T 0786/95 13-10-1997
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Nachrüstsatz für Otto-Motoren
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die am 21. Juli 1995 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das Patent Nr. 0 427 087 als unzulässig verworfen wurde, die am 18. September1995 eingegangene Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde am 18. September 1995 entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 14. November 1995 eingegangen.
II. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 7. April 1993 (Patentblatt 93/14).
Am 29. Dezember 1993 ist von der Firma G + M KAT GmbH in Gladbeck (DE) Einspruch eingelegt und die Einspruchsgebühr entrichtet worden. Es wurde beantragt, das Europäische Patent 0 427 087 vollständig zu widerrufen, weil der Gegenstand des Anspruches 1 neuheitsschädlich vorweggenommen sei.
Mit dem Einspruch wurde eine Begründung eingereicht, die sich auf die Druckschrift
D1: Guide to EPA Federalization of European Automobiles by D.C. Johnson; Abschnitte 1.0 bis 3.4. und Abschnitte 10.0 bis 10.16; Figur zu BMW 323
stützt. Zum Nachweis der Vorveröffentlichung hat die Einsprechende auf die neben dem Vermerk "Copyright" angegebene Jahreszahl 1984 hingewiesen (vgl. Einspruchsschriftsatz Seite 4).
Die Einsprechende hat im Einspruchsschriftsatz (Seite 5 unten und Seite 6 oben) weiterhin angegeben, daß sie sich für den Fall, daß die Patentinhaberin bestreiten sollte, daß innerhalb der Johnson Fuel Control Unit ein veränderbarer Widerstand vorgesehen ist, der entsprechend den im Einspruchsschriftsatz unter 11. und 12. angegebenen Merkmalen geschaltet und beeinflußt wird, vorbehält, eine derartige D.C. Johnson Fuel Control Unit FAC-2-323 im weiteren Verfahren vorzulegen.
In einer weiteren Eingabe vom 3. Januar 1994 (innerhalb der Einspruchsfrist von 9 Monaten) wurden, im Zusammenhang mit oben genannter "Johnson Fuel Control Unit", zusätzlich offenkundige Vorbenutzungen geltend gemacht und als Zeuge Herr Wilhelm Mues genannt, zu laden bei der Einsprechenden G + M KAT GmbH, Karl-Schneider-Str. 12c, 45966 Gladbeck, BRD.
Mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 21. Juli 1995 wurde der Einspruch wegen Unzulässigkeit verworfen. Als Grund wurde angegeben, daß das Veröffentlichungsdatum der Broschüre D1 nicht nachgewiesen worden sei und daß die Ausführungen zu der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung keine hinreichenden Angaben enthalten, die der Einspruchsabteilung die notwendigen Feststellungen nicht nur im Hinblick auf den Zeitpunkt und den Ort, sondern vor allem auch auf die Umstände der angeblichen Vorbenutzung erlauben.
III. Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Nachrüstsatz zum Nachrüsten von Benzineinspritzanlagen für Otto-Motoren mit einem eine Lambda-Sonde aufweisenden, geregelten Katalysator, wobei die Benzineinspritzanlage eine Einspritz-Steuerung mit einem Rechner aufweist, der mit Meßsonden für den Betriebszustand des Motors, zum Beispiel einen Temperaturfühler, einen Saugrohrdruckfühler, einem Ansauglufttemperaturfühler und dergleichen in Steuerverbindung steht, wobei der Nachrüstsatz einen Zusatzrechner (8) aufweist, der an die Lambda-Sonde (7) und außerdem an wenigstens eine Verbindungsleitung (10) zwischen einer Meßsonde und der Einspritz-Steuerung (3) angeschlossen ist zur Veränderung wenigstens eines von einer Meßsonde kommenden Meßsignales im Sinne einer Änderung der Gemischaufbereitung und einer Nachregelung auf ein optimales Luft-Kraftstoff-Verhältnis innerhalb des Lambda-Fensters, daß der Widerstand mindestens einer der Meßsonden bei der Einspritz-Steuerung als Betriebsparameter an einem Eingang des Rechners anliegt,
dadurch gekennzeichnet,
daß ein veränderbarer Widerstand vorgesehen ist, der in Reihe zu einem einen Betriebsparameter anzeigenden Widerstand einer der Meßsonden geschaltet ist und wobei im Zusatzrechner Mittel vorgesehen sind, den veränderlichen Widerstände derart zu verändern, daß die Einspritz-Steuerung veranlaßt wird, eine Korrektur der Einspritzmenge im Sinne einer Regelung des Lambda-Wertes auf einen Soll-Wert vorzunehmen."
IV. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerdebegründung die Meinung vertreten, daß es sich bei dem Handbuch bzw. "Manual" D1 um eine öffentliche Druckschrift handele, die jeder Person zugänglich gewesen sei. Als Datum der öffentlichen Zugänglichkeit gelte die entsprechende Copyright-Angabe. Auch sei nicht bestritten worden, daß die im kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruches 1 des angefochtenen Patents angegebenen Merkmale im Falle der D.C. Johnson Fuel Control Unit FAC-2-323 verwirklicht worden seien und daß derartige Steuereinheiten bereits vor dem Anmeldetag des angefochtenen Patents bei der Nachrüstung europäischer Kraftfahrzeuge gemäß den US-amerikanischen Abgasvorschriften verwendet worden seien.
V. Die Beschwerdegegnerin hat zur Unterstützung der bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumentation als Anlage eine Kopie übersandt und angeführt, daß diese Kopie das Deckblatt des Handbuches zeige, wie es bei der prioritätsbegründenden deutschen Patentanmeldung eingereicht worden sei. Sie hat dabei darauf hingewiesen, daß sich im unteren Randbereich des Titelblattes, unterhalb der Anschrift und der Telefon-, Telex- und Telefax-Nummer, bei dem im europäischen Einspruch beigefügten Exemplar der fragliche Copyright-Hinweis befinde, während er auf dem Exemplar für das Deutsche Patentamt völlig fehle.
In einem weiteren Schreiben (4. September 1997) hat die Beschwerdegegnerin angeführt, daß die Einsprechende nicht dargelegt habe, wie es zu diesen unterschiedlichen Schriftstücken gekommen sei. Der Hinweis in dem Vorwort der Druckschrift D1, wonach es um Automodelle bestimmter Jahrgänge geht, ändere nichts daran, daß der Einspruch unzulässig sei, da die Nachrüstung solcher älterer Automobile durchaus erst erheblich später aktuell geworden sein könne, als entsprechende gesetzliche Bestimmungen erlassen worden seien. Es erscheine keineswegs wirklichkeitsfremd, wenn die Nachrüstung von Automodellen, die bis 1984 - ohne Katalysator - gebaut wurden, nach dem November 1989 erst nachgerüstet wurden, als entsprechende Bestimmungen einerseits und entsprechende Möglichkeiten andererseits vorlagen. Daß die Nachrüstung "nach 1984" durchzuführen war, werde nicht in Abrede gestellt, sondern daß sie vor dem Prioritätstag durchgeführt wurde oder bekanntgeworden war. Diesbezügliche Umstände seien innerhalb der Einspruchsfrist nicht ausreichend dargelegt worden.
Hinzu komme, daß dieses Handbuch (D1) den eigentlichen Erfindungsgedanken nicht offenbare, sondern lediglich Montageanleitungen enthalte, die aber die eigentliche patentierte Lehre nicht angeben könnten. Bereits in der Einspruchserwiderung sei auf Seite 4, 4. Absatz darauf hingewiesen worden, daß die Druckschrift D1 die Merkmale des kennzeichnenden Teiles des Anspruches 1 nicht enthalte.
Auch die angebliche offenkundige Vorbenutzung sei nicht so substantiiert, wie es beispielsweise in der Entscheidung T 1002/92, ABl. EPA 1995, 605, insbesondere Seite 625, 1. Absatz von der Rechtsprechung gefordert werde. Ob und welche Geräte wann verwirklicht und insbesondere veröffentlicht wurden, sei von der Einsprechenden innerhalb der Einspruchsfrist nicht ausreichend substantiiert worden. Überdies werde bezüglich des nachbenannten Zeugen nicht substantiert, was er im einzelnen bezeugen soll; denn weder die Vorbenutzung noch die Offenkundigkeit seien so präzisiert und dargelegt, daß eine Überprüfung durch die angerufene Behörde oder die Patentinhaberin möglich sei, so daß nicht einmal ein Beweisbeschluß formuliert werden könne.
Die Angaben im Schreiben vom 3. Januar 1994 der Einsprechenden seien nichts anderes als eine sehr ungenaue Behauptung, die außerdem die Umstände vermissen lasse, wodurch die "Offenkundigkeit" tatsächlich eingetreten sein soll. Kraftfahrzeugwerkstätten, welche in den Vereinigten Staaten von Amerika entsprechende Benutzungshandlungen vorgenommen haben sollen, seien nicht benannt worden, wobei zu beachten sei, daß es unzählige derartige Kraftfahrzeugwerkstätten gebe.
Hinzu käme, daß das Handbuch D1 tatsächlich keine Angaben über den inneren Aufbau der entsprechenden Control-Unit erkennen lasse und ein entsprechender Gegenstand - losgelöst von einem entsprechenden Fahrzeug - die Lehre zum technischen Handeln nicht zu vermitteln vermöge.
Die angebotenen Beweismittel seien nicht ausreichend, um den Einspruch zulässig zu machen.
Es müsse daher von der Unzulässigkeit des Einspruches ausgegangen werden, der im übrigen auch unbegründet sei.
VI. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, den eingelegten Einspruch als zulässig anzusehen und das Patent zu widerrufen. Hilfsweise beantragt sie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragt sie, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten, indem der geltende Patentanspruch 1 mit einem oder mehreren der sich anschließenden Ansprüche kombiniert wird. Auf eine Mitteilung der Beschwerdekammer mit dem Datum 25. Juli 1997 hat sie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen und sich mit einer Entscheidung über die Zulässigkeit des Einspruches im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde und die Beschwerdegebühr sind rechtzeitig eingegangen. Die Beschwerde ist auch rechtzeitig begründet worden. Da der Einspruch als unzulässig verworfen wurde, ist die Beschwerdeführerin (Einsprechende) auch beschwert.
Die Beschwerde ist daher zulässig.
2. Zulässigkeit des Einspruches
2.1. Nach Artikel 99 (1) EPÜ kann innerhalb von neun Monaten nach der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents jedermann beim Europäischen Patentamt gegen das erteilte europäische Patent Einspruch einlegen. Der Einspruch ist schriftlich einzureichen und zu begründen. Er gilt erst als eingelegt, wenn die Einspruchsgebühr entrichtet worden ist.
Nach Regel 55 c) EPÜ muß die Einspruchsschrift eine Erklärung darüber enthalten, in welchem Umfang gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt und auf welche Einspruchsgründe der Einspruch gestützt wird, sowie die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel.
2.2. Die Erfordernisse nach Artikel 99 (1) EPÜ und Regel 55 a) und b) EPÜ sind im vorliegenden Fall erfüllt und wurden auch nicht in Frage gestellt. Von Regel 55 c) EPÜ sind auch die ersten Erfordernisse (Umfang und Einspruchsgrund) erfüllt. Es stellt sich daher nur noch die Frage, ob die Einspruchsschrift die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel enthalten hat.
Da im Einspruchsschriftsatz als Tatsachen die Offenbarung und Verwendung eines spezifischen Gegenstandes genannt sind, bleibt nur noch zu untersuchen, ob zu deren Nachweis geeignete Beweismittel angegeben worden sind.
Die Kammer stellt fest, daß die Einsprechende vor Ende der Einspruchsfrist nicht nur die Druckschrift D1 vorgelegt hat, sondern auch die Vorführung eines Gegenstandes (d. h. D.C. Johnson Fuel Control Unit FAC-2-323) in Aussicht gestellt hat sowie einen Zeugen angeboten hat.
Dies sind nach Meinung der Kammer bereits drei Beweismittel.
2.3. Zu der Frage der Vorveröffentlichung der Druckschrift D1 ist folgendes zu bemerken:
2.3.1. Die vorgelegte Druckschrift besteht aus offensichtlich photokopierten zusammengehefteten Blättern, die einen Auszug aus der ganzen Broschüre "Guide to EPA Federalization of European Automobiles by D.C. Johnson" betreffen, nämlich das Titelblatt; eine Zusammenfassung der Abschnitte 1 bis 20; ein Vorwort; eine Einleitung, die die Punkte 1.0 bis 1.6.9 umfaßt; Umweltschutzforderungen für importierte Autos, die die Punkte 2.0 bis 2.9 umfassen; Sicherheitsvorschriften der "United States Department of Transportation", die die Punkte 3.0 bis 3.4 umfassen; Angaben über den Einbau eines D. C. Johnson Fuel Control System unter Verwendung der FAC-2-323 Einheit bei späten 1983-1984 BMW Modellen 320i und 323i, die die Punkte 10.0 bis 10.16 umfassen und eine Zeichnung zum Einbau der D.C. Johnson & Associates Fuel Control Unit in ein Auto des Typs BMW 323.
Sowohl im Titelblatt als auch in der Zeichnung ist das Symbol für Copyright (der Buchstabe C in einem Kreis) angegeben. Daran schließt sich die Angabe "Copyright 1984" an. Im Titelblatt ist daran zusätzlich noch "D.C. Johnson & Associates, Inc." angefügt.
2.3.2. Nach den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Urheberrechts besteht mit der Angabe der Jahreszahl 1984 mindestens der Anschein, daß die Druckschrift D1 1984 veröffentlicht worden ist. Aus Artikel III der Universal Copyright Convention (Paris Text 1971) geht hervor, daß neben dem Copyright-Symbol (der Buchstabe C in einem Kreis), der Name des Copyright Inhabers und das Jahr der ersten Publikation angegeben sein müssen.
2.3.3. Der Copyrightvermerk ist zwar nicht immer mit einer amtlichen Registrierung verbunden und in manchen Fällen können sogar Fehlangaben in der Jahreszahl der ersten Publikation auftreten oder es kann eine Neuauflage nach der ersten Publikation vorhanden sein, doch muß dies im Einzelfall nachgeprüft werden, wenn hierzu Zweifel auftreten. Die Frage, ob die Druckschrift D1 tatsächlich vorveröffentlicht wurde, hat aber nichts mit der Angabe der Beweismittel zu tun, sondern ist im Rahmen der Begründetheit des Einspruchs zu überprüfen.
2.3.4. Im vorliegenden Fall liegen aber darüber hinaus auch noch klare Hinweise auf eine wahrscheinliche Vorveröffentlichung der Druckschrift D1 vor.
So ist im dritten Absatz des Vorwortes der Druckschrift D1 von dem Ziel und dem Grund der Veröffentlichung die Rede, so daß daraus auf die Absicht einer Veröffentlichung geschlossen werden kann. Weiterhin geht aus dem Inhalt der Druckschrift hervor, daß die dort beschriebene Nachrüstung Automodelle bis zum Jahre 1984 betrifft (vgl. Punkte 2.9 und 10.5).
Diese Angaben sind nur sinnvoll, wenn eine Nachrüstung in dem Zeitraum ab 1984 durchgeführt wird. Die Möglichkeit einer Veröffentlichung nach dem ältesten Prioritätsdatum des angefochtenen Patents (nämlich 4. November 1989) ist in diesem Zusammenhang wirklichkeitsfremd. Die Numerierung und der Inhalt der Absätze lassen darauf schließen, daß ein nachträglicher Austausch mit geänderten Seiten nicht erfolgt ist. Ein Austausch von Seiten in einer Anleitung zu einer für bestimmte Autos vorgesehenen Vorrichtung erfolgt im allgemeinen im Hinblick auf eine Anpassung der Vorrichtung an neuere Modelle (d. h. hier Automodelle nach 1984). Dabei wird im allgemeinen ein Hinweis auf diese neueren Modelle angegeben und häufig ein Vermerk auf den ausgetauschten Seiten angebracht.
Die Angaben der Beschreibung unter Abschnitt 10 wurden im Hinblick auf eine Vorrichtung für BMW Modelle von 1983 bis 1984 gemacht und stimmen weitgehend mit der Zeichnung "BMW 323", die ebenfalls mit dem Copyright-Symbol und der Jahreszahl 1984 versehen ist, überein. Selbst bei einer verzögerten Veröffentlichung der Druckschrift D1 (d. h. nach 1984) ist es sehr wahrscheinlich, daß sie vor dem Anmeldedatum des angefochtenen Patents veröffentlicht wurde, da der Zeitraum zwischen der angegebenen Jahreszahl 1984 und dem auf dem angefochtenen Patent angegebenen ältesten Prioritätsdatum 4.11.89 mehrere Jahre beträgt. Es ist normalerweise üblich, daß Nachrüstungsteile für Autos an die Werkstätte ohne Geheimhaltungsverpflichtung verkauft werden, wo sie in die Fahrzeuge der Kunden eingebaut werden, und daß die Gebrauchsanleitungen ebenfalls ohne Geheimhaltungsverpflichtung mitgeliefert werden.
Der Einwand der Beschwerdegegnerin, daß die Nachrüstung älterer Automobile erst erheblich später als 1984 aktuell geworden sein könne, als entsprechende gesetzliche Bestimmungen erlassen worden seien, ist in diesem Zusammenhang nicht überzeugend, weil dann in der genannten Druckschrift D1 auch Modelle nach 1984 angegeben wären, da auch nach diesem Datum Autos hergestellt wurden, die den US-Vorschriften nicht entsprochen haben.
Die von der Beschwerdegegnerin vorgelegte Kopie eines Deckblattes des Handbuches, wie es bei der prioritätsbegründenden deutschen Patentanmeldung eingereicht worden sei, kann die Tatsache, daß bei der im europäischen Einspruchsverfahren vorgelegten Druckschrift D1 der Copyright-Vermerk mit Datum angegeben ist, nicht in Frage stellen. Dieser Copyright-Vermerk auf dem Deckblatt der Druckschrift D1 wird überdies durch den in der Zeichnung "BMW 323" der Druckschrift D1 ebenfalls angegebenen Copyright-Vermerk bestätigt.
2.4. Im Hinblick auf die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung ist folgendes zu bemerken:
2.4.1. Nach der ständigen Rechtsprechung (vgl. T 328/87, Abschnitt 3.3, ABl. EPA 1992, 701; T 538/89, Abschnitt 2.3; T 988/91, Abschnitt 2.2) ist die Bedingung für die Angaben der Beweismittel der Regel 55c) EPÜ in dem Fall, in dem eine Vorbenutzung als Stand der Technik angeführt wird, erfüllt, wenn die Einspruchsabteilung (und der Patentinhaber) anhand der gemachten Angaben folgendes ermitteln kann:
a) das Datum der Benutzung, d. h. ob vor dem Anmeldetag des betreffenden europäischen Patents überhaupt eine Benutzung vorliegt;
b) den Gegenstand der Benutzung, um die Wesensgleichheit des benutzten Gegenstandes mit dem Gegenstand des Patents prüfen zu können;
c) alle die Benutzung betreffenden Umstände, durch welche die Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich wurde, z B. Ort und Art der Benutzungshandlung.
2.4.2. Ermittlung des Datums der Vorbenutzung (Kriterium a))
Im Schreiben der Einsprechenden vom 3. Januar 1994 (vgl. Seite 1) ist angegeben: "Derartige Vorbenutzungshandlungen erfolgten weit verbreitet und in beträchtlichem Umfang z. B. in den Jahren 1984 und 1985 in denjenigen Kraftfahrzeugwerkstätten in den Vereinigten Staaten von Amerika, die die Nachrüstung europäischer Kraftfahrzeuge hinsichtlich der US-Abgasnormen durchführten und für die das im Einspruchsschriftsatz benannte Handbuch bzw. Manual angefertigt wurde". Als Zeuge für die öffentliche Vorbenutzungshandlungen wurde Herr Wilhelm Mues benannt.
Auch das auf der Druckschrift D1 angegebene Datum 1984 neben dem Copyright-Vermerk stimmt mit dem Anfang dieses Zeitraums überein.
Durch die Benennung des Zeitraums ist das vorgenannte Kriterium a) erfüllt.
2.4.3. Ermittlung des Gegenstandes der Benutzung (Kriterium b))
Der Gegenstand der Benutzung ist in der Eingabe vom 3. Januar 1994 (vgl. Seiten 1 und 2) im Hinblick auf den Nachrüstsatz für Kraftfahrzeuge des Typs BMW 323 und der Druckschrift D1 beschrieben. Der Zeuge Wilhelm Mues ist offensichtlich auch zum Nachweis dieser Angaben benannt. Sowohl in ihrem Einspruchsschriftsatz als auch im Schreiben vom 3. Januar 1994 hat die Einsprechende angeführt, daß sie sich vorbehält, eine D.C. Johnson Fuel Control Unit FAC-2-323 im Verfahren vorzulegen. Eine derartige Control Unit ist auch in der Druckschrift D1, Absatz 10.0 angegeben und zwar in Zusammenhang mit dem BMW Modell 323i. Dabei ist zu beachten, daß Regel 55. c) EPÜ nur die Angabe des Beweismittels vorschreibt und nicht seine Vorlage, welche im Laufe des Verfahrens erfolgen kann, wie in der Entscheidung T 328/87, Abschnitt 3.3.2 ausgeführt ist. Dies wird auch durch die von der Beschwerdegegnerin angeführte Entscheidung T 1002/92 bestätigt, woraus hervorgeht (vgl. Abschnitt 4.1), daß in der Einspruchsschrift die zur Stützung des jeweiligen Einspruchsgrunds vorgebrachten Beweismittel und Argumente angegeben werden müssen. Auch hier ist nicht davon die Rede, daß diese Beweismittel bereits innerhalb der Einspruchsfrist vorgelegt werden müssen.
Mit der D.C. Johnson Fuel Control Unit FAC-2-323 soll offensichtlich das Bekanntsein der Anordnung eines veränderbaren Widerstandes nachgewiesen werden (vgl. Einspruchsschrift, Seite 5 unten bis Seite 6 oben).
Das Kriterium b) ist daher ebenfalls erfüllt.
2.4.4. Ermittlung der Umstände der Benutzung (Kriterium c))
Als Ort der Benutzung sind ohne Nennung von Namen und Adressen diejenigen Kraftfahrzeugwerkstätten in den Vereinigten Staaten von Amerika angegeben, die die Nachrüstung europäischer Kraftfahrzeuge hinsichtlich der US-Abgasnormen durchführten und für die das im Einspruchsverfahren benannte Handbuch (D1) bzw. Manual angefertigt wurde. Durch diese Druckschrift D1, auf der die Herstellerfirma der Control Unit mit deren Anschrift und auch eine Nummer der Control Unit (vgl. Punkt 10.3.1) angegeben sind, ist jedoch eine konkrete Möglichkeit gegeben, mit Hilfe des Zeugen die behauptete offenkundige Vorbenutzung zu überprüfen.
Das Kriterium c) ist daher erfüllt.
2.5. Die Angaben zu den Tatsachen (Offenbarung und Verwendung eines Gegenstandes) und das Angebot der entsprechenden Beweismittel (Druckschrift D1 und Vorführung der Control Unit sowie Zeugenaussage) sind nach Ansicht der Kammer ohne weitere Ermittlung verständlich und ihre Richtigkeit ist überprüfbar (vgl. hierzu auch T 538/89, Abschnitt 2.3.4).
2.6. Die Einspruchsabteilung ist der Meinung, daß das Handbuch D1 keine Angabe über den inneren Aufbau der Johnson Fuel Control Unit erkennen läßt, so daß aus ihr keine Aussage über die (wesentlichen) Merkmale gemäß dem Kennzeichen des angefochtenen Anspruches 1 entnehmbar ist.
Hierzu ist festzustellen, daß die Einsprechende im Einspruchsschriftsatz zu den von ihr als vorbekannt angesehenen Merkmalen die entsprechenden Nummern der Absätze in der Druckschrift D1, aus welchen diese Merkmale bekannt sein sollen, angegeben hat. Zum Nachweis des im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 angegebenen Merkmales, das den verstellbaren Widerstand betrifft, hat die Einsprechende sogar die Vorführung einer Control Unit angeboten. Da die Control Unit bereits in der Druckschrift D1 angeführt ist und auch ein Zeuge angeboten wurde, kann bei einer Zeugenvernehmung und der Vorführung der Control Unit geklärt werden, ob die Control Unit als offenkundig vorbenutzt angesehen werden kann und ob sie einen verstellbaren Widerstand enthält.
2.7. Die Kammer ist der Auffassung, daß im vorliegenden Fall Beweismittel im Sinne der Regel 55 c) EPÜ angegeben worden sind und daß die Überprüfung dieser von der Einsprechenden innerhalb der Einspruchsfrist vorgelegten und in Aussicht gestellten Beweismittel nicht im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit des Einspruches, sondern erst bei der materiell-rechtlichen Beurteilung, also bei der Überprüfung der Begründetheit des Einspruches, durchzuführen ist (vgl. auch Entscheidung T 406/92, Abschnitt 2).
2.8. Die Untersuchung der Zulässigkeit des Einspruchs ist grundsätzlich zu unterscheiden von der Untersuchung der materiell-rechtlichen Begründetheit des Einspruchs. Keine Vorschrift des EPÜ verlangt, daß das Einspruchsvorbringen in sich schlüssig sein muß, um die Zulässigkeit des Einspruchs zu garantieren (vgl. T 234/86, Abschnitte 2.2 und 2.4, ABl. EPA 1989, 79). Die innerhalb der Einspruchsfrist gemachten Angaben zur behaupteten offenkundigen Vorbenutzung müssen für jedes der vorgenannten Kriterien a), b) und c) aus der Sicht des Durchschnittsfachmannes soweit verständlich sein, daß eine Prüfung ihrer materiell-rechtlichen Begründetheit eingeleitet werden kann. Die angegebenen Beweismittel können dabei noch nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegt werden. Eine Zeugenbenennung für eine spätere Zeugeneinvernahme ist als Angabe eines Beweismittels zu werten (T 538/89, Abschnitt 2.6). Ob dieses Beweismittel (Aussage des Zeugen) tatsächlich zugkräftig ist, ist im Rahmen einer Zeugenvernehmung zu entscheiden. Der Einwand der Beschwerdegegnerin, das Handbuch D1 offenbare den eigentlichen erfinderischen Gedanken nicht und auch das Vorlegen einer "Control Unit" würde selbst dann nicht ausreichen, wenn diese Einheit einen veränderbaren Widerstand enthielte (vgl. Eingabe vom 4. September 1997, Seite 2, Abschnitt 3), betrifft die materiell-rechtliche Prüfung und nicht die Frage der Zulässigkeit des Einspruches.
2.9. Angesichts obiger Tatsachen ist der Einspruch zulässig.
3. Zurückverweisung an die erste Instanz
Nachdem die angefochtene Entscheidung ausschließlich die formale Zulässigkeit behandelt, würde eine Überprüfung der Begründetheit des Einspruches durch die Kammer zwangsläufig zu einem Instanzverlust führen. Die Kammer macht daher von der ihr in Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Befugnis Gebrauch und verweist die Sache zur materiellen Prüfung an die Einspruchsabteilung zurück.
4. Antrag auf mündliche Verhandlung
Die Beschwerdeführerin hat hilfsweise Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Da in der mündlichen Verhandlung lediglich die Frage der Zulässigkeit des Einspruches behandelt worden wäre und dem Antrag der Beschwerdeführerin diesbezüglich durch die vorliegende Entscheidung stattgegeben wird, hält die Kammer im vorliegenden Beschwerdeverfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr für erforderlich.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Einspruch ist zulässig.
3. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.