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T 0614/89 11-06-1992
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Von einem Schlepper ziehbare Anordnung von Hacken
I: Amazonen-Werke H. Dreyer GmbH & Co.KG
II: XAVER FENDT & CO
Kostenverteilung nach Beschwerderücknahme (abgelehnt)
Apportionment of costs after withdrawal of the appeal
I. Auf die am 7. Juni 1983 angemeldete europäische Patentanmeldung Nr. 83 105 570.2 ist mit Wirkung vom 14. Januar 1987 das europäische Patent Nr. 0 098 393 erteilt worden.
II. Gegen dieses Patent haben die Firmen
I: Amazonen-Werke H. Dreyer GmbH & Co. KG und
II: XAVER FENDT & CO
Einspruch eingelegt.
Mit Entscheidung vom 24. Juli 1989 hat die Einspruchsabteilung das vorgenannte Patent widerrufen.
III. Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) am 20. September 1989 unter gleichzeitiger Bezahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 17. November 1989 begründet.
IV. Die Einsprechende II (Beschwerdegegnerin II) hat mit Eingabe vom 19. April 1990, eingegangen 23. April 1990, ihren Einspruch zurückgezogen und mitgeteilt, daß sie sich am Beschwerdeverfahren nicht mehr beteiligen werde.
V. Am 6. Juni 1991 hat die Kammer eine Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK erlassen und den 24. September 1991 als Termin zur Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung festgelegt.
In dieser verfahrensleitenden Mitteilung hat die Kammer ihre vorläufige Beurteilung der Sachlage zum Ausdruck gebracht, dahingehend, daß die Neuheit des Gegenstandes gemäß erteiltem Anspruch 1 anzuerkennen, daß aber die Frage der erfinderischen Tätigkeit desselben strittig sei.
VI. Mit der Eingabe vom 20. September 1991 (Telecopie) hat die Beschwerdeführerin ihr Nichteinverständnis mit der Gesamtbeurteilung seitens der Kammer erklärt; weiterhin hat sie nach ihren Worten "aus wirtschaftlichen Gründen" die Beschwerde vom 18. September 1989 zurückgenommen.
Parallel zur Eingabe an die Kammer hat die Beschwerdeführerin ihrer Aussage nach die Vertreter der Beschwerdegegnerin I "per Telefax hierüber unterrichtet" und erklärt, daß eine Kopie der in Rede stehenden Eingabe zusätzlich übersandt werde.
VII. Der Vorsitzende der Kammer hat am Tag des Eingangs der Rücknahme der Beschwerde (20. September 1991) per Telefax den Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. September 1991 aufgehoben und diesen Vorgang per Mitteilung vom 25. September 1991 bestätigt.
VIII. Mit dem am 27. September 1991 eingegangenen Schreiben hat die Beschwerdegegnerin I eine Kostenverteilung gemäß Artikel 104 EPÜ beantragt, da sie sich zwei Werktage vor dem Termin der mündlichen Verhandlung bereits auf dieselbe vorbereitet gehabt habe. Sie trägt vor, daß der Beschwerdeführerin schon zum Zeitpunkt der Anberaumung der mündlichen Verhandlung (= Zeitpunkt der Zustellung der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) VOBK) die Aussichtslosigkeit der Beschwerde hätte bewußt sein müssen. Die Beschwerdeführerin hätte mit diesem Wissen und dem zusätzlichen Wissen über Verhandlungen über ein kostenloses Mitbenutzungsrecht seitens der Beschwerdegegnerin I schon mit dem Erhalt der Ladung/Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK die verfahrensmäßigen Konsequenzen ziehen und die Beschwerde rechtzeitig, d. h. weit vor dem Termin der mündlichen Verhandlung zurücknehmen müssen.
Der Vertreter der Beschwerdegegnerin I beantragt somit die Kosten, die er seiner Mandantin für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung verrechnet habe, d. h. DEM 2052,-, vgl. Rechnung vom 23. September 1991, der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.
IX. Die Beschwerdeführerin vertrat demgegenüber die Auffassung, daß die Stellungnahme der Kammer gemäß Mitteilung nach Artikel 11 (2) VOBK gezeigt habe, daß die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 als gegeben und daß lediglich die Frage der erfinderischen Tätigkeit als strittig anzusehen sei, so daß bei dieser Sachlage von einer Aussichtslosigkeit der Beschwerde keine Rede sein könne, zumal mündliche Verhandlungen vor allem dann Sinn hätten, wenn die Frage der erfinderischen Tätigkeit strittig sei.
Die Verhandlungen über ein kostenloses Mitbenutzungsrecht seitens der Beschwerdegegnerin I hätten überdies eine andere Erfindung betroffen.
Die Rücknahme der Beschwerde sei erfolgt, da die Erfindung inzwischen durch andere, billigere Methoden überholt sei. Dies habe die Beschwerdeführerin kurz vor der mündlichen Verhandlung von Kunden erfahren und habe sofort reagiert, indem sie die Beschwerde zurückgenommen habe. Es bestehe kein Anlaß ihr die Kosten aufzuerlegen.
Die Beschwerdeführerin beantragt somit den Kostenverteilungsantrag zurückzuweisen.
1. Die Rücknahme der Beschwerde der Beschwerdeführerin hat zur Folge, daß die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent widerrufen werde, rechtskräftig geworden ist.
2. Die Beschwerdekammer hat daher nur noch eine Entscheidung über den Antrag auf Verteilung der Kosten zu treffen, welche durch die Anberaumung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung der Beschwerdegegnerin I entstanden sind.
3. Die Kostenverteilung wird in Artikel 104 i.V.m. Regel 63 (1) EPÜ geregelt. Danach können die Kosten für eine mündliche Verhandlung oder Beweisaufnahme verteilt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.
Durch die Zurückziehung der Beschwerde am 20. September 1991 konnte die Verhandlung so rechtzeitig aufgehoben werden, daß weder Reisekosten noch Kosten für die Durchführung der mündlichen Verhandlung entstanden sind.
4. Die Verteilung der Kosten zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung könnte dann gerechtfertigt sein, wenn die Beschwerdeeinlegung oder die weitere Verfolgung der Beschwerde zu einem späteren Zeitpunkt mißbräuchlich gewesen wäre.
Eine die mündliche Verhandlung vorbereitende Mitteilung der Beschwerdekammer, in der ihre vorläufige Beurteilung des Sachverhalts zum Ausdruck gebracht wurde, bedeutet keinesfalls eine bindende Bewertung, die von einer Partei als Aussichtslosigkeit des Verfahrens ausgelegt werden muß. Die Partei hat vielmehr das unbeschränkte Recht auf Erörterung des Falles in der mündlichen Verhandlung Artikel 116 (1) EPÜ.
Im Umkehrschluß muß demnach gelten, daß eine verfahrensleitende Mitteilung zwar die zu treffende Entscheidung im Einzelfall präjudizieren kann, aber nicht muß; wäre dies nicht der Fall, wären mündliche Verhandlungen reine Pflichtübungen und im Grunde sinnlos, da am Ausgang des Verfahrens ohnehin nichts mehr zu ändern wäre.
5. Die Mitteilung nach Artikel 11 (2) VOBK ist demnach eine Augenblicksaufnahme, die ggf. auch den Sinn hat gewisse Streitfragen, z. B. die der Neuheit, schon im Vorfeld auszuräumen und die Verhandlung zu beschleunigen, die aber auch den Sinn hat, die Parteien zu weiteren, ggf. stichhaltigeren Argumenten z. B. zum Vorliegen erfinderischer Tätigkeit anzuregen, um damit eine verläßliche bzw. verläßlichere Basis für die Entscheidung zu gewinnen.
Das Bemühen einer Partei bis zuletzt zu versuchen, die Entscheidung der Kammer in ihrem Sinne zu beeinflussen, stellt somit keinerlei Verstoß gegen eine sachgerechte Verfahrensführung oder gar einen Rechtsmißbrauch dar, da es legitim sein muß, daß ein Patentinhaber um sein Patent kämpft, vor allem dann, wenn das erstinstanzliche Verfahren in einer Streitfrage zu einem Ergebnis geführt hat, das von der Kammer nicht geteilt wird, vgl. die Beurteilung der Neuheitsfrage in der erstinstanzlichen Endentscheidung und in der verfahrensleitenden Mitteilung der Kammer. Es liegt andererseits auf der Hand, daß die Streitfrage der erfinderischen Tätigkeit trotz aller Bemühungen der Verfahrensbeteiligten um Objektivität ein subjektives Element beinhaltet, das den Ausgang einer solchen Rechtsdiskussion ungewiß macht.
6. Zusammenfassend kann der Beschwerdeführerin somit nicht unterstellt werden, daß sie wider besseren Wissens an einem aussichtslosen Fall festgehalten und der Gegenpartei bewußt Kosten verursacht hat, da - wie vorstehend ausgeführt wurde - im gegebenen Fall die erfinderische Tätigkeit und nicht mehr die Frage der Neuheit strittig war und in der auf Antrag der Beteiligten terminierten mündlichen Verhandlung hätte erörtert werden sollen.
Besonders deutlich wäre die Nichtberechtigung einer Kostenabwälzung der Beschwerdegegnerin auf die Beschwerdeführerin zutage getreten, wenn die mündliche Verhandlung stattgefunden hätte, was der Normalfall gewesen wäre. In diesem Fall hätten beide Verfahrensbeteiligten ihre jeweiligen Argumente vortragen können und die Kammer hätte nach deren Abwägung die Entscheidung getroffen, ohne daß der unterliegenden Partei hätte der Vorwurf des Rechtsmittelmißbrauches gemacht werden können, Artikel 113 EPÜ.
7. Im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdegegnerin I sind ihr durch die Beschwerderücknahme und durch die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung die Kosten für den Verhandlungstermin selbst erspart worden.
8. Aus vorstehenden Überlegungen resultiert, daß die Beschwerdeführerin der Gegenpartei Kosten weder fahrlässig noch vorsätzlich verursacht hat, so daß eine Kostenverteilung nicht vorzunehmen ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Antrag der Beschwerdegegnerin I auf Kostenverteilung der ihr zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung entstandenen Kosten wird zurückgewiesen.