Pressemitteilung | 20.6.2019
Wien/München, 20. Juni 2019 - Das Europäische Patentamt (EPA) hat heute auf einer Galaveranstaltung in Wien den französischen Immunologen Jérôme Galon mit dem Europäischen Erfinderpreis 2019 in der Kategorie „Forschung" geehrt. Galon hat einen diagnostischen Krebstest entwickelt, der auf der Immunantwort von Patienten basiert und es Ärzten ermöglicht, sich ein vollständigeres Bild von der Erkrankung einer Person zu machen. Dadurch können wirksamere und gezieltere Therapien angeboten werden.
Die Erfindung Galons wurde vom Französischen Institut für Gesundheit und medizinische Forschung (INSERM) lizensiert und unter dem Namen Immunoscore® von einem von ihm mitbegründeten Unternehmen auf den Markt gebracht. Sie zählt die Anzahl der positiven Immunzellen eines Patienten in der Umgebung des Tumors. Der Test wird in Kliniken auf der ganzen Welt eingesetzt, um das Rückfallrisiko bei Patienten mit Darmkrebs vorherzusagen.
„Die Erfindung von Jérôme Galon hatte große Auswirkungen auf dem Gebiet der Onkologie", sagte EPA-Präsident António Campinos. „Sie hat bereits zu einer Nachprüfung von Krebsklassifizierungssystemen geführt und könnte letztendlich neue Behandlungen ermöglichen. Mit der Gründung eines Start-ups und der erfolgreichen Nutzung von Patenten hat Galon seine Technologie auf den Markt gebracht, damit seine Forschungsanstrengungen dort Wirkung zeigen können, wo sie am wichtigsten sind - nämlich in der Hilfe am Menschen."
An der Verleihung des Europäischen Erfinderpreises in der Wiener Stadthalle nahmen rund 600 Gäste aus den Bereichen geistiges Eigentum, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Lehre teil. Der Preis wird jährlich vom EPA vergeben, um herausragende Erfinder aus Europa und der ganzen Welt auszuzeichnen, die einen außergewöhnlichen Beitrag für den technologischen Fortschritt, die Gesellschaft und das Wirtschaftswachstum geleistet haben. Die Finalisten und Gewinner in fünf Kategorien (Industrie, Forschung, KMU, Nicht-EPO-Staaten und Lebenswerk) wurden von einer unabhängigen internationalen Jury aus einem Pool von Hunderten von Erfindern und Erfinderteams ausgewählt, die für den diesjährigen Award vorgeschlagen wurden.
Jérôme Galon hat der Krebsdiagnostik neue Wege eröffnet, indem er den Einfluss des Immunsystems eines Patienten auf die erfolgreiche Bekämpfung der Krankheit aufgezeigt hat. „Als ich anfing, an Krebs zu arbeiten, konzentrierte sich die Forschung in diesem Feld hauptsächlich auf Tumorzellen", sagt der Erfinder. „Aber als Immunologe war mir klar, dass das Immunsystem auch eine große Rolle spielt. Wenn wir wissen, wie aktiv das Immunsystem ist, können wir vorhersagen, ob ein Krebspatient ein hohes oder ein niedriges Rückfallrisiko hat. Das ermöglicht Ärzten nicht nur, Krebserkrankungen genauer zu klassifizieren, sondern auch Patienten die effektivste Therapie anzubieten, ohne sie überzubehandeln."
Nach vielen Jahren intensiver Forschung entwickelte Galon einen in-vitro-Diagnosetest, der die Immunantwort von Krebspatienten misst. Der sogenannte Immunoscore funktioniert durch die Analyse einer kleinen Gewebeprobe, die operativ aus dem Primärtumor eines Patienten entnommen wird. Es überwacht die Krebserkrankung und zählt immune „zytotoxische" T-Zellen, die krebsartige oder virusinfizierte Zellen zerstören. Je mehr dieser Immunzellen sich in Tumoren befinden, desto besser sind die Überlebenschancen des Patienten. Zur Durchführung des Tests fertigt ein Spezial-Scanner digitale Bilder der Tumorprobe an, auf denen die Immunoscore-Software die Anzahl der positiven Immunzellen zählt. Ein Algorithmus berechnet dann den allgemeinen Immunoscore für den Patienten basierend auf der Konzentration der T-Zellen. Das gibt Ärzten einen besseren Einblick in die Schwere der Krebserkrankung und in das Risiko von Patienten, während verschiedener Phasen der Behandlung Rückfälle zu erleiden oder zu sterben.
Galon reichte 2005 seine erste Patentanmeldung für Immunoscore ein. Weitere Patentanmeldungen folgten für viele andere Aspekte der Erfindung. Heute wird Galon als Erfinder in 15 europäischen Patenten genannt. Um seinen Test auf den Markt zu bringen, beteiligte er sich 2014 an der Gründung des in Marseille ansässigen Unternehmens HalioDx als Spin-off und ist heute Vorsitzender von dessen wissenschaftlichen Beirat. „Es ist sehr lohnenswert, die Grundlagenforschung in die Praxis umzusetzen", sagt er. Das Unternehmen beschäftigt derzeit rund 160 Mitarbeiter und lizenziert Galons Immunoscore-Patente vom INSERM.
In Bezug auf Patente sagt der Erfinder, dass das Unternehmen von Anfang an mit Risikokapital gestützt wurde, und die Investoren sich auch intensiv mit dem Schutzumfang und der Reichweite der Schutzrechte beschäftigten. „Ohne die Patente hätte ich das benötigte Kapital nicht aufbringen können", sagt Galon.
Galon, der am Institut Pasteur und am Institut Curie in Paris zum Immunologen ausgebildet wurde, promovierte 1996 am Jussieu Campus der Sorbonne Universität in Paris in Immunologie. Nachdem er als Postdoktorand am nationalen Gesundheitsinstitut in den USA (NIH) gearbeitet hatte, kehrte er 2001 nach Paris zurück, um eine vom INSERM finanzierte Forschungsgruppe zu leiten. Heute ist Galon Forschungsdirektor am INSERM und Leiter des Labors für integrative Krebsimmunologie am Centre de Recherche des Cordeliers.
Kliniken auf der ganzen Welt setzen inzwischen den Immunoscore-Scanner bei Patienten mit Darmkrebs ein. Dabei hat sich gezeigt, dass der Test das Weiterleben von Krebspatienten mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit anzeigt. Das Unternehmen hat auch einen Lungenkrebstest auf den Markt gebracht, und der Erfinder hofft, dass dieser in Zukunft bei vielen Krebsarten eingesetzt werden kann. Dank Galons Erfindung können Ärzte nun eine größere Genauigkeit erreichen, wenn es um die Auswahl, die Dosierung und andere Anpassungen der Behandlung für einzelne Patienten geht.
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der prestigeträchtigsten Innovationspreise Europas. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt einzelne Erfinder und Erfinderteams, deren Erfindungen Lösungen für einige der drängendsten Probleme unserer Zeit darstellen. Um sich für den Preis zu qualifizieren, müssen alle Bewerbungen spezifische Kriterien erfüllen, wie mindestens ein europäisches Patent vom Europäischen Patentamt auf die Erfindung erhalten zu haben. Die Finalisten und Gewinner in den fünf Kategorien werden von einer unabhängigen Jury bestehend aus internationalen Größen aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Akademie und Forschung ausgewählt, welche die Vorschläge auf deren Beitrag zum technischen Fortschritt, zur gesellschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa hin überprüft. Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 15 Finalisten im Vorfeld der Verleihung über ein Online-Voting gewählt. Die diesjährigen 15 Finalisten wurden aus einem Pool von Hunderten Erfindern und Erfinderteams ausgewählt, die von der Öffentlichkeit, nationalen Patentämtern in Europa und EPA-Mitarbeitern vorgeschlagen worden sind.
Das Europäische Patentamt (EPA) ist mit fast 7 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine der größten europäischen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Der Hauptsitz ist in München; Niederlassungen gibt es in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien. Das EPA wurde gegründet, um die Zusammenarbeit europäischer Staaten im Patentwesen zu fördern. Über das zentrale Erteilungsverfahren beim EPA können Erfinder auf der Grundlage einer einzelnen Patentanmeldung Patentschutz in bis zu 44 Ländern (mit einem Markt von rund 700 Millionen Menschen) erlangen. Das EPA gilt überdies als die weltweit bedeutendste Behörde für Patentrecherchen und Patentinformationen.
Jana Mittermaier
Direktorin Externe Kommunikation
Rainer Osterwalder
Pressesprecher
Pressestelle des EPA
Tel. +49 89 2399 1833
Mobil: +49 16 3839 9527
press@epo.org
Tel.: + 49 (0)89 2399 1833 E-Mail: press@epo.org Rückruf anfordern Weitere Kontaktdaten
Wir verwenden auf unserer Website Cookies, die technische Funktionen für ein verbessertes Nutzererlebnis unterstützen. Außerdem nutzen wir Webanalyse-Cookies. Erfahren Sie mehr über die von uns verwendeten Cookies und wie Sie sie verwalten können. |