T 0645/88 16-03-1990
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Türanlage
inventive step - new problem
drawing - key plan
erfinderische Tätigkeit (ja)
Aufgabenstellung (neu)
Zeichnung - Schemazeichnung
I. Auf die am 12. Februar 1982 angemeldete europäische Patentanmeldung Nr. 82 101 072.5 wurde am 19. Dezember 1984 das europäische Patent Nr. 0 060 395 erteilt.
II. Gegen das Patent wurde Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit zu widerrufen.
III. Mit Zwischenentscheidung vom 4. Oktober 1988 stellte die Einspruchsabteilung fest, daß der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang aufgrund der am 15. Juni 1988 mitgeteilten Unterlagen Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ nicht entgegenstünden.
IV. Gegen die Zwischenentscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 18. November 1988 unter Entrichtung der Gebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 2. Februar 1989 eingegangen.
V. In der auf Antrag der Beteiligten durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 16. März 1990 hat die Beschwerdeführerin wie bereits in ihren schriftlichen Eingaben die Auffassung dargelegt, daß der Gegenstand des europäischen Patents 0 060 395 auch in geändertem Umfang im Hinblick auf die Druckschriften:
(13) DE-A-2 921 485,
(14) DE-B-1 922 081,
(16) Katalog "SEKO, 50 Jahre, 1920-1970", Seiten 14 und 15,
(17) Katalog "SEKO, Sprechanlagen und Signaltechnik, 1976", Seiten 12 bis 15,
(18) DE-U-7 216 999 (häufig von der Beschwerdeführerin in ihren Eingaben als (15) bezeichnet),
(22) DE-A-2 264 205,
(23) Prospekt der Firma Busch-Jaeger Elektro "Die Sprechanlage aus der Steckdose" und die der Druckschrift (23) im wesentlichen entsprechende Druckschrift
(24) DE-A-2 816 422 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die dem Gegenstand des Patents zugrundeliegende Aufgabe sei zum Anmeldezeitpunkt nicht neu gewesen, sondern habe sich aus (23) bzw. (24) ergeben. Im übrigen sei der geänderte Anspruch 1 gegenüber der Druckschrift (13) nicht korrekt abgegrenzt. Außerdem komme die Druckschrift (14), aus der ein Großteil der unter a), b) und c) des Anspruchs 1 aufgeführten Merkmale bekannt sei, dem Gegenstand des Anspruchs 1 näher als die Druckschrift (13). In (14) werde zwar das die schwenkbare Verbindung der Befestigungsplatte mit dem Gehäuse betreffende Merkmal nicht offenbart; dieses Merkmal habe aber nichts mit der zu lösenden Aufgabe, der Schaffung eines flexiblen Baukastensystems, zu tun und sei für die in den kennzeichnenden Merkmalen a) bis d) angegebene Weiterbildung der Funktionseinheiten und der Befestigungsplatte unwesentlich.
Der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 ergebe sich durch naheliegende Kombination von lediglich zwei Druckschriften, nämlich der Druckschrift (13) oder (14) mit der Druckschrift (18) oder (23) bzw. (24). Die Druckschrift (18) stelle dabei einen Stand der Technik auf einem übergeordneten allgemeinen technischen Gebiet dar und sei daher gemäß Entscheidung T 176/84, "Stiftspitzer/MÖBIUS", ABl. EPA 1986, 50, bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit heranzuziehen.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) ist der Argumentation der Beschwerdeführerin entgegengetreten.
Sie hat in der mündlichen Verhandlung einen neuen Anspruch 1 vorgelegt, in dem zum Ausdruck gebracht wird, daß die Funktionseinheiten Teile der Türanlage bilden, und der bezüglich des Merkmals d) klargestellt und schärfer gegenüber der Druckschrift (13) abgegrenzt ist.
Als Beweisanzeichen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit sprächen nach Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht nur die in letzter Instanz ergangenen, für die Beschwerdegegnerin positiven Entscheidungen in Sachen der parallelen deutschen prioritätsbegründenden Patentanmeldung und der Gebrauchsmuster-Löschungssache, sondern auch der mit dem Gegenstand des Streitpatents erzielte bedeutende wirtschaftliche Erfolg sowie die Tatsachen, daß die erfindungsgemäße Türanlage der gesamten Branche Anregungen gegeben habe und daß die Beschwerdeführerin vier Druckschriften benötige, um das Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit zu begründen.
Als nächstkommender Stand der Technik sei wegen der Ähnlichkeit der Problematik und der Verschwenkbarkeit der Befestigungsplatte gegenüber dem Gehäuse die Druckschrift (13), und nicht die Druckschrift (14), anzusehen. Weder eine Kombination der Druckschrift (13) bzw. (14) mit der Druckschrift (18) noch eine Kombination mit der Druckschrift (23) bzw. (24) würde zum Gegenstand des Streitpatents führen. Die Druckschrift (18) repräsentiere kein übergeordnetes Fachgebiet. Bei der Frage, ob sich der Fachmann auf der Suche nach einer Lösung seiner Aufgabe auf einem benachbarten Fachgebiet umsehen würde, sei entscheidend, ob er auf diesem benachbarten Gebiet Anregungen zur Lösung seiner Aufgabe erwarten könne. Die vom Beschwerdeführer genannte Entscheidung T 176/84 spreche eher für als gegen das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit. Im übrigen hätten beim Gegenstand des Streitpatents jede Funktionseinheit und die gesamte Türanlage auch nach Drehung einer Funktionseinheit um 90° dieselbe Funktion, während beim Verdrehen eines würfelförmigen Körpers der aus (18) bekannten Vorrichtung die elektrische Schaltung geändert werde.
VII. Der geltende Anspruch 1 lautet:
"Türanlage mit einem Gehäuse (1), mit Funktionseinheiten (2) unterschiedlicher Funktion wie Namensschilder, Klingeltasten, Türlautsprecher und dergleichen, mit einer die einzelnen Funktionseinheiten gemeinsam aufnehmenden, mehrere nebeneinander und/oder übereinander liegende Öffnungen aufweisenden Befestigungsplatte, die schwenkbar und feststellbar mit dem Gehäuse verbunden ist, sowie mit Abdichtungs- und Verblendmitteln, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:
a) die Befestigungsplatte hat die Form eines Rasterrahmens (8), dessen Rasteröffnungen (12-15) einheitlich und gleich groß und durch Stege (7) gebildet sind, b) jede der Funktionseinheiten (2) weist die gleichen, den Rasteröffnungen (12-15) entsprechenden äußeren Abmessungen auf und besteht wahlweise aus einem einzigen Teil oder ist aus mehreren, miteinander kombinierbaren Teilen zusammengesetzt, c) jede der Funktionseinheiten (2) ist von außen in jede beliebige Rasteröffnung (12-15) einschiebbar sowie darin arretierbar und weist Verblendkanten (5) auf, derart, daß die zusammenwirkenden Verblendkanten den Rasterrahmen (8) und dessen Rasterstege (7) vollständig überdecken, d) die Form der Rasteröffnungen und der daran angepaßten Funktionseinheiten (2) ist derart, daß jede Funktionseinheit durch einfaches Umstecken in mindestens zwei Positionen, die sich durch eine Drehung um 90° relativ zum Rasterrahmen (8) unterscheiden, in jede Rasteröffnung eingeschoben werden kann."
VIII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Zwischenentscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Beschreibung: Seite 1 gemäß Anlage zur Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ vom 15. Juni 1988, Seiten 1a und 1b, eingegangen am 31. Januar 1990 mit Schreiben vom 30. Januar 1990, Seite 2 gemäß Anlage zur genannten Mitteilung, jedoch unter Streichung der ersten Zeile, Spalte 2 der Patentschrift (ab dem Wort "vorzugsweise" in Zeilen 11 und 12) bis Spalte 8 der Patentschrift gemäß Anlage zur genannten Mitteilung; Patentansprüche: Anspruch 1 wie vorgelegt in der mündlichen Verhandlung und wiedergegeben unter Ziffer VII, Ansprüche 2 bis 19 (erster Teil), eingegangen am 31. Januar 1990 mit Schreiben vom 30. Januar 1990, Ansprüche 19 (zweiter Teil) bis 21 gemäß Anlage zur genannten Mitteilung; Zeichnungen: Blatt 1 bis 5 gemäß Anlage zur genannten Mitteilung.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Formale Aspekte
2.1. Das geltende Merkmal d) ist inhaltlich durch die Ausführungen in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 13, letzter Absatz in Verbindung mit Seite 14, letzter Satz des zweiten Absatzes und der auf Seite 2 genannten Aufgabenstellung gestützt, da bestimmte Funktionseinheiten, wie beispielsweise Namensschilder mit horizontalen Namenszügen, unabhängig von der lotrechten oder waagerechten Befestigung der Türanlage selbst- verständlich stets in ihrer Normalstellung und somit in zwei sich durch eine Drehung um 90° relativ zum Rasterrahmen unterscheidenden Positionen einbaubar sein müssen. Die geänderte Fassung des Anspruchs 1 genügt daher den Anforderungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ und ist insofern auch von der Beschwerdeführerin nicht angefochten worden.
Auch gegen die abhängigen Ansprüche und die Änderungen der Beschreibung und der Zeichnung bestehen in dieser Hinsicht keine Bedenken.
2.2. Der geänderte Anspruch 1 erfüllt nunmehr auch das Erfordernis der Klarheit gemäß Artikel 84 EPÜ. Die zur Lösung der Aufgabe erforderliche Einbaubarkeit der Funktionseinheiten in zwei sich durch eine 90°-Drehung unterscheidenden Positionen (Merkmal d)) impliziert in Verbindung mit dem im Merkmal c) enthaltenen Teilmerkmal, wonach die zusammenwirkenden Verblendkanten der Funktionseinheiten den Rasterrahmen und dessen Rasterstege vollständig überdecken, daß die Funktionseinheiten außer einer 90°-Drehsymmetrie zumindest in ihrem äußeren Teil (5) eine quadratische oder eine hieraus abgeleitete, die Bedingung des Merkmals c) erfüllende Form besitzen müssen. Somit kann nicht, wie im Merkmal d) des der Zwischenentscheidung zugrundeliegenden früheren Anspruchs 1 geschehen, zwischen einer horizontalen und vertikalen Anordnung der Funktionseinheiten unterschieden werden. Die nunmehr geltende Formulierung des Merkmals d) bringt obigen Sachverhalt ausreichend deutlich zum Ausdruck.
Der innere Teil (39) der Funktionseinheiten braucht, da er nicht die Bedingung des Merkmals c) erfüllen muß, nicht quadratisch zu sein; beispielsweise können der innere Teil (39) und die entsprechenden Rasteröffnungen auch rund sein oder eine andere Form mit mindestens 90°-Drehsymmetrie aufweisen. Eine längliche Form des inneren Teils fällt somit nicht in den Bereich des Anspruchs 1.
Eine im Hinblick auf die Aussage in Spalte 8, Zeilen 35 und 36 der Patentschrift notwendig erscheinende Beschränkung des Anspruchs 1 auf Türanlagen mit länglicher Form hält die Kammer nicht für gerechtfertigt. Eine Drehung einer Türanlage mit beispielsweise quadratischer Form um 90° zur Anpassung an bauliche Gegebenheiten kann nämlich durchaus sinnvoll sein, z. B. dann, wenn die Gelenkverbindung zwischen Rasterrahmen und Gehäuse nicht waagerecht sondern senkrecht liegen soll.
2.3. Der geltende Anspruch 1 ist nach Meinung der Kammer korrekt entsprechend Regel 29 (1) a) EPÜ gegenüber dem aus der Druckschrift (13) bekannten Stand der Technik abgegrenzt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin offenbart die Figur 4 der Druckschrift (13) wegen der dort dargestellten nicht-einheitlichen und teilweise unterschiedlich großen Öffnungen keinen Rasterrahmen im Sinne des Merkmals a) des Anspruchs 1. Ebenso weist bei der aus (13) bekannten Türanlage nicht jede Funktionseinheit (2, 3, 4, 10) die gleichen äußeren Abmessungen auf. Ferner geht aus (13) nicht eindeutig hervor, daß die Funktionseinheiten Verblendkanten aufweisen und von außen in die Rasteröffnungen einschiebbar sind. Vielmehr können nach den Figuren 3 und 4 die Verblendrahmen auch getrennt vorliegen und die Funktionseinheiten von innen befestigt sein (vgl. Figur 2).
2.4. Die Beschreibung ist an den Wortlaut der Ansprüche angepaßt. Gegen sie bestehen auch sonst im Hinblick auf Regel 27 EPÜ keine Bedenken.
2.5. Zu dem Einwand der Beschwerdeführerin, die in Figur 1 dargestellte Türanlage falle nicht in den Bereich des Anspruchs 1 und die Figur 1 sei daher zu streichen, nimmt die Kammer wie folgt Stellung:
Die Figur 1 erweckt in der Tat den Anschein, daß die Rasteröffnungen und die Funktionseinheit eine rechteckige, nicht-quadratische Form und somit keine 90°-Drehsymmetrie besitzen. Diese Figur stellt jedoch, wie in Patentanmeldungen üblich, eine Schemazeichnung dar, der nicht die Bedeutung einer in jeder Hinsicht genauen Abbildung gegeben werden kann und der weder reine Maßangaben noch Maßverhältnisse durch Nachmessen entnommen werden dürfen (vgl. T 204/83, "Venturi/Charbonnages", ABl. EPA 1985, 310). Die Figur 1 ist vielmehr im Lichte des Anspruchs 1 und der Beschreibung zu sehen. Eine Streichung dieser Figur ist daher nicht gerechtfertigt.
3. Neuheit Keine der entgegengehaltenen Druckschriften offenbart alle Merkmale des Anspruchs 1. Sein Gegenstand ist daher neu und genügt Artikel 54 EPÜ. Da die Neuheit nicht angefochten ist, erübrigen sich nähere Ausführungen dazu.
4. Nächstliegender Stand der Technik Die dem ersten Teil des Anspruchs 1 zugrundeliegende Druckschrift (13) stellt nach übereinstimmender Ansicht der Beschwerdegegnerin und der Kammer den der Erfindung am nächsten kommenden Stand der Technik dar. Diese Druckschrift offenbart eine Türanlage mit einem Gehäuse, mit Funktionseinheiten unterschiedlicher Funktion, mit einer die einzelnen Funktionseinheiten gemeinsam aufnehmenden Befestigungsplatte und mit Abdichtungs- und Verblendmitteln. Die mehrere nebeneinander und übereinander liegende Öffnungen aufweisende Befestigungsplatte ist schwenkbar und feststellbar mit dem Gehäuse verbunden. Diese Verschwenkbarkeit der Befestigungsplatte ermöglicht eine einfache mechanische Montage und Verdrahtung der Funktionseinheiten und eine einfache Reparatur der Türanlage; sie bestimmt den Typus der erfindungsgemäßen Türanlage.
Eine derartige Türanlage ist aus der Druckschrift (14) nicht bekannt. Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Druckschrift (14) offenbare einen Teil der unter a), b) und c) des Anspruchs 1 des Streitpatents aufgeführten Merkmale, ist zwar berechtigt. So zeigt die bekannte Türanlage in der Tat eine Befestigungsplatte in der Form eines Rasterrahmens mit einheitlichen, gleich großen und durch Stege gebildeten Öffnungen. Diese Türanlage weist auch das im Anspruch 1 angegebene Merkmal b) sowie die ersten beiden Teilmerkmale des Merkmals c) auf, nicht jedoch das das vollständige Überdecken des Rasterrahmens durch die Verblendkanten betreffende Teilmerkmal des Merkmals c), das Mermal d), sowie die Merkmale, daß die Funktionseinheiten unterschiedliche Funktion haben und daß die Befestigungsplatte schwenkbar mit dem Gehäuse verbunden ist. Das Fehlen des letztgenannten Merkmals verdeutlicht, weshalb es sich bei der aus (14) bekannten Türanlage um einen anderen Typus als bei der erfindungsgemäßen Türanlage handelt. Insofern ist die Auffasung der Beschwerdegegnerin, die aus (13), und nicht die aus (14), bekannte Türanlage komme von der Gattung her dem Gegenstand des Streitpatents am nächsten, gerechtfertigt.
Der Meinung der Beschwerdeführerin, die Druckschrift (14) sei nächstliegender Stand der Technik, denn das die Verschwenkbarkeit der Befestigungsplatte betreffende Merkmal stelle eine Überlastung des Anspruchs 1 dar und habe nichts mit der zu lösenden Aufgabe, der Schaffung eines flexiblen Baukastensystems, zu tun, kann die Kammer nicht beitreten. Die eine einfache Montage, Verdrahtung und Reparatur ermöglichende Verschwenkbarkeit der Befestigungsplatte erleichtert nämlich die im Rahmen der Aufgabenstellung gewünschte Änderung und Ergänzung unterschiedlicher Funktionseinheiten.
Selbst wenn, was jedoch nicht der Fall ist, die Druckschriften (13) und (14) gleichwertig wären, sollte nach ständiger Amtspraxis die Patentinhaberin nicht ohne zwingenden Grund gedrängt werden, eine andere als die von ihr gewählte Aufteilung der Merkmale vorzunehmen.
5. Aufgabe und Lösung
5.1. Ausgehend von dem aus der Druckschrift (13) bekannten Stand der Technik ist die dem Gegenstand des Anspruchs 1 objektiv zugrundeliegende Aufgabe in Übereinstimmung mit den betreffenden Angaben in der Streitpatentschrift (s. auch Spalte 7, Zeilen 61 bis 65 und Spalte 8, Zeilen 2 bis 43) darin zu sehen, eine Türanlage gemäß dem ersten Teil des Anspruchs 1 so auszugestalten, daß ein flexibles Baukastensystem geschaffen wird, und zwar derart, daß (i) eine größere Variationsbreite bei der Anbringung und nachträglichen Änderung oder Ergänzung unterschiedlicher Funktionseinheiten ermöglicht wird; daß (ii) bei einer derartigen Anbringung oder Änderung das äußere Erscheinungsbild nicht beeinträchtigt wird und ein ansprechendes Aussehen der Türanlage entsteht; und daß (iii) eine Türanlage in einer vertikalen Ebene wahlweise lotrecht oder waagerecht, d. h. wahlweise um 90° verdreht, befestigt werden kann, um den jeweiligen baulichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, wobei die Funktionseinheiten bei Bedarf in ihrer Normalstellung (z. B. mit horizontalen Namenszügen) einbaubar sind.
5.2. Diese Aufgabe wird durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 genannten Merkmale gelöst. Die Öffnungen der Befestigungsplatte und die unterschiedlichen Funktionseinheiten sind demnach so ausgestaltet, daß alle Funktionseinheiten untereinander beliebig ausgetauscht, d. h. durch Umstecken in beliebigen Rasteröffnungen angeordnet, sowie nachträglich geändert und ergänzt und um 90° relativ zum Rasterrahmen gedreht werden können und auch nach Drehung so in den Rasterrahmen einschiebbar sind, daß die Verblendkanten der Funktionseinheiten den Rasterrahmen und dessen Rasterstege vollständig überdecken und somit das äußere Erscheinungsbild der Türanlage nicht beeinträchtigt wird.
5.3. Die Kammer teilt nicht die Meinung der Beschwerdeführerin, daß die Aufgabenstellung mit sämtlichen Teilaspekten nicht neu sei. Sie ist vielmehr der Auffassung, daß von der zuvor genannten Aufgabenstellung lediglich die unter (iii) aufgeführte Teilaufgabe als aus dem Stand der Technik herleitbar angesehen werden kann. Aus der Druckschrift (24) (s. insbesondere die Seiten 4 bis 7) und der ihr teilweise entsprechenden Druckschrift (23) ist es nämlich bei einer aus mehreren elektrischen Installationsgeräteteilen bestehenden Einheit, wie einer elektronischen Wechselsprechanlage, bekannt, eine solche Mehrfachkombination in einer Wand in einer rechteckigen Einbaudose waagerecht oder senkrecht zu installieren, wobei die Bedienungsglieder eines Geräteteils stets in der gleichen gewohnten Bedienungsanordnung zu liegen kommen und Schriftzeichen normal lesbar sind, das Geräteteil also um 90° bezüglich der Einbaudose verschwenkbar ist.
Die übergeordnete der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe, nämlich ein flexibles Baukastensystem einer Türanlage mit drehbaren Funktionseinheiten zu schaffen, ist jedoch aus keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften herleitbar, und zwar weder aus den das Gebiet der Türanlagen betreffenden Druckschriften (13), (14), (16) und (17) noch aus den Druckschriften (18), (22), (23) und (24) oder den anderen im Einspruchs- und Prüfungsverfahren herangezogenen Druckschriften.
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1. Wie vorstehend unter Ziffer 5.3 dargelegt, kann, mit Ausnahme der Teilaufgabe (iii), die durch den Gegenstand des Anspruchs 1 zu lösende, insbesondere die Einführung eines flexiblen Baukastensystems auf dem Gebiet der Türanlagen betreffende Aufgabe aus dem druckschriftlich genannten Stand der Technik nicht hergeleitet werden. Nachdem sich diese Aufgabe auch nicht unmittelbar aus in der Praxis zu beobachtenden Nachteilen ergibt, ist bereits hierin ein erstes Indiz für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu sehen.
6.2. Durch die den Gattungsbegriff des Anspruchs 1 bildende Druckschrift (13) selbst kann der Fachmann keine Anregung zur Lösung der Aufgabe empfangen haben. Diese Druckschrift enthält nämlich keinen Hinweis darauf, die Form der Rasteröffnungen und jeder Funktionseinheit derart auszubilden, daß jede der Funktionseinheiten mit unterschiedlicher Funktion in jede beliebige Rasteröffnung in mindestens zwei, sich durch eine Drehung um 90° unterscheidenden Positionen eingeschoben werden kann und daß die zusammenwirkenden Verblendkanten der Funktionseinheiten den Rasterrahmen und dessen Rasterstege vollständig überdecken.
6.3. Bezüglich der Druckschrift (14) wurde bereits unter Ziffer 4 dargelegt, daß einige der unter a), b) und c) angegebenen Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents aus (14) bekannt sind. Jedoch weicht sowohl die Form der Rasteröffnungen als auch die der Funktionseinheiten dieser bekannten Türanlage wesentlich von einer Form mit 90°- Drehsymmetrie ab. Die Funktionseinheiten können daher nicht in zwei um 90° verdrehten Positionen im Rasterrahmen angeordnet werden. Auch das das vollständige Überdecken des Rasterrahmens durch die Verblendkanten betreffende Merkmal ist aus (14) nicht bekannt. Somit können die diesbezüglichen Merkmale im Anspruch 1 durch (14) nicht nahegelegt worden sein.
Dies gilt in gleichem Maße für die Druckschriften (16) und (17) und die übrigen im Verfahren befindlichen und Türanlagen darstellenden Dokumente, da in ihnen ebenfalls Funktionseinheiten und Öffnungen in Befestigungsplatten mit länglicher Form offenbart sind.
6.4. Die Beschwerdeführerin hat insbesondere auf die Druckschriften (18), (22), (23) und (24) verwiesen, um zu begründen, daß die Merkmale c) und d) des Anspruchs 1, die im wesentlichen der Lösung der unter Ziffer 5.1 aufgeführten Teilaufgaben (ii) und (iii) dienen, naheliegend seien.
Die Druckschrift (18) betrifft eine Vorrichtung in Form eines Baukastensystems zum Zusammenstellen elektrischer bzw. elektronischer Schaltungen. Sie umfaßt ein Rastergitter 10 und in die Rasteröffnungen 13 einschiebbare, jeweils ein elektrisches Schaltelement 17 enthaltende würfelförmige Körper 14 gleicher Form mit an den Seitenwänden vorstehenden Kontaktzungen 19. Diese Vorrichtung gestattet es, auf einfache Weise verschiedene elektrische Schaltelemente in den verschiedensten Kombinationen miteinander zu verbinden und auch einfach wieder voneinander zu trennen. Dadurch kann eine Vielzahl von Schaltungen unter Verwendung bzw. Wiederverwendung ein und derselben Schaltelemente sei es für Lehrzwecke, sei es für eigentliche technische Zwecke, äußerst rasch zusammengestellt und wieder auseinandergenommen werden.
6.5. Unter Hinweis auf die Entscheidung T 176/84 (ibid.) hat die Beschwerdeführerin dargelegt, daß bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit ggf. auch der Stand der Technik auf Nachbargebieten und/oder auf einem übergeordneten allgemeinen technischen Gebiet heranzuziehen ist, d. h. auf einem Gebiet, auf dem die gleichen oder ähnlichen Probleme wie auf dem Spezialgebiet, auf dem die Anmeldung in diesem Fall liegt, eine Rolle spielen.
Die Kammer ist der Auffassung, daß, wie nachfolgend begründet wird, der Fachmann durch die Druckschrift (18) zwar eine Anregung zur Übernahme des bekannten Baukastenprinzips, nicht aber einen Hinweis zur Lösung der unter Ziffer 5.1 genannten Teilaufgaben (ii) und (iii) empfangen haben kann, nachdem auf dem Gebiet, mit dem sich die Druckschrift (18) befaßt, nicht die zu den genannten Teilaufgaben führenden gleichen oder ähnlichen Probleme eine Rolle spielen.
Es trifft zwar zu, daß das in (18) mit 10 bezeichnete Rastergitter um 90° in seiner Ebene drehbar ist, daß die jeweils ein elektrisches Schaltelement 17 enthaltenden würfelförmigen Körper 14 in beliebiger Ausrichtung, also in mindestens zwei Positionen, die sich durch eine Drehung um 90° relativ zum Rastergitter unterscheiden, in jede beliebige Rasteröffnung eingeschoben werden können (dabei ändert sich jedoch die elektrische Schaltung) und daß die Randbereiche der oberen Abschlußwand 15 jedes würfelförmigen Körpers 14 zusammen mit den Randbereichen der benachbarten Körper das Rastergitter nahezu vollständig überdecken. Insofern scheinen die Merkmale a) bis d) des Anspruchs 1 des Streitpatents mit Ausnahme des letzten Teilmerkmals des Merkmals b) und des ersten Teilmerkmals des Merkmals c), wonach die Funktionseinheiten in jede beliebige Rasteröffnung (ohne Änderung der Gesamtfunktion) einschiebbar sind, aus (18) bekannt zu sein. Die im vorliegenden Fall zu klärende Frage ist aber nicht, ob diese Merkmale bekannt sind, sondern ob es dem Fachmann durch die Druckschrift (18) nahegelegt wird, diese Merkmale auf die aus (13) bekannte Türanlage zu übertragen.
Die Umsteckbarkeit und Drehbarkeit der würfelförmigen Körper um 90° relativ zum Rastergitter dient in (18) dem Zweck, Schaltelemente auf einfache Weise in den verschiedensten Kombinationen miteinander zu elektrischen oder elektronischen Schaltungen zu verbinden. Sie dient nicht dem im Streitpatent verfolgten Zweck, die Drehbarkeit des Rasterrahmens zwecks Anpassung an räumliche Verhältnisse zu ermöglichen bei Einbau der Funktionseinheiten in Normalstellung. Das Problem, den Rasterrahmen wahlweise hochkant oder quer einzubauen, stellt sich in der Druckschrift (18) nicht. Auch würde bei der aus (18) bekannten Vorrichtung ein Verdrehen des Rastergitters es nicht erfordern, die würfelförmigen Körper relativ zum Rastergitter um 90° zu verdrehen, um die Normalstellung der Körper beizubehalten. Vielmehr ist beim Stand der Technik die Position der Schaltelemente ausschließlich abhängig von der elektrischen Schaltung, die durch Kombination der Schaltelemente hergestellt werden soll. Eine beliebige Anordnung der einzelnen Schaltelemente ist im Gegensatz zu der gemäß Streitpatent möglichen frei wählbaren Anordnung der Funktionseinheiten ohne Änderung der elektrischen Schaltung nicht möglich.
Ebenso dient die bei der bekannten Vorrichtung erzielte nahezu vollständige Überdeckung des Rastergitters nicht, wie beim Streitpatent, dem Zweck, das äußere Erscheinungsbild bei Änderung der Zusammenstellung der Funktionseinheiten nicht zu beeinträchtigen, sondern dem Ziel, die elektrischen Schaltelemente symbolisch auf den oberen Wänden der würfelförmigen Körper darzustellen, um es zu ermöglichen, die in der Vorrichtung enthaltene Schaltung auf dem ersten Blick zu erkennen.
6.6. Im Hinblick auf diese unterschiedlichen Problemstellungen, die dem Stand der Technik gemäß (18) einerseits und dem Gegenstand des Streitpatents andererseits zugrunde liegen, kann der Fachmann durch die Druckschrift (18) keinen Hinweis auf die durch die Merkmale c) und d) des Anspruchs 1 charakterisierte Lösung der Teilaufgaben (ii) und (iii) erhalten haben, nämlich die aus (13) bekannte Türanlage derart zu modifizieren, daß sie wahlweise hochkant oder quer eingebaut werden kann und zu diesem Zweck Funktionseinheiten aufweist, die in mindestens zwei Positionen, die sich durch eine Drehung um 90° relativ zum Rasterrahmen unterscheiden, in jede beliebige Rasteröffnung eingeschoben werden können bei vollständiger Überdeckung des Rasterrahmens und der Rasterstege durch die zusammenwirkenden Verblendkanten der Funktionseinheiten.
Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für die Entgegenhaltung (22), die hinsichtlich des für das Streitpatent relevanten Offenbarungsinhalts im wesentlichen der Druckschrift (18) entspricht.
6.7. Nach Auffassung der Kammer legen die Druckschrift (23) und die den gleichen Gegenstand betreffende Druckschrift (24) den Gegenstand des Streitpatents ebenfalls nicht nahe. Da die Druckschrift (24) inhaltsmäßig nicht über die Druckschrift (23) hinausgeht, wird im folgenden lediglich auf (24) eingegangen.
Wie bereits unter Ziffer 5.3 im Zusammenhang mit der Teilaufgabe (iii) ausgeführt, ist es aus der Druckschrift (24) bekannt, eine aus mehreren elektrischen Installationsgeräteteilen bestehende Geräteeinheit in einer Wand waagerecht oder senkrecht zu montieren, wobei die Bedienungsglieder eines Geräteteils stets in der gleichen gewohnten Bedienungsanordnung zu liegen kommen, das Geräteteil also um 90° bezüglich der Einbaudose verschwenkbar ist.
Diese Verschwenkbarkeit wird jedoch im Vergleich zum Streitpatent auf grundsätzlich andere konstruktive Weise erzielt. So sind die Geräteteile 1, 2 der aus (24) bekannten Einheit in getrennten Gehäusen 1a, 2a angeordnet, die an der Stirnfläche angeformte Tragorgane 1b, 2b aufweisen. Mittels an den Stirnflächen angeordneter Vorsprünge 3 können die Geräteteile durch Überlappung der Stirnflächen zu einer Geräteeinheit sowohl in waagerechter als auch in senkrechter Einbaulage unter Verschwenkung eines Geräteteils um 90° zusammengesteckt werden (vgl. Seite 7). Die zusammengesteckten Geräteteile 1, 2 bilden eine Einheit und können in eine gemeinsame Unterputzdose 8 eingesetzt werden. Die gesamte Geräteeinheit wird anschließend durch eine gemeinsame Abdeckung 9 abgedeckt, die bei senkrechter und waagerechter Montage unterschiedlich ausgebildet ist.
6.8. Die bekannte Geräteeinheit weist somit keinen Rasterrahmen für die gemeinsame Befestigung der Geräteteile auf. Die lediglich als Verblendung dienende Abdeckung kann, wie die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin nicht als Rasterrahmen, in den die Geräteteile von außen einschiebbar sind, angesehen werden.
Aus (24) geht also lediglich hervor, daß für die senkrechte oder waagerechte Montage ein oder mehrere Geräteteile der Geräteeinheit wahlweise um 90° gedreht werden können. Die im Anspruch 1 des Streitpatents enthaltene Lehre, einen Rasterrahmen vorzusehen und gemäß Merkmal d) die Form der Rasteröffnungen und der daran angepaßten Funktionseinheiten derart auszubilden, daß jede Funktionseinheit in mindestens zwei sich um 90° unterscheidenden Positionen in jede beliebige Rasteröffnung eingeschoben werden kann, wird daher durch die Druckschrift (24) nicht nahegelegt.
Dies gilt entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin auch für das Merkmal c) des Anspruchs 1, wonach die Verblendkanten der Funktionseinheiten derart ausgestaltet sind, daß die zusammenwirkenden Verblendkanten den Rasterrahmen und dessen Rasterstege vollständig überdecken. Bei der aus (24) bekannten Geräteeinheit wird nämlich, anders als bei der Türanlage gemäß dem Streitpatent, das äußere Erscheinungsbild nicht durch die Vorderseite der Geräteteile, sondern durch den Abdeckrahmen geprägt, der überdies bei senkrechter und waagerechter Montage unterschiedlich ausgebildet ist. Beim Gegenstand des Streitpatents ist dagegen kein Abdeckrahmen erforderlich, da die zusammenwirkenden Verblendkanten, die ein ansprechendes Aussehen der Anlage bewirken, dies überflüssig machen.
6.9. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 sich nicht in naheliegender Weise aus dem nachgewiesenen Stand der Technik ergibt und somit auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ). Der Anspruch 1 erfüllt mithin die Voraussetzungen der Patentierbarkeit gemäß Artikel 52 (1) EPÜ.
6.10. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 21 haben besondere Ausführungsarten der Türanlage nach Anspruch 1 zum Inhalt; sie sind daher ebenfalls gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Zwischenentscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Erstinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, das europäische Patent in geändertem Umfang mit den in der mündlichen Verhandlung beantragten, unter Ziffer VIII genannten Unterlagen aufrechtzuerhalten.