Smarte Signale für eine bessere Satellitennavigation: Laurent Lestarquit, José Ángel Ávila Rodríguez und Team als Finalisten für Europäischen Erfinderpreis 2017 nominiert
- Laurent Lestarquit, José Ángel Ávila Rodríguez und Team für Europäischen Erfinderpreis in der Kategorie „Forschung" nominiert
- Die Wissenschaftler haben mit der Signalentwicklung von Galileo das Herzstück des globalen Satellitennavigationssystems Europas (GNSS) entwickelt
- Intelligente Signaltechnologie stellt Interoperabilität sicher, spart kostbare Satellitenleistung und ebnet den Weg für genauestes Satellitennavigationssystem der Welt
- Vollständige Einsatzbereitschaft von Galileo bis 2020 erwartet; Galileo soll Europa einen größeren Anteil am globalen Satellitennavigationsmarkt sichern
- EPA-Präsident Battistelli: „Die Signaltechnologie von Laurent Lestarquit und seinem Team ist ein wichtiger Bestandteil des Satellitennavigationssystems Europas, das neue Maßstäbe in der Präzision setzen wird."
München, 26. April 2017 - Die Anzahl der technischen Geräte, die Informationen von globalen Navigationssatellitensystemen (GNSS) nutzen, soll sich bis 2022 von knapp über vier Milliarden auf rund sieben Milliarden nahezu verdoppeln. Vorangetrieben wird diese Entwicklung von Anwendungen, die über eine einfache Positionsbestimmung hinausgehen. Hier ebnet die EU mit dem Satellitennavigationssystem Galileo den Weg für neue Dienste. Dabei kommt eine Signaltechnik zum Einsatz, die von dem französischen Ingenieur Laurent Lestarquit und dem Spanier José Ángel Ávila Rodríguez sowie einem europäischen Team der Galileo Signal Task Force erfunden worden ist. Die Techniker haben damit das Herzstück des Galileo-Systems gestaltet und darüber hinaus patentierte Modulationsverfahren und Spread-Spectrum-Technologien entwickelt, welche die hohe Genauigkeit von Galileo weiter verbessern und die Interoperabilität mit anderen führenden Satellitennavigationssystemen gewährleisten.
Für diese Leistung ist das Erfinderteam mit Laurent Lestarquit (Frankreich), José Ángel Ávila Rodríguez (Spanien), Jean-Luc Issler (Frankreich), Günter W. Hein (Deutschland) und Lionel Ries (Frankreich/Belgien) als einer von drei Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2017 in der Kategorie „Forschung" nominiert worden. Am 15. Juni wird die Auszeichnung vom EPA im Rahmen eines Festakts in Venedig zum zwölften Mal verliehen.
„Die Signaltechnologie von Laurent Lestarquit und seinem Team ist ein wichtiger Bestandteil des Satellitennavigationssystems Europas, das neue Maßstäbe in der Präzision setzen wird", sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2017. „Galileo verspricht erhebliche Vorteile für Europa - von der Förderung des Wirtschaftswachstums über die Bereitstellung einer Grundlage für wichtige technologische Entwicklungen bis hin zur Verbesserung des täglichen Lebens von hunderten von Millionen Menschen."
Weltraumtechnologie Made in Europe
Nachdem die EU und die USA 2004 ein Abkommen zur Koexistenz von GPS und Galileo unterzeichnet hatten waren die Erwartungen groß, als sich Lestarquit und seine Kollegen auf die Suche nach einem passenden Signal für Galileo begaben: Ihre Technologie sollte eine höhere Genauigkeit bieten, kompatibel mit GPS und GLONASS sein und sich gleichzeitig mit deren Signalen vereinbaren lassen (Interoperabilität). „Wir wollten von Anfang an Signale finden, die heute, aber auch in 20 Jahren noch aktuell sind", sagt José Ángel Ávila Rodríguez rückblickend. „Wir hatten den Ehrgeiz ein Navigations-System zu entwickeln, das für viele Jahrzehnte nutzbar ist, und das nicht nur so gut wie GPS sein würde, sondern noch besser."
Dabei standen die Forscher vor der Herausforderung, auf Basis eines restriktiveren Frequenzbereiches zu arbeiten. „Wir mussten uns die gleichen Sendefrequenzen teilen, ohne Störungen zu verursachen", sagt Lestarquit. Doch der Gruppe gelang es, mit dem Composite Binary Offset Carrier (CBOC) Signal eine neue Wellenform zu entwickeln, welche GPS- und GLONASS-Signale nicht stört und auch neben dem GPS-Signal stark und stabil bleibt. Ihre Signaltechnik setzt sich aus zwei Subsignalen zusammen: einem Schmalbandsignal, das von heutigen Standard GNSS-Empfängern leicht zu verarbeiten ist. Und einem Signal mit einer größeren Bandbreite, welches für neue Generationen von High-End-Technologien konzipiert ist. „Das Konzept macht eine große Flexibilität möglich", sagt Ávila Rodríguez. „Empfängerhersteller haben die Wahl, ob sie nur einen Teil des Signals verwenden oder das ganze Signal für eine sehr große Genauigkeit nutzen wollen."
Zudem entwickelte der Franzose Lestarquit eine Modulationstechnik, die als Alternative Binary Offset Carrier (Alt-BOC) bekannt ist und vier Signale wirkungsvoll in einem großen Signal bündelt: Zwei Signale für Galileos offenen Dienst (Open Service, OS) - dieser bietet kostenlose Dienste für Verbraucher-Anwendungen - und zwei Signale des sicherheitskritischen Dienstes (Safety of Life Service, SoL) - dieser verschlüsselte Dienst betrifft vor allem Bereiche wie Luftfahrt, wo Menschenleben von der Kontinuität des Signals abhängen können.
„Alt-BOC ist weltweit das Signal schlechthin - doppelt so breit wie Signale von GPS oder GLONASS", sagt Jean-Luc Issler. Die Technologie - welche interoperabel mit dem geplanten GPS SOL-Kanal ist - ermöglicht es, moderne Empfänger mit einer nie dagewesene Präzision über eine zentimetergenaue Positionsbestimmung zu erreichen. Selbst ältere Empfänger können eines der Signale für eine Genauigkeit von unter einem Meter nutzen. Weil die vier Signale zudem mit nur einem Verstärker übertragen werden können, spart die Technologie kostbare Satellitenleistung.
Globale Signale, vielfältige Anwendungen
Seit dem vergangenen Jahr befinden sich 18 Galileo-Satelliten im Erdorbit. Bis 2020 sollen insgesamt 30 Galileo-Satelliten im All sein und Galileo seine vollständige Einsatzbereitschaft erreichen. Anders als das US-amerikanische GPS und das russische GLONASS hat das europäische GNSS seine Wurzeln nicht im militärischen Bereich. Vielmehr sind die meisten Galileo-Dienste für die zivile Nutzung vorgesehen.
Damit wird Europas Satellitennavigationssystem im Verkehrswesen, Luft-, Bahn- und Schifffahrt, Logistik, Zivilschutz oder der Landwirtschaft einer neuen Generation von Technologien, beispielsweise autonomen Fahrzeugen, vernetzten Geräten oder intelligenten städtischen Diensten den Weg bereiten. Aktuelle technologische Fortschritte im autonomen Fahren oder Trends im Bereich standortbezogene Dienstleistungen (location based services) zeigen, welche Perspektiven sich für Technologien zur Navigation und Positionsbestimmung künftig eröffnen.
Als das am höchsten entwickelte Satellitennavigationssystem wird Galileo eine verbesserte Leistungsfähigkeit und verschiedene neue Features und Dienste bieten, über die GPS und GLONASS nicht verfügen. Beispielsweise wird Galileo eine bessere Positionsbestimmung in hohen Breiten ermöglichen, welche GPS auf Anwendungen in der kommerzielle Luftfahrt beschränkt. Darüber hinaus können Menschen mit dem neuen Such- und Rettungsdienst (Search and Rescue Service, SAR) durch das Absetzen eines Notsignals von einem Galileo-kompatiblen Sender - zum Beispiel auf Schiffen oder Flugzeugen - schneller gefunden und gerettet werden.
Galileo GNSS ist ein von der EU getragenes und finanziertes Programm. Die Entwicklung liegt in den Händen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). Galileo soll Europa einen größeren Anteil am globalen Satellitennavigationsmarkt sichern, dessen jährliches Marktvolumen auf 175 Milliarden Euro geschätzt wird. Mit Stand 2016 produzierten 17 Hersteller die Chips, mit denen Galileo verwendet werden kann, und decken damit 95 Prozent des weltweiten Angebots ab. Allein in Bayern gibt es inzwischen 119 Start-ups, deren Geschäft mit Galileo verbunden ist und die einen jährlichen Umsatz von rund 130 Millionen Euro erwirtschaften. Bei vollständiger Einsatzfähigkeit 2020 soll das europäische Satellitennavigationssystem über die kommenden 20 Jahre einen wirtschaftlichen Nutzen von 90 Milliarden Euro erzielen.
Kometenhafte Teamleistung
Laurent Lestarquit startete seine Karriere mit einem Ingenieursstudium an der französischen Elitehochschule École polytechnique und erwarb ein Diplom als Luftfahrt-Ingenieur des Institut Supérieur de l'Aéronautique et de l'Espace (ISAE-SUPAERO). Er ist der Erfinder von Alt-BOC und hat zum Erfolg vieler Projekte im Satellitennavigationsbereich beigetragen. Er wurde gemeinsam mit Lionel Ries und Jean-Luc Issler mit dem Astronautik-Preis der französischen Association Aéronautique et Astronautique ausgezeichnet.
José Ángel Ávila Rodríguez hat an der Universität der Bundeswehr München promoviert und ist verantwortlicher Ingenieur für Signalentwicklung bei der ESA. Er wurde mit verschiedenen Preisen für seine Arbeit im Bereich GNSS ausgezeichnet.
Jean-Luc Issler ist Leiter der Abteilung für Übertragungstechniken und Signalverarbeitung der französische Raumfahrtagentur (CNES) sowie Autor und Co-Autor von mehr als 10 Patenten und 150 Veröffentlichungen im Bereich GNSS und Telemetrie & Fernsteuerung.
Günter W. Hein blickt auf mehr als 200 Forschungsprojekte in der Satellitennavigation zurück und hat 300 wissenschaftliche und technische Publikationen verfasst. Ende 2015 wurde ihm der Status eines exzellenten Emeritus verliehen, womit er erst der dritte Wissenschaftler an der Universität der Bundeswehr München ist, der diesen Ehrentitel erhält. Er ist der einzige europäische Preisträger des vom US-Institute of Navigation verliehenen Johannes Kepler Award.
Lionel Ries, Absolvent der Ecole Polytechnique de Bruxelles und des Institut Supérieur de l'Aéronautique et de l'Espace (ISAE-SUPAERO), ist ein Navigationsingenieur der Abteilung für Übertragungstechniken und Signalverarbeitung der französische Raumfahrtagentur (CNES) sowie Autor und Co-Autor von mehr als 25 Patenten und rund 100 - überwiegend im Bereich der Satellitennavigation angesiedelten - Veröffentlichungen.
Weiterführendes Informationsmaterial
- Video- und Fotomaterial
- Erfahren Sie mehr über die Erfinder
- Der Blick auf die Patente: EP1570287, EP1836778
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