Verbesserung der Energiespeichermenge: Jaan Leis, Mati Arulepp und Anti Perkson als Finalisten für Europäischen Erfinderpreis 2022 nominiert
- Optimierte kohlenstoffbasierte Materialien für Ultrakondensatoren entwickelt: Estnische Wissenschaftler Jaan Leis, Mati Arulepp und Anti Perkson für Preis des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
- Die Erfindung nutzt gekrümmtes Graphen, eine Modifikation des Kohlenstoffs, und erhöht die von den Ultrakondensatoren gespeicherte Energie sowie deren lieferbare Strommenge
- Den Erfindern zufolge können Ultrakondensatoren mit gekrümmtem Graphen innerhalb von 15 Sekunden aufgeladen werden, halten über eine Million Ladezyklen aus und sind frei von giftigen Materialien
München, 17. Mai 2022 - Das Europäische Patentamt (EPA) gibt bekannt, dass die estnischen Wissenschaftler Jaan Leis, Mati Arulepp und Anti Perkson für die Optimierung der kohlenstoffbasierten Elektroden von als Ultrakondensatoren oder Superkondensatoren bekannten Energiespeichern für den Europäischen Erfinderpreis 2022 nominiert worden sind.
Ihre Erfindung optimiert die Eigenschaften eines spezifischen Kohlenstoffmaterials, das als gekrümmtes Graphen bekannt ist, und steigert so die Leistung und Energiedichte von Ultrakondensatoren, die schnell Energie liefern und speichern können, erheblich. Diese kommen zum Einsatz, wenn viele schnelle Lade- und Entladezyklen erforderlich sind, wie beim Beschleunigen und Bremsen von Elektrofahrzeugen. Zur Vermarktung ihrer Erfindung haben Leis und Perkson den estnischen Hersteller von Ultrakondensatoren Skeleton Technologies mitgegründet.
„Die von diesem estnischen Team entwickelte Technologie kann uns bei der Abkehr von fossilen Brennstoffen helfen, indem sie die Leistung alternativer Energiequellen verbessert", sagte EPA-Präsident António Campinos bei der Bekanntgabe der Finalisten. „Ihr Erfolg beruht auf zwanzig Jahren etappenweiser Durchbrüche und zeigt, wie kontinuierliches Investment in Innovationen einen ganzen Industriezweig wie die Energiespeicherung voranbringen kann."
Die drei Erfinder wurden als eines von drei Finalisten-Teams in der Kategorie „Industrie" für den Europäischen Erfinderpreis nominiert, in der herausragende Erfinder von kommerziell erfolgreichen Technologien ausgezeichnet werden, die von großen europäischen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von über 50 Mio. Euro patentiert wurden. Die Gewinner der diesjährigen Ausgabe des Europäischen Erfinderpreises des EPA werden am 21. Juni im Rahmen einer virtuellen Preisverleihung bekannt gegeben.
Entwicklung der Technologie
Sowohl Superkondensatoren als auch Batterien versorgen Maschinen mit elektrischer Energie, allerdings auf unterschiedliche, sich ergänzende Weise. Batterien geben ihre Energie gleichmäßig ab und sind eher für lange, regelmäßige Aufgaben geeignet. Superkondensatoren, also elektrische Bauelemente zur Speicherung elektrischer Ladungen, liefern starke, kurze Energiestöße für Funktionen, bei denen schnell Energie benötigt wird. Sie gelten zum Beispiel als besonders geeignet für Elektrofahrzeuge.
Skeleton Technologies begann 2018 mit dem Test von mit Ultrakondensatoren betriebenen Straßenbahnen in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen. Indem die beim Bremsen freigesetzte Energie aufgefangen und für die Beschleunigung wiederverwendet wurde, ermöglichten die Ultrakondensatoren nach Angaben des Unternehmens eine Einsparung von bis zu 30 % an elektrischer Energie.
Leis, Arulepp und Perkson arbeiteten in den späten 1990er-Jahren am Forschungsinstitut Tartu Technologies. Während dieser Zeit begannen sie darüber nachzudenken, wie Kohlenstoff und Graphen verbessert werden könnten, um eine bessere Energieleistung in Kondensatoren zu erzielen. Damals wurde für die Superkondensatortechnologie Kohlenstoffmaterial - in der Regel in Form von gewebtem Kohlenstofftuch - verwendet, das jedoch große Poren aufwies, wodurch es eine geringe Energiedichte hatte und somit energetisch ineffizient war.
Die drei Forscher wollten ein maßgeschneidertes Kohlenstoffmaterial mit einer besseren Energiedichte herstellen. Dazu starteten sie Experimente mit Karbid - eine Verbindung aus Kohlenstoff und einem Metall - sowie mit Kohlenstoffpulvern und verschiedenen Methoden, um zu sehen, ob die Energiedichte, Homogenität und Reinheit verbessert werden konnten. Jede neue Verbesserung wurde in einer Patentanmeldung dokumentiert, die erste wurde 2001 eingereicht.
„Für uns ging es immer darum, dass was wir im Labor entwickeln, auch einen echten Wert haben muss", sagt Leis. „Das ist ein großer Unterschied zu wissenschaftlichen Publikationen: Man findet immer etwas Neues, aber ist es auch im echten Leben anwendbar?"
Das Forschertrio arbeitete auch an Möglichkeiten, Graphen - eine einzelne Schicht aus Kohlenstoffatomen - so zu gestalten, dass es eine einheitliche Porengröße hat, damit es zu einem effizienteren Elektrodenmaterial wird, indem die Elektrolyt-Ionen besser in die Poren passen. Dies führte zur Optimierung des gekrümmten Graphens, das nun in ihren Ultrakondensatorelektroden verwendet wird. Gekrümmtes Graphen hat eine Form, die einem zerknüllten Stück Papier ähnelt, wodurch es eine größere Oberfläche auf der Elektrode und damit eine höhere Dichte für die Energieübertragung erhält.
Leis und Perkson gründeten 2009 gemeinsam mit ihren Geschäftspartnern Skeleton Technologies, um ihre Forschung zu vermarkten und ihre gekrümmte Graphen-Technologie weiter zu verfeinern.
Ihrer Zeit voraus
Das von Leis, Arulepp und Perkson optimierte gekrümmte Graphen verleiht den Superkondensatoren des Unternehmens eine außergewöhnliche Energiedichte und verbesserte elektrische Leitfähigkeit. Nach Angaben von Skeleton Technologies können die Superkondensatoren des Unternehmens innerhalb von 15 Sekunden aufgeladen werden und halten über eine Million Ladungen aus.
Das optimierte gekrümmte Graphen, das komplett in Europa hergestellt wird, weist eine hohe chemische Reinheit auf und ist frei von toxischen Stoffen, die üblicherweise in anderen Batterie-/Kondensatortechnologien vorkommen, wie Lithium oder Kobalt. Dadurch wird die Zuverlässigkeit gewährleistet und die Umweltbelastung durch die Ultrakondensatoren des Unternehmens begrenzt.
Das Unternehmen sieht auch andere Verwendungsmöglichkeiten für seine gekrümmte Graphen-Technologie, insbesondere auf dem wachsenden Markt für Elektrofahrzeuge. Es wendet sein Superkondensatoren-Fachwissen jetzt auf ein Kondensator-Batterie-Hybridsystem an, das Standard-Lithium-Ionen-Zellen und die Superkondensator-Zellen des Unternehmens kombiniert.
Skeleton Technologies beschäftigt rund 240 Mitarbeitende an Standorten in Großröhrsdorf (Produktion), Berlin (Vertrieb) und Tallinn (F&E sowie Pilotproduktion). Das Unternehmen hat derzeit Handelsverträge im Wert von 1,3 Mrd. Euro und plant einen Ausbau seiner Anlagen, sodass 12 Millionen Einheiten pro Jahr in einer vollautomatischen Produktionslinie hergestellt werden können.
Hinweis für die Redaktionen
Informationen zu den Erfindern
Jaan Leis hat an der Universität Tartu in theoretischer Chemie und Computerchemie promoviert. 1999 begann er bei Tartu Technologies als Chemiker-Technologe zu arbeiten, während er weiterhin als Forscher an der Universität tätig war. Leis verließ das Unternehmen im Jahr 2008, bevor er 2009 Skeleton Technologies mitgründete. Seit 2021 ist er zudem außerordentlicher Professor für Molekulartechnologie an der Universität Tartu und arbeitet weiterhin als Berater bei Skeleton Technologies.
Mati Arulepp promovierte an der Universität Tartu in Physik und Elektrochemie. Er begann seine berufliche Laufbahn beim Forschungsinstitut Tartu Technologies, wo er während seines Promotionsstudiums tätig war. Anschließend arbeitete er bei Carbon Nanotech, bevor er 2010 als leitender Wissenschaftler zu Leis und Perkson bei Skeleton Technologies kam. Seit 2016 ist er als technischer Experte für das Unternehmen tätig.
Anti Perkson promovierte an der Universität Tartu in chemischer Physik. Im Jahr 1998 begann er seine Tätigkeit bei Tartu Technologies als Forschungswissenschaftler. Ein Jahr später gründete er zusammen mit Leis und anderen Skeleton Technologies. 2013 trat er dem Unternehmen als Chief Technical Officer bei und fungiert seit 2016 als Berater für Materialwissenschaften.
Das Team wird in den europäischen Patenten EP2616564B1 (erteilt 2017), EP2978003B1 (erteilt 2017) und EP2633532B1 (erteilt 2015) als Erfinder genannt.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise in Europa. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt Einzelpersonen und Teams, die Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury ausgewählt, die sich aus früheren Finalisten des Preises zusammensetzt. Gemeinsam prüfen sie die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur sozialen und nachhaltigen Entwicklung und zum wirtschaftlichen Wohlstand. Das EPA verleiht den Preis in vier Kategorien (Industrie, Forschung, KMU und Nicht-EPO-Staaten) und wird darüber hinaus am 21. Juni im Rahmen einer virtuellen Zeremonie einen Preis für das Lebenswerk ausloben. Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 13 Finalisten über ein Online-Voting auf der Webseite es EPA ermittelt. Die Stimmenabgabe ist bis zum 21. Juni 2022 möglich. Lesen Sie mehr über die Teilnahmebedingungen und Auswahlkriterien für den Europäischen Erfinderpreis.
In diesem Jahr wird das EPA zum ersten Mal auch den Young Inventors prize vergeben. Der neue Preis für junge Menschen unter 30 ist mit einer Geldprämie für die drei Finalisten dotiert, um sie weiter zu ermutigen, kreative Lösungen für drängende Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu finden.
Über das EPA
Mit 6 400 Mitarbeitern ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das EPA, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Außerdem ist das EPA weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.
Pressekontakte Europäisches Patentamt
Luis
Berenguer Giménez
Leiter
Kommunikation
Pressestelle
des Europäischen Patentamts
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