, wonach die interne Steuereinheit mit einer externen Steuereinheit "im Datenaustausch steht", zwingend mit dem Anpassungsmodul verbunden sei.
44. Zwischen den Beteiligten ist daher strittig, ob Anspruch 1 des Hilfsantrags 1' klar zum Ausdruck bringt, dass die externe Steuereinheit zum beanspruchten Gegenstand gehört.
45. Bei der Prüfung nach Artikel 101 (3) EPÜ, ob das Patent in der geänderten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt, sind die in der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14 aufgestellten Grundsätze zu berücksichtigen, wonach die Ansprüche des Patents in der geänderten Fassung nur auf die Erfordernisse des Artikel 84 EPÜ geprüft werden können, sofern - und dann auch nur soweit - diese Änderung einen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ herbeiführt (G 3/14, ABl. EPA 2015, A102, Entscheidungsformel und Leitsatz).
46. In Anspruch 1 der erteilten Fassung wird die externe Steuereinheit nur an einer Stelle genannt, und zwar in Merkmal 1.5 zusammen mit den Angaben, dass sie sich "im Umfeld des Ventils" befindet und dass sie mit der internen Steuereinheit "im Datenaustausch steht". Einerseits lässt die Nähe zu einem außerhalb der beanspruchten Steuervorrichtung liegenden Ventil vermuten, dass es sich bei der externen Steuereinheit genauso wie bei dem Ventil um eine reine Bezugnahme auf einen Drittgegenstand handelt, der nicht zum beanspruchten Gegenstand gehört. Der Ausdruck "im Datenaustausch steht" deutet andererseits auf das Gegenteil.
47. Die mögliche Unklarheit, die mit der Verbindung zwischen der internen Steuereinheit und der externen Steuereinheit in Merkmal 1.6.4' des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1' zusammenhängt, war deshalb schon in der erteilten Fassung des Anspruchs 1 vorhanden. Folglich kann die Änderung des Merkmals 1.6.4 keinen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ 1973 herbeiführen, der in der erteilten Fassung nicht schon vorhanden gewesen wäre. Gemäß der Entscheidung G 3/14 kann der von der Beschwerdeführerin erhobene Klarheitseinwand daher nicht geprüft werden.
48. Die Kammer legt Anspruch 1 so aus, dass die externe Steuereinheit Teil der beanspruchten Vorrichtung ist, und zwar derart, dass das Anpassungsmodul über eine externe Schnittstelle mit der externen Steuereinheit verbunden ist (Merkmal 1.6.4') und dass die interne Steuereinheit mit der externen Steuereinheit im Datenaustausch steht (Merkmal 1.5), wobei durch das Anpassungsmodul eine Anpassung an die jeweilige Betriebsspannung der externen Steuereinheit erfolgt (Merkmal 1.6.6').
Erfinderische Tätigkeit
49. Die aus dem Dokument D16 bekannte interne Steuereinheit 5.2 weist zwei externe Schnittstellen auf: die Klemmenleiste 8f und den Anschluss 8g. Die Funktion der Klemmenleiste ist dem Dokument D16 nicht unmittelbar zu entnehmen. Aus der Beschreibung auf Seite 9, Zeile 31 bis Seite 10, Zeile 4, der zufolge unterschiedliche Versorgungsspannungen an die Ventilsteuerung herangeführt werden können, folgt, dass die Klemmenleiste 8f der Spannungsversorgung dient, zumal sie in Figur 1 durch eine Verbindungslinie mit der Signalanpassung 8c verbunden ist.
50. Wie im Punkt 30. oben dargelegt, hätte die Kombination der Steuervorrichtung gemäß Dokument D16 mit der technischen Lehre des Dokuments D17 den Fachmann ohne weiteres dazu veranlasst, die Kommunikationseinheit 5.2 über ein eigenständiges Anpassungsmodul anstatt einer integrierten Signalanpassung mit Spannung zu versorgen. Sinngemäß hätte er dazu die Klemmenleiste 8f als externe Schnittstelle des Anpassungsmoduls eingesetzt. Eine mit der Klemmenleiste 8f verbundene externe Steuereinheit offenbart das Dokument D16 jedoch nicht. Auch kann sie nicht aus dem Dokument D17, welches nur einen Stecker mit integriertem Gleichrichter offenbart, abgeleitet werden.
51. Zudem kann der Anschluss 8g nicht als externe Schnittstelle im Sinne der Merkmale 1.6.4' und 1.6.6' verstanden werden. Ausweislich der Beschreibung des Dokuments D16 ist dieser Anschluss zwar für ein Parametrierungsgerät gedacht (s. Seite 17, Zeilen 19 bis 25). Gemäß Figur 1 des Dokuments D16 ist der Anschluss 8g jedoch direkt mit dem Mikroprozessor 8 verbunden. Eine Verbindung mit der Signalanpassung 8c ist nicht vorgesehen. Die technische Lehre des Dokuments D17 hätte den Fachmann daher nicht in naheliegender Weise dazu veranlasst, den in Figur 1 des Dokuments D16 offenbarten Anschluss 8g stattdessen an der für die Umsetzung der Betriebsspannung verantwortlichen, als Anpassungsmodul ausgebildeten Signalanpassung anzubringen und auf diese Art die Daten des Parametrierungsgeräts nur auf indirektem Wege zum Mikroprozessor zu übertragen.
52. Für die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass mit dem auf Seite 8, Zeilen 27 bis 32 des Dokuments D16 offenbarten Verweis auf eine "speicherprogrammierbare[n] Steuerung" eine externe Steuereinheit gemeint sei, die mittels der Klemmenleiste 8f angeklemmt werde, gibt es keine Grundlage. Vielmehr wird in dieser Textstelle auf die gesamte Elektronik und Software, welche für die Interaktion zwischen der Kommunikationseinheit 5.2 und den weiteren im Dokument D16 erwähnten Komponenten, wie der Sensoreinheit 5.1, den Pilotventilen 9, 10 und 11 und dem Parametrierungsgerät, Bezug genommen.
53. Die Beschwerdeführerin hat somit nicht überzeugend dargelegt, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1' in naheliegender Weise aus der Kombination der Dokumente D16 und D17, auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in Absatz [0004] des Streitpatents, ergibt. Folglich sind die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ 1973 erfüllt. Die weiteren Ansprüche 2 bis 9 gemäß Hilfsantrag 1' sind abhängige Ansprüche und grenzen den Gegenstand des Anspruchs 1 weiter ein. Für den Gegenstand dieser Ansprüche folgt somit, dass er ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ 1973).
54. Es wurden keine weiteren Einwände gegen die Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1' von der Beschwerdeführerin erhoben.
55. Aus den oben genannten Gründen hat die Beschwerdeführerin die Kammer nicht überzeugen können, dass die Ansprüche des Hilfsantrags 1' die Erfordernisse des EPÜ nicht erfüllen.
Angeblicher wesentlicher Verfahrensfehler im erstinstanzlichen Verfahren wegen nicht stattgefundener Zeugeneinvernahme vor nationalen Gerichten zu den behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen oV1 und oV2
56. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass die Einspruchsabteilung einen wesentlichen Verfahrensfehler begangen habe, indem sie entschied, die als Beweis für die behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen oV1 und oV2 (im Folgenden: Vorbenutzungen oV1 und oV2) angebotenen Zeugen nicht vor einem nationalen Gericht vernehmen zu lassen, obwohl die Vorbenutzungen oV1 und oV2 von ihr als relevant angesehen wurden.
Übersicht der relevanten Ereignisse im erstinstanzlichen Verfahren
57. In ihrer Einspruchsschrift hat die vormalige Einsprechende 2 zwei offenkundige Vorbenutzungen oV1 und oV2 geltend gemacht. Als Nachweis für diese Vorbenutzungen wurden schriftliche Beweismittel eingereicht und zusätzlich Zeugenbeweis angeboten.
Im Anhang zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 17. September 2014 teilte die Einspruchsabteilung ihre vorläufige Auffassung mit. Sie hielt die von der vormaligen Einsprechenden 2 behaupteten offenkundigen Vorbenutzung oV1 und oV2 für relevant, da diese Vorbenutzungen, falls ausreichend bewiesen, "bedeutsam für die Beurteilung der Neuheit und erfinderische Tätigkeit" sein würden. Sie war jedoch der vorläufigen Meinung, dass weder für die Vorbenutzung oV1 noch für die Vorbenutzung oV2 ein lückenloser Nachweis aufgrund der eingereichten schriftlichen Beweismittel vorlag. Die von der vormaligen Einsprechenden 2 angebotenen Zeugen sollten deshalb gemäß einem der Ladung beiliegenden Beweisbeschluss in der mündlichen Verhandlung vernommen werden.
Entsprechende Kostenverzichtserklärungen der angebotenen Zeugen wurden von der vormaligen Einsprechenden 2 eingereicht.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2015 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Mit Schreiben vom 4. März 2015 nahm die vormalige Einsprechende 2 ihren Einspruch zurück und teilte der Einspruchsabteilung mit, dass die von ihr angebotenen Zeugen nicht mehr zur Verfügung stünden. Daraufhin wurden die Beteiligten in einer - vorab am 5. März 2015 per Fax gesandten - Mitteilung vom 11. März 2015 darüber informiert, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 10. März 2015 aufgehoben worden sei.
Mit Schreiben vom 5. März 2015 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie in Anbetracht der Rücknahme des Einspruchs seitens der vormaligen Einsprechenden 2 nicht mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden sei und eine mündliche Verhandlung beantrage. Mit einem weiteren Schreiben vom 7. April 2015 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie ihren Einspruch auch auf die von der vormaligen Einsprechenden 2 vorgebrachten Vorbenutzungen oV1 und oV2 stütze und beantrage, die von der vormaligen Einsprechenden 2 angebotenen Zeugen zur Beweisaufnahme zu laden.
Am 13. Juli 2015 erging eine Ladung zur mündlichen Verhandlung am 2. und 3. März 2016. In der darauf folgenden Entscheidung vom 20. November 2015 über die Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 2. März 2016 hat die Einspruchsabteilung unter Angabe von Gründen darauf hingewiesen, dass die eingereichten Kostenverzichtserklärungen der Zeugen vom 29. September 2014 hinfällig seien und die Beweisaufnahme gemäß Regel 122 (1) EPÜ davon abhängig gemacht werde, dass die Beschwerdeführerin innerhalb einer einmonatigen Frist für jeden der geladenen Zeugen einen Vorschuss zahlt oder, alternativ, Kostenverzichtserklärungen der Zeugen bezüglich der aktuellen Ladungen einreicht. In den Ladungen der Zeugen zur Beweisaufnahme vom 20. November 2015 wurden die Zeugen gebeten, dem Europäischen Patentamt innerhalb einer zweiwöchigen Frist mitzuteilen, ob sie bereit seien zu erscheinen und als Zeugen auszusagen.
Der Vertreter der vormaligen Einsprechenden 2 reichte am 4. Dezember 2015 namens und im Auftrag der geladenen Zeugen schriftliche Erklärungen vom 3. Dezember 2015 ein, worin diese Zeugen mitteilten, dass sie nicht bereit seien, zu erscheinen und als Zeugen auszusagen. Des Weiteren erklärten sie, dass sie keinesfalls auf eine Kostenerstattung und/oder Kostenvorschüsse verzichteten.
Die Beschwerdeführerin leistete keine Vorschusszahlung für die Zeugen und bat mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 um eine beschwerdefähige Entscheidung über den Einspruch, einschließlich der Frage hinsichtlich der Wirksamkeit der vorliegenden Kostenverzichtserklärungen der Zeugen. Mit Schreiben vom 10. Februar 2016 nahm sie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und beantragte, die Zeugen durch das jeweils zuständige nationale Gericht vernehmen zu lassen.
Die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung fand am 2. März 2016 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt.
Angefochtene Entscheidung
58. In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung ihre vorläufige Auffassung bestätigt, dass allein aufgrund der vorgelegten schriftlichen Beweismittel weder die Vorbenutzung oV1 noch die Vorbenutzung oV2 ausreichend bewiesen worden sei. Außerdem kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass die Kostenverzichtserklärungen, die die vormalige Einsprechende 2 in Reaktion auf den Beweisbeschluss vom 17. September 2014 eingereicht hatte, für den Antrag auf Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme seitens der Beschwerdeführerin unwirksam seien. Mangels weiterer Kostenverzichtserklärungen der Zeugen oder einer fristgerechten Zahlung von Kostenvorschüssen für die Zeugen sei die Durchführung der Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme gemäß dem Beweisbeschluss vom 20. November 2015 daher nicht möglich gewesen. Die Einspruchsabteilung hat auch entschieden, die zuständigen nationalen Gerichte nicht um Vernehmung der Zeugen mittels eines Rechtshilfeverfahrens gemäß Artikel 131 (2) und Regel 150 EPÜ zu ersuchen.
Vernehmung von Zeugen vor dem jeweiligen zuständigen nationalen Gericht
59. Die Rechtsgrundlage für die Vernehmung von Zeugen durch das zuständige Gericht im Wohnsitzstaat der zu vernehmenden Personen bildet Artikel 117 (1) d) und (2) EPÜ in Verbindung mit Regel 120 EPÜ, deren Absatz 1 wie folgt lautet:
"Ein vor das Europäische Patentamt geladener Beteiligter, Zeuge oder Sachverständiger kann beim Europäischen Patentamt beantragen, dass er vor einem zuständigen Gericht in seinem Wohnsitzstaat vernommen wird. Wird dies beantragt oder erfolgt innerhalb der in der Ladung festgesetzten Frist keine Äußerung, so kann das Europäische Patentamt nach Artikel 131 Absatz 2 das zuständige Gericht ersuchen, den Betroffenen zu vernehmen." (Hervorhebung durch die Kammer)
Eine Vernehmung durch ein nationales Gericht setzt daher ein entsprechendes an das zuständige Gericht gerichtetes Rechtshilfeersuchen des Europäischen Patentamts voraus. Dies folgt auch aus dem Wortlaut des Artikels 131 (2) EPÜ 1973:
"Die Gerichte oder andere zuständige Behörden der Vertragsstaaten nehmen für das Europäische Patentamt auf dessen Ersuchen um Rechtshilfe Beweisaufnahmen oder andere gerichtliche Handlungen innerhalb ihrer Zuständigkeit vor."
60. Nach dem Wortlaut der Regel 120 (1) EPÜ kann das Europäische Patentamt bei einer erstmaligen Vernehmung das zuständige Gericht im Wohnsitzstaat eines Zeugen in Anwendung von Artikel 131 (2) EPÜ 1973 ersuchen, die Beweisaufnahme vorzunehmen, wenn entweder ein ausdrücklicher dahingehender Antrag der betroffenen Person vorliegt oder die betroffene Person nicht innerhalb der in der Zeugenladung festgesetzten Frist reagiert. Aus dem Wortlaut der Regel 120 (1) Satz 2 EPÜ geht auch klar hervor, dass es sich dabei um eine "Kann"-Vorschrift handelt (s. dazu auch Benkard, Europäisches Patentübereinkommen, 3. Auflage 2019, Rdnr. 107 zu Artikel 117 EPÜ, sowie Singer/Stauder/Luginbühl, EPÜ - Europäisches Patentübereinkommen, 8. Auflage 2019, Rdnr. 77 zu Artikel 117 EPÜ). Dies bedeutet, dass sich aus dem Wortlaut der Regel 120 (1) Satz 2 EPÜ keine gesetzliche Verpflichtung für das Europäische Patentamt ergibt, das zuständige Gericht im Wohnsitzstaat eines Zeugen in Anwendung von Artikel 131 (2) EPÜ 1973 zu ersuchen, diesen Zeugen zu vernehmen, sondern dass dies ausweislich des Wortlauts dieser Vorschrift im Ermessen des Europäischen Patentamts liegt. Damit steht den Organen der ersten Instanz im Grundsatz ein Beurteilungsspielraum im Einzelfall zu, der nach der Rechtsprechung nur sehr begrenzt der gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist.
Daher gab es im vorliegenden Fall keine grundsätzliche Verpflichtung der Einspruchsabteilung, eine Vernehmung der zum Beweis angebotenen Zeugen vor dem zuständigen nationalen Gericht zu veranlassen. Dies stand vielmehr im Ermessen der Einspruchsabteilung. Die Einspruchsabteilung hat ihre Ermessensentscheidung ausreichend begründet (s. Punkt 39 der angefochtenen Entscheidung). Die Umstände des vorliegenden Falles geben keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat und damit das ihr in Regel 120 (1) Satz 2 EPÜ eingeräumte Ermessen überschritten hat. Darüber hinaus ist keine der beiden in Regel 120 (1) EPÜ genannten Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt, da keiner der geladenen Zeugen einen entsprechenden Antrag gestellt hat und alle Zeugen innerhalb der in der Zeugenladung gesetzten Frist reagiert haben, indem sie in ihren Erklärungen vom 3. Dezember 2015 mitgeteilt haben, dass sie nicht bereit seien, zu erscheinen und als Zeugen auszusagen. Zumindest dem Wortlaut nach ist Regel 120 (1) EPÜ daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
61. Da im vorliegenden Fall die Einspruchsabteilung keinen der angebotenen Zeugen vernommen hat, greift auch Regel 120 (2) EPÜ nicht, denn diese Vorschrift setzt voraus, dass es bei dem dort genannten Rechtshilfeersuchen um eine erneute Vernehmung von Zeugen unter Eid oder in gleichermaßen verbindlicher Form vor dem zuständigen nationalen Gericht handelt.
62. Die Beschwerdeführerin argumentierte auch, dass Regel 120 (1) EPÜ nicht so ausgelegt werden könne, dass Zeugen von einem nationalen Gericht zu vernehmen wären, wenn sie sich innerhalb der in der Ladung festgesetzten Frist nicht geäußert hätten, nicht aber, wenn sie sich weigerten, als Zeugen in einem Verfahren vor dem Europäischen Patentamt auszusagen.
Hierzu ist anzumerken, dass nach den Vorschriften des EPÜ niemand in den Verfahren vor dem Europäischen Patentamt zu einer Zeugenaussage gezwungen werden kann und es deshalb im EPÜ auch keiner Vorschrift über Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechte von Zeugen bedarf (s. dazu auch Benkard, Europäisches Patentübereinkommen, supra, Rdnr. 94 zu Artikel 117 EPÜ, sowie Singer/Stauder/Luginbühl, EPÜ - Europäisches Patentübereinkommen, supra, Rdnr. 91 zu Artikel 117 EPÜ). Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer keinen Grund, Regel 120 (1) EPÜ auf den vorliegenden Fall anzuwenden, in dem vom Europäischen Patentamt geladene Zeugen sich geweigert haben, in einem Verfahren vor dem Europäischen Patentamt auszusagen. Selbst wenn man gleichwohl der Ansicht wäre, dass Regel 120 (1) EPÜ auch in diesem Fall entsprechend anwendbar wäre, so besteht auch insoweit, wie oben dargelegt, keine grundsätzliche Verpflichtung seitens des Europäischen Patentamts, von der Möglichkeit nach Regel 120 (1) EPÜ Gebrauch zu machen. Vielmehr steht dies im Ermessen des Organs des Europäischen Patentamts.
Es ist der Beschwerdeführerin zwar zuzustimmen, dass etwaige Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechte von Zeugen zu den in den Vertragsstaaten im Allgemeinen anerkannten Grundsätzen des Verfahrensrechts gehören und deshalb vom Europäischen Patentamt möglicherweise gemäß Artikel 125 EPÜ zu berücksichtigen wären. Die Frage, ob geladene Zeugen sich auf ein solches Recht berufen können, stellt sich im Verfahren vor dem Europäischen Patentamt jedoch nicht, da die Zeugenaussage, wie oben dargelegt, freiwillig ist.
63. Nicht für überzeugend hält die Kammer auch das weitere Argument der Beschwerdeführerin, dass vorliegend eine Zeugenvernehmung durch das jeweilige zuständige nationale Gericht auch deswegen erforderlich gewesen sei, da eine unbegründete Aussageverweigerung von Zeugen bei der Entscheidung über die Frage, ob eine Vorbenutzung stattgefunden habe oder nicht, wie alle Begleitumstände zu berücksichtigen und zu würdigen sei.
Eine unbegründete Verweigerung der Aussage durch einen angebotenen Zeugen mag unter Umständen zuungunsten des beweispflichtigen Beteiligten gewertet werden (so auch Singer/Stauder/Luginbühl, EPÜ - Europäisches Patentübereinkommen, supra, Rdnr. 91 zu Artikel 117 EPÜ). Die Erklärung der von der Beschwerdeführerin angebotenen Zeugen, keine Aussage machen zu wollen, hätte somit bei der Beweiswürdigung der der Einspruchsabteilung vorliegenden Beweismittel für die Vorbenutzungen oV1 und oV2 eine Rolle spielen können, nicht aber für die Frage, ob diese Zeugen vor dem jeweils zuständigen nationalen Gericht hätten vernommen werden müssen.
64. Nach Ansicht der Kammer ist bei der Frage einer Zeugenvernehmung vor dem zuständigen nationalen Gericht von Bedeutung, ob für diese Zeugenvernehmung ein Kostenvorschuss entrichtet wurde bzw. ob die betreffenden Zeugen eine Kostenverzichtserklärung abgegeben haben. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass ihr die Einspruchsabteilung ausdrücklich die Möglichkeit hätte geben müssen, einen Kostenvorschuss für eine Zeugenvernehmung vor dem zuständigen nationalen Gericht zu zahlen. Nach Ansicht der Kammer gibt es für diese Sichtweise keinen Anhaltspunkt im EPÜ. Die Einspruchsabteilung hat in ihrem zweiten Beweisbeschluss vom 20. November 2015 die Beschwerdeführerin aufgefordert, einen Kostenvorschuss für jeden der von ihr benannten Zeugen innerhalb einer einmonatigen Frist zu zahlen oder Kostenverzichtserklärungen der Zeugen bezüglich der zweiten Zeugenladung einzureichen. Sie hat die Beweisaufnahme gemäß Regel 122 (1) EPÜ von der Zahlung der Kostenvorschüsse bzw. der Einreichung von Kostenverzichtserklärungen abhängig gemacht. Die Zeugen haben auf die zweite Zeugenladung hin ausdrücklich erklärt, dass sie nicht auf eine Kostenerstattung und/oder Kostenvorschüsse verzichten würden, und die Beschwerdeführerin ist der Aufforderung einer Kostenvorschusszahlung ausdrücklich nicht nachgekommen. Daher hatte die Einspruchsabteilung keine Veranlassung und nach dem EPÜ auch keine Verpflichtung, die Beschwerdeführerin nochmals zu einer Zahlung von Kostenvorschüssen für den Fall einer Zeugenvernehmung vor dem zuständigen nationalen Gericht, die von der Einspruchsabteilung in nicht zu beanstandender Weise nicht angeordnet worden war, aufzufordern.
Die Beschwerdeführerin hat auch die Ansicht vertreten, dass die Kostenverzichtserklärungen, die die Zeugen für die am 10. März 2015 im Rahmen der ersten mündlichen Verhandlung terminierte Beweisaufnahme abgegeben hatten, nicht hätten unberücksichtigt bleiben dürfen. Die Kammer hält es im vorliegenden Fall jedoch für richtig, dass diese Kostenverzichtserklärungen für die im Rahmen der zweiten mündlichen Verhandlung terminierte Beweisaufnahme nicht berücksichtigt wurden, denn es handelte sich um einen neuen Beweisbeschluss zu einem neuen Termin und der Zeugenbeweis war nicht mehr von der vormaligen Einsprechenden 2 angeboten worden, sondern von der Beschwerdeführerin. Die Zeugen hatten auch ausdrücklich nach dem neuen Beweisbeschluss erklärt, dass sie nicht auf eine Kostenerstattung und/oder Kostenvorschüsse verzichten würden. Damit hatten die Zeugen eindeutig nicht mehr an ihren zuvor abgegebenen Kostenverzichtserklärungen festgehalten. Es ist auch nicht erkennbar, auf welcher Rechtsgrundlage Zeugen an eine in Zusammenhang mit einer anderen Ladung von ihnen abgegebene Kostenverzichtserklärung gebunden sein sollten.
65. Die Kammer kann nicht erkennen, worin genau der gerügte "schwere Verfahrensfehler" zu sehen ist, zumal die Ablehnung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrags auf Vernehmung vor einem nationalen Gericht hinreichend begründet wurde. In Punkt 39 der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung ihre Ermessensentscheidung mit "[den] beträchtlichen zusätzlichen Kosten", "der erheblichen Verzögerung des Verfahrens", "der Tatsache, dass die Einsprechende 01 nicht bereit ist, die Kosten der Zeugeneinvernahme zu tragen" und mit der Tatsache, dass die betroffenen Personen "erklärt haben, nicht bereit zu sein als Zeugen auszusagen" begründet. Da die Einspruchsabteilung mehrere Kriterien bei ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigt hat, ist es nicht entscheidend, ob eine Zeugenvernehmung durch das jeweilige zuständige nationale Gericht mit "beträchtlichen zusätzlichen Kosten" oder, wie die Beschwerdeführerin behauptet hat, mit wesentlich geringeren Kosten verbunden gewesen wäre. Diese Frage kann daher dahingestellt bleiben.
66. Da aus den oben dargelegten Gründen kein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne von Regel 103 (1) a) EPÜ vorliegt, kommt eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht in Betracht.
Kostenentscheidung
67. Im Einspruchsverfahren trägt jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten grundsätzlich selbst. Gemäß Artikel 104 (1) EPÜ ist indessen dann eine andere Verteilung der Kosten anzuordnen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht. Das ist nach der Rechtsprechung normalerweise der Fall, wenn diese Kosten ganz oder teilweise durch ein Verhalten eines Beteiligten verursacht werden, das mit der bei der Wahrnehmung von Rechten zu fordernden Sorgfalt nicht in Einklang steht, sondern im Gegenteil das Ergebnis eines leichtfertigen oder gar böswilligen schuldhaften Handelns darstellt (Rechtsprechung, III.R.2).
68. Die Einspruchsabteilung ist in Punkt 42 der angefochtenen Entscheidung zu der Auffassung gelangt, dass das im Laufe des Einspruchsverfahrens gezeigte Verhalten der Beschwerdeführerin nur als taktisches Manöver zur Verzögerung des Verfahrens gedeutet werden könne und somit rechtfertige, dass die Beschwerdeführerin die im Zusammenhang mit der Vorbereitung und der Wahrnehmung der am 2. März 2016 abgehaltenen mündlichen Verhandlung verbundenen Kosten der Beschwerdegegnerin zu tragen habe (s. Seite 16, vierter Absatz der angefochtenen Entscheidung).
69. Dagegen hat sich die Beschwerdeführerin mit dem Argument gewehrt, dass nach dem Verfahrensstand und der Antragslage keine mündliche Verhandlung erforderlich gewesen wäre, da sie in Reaktion auf das Verhalten der Zeugen zwanzig Tage vor der mündlichen Verhandlung ihren Antrag auf mündliche Verhandlung ausdrücklich zurückgenommen habe. Die der Beschwerdegegnerin durch die mündliche Verhandlung entstandenen Kosten seien also durch die Einspruchsabteilung, die die mündliche Verhandlung ohne Notwendigkeit abgehalten habe, verursacht worden und nicht durch das Verhalten der Beschwerdeführerin.
70. Nach Auffassung der Kammer hat die Überlegung, dass "das Erscheinen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung trotz gegenteiliger Ankündigung nicht ausgeschlossen werden konnte und somit ein Erscheinen der Beschwerdegegnerin zur pflichtgemäßen Wahrung ihrer Interessen notwendig machte" (s. Seite 16, letzter Absatz der angefochtenen Entscheidung) bei der Entscheidung, den festgesetzten Termin für die (zweite) mündliche Verhandlung nicht aufzuheben, offenbar eine Rolle gespielt. Allerdings kann die reine Mutmaßung über das künftige Verhalten von Beteiligten bei der Frage der Kostenverteilung nicht von Bedeutung sein oder ihnen gar zum Nachteil gereichen. Dass sich die Beschwerdeführerin nach der Rücknahme des Einspruchs der vormaligen Einsprechenden 2 und der darauffolgenden Absage der für den 10. März 2015 anberaumten (ersten) mündlichen Verhandlung die von der vormaligen Einsprechenden 2 geltend gemachten Vorbenutzungen oV1 und oV2 zu eigen gemacht und die Vernehmung der in dem Zusammenhang angebotenen Zeugen beantragt hat, kann nicht das Vorliegen eines Verfahrensmissbrauchs begründen. Auch ihre Erklärung, die von der Einspruchsabteilung für die Durchführung der Beweisaufnahme geforderten Kostenvorschüsse nicht zu zahlen bzw. keine neuen Kostenverzichtserklärungen einzureichen, ist nicht auf ein fahrlässiges oder missbräuchliches Verhalten zurückzuführen. In ihrem Schreiben vom 7. September 2015 hat sie nämlich ihre Sichtweise dargetan, dass alle Zeugen durch die von der vormaligen Einsprechenden 2 anlässlich der für den 10. März 2015 anberaumten mündlichen Verhandlung eingereichten Kostenverzichtserklärungen bereits gegenüber dem Europäischen Patentamt auf eine Kostenerstattung verzichtet hätten, sodass weder eine erneute Kostenverzichtserklärung noch eine Zahlung eines Vorschusses erforderlich sei. Selbst wenn man aber zugunsten der Beschwerdegegnerin annähme, dass diese Handlungsweise der Beschwerdeführerin eine bewusste Verzögerung des Verfahrens herbeigeführt hat, bedeutet das nicht, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Termin für die (zweite) mündliche Verhandlung am 2. März 2016 trotz des angekündigten Fernbleibens der Beschwerdeführerin und der Rücknahme ihres Antrags auf mündliche Verhandlung aufrechtzuerhalten, unmittelbar durch die Handlungsweise der Beschwerdeführerin verursacht worden ist.
71. Entgegen der Sichtweise der Beschwerdegegnerin ist die mündliche Verhandlung am 2. März 2016 nämlich auch bei freiwilligem Fernbleiben der Beschwerdeführerin nicht überflüssig gewesen. Wie aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung hervorgeht, wurde der von der Beschwerdeführerin am 10. Februar 2016 gestellte Antrag auf Vernehmung der Zeugen durch ein nationales Gericht zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung mit der Beschwerdegegnerin, die Einwände gegen eine Vernehmung der Zeugen durch ein nationales Gericht erhoben hatte, erörtert. Wegen des hilfsweise gestellten Antrags der Beschwerdegegnerin auf mündliche Verhandlung "für den Fall, dass die Einspruchsabteilung die Zurückweisung des Einspruchs nicht bereits im schriftlichen Verfahren entscheiden kann" (s. das Schreiben vom 18. Januar 2016, Seite 2, Punkt 3) war daher die mündliche Verhandlung notwendig, um der Beschwerdegegnerin ggf. die Möglichkeit zu geben, ihre Einwände gegen eine Vernehmung der Zeugen durch ein nationales Gericht vor der Einspruchsabteilung mündlich vorzutragen und so ihren Anspruch auf rechtliches Gehör zu wahren.
72. Folglich hat die Beschwerdegegnerin nicht überzeugend dargelegt, dass die ihr durch das Abhalten der (zweiten) mündlichen Verhandlung am 2. März 2016 entstandenen Kosten durch das Verhalten der Beschwerdeführerin verursacht worden sind.
73. Unter diesen Umständen ist die Kammer zur Auffassung gelangt, dass eine Kostenverteilung nach Artikel 104 (1) EPÜ zugunsten der Beschwerdegegnerin bezüglich der ihr durch die mündliche Verhandlung vom 2. März 2016 entstandenen Kosten nicht der Billigkeit entspricht. Die Entscheidung über eine anderweitige Kostenverteilung ist demnach aufzuheben und beide Beteiligten tragen gemäß Artikel 104 (1) EPÜ die ihnen im Einspruchsverfahren erwachsenen Kosten selbst.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung einschließlich der Entscheidung über eine anderweitige Kostenverteilung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Fassung mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 1', eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2022.