W 0059/90 (Phosphonigsäurearylester) 20-06-1991
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Neue Phosphonigsäure - Arylester, ein Verfahren zu ihrer Herstellung und deren Verwendung zur Stabilisierung von Kunststoffen, insbesondere Polyolefinformmassen
Begründung mangelnder Einheitlichkeit a priori mit mangelnder Klarheit unzulässig
Begründungsmangel
Beurteilung mangelnder Einheitlichkeit a posteriori ohne Eingehen auf die technische Aufgabe
I. Die Anmelderin hat am 16. Mai 1990 beim Europäischen Patentamt die internationale Anmeldung PCT/EP.... eingereicht.
II. Anspruch 1 lautet (auszugsweise und soweit hier von Bedeutung):
"1. Verfahren zur Herstellung von Phosphonigsäurearylestern der Formel V
FORMEL (V)
worin A nicht existent ist oder eine direkte Bindung oder eine zweiwertige Kohlenwasserstoffbrücke mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen ... oder ein Heteroatom ... darstellt, n 1 oder 2, R1 als einwertiger Rest einen nicht-aromatischen Kohlenwasserstoffrest mit 1 - 18 Kohlenstoffatomen, einen Phenyl- oder Benzylrest, ... Naphthyl ... darstellt, ..."
Anspruch 5 betrifft Verbindungen der Formel (V) per se, wobei aber bestimmte Verbindungen durch Ausnahmebestimmungen ausgeschlossen sind.
Anspruch 7 betrifft die Verwendung von Verbindungen wie sie in den Ansprüchen 5 und 6 definiert wurden als Stabilisatoren von Kunststoffen. Anspruch 8 betrifft Kunststofformmassen, die Verbindungen der allgemeinen Formel V enthalten.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4, 6 und 9 bis 13 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der jeweiligen unabhängigen Ansprüche.
III. Am 17. Oktober 1990 forderte das Europäische Patentamt als internationale Recherchenbehörde (IRB) die Anmelderin gemäß Artikel 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT zur Zahlung vier weiterer zusätzlicher Gebühren innerhalb von 30 Tagen in Höhe von insgesamt DEM 8.380,-- mit der Begründung auf, die Anmeldung erfülle nicht das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung (Regel 13.1 PCT).
Nach Ansicht der IRB betrifft die internationale Anmeldung die folgenden fünf Erfindungen:
1) Patentansprüche 1, 2, 3, 4, 5, 6 (gänzlich)
7, 8, 9, 10, 11, 12, 13 (teilweise)
Produkte und Herstellungsverfahren und Verwendung dieser Verbindungen zur Stabilisierung von Polymeren sowie sie enthaltende Kunststoff-Formmassen und Ausführungsformen mit Ausnahme von Verbindungen worin:
A nicht existent und R1 = Phenyl
A = Methylen und R = Naphthyl
A = -S- und R1 = Phenyl
A = -S- und R1 = Naphthyl
ist.
2) Patentansprüche 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13 (teilweise)
Verwendung von Verbindungen der Formel V zur Stabilisierung von Polymeren sowie sie enthaltende Kunststoff-Formmassen und Ausführungsformen für den Fall, daß
A nicht existent und R1 = Phenyl ist
3) Patentansprüche 7, 8, 9, 10, 11 (teilweise)
Verwendung von Verbindungen der Formel V zur Stabilisierung von Polymeren sowie sie enthaltende Kunststoff-Formmassen und Ausführungsformen für den Fall, daß
A = Methylen und R1 = Naphthyl ist
4) Patentansprüche 7, 8, 9, 10, 11 (teilweise)
Verwendung von Verbindungen der Formel V zur Stabilisierung von Polymeren sowie sie enthaltende Kunststoff-Formmassen und Ausführungsformen für den Fall, daß
A = -S- und R1 = Phenyl ist.
5) Patentansprüche 7, 8, 9, 10, 11 (teilweise)
Verwendung von Verbindungen der Formel V zur Stabilisierung von Polymeren sowie sie enthaltende Kunststoff-Formmassen und Ausführungsformen für den Fall, daß
A = -S- und R1 = Naphthyl ist.
Im einzelnen begründet die IRB die von ihr festgestellte mangelnde Einheitlichkeit wie folgt:
Die Formulierung des Anspruchs 5 sei wegen der zahlreichen variablen Teile der Formel, deren zahlreichen Bedeutungen und der sich daraus ergebenden zahllosen verschiedenen Kombinationen so kompliziert, daß die Erfordernisse des Artikels 6 PCT, wonach die Ansprüche deutlich und knapp gefaßt sein müssen, nicht mehr erfüllt seien; Übersichtlichkeit sei aber eine Voraussetzung für das Vorliegen einer klar umrissenen einzigen allgemeinen erfinderischen Idee. Fehle sie wie im vorliegenden Fall, so müsse zwischen mehreren Sachverhalten unterschieden werden, die jeweils nur mehr eine klar umrissene einzige allgemeine erfinderische Idee darstellen. Aus diesen Gründen ermangele es der internationalen Anmeldung bereits a priori an Einheitlichkeit.
Da die zwei Druckschriften
Journal of Molecular Catalysis 48, 81-98, 1988 und
Soviet Inventions Illustrated, Ab. Ch: Chemical, Woche E46, 5. Januar 1983, Derwent Publications Ltd, Polymers, Seite 2, Nr. 99157E/46, London GB
jeweils Verbindungen beschreiben, die unter den Anspruch 5 fallen, sei das augenscheinlich gemeinsame Merkmal aller in der internationalen Anmeldung genannten Verbindungen, nämlich unter die gleiche allgemeine Formel zu fallen, nicht mehr neu und erfinderisch. Daraus folge, daß die Formel der Anmeldung nur eine willkürliche Konstruktion sei. Es sei auch kein anderes und neues gemeinsames Problem zu erkennen, das durch alle Verbindungen der Formel des Anspruchs 5 gelöst werde; die Verknüpfung zwischen dem Verfahren zur Herstellung dieser Produkte und ihrer Verwendung entsprechend Regel 13.2 i PCT existiere nicht mehr.
Zusammen mit den Erfordernissen aus dem a priori-Einwand ergebe sich so die neue Einordnung des Anmeldungsgegenstands in die genannten verschiedenen Sachverhalte, von denen jeder unterschiedliche erfinderische Ideen verwirkliche.
IV. Die Anmelderin hat am 16. November 1990 die geforderten weiteren Recherchengebühren unter Widerspruch durch Abbuchungsauftrag bezahlt. In ihrem Widerspruch hat die Anmelderin eingeräumt, daß Soviet Inventions Illustrated eine Verbindung nennt, die unter den Anspruch 5 fällt; sie bestreitet aber, daß die Formel der Anmeldung eine willkürliche Konstruktion sei. Sie ist weiterhin der Ansicht, die internationale Anmeldung entspreche dem Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung.
Die Anmelderin beantragt die Rückerstattung der zusätzlich geforderten Gebühren. Sie macht weiterhin geltend, daß der geforderte Betrag überhöht sei und beantragt hilfsweise "den überschießenden Betrag zurückzuerstatten."
1. Gemäß Artikel 154 (3) EPÜ sind die Beschwerdekammern des EPA zuständig über den Widerspruch des Anmelders gegen die nach Artikel 17 (3) a) PCT festgesetzten zusätzlichen Gebühren zu entscheiden.
2. Die Zahlungsaufforderung und der Widerspruch entsprechen Regel 40 PCT; sie sind daher zulässig.
3. Die IRB hat ihre Aufforderung, weitere Recherchengebühren zu bezahlen damit begründet, daß die internationale Anmeldung uneinheitlich sei und fünf Erfindungskomplexe betreffe. Dazu hat die IRB Argumente für eine Uneinheitlichkeit a priori mit Argumenten für eine Uneinheitlichkeit a posteriori kombiniert. Die mangelnde Einheitlichkeit a priori wird ihrerseits mit fehlender Klarheit des Anspruchs 5 und einem entsprechenden Verstoß gegen Artikel 6 PCT begründet.
Diese Kammer hat bereits entschieden, daß eine Zahlungsaufforderung nach Art. 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT in ihrer Begründung nicht auf den Einwand mangelnder Klarheit und Knappheit gestützt werden kann (W 31/88, Nr. 3; ABl. EPA 1990, 134, 137). Allein die Mißachtung dieses Grundsatzes würde die Rückzahlung der zusätzlich entrichteten Recherchengebühren rechtfertigen.
4. Zudem leidet die Zahlungsaufforderung an einem weiteren Mangel. Es wurden nämlich keine Gründe angegeben, warum die internationale Anmeldung, die neben Stoffansprüchen auch Verfahrens- und Verwendungsansprüche enthält, durch die neuheitsschädliche Vorwegnahme einzelner Verbindungen des Stoffanspruchs 5 uneinheitlich wird. Hierzu hätte es näherer Ausführungen zur technischen Aufgabe, und zwar vor und nach dem Auffinden der beiden neuheitsschädlichen Druckschriften bedurft, denn die Ermittlung der technischen Aufgabe ist notwendige Voraussetzung für die Beurteilung der Einheitlichkeit (vgl. W 11/89, vom 9. Oktober 1989 und W 14/89 vom 26. Januar 1990). Noch viel weniger ist erkennbar, warum die internationale Anmeldung in fünf Teile zerfällt und welche strukturellen oder anwendungstechnischen Gesichtspunkte zu dieser Aufteilung geführt haben. Auch der Hinweis der IRB auf Regel 13.2 i PCT kann nicht als Begründung mangelnder Einheitlichkeit angesehen werden. In dieser Vorschrift wird nämlich nicht festgelegt, was uneinheitlich ist, vielmehr wird dort nur beispielhaft eine bestimmte Anspruchskombination genannt, die insbesondere als einheitlich anzusehen ist. Dies schließt Einheitlichkeit bei einem anderen Sachverhalt nicht aus.
6. Aus den angegebenen Gründen folgt, daß die Aufforderung vom 17. Oktober 1990 nicht rechtswirksam ist und die entrichteten zusätzlichen Recherchengebühren daher zurückzuzahlen sind.
Ausführungen zu der lediglich hilfsweise geäußerten Ansicht der Anmelderin, der Betrag der zusätzlichen Gebühr sei überhöht, sind bei dieser Sachlage nicht erforderlich.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Rückzahlung der zusätzlich entrichteten vier Recherchengebühren wird angeordnet.