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T 1104/14 (Biomassen-Brennstoffe I / Werner) 23-05-2017
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VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR HERSTELLUNG VON BRENNSTOFFEN AUS GEPRESSTER BIOMASSE UND VERWENDUNG DERSELBEN
Grundlage der Entscheidung - Keine vom Patentinhaber vorgelegte oder gebilligte Fassung
Rechtliches Gehör - Verletzung (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz - wesentlicher Mangel im Verfahren vor der ersten Instanz (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (ja)
I. Der Patentinhaber und Beschwerdeführer (im Folgenden: Patentinhaber) legte gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 587 899 widerrufen wurde, Beschwerde ein.
II. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens reichte der Patentinhaber mehrmals geänderte Anspruchssätze ein indem er am 8. Oktober 2012, am 21. Januar 2014 und in der mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2014 Hilfsanträge stellte.
III. Die Einspruchsabteilung legte ihrer Entscheidung den Hauptantrag mit den Ansprüchen 1-14 (früherer Hilfsantrag vom 21. Januar 2014) sowie einen Hilfsantrag 1 vom 21. Februar 2014 mit den Ansprüchen 1-9 zugrunde und begründete am Ende der Entscheidung, warum sie in der mündlichen Verhandlung die Einreichung weiterer Anträge abgelehnt hat.
IV. Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ist zu entnehmen, dass der Patentinhaber eingangs den im schriftlichen Verfahren gestellten Hauptantrag vom 21. Januar 2014 durch den ebenfalls im schriftlichen Verfahren gestellten Hilfsantrag vom 21. Januar 2014 ersetzt hatte, so dass der vormalige Hilfsantrag zum Hauptantrag (im Folgenden: Hauptantrag MV) wurde (Absatz 3 des Protokolls). Der zuvor geltende Hauptantrag wurde zurückgezogen (Absatz 3 des Protokolls). Außerdem reichte der Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung gegen 9:10 Uhr zwei neue Hilfsanträge ein (Ansprüche 1-9 gemäß Hilfsantrag 1, im Folgenden: HiA1 9:10 und Ansprüche 1-6 gemäß Hilfsantrag 2, im Folgenden: HiA2 9:10). Beide Hilfsanträge wurden als Anhang 1 zum Protokoll genommen. Im weiteren Verlauf der Verhandlung teilte der Vorsitzende dann mit, dass der während der Verhandlung eingereichte zweite Hilfsantrag (HiA2 9:10) wegen des späten Einreichens nicht zugelassen werde und auch weitere Anträge nicht mehr zugelassen würden (Absatz 7 des Protokolls). Der Patentinhaber beantragte danach, gegen 10:20 Uhr, zwei neue Hilfsanträge einreichen zu dürfen (Ansprüche 1-9 gemäß Hilfsantrag 1, im Folgenden: HiA1 10:20 und Ansprüche 1-6 gemäß Hilfsantrag 2, im Folgenden: HiA2 10:20). Der Vorsitzende nahm diese Anträge als Anhang 2 zum Protokoll und wies darauf hin, dass diese neuen Anträge nicht zugelassen würden (Absatz 16 des Protokolls). Auf die anschließende Nachfrage des Vorsitzenden, "ob die jeweiligen Anträge bestehen blieben", beantragte der Patentinhaber ausweislich des Protokolls (Absatz 22), "den bestehenden Hilfsantrag durch den später eingereichten (gemäß Anhang 2) zu ersetzen." Daraufhin erklärte der Vorsitzende (Absatz 23 des Protokolls), ,,dass trotz des Fehlens einer eindeutigen Aussage der Patentinhaberin, der Haupt- und der Hilfsantrag als bestätigt gelten."
V. Die angefochtene Entscheidung begründete die Einspruchsabteilung damit, dass der Hauptantrag MV nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ entspreche und daher nicht gewährbar sei. In Anspruch 1 gemäß Hauptantrag MV sei der Entfernungsschritt (56) (wie in Figur 2 des Streitpatents bezeichnet) in Form des Merkmals "Entfernung von im Gras enthaltenen Verunreinigungen wie Steine, Erdreich und dergleichen", aufgenommen worden. In der ursprünglichen Anmeldung sei dieser Entfernungsschritt indes lediglich im Zusammenhang mit einem Sammelschritt (50) offenbart worden. Das Weglassen dieses Sammelschritts (50) führe zu einer Erweiterung des Anspruchsgegenstandes über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Das Gleiche gelte für den geänderten Anspruch 1 des Hilfsantrags (HiA1 9:10), in den der Entfernungsschritt ebenfalls ohne den Sammelschritt aufgenommen wurde.
Am Ende der Entscheidung (Absätze 13 und 14 der Entscheidungsgründe) führte die Einspruchsabteilung aus, dass sie keine weiteren Anträge des Patentinhabers zugelassen habe, weil beim Diskutieren des ersten Hilfsantrags festgestellt worden sei, dass das Verfahren dadurch nicht weiter komme, da der Hauptantrag (Hauptantrag MV) und der Hilfsantrag (HiA1 9:10) denselben Einwand teilen würden. Der Patentinhaber habe überhaupt keine Verteidigung gegen den Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ abgegeben, sondern habe lediglich beantragt, weitere Anträge einzureichen.
VI. Nach Erhalt der Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Verhandlung beantragte der Patentinhaber eine Berichtigung des Protokolls dahingehend, dass er in der mündlichen Verhandlung beantragt habe, "die bestehenden Anträge", das heißt den gestellten Hauptantrag und beide zunächst gestellten Hilfsanträge (HiA1 9.10 und HiA2 9:10 ( Anlage 1)), durch die beiden zuletzt eingereichten Hilfsanträge (HiA1 10:20, HiA2 10:20 (Anlage 2)) zu ersetzen. Die Einspruchsabteilung lehnte diesen Berichtigungsantrag ab und begründete dies damit, dass die begehrte Änderung eine Unklarheit erzeugen würde und dass die Formulierung in Absatz 23 des Protokolls die Vorkommnisse während der Verhandlung hinreichend genau wiedergebe.
VII. Mit der Beschwerdebegründung reichte der Patentinhaber acht geänderte Anspruchssätze, welche nur noch Verfahrensansprüche umfassen, als neuen Hauptantrag bzw. Hilfsanträge 1 bis 7 ein. Mit Schreiben vom 16. April 2015 reichte der Patentinhaber einen neuen Hauptantrag sowie drei neue Hilfsanträge ein.
VIII. In der mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2017 stellten die Parteien die folgenden abschließenden Anträge:
Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung;
die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf Basis der Ansprüche
- gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 16. April 2015,
- hilfsweise gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 3, alle eingereicht mit Schreiben vom 16. April 2015;
- hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung;
sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte
die Zurückweisung der Beschwerde.
IX. Der für die Entscheidung relevante Vortrag des Patentinhabers kann wie folgt zusammengefasst werden:
Der Patentinhaber hält die angefochtene Entscheidung für verfahrensfehlerhaft, insbesondere weil sein rechtliches Gehör verletzt worden sei. Der Vorsitzende der Einspruchsabteilung habe sich geweigert, die bestehenden Hilfsanträge durch neue Hilfsanträge zu ersetzen und die Antragstellung ordnungsgemäß zu protokollieren. Infolgedessen habe die Einspruchsabteilung über Anträge entschieden, die nicht mehr gestellt waren, und über Anträge, die gestellt waren, nicht entschieden. Die Einspruchsabteilung habe das Ermessen, das ihr bei der Entscheidung über die Zulassung spät gestellter Anträge zustehe, dahingehend missverstanden, dass sie entscheiden dürfe, welche Anträge ein Beteiligter stellen oder nicht stellen darf bzw. welche dieser Anträge ins Protokoll aufzunehmen sind und welche nicht. Zudem habe der Vorsitzende den Patentinhaber am Sprechen gehindert und ihn ständig unterbrochen.
Darüber hinaus habe die Einspruchsabteilung ihr Ermessen bei der Zulassung spät eingereichter Anträge fehlerhaft ausgeübt und an dessen Stelle Willkür gesetzt, indem der Vorsitzende a priori erklärt habe, dass überhaupt nur ein einziger Änderungsversuch akzeptiert werde. Die Einspruchsabteilung habe ihm zugleich jede Möglichkeit abgeschnitten, auf die erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobene Beanstandung im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ, zu reagieren. Da er infolgedessen darauf angewiesen sei, mit der Beschwerde verschiedene Anträge einzubringen, seien diese geänderten Anspruchssätze in das Verfahren zuzulassen.
Der Gegenstand der aktuellen Anspruchssätze des Hauptantrags und der Hilfsanträge sei im Übrigen sowohl neu als auch erfinderisch und beinhalte keine unzulässigen Erweiterungen.
X. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) ist den Ausführungen des Patentinhabers entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, dass kein Verfahrensfehler vorliege, insbesondere sei das rechtliche Gehör des Patentinhabers nicht verletzt worden. Vielmehr habe sich der Patentinhaber geweigert, auf Nachfragen der Einspruchsabteilung zu antworten und nachdem die Einspruchsabteilung erklärt hatte, keine weiteren Anträge zuzulassen gleichwohl insistiert, weitere Anträge einzureichen.
Mit den aktuellen Anträgen versuche der Patentinhaber, den Gegenstand der Erfindung in unterschiedliche Richtungen weiterzuentwickeln. Eine einschränkende Weiterentwicklung eines Erfindungsgedankens erfolge jedenfalls nicht, weshalb die neuen Anträge nicht zuzulassen seien.
Die neuen Anträge beinhalteten außerdem unzulässige Erweiterungen und seien teilweise unklar. Hinsichtlich der fehlenden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit werde auf die Ausführungen im Einspruchsverfahren Bezug genommen.
Einer Zurückverweisung der Akte an die Einspruchsabteilung zur Fortsetzung des Verfahrens, werde nicht widersprochen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Beschwerde ist begründet.
2.1 Dispositionsbefugnis
2.1.1 Artikel 113 (2) EPÜ schreibt vor, dass sich das Europäische Patentamt bei Entscheidungen über europäische Patentanmeldungen und Patente an die vom
Anmelder oder Patentinhaber vorgelegte oder gebilligte Fassung zu halten hat. Es ist nämlich ein Grundprinzip des Europäischen Patentrechts, dass allein der Anmelder bzw. Patentinhaber die Verantwortung für die Formulierung der Patentansprüche und die damit verbundene Antragstellung hat. Ausgehend von der in Artikel 113 (2) EPÜ zum Ausdruck kommenden Dispositionsbefugnis des Patentinhabers, hat der Patentinhaber das Recht, selbst zu entscheiden, welche Anträge er in der mündlichen Verhandlung stellt. Hierzu benötigt er keine Erlaubnis der Einspruchsabteilung. Erst nachdem der Patentinhaber seine Anträge gestellt hat, werden diese Gegenstand des Verfahrens und bilden damit die Grundlage der zu treffenden Entscheidung.
Von der eigentlichen Antragstellung zu unterscheiden, ist die Frage, ob der Antrag in der Entscheidung wegen Verspätung zurückgewiesen werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts verpflichtet Artikel 113 (2) EPÜ das Europäische Patentamt nicht, einen vom Anmelder gestellten Änderungsantrag zuzulassen (vgl. z.B. Entscheidung der Grobetaen Beschwerdekammer G 7/93, ABl. EPA 1994, 775, Entscheidungsgründe 2.1). Damit ist indes lediglich die zu treffende Entscheidung über die Zulassung des (gestellten) Antrags gemeint, nicht aber die Befugnis, die Antragstellung bzw. die Protokollierung oder Entgegennahme des Antrags während der mündlichen Verhandlung zu verweigern. Dies würde nämlich im Allgemeinen einen schwerwiegenden Eingriff in die dem Anmelder bzw. Patentinhaber mit Artikel 113 (2) EPÜ eingeräumte Autonomie über die Fassung des Patents (Dispositionsbefugnis) darstellen.
2.1.2 Vorliegend hat die Einspruchsabteilung die Dispositionsbefugnis des Patentinhabers missachtet, indem sie ihre Entscheidung nicht auf die Anträge gestützt hat, die der Patentinhaber ausweislich der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 21. Februar 2014 tatsächlich zur Entscheidung gestellt hat.
- Es kann dahinstehen, ob der Protokollberichtigungs-antrag des Patentinhabers berechtigt war oder nicht. Selbst aus der vorliegenden, nicht-berichtigten Sitzungsniederschrift geht nämlich eindeutig hervor, dass der Patentinhaber seine bisherigen Anträge am Ende der Verhandlung nicht unverändert stellen wollte, sondern diese durch neue Anträge ersetzen hat:
Ausweislich der Sitzungsniederschrift begehrte der Patentinhaber im Verlauf der Verhandlung gegen 10:20 Uhr, einen neuen ersten sowie einen neuen zweiten Hilfsantrag (HiA1 10:20, HiA2 10:20 (Anhang 2)) einreichen zu dürfen (Protokoll Absatz 15). Der Vorsitzende nahm diese Anträge lediglich als Anhang 2 zu Protokoll und wies aber zugleich darauf hin, dass diese Anträge nicht zugelassen würden (Protokoll Absatz 16). Auf die abschließende Frage des Vorsitzenden nach den geltenden Anträgen hat der Patentinhaber dann ausweislich des Protokolls explizit "nochmals beantragt, den bestehenden Hilfsantrag durch den später eingereichten (gemäß Anhang 2) zu ersetzen" (Protokoll Absatz 22). Daraus ergibt sich eindeutig, dass der Patentinhaber seine Anträge ändern wollte und dies auch durch eine entsprechende Antragstellung verdeutlicht hat.
- Der Vorsitzende führte gleichwohl aus, dass "trotz des Fehlens einer eindeutigen Aussage des Patentinhabers, der Haupt- und der Hilfsantrag als bestätigt gelten" würden (Protokoll Absatz 23). Auch ausweislich der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung ging die Einspruchsabteilung von dem Hauptantrag MV und dem Hilfsantrag 1 vom 21. Februar 2014 (HiA1 9:10, Anhang 1) aus. Dadurch legte sie ihrer Entscheidung entgegen Artikel 113 (2) EPÜ eine andere als die vom Patentinhaber (zuletzt) gebilligte Fassung des Patents zugrunde und handelte folglich verfahrensfehlerhaft.
2.1.3 Daran ändert eine etwaige Unklarheit bei der Antragstellung nichts. Sofern aufgrund der dem Protokoll zu entnehmenden Antragstellung mit einer Formulierung im Singular ("den bestehenden Hilfsantrag durch den später eingereichten zu ersetzen"; Hervorhebung durch die Kammer) Zweifel bestanden haben sollten, welcher Antrag bzw. welche Anträge durch welchen Antrag bzw. welche Anträge ersetzt werden sollte/n, weil bereits zwei Hilfsanträge vorlagen (HiA1 9:10 und HiA2 9:10) und Anhang 2 zwei neue Hilfsanträge (HiA1 10:20 bzw. HiA2 10:20) enthielt, wäre es Aufgabe des Vorsitzenden gewesen, diesbezüglich eine Klarstellung herbeizuführen (vgl. R 14/10 vom 26. Januar 2011, Entscheidungsgründe 6.1; T 382/10 vom 13. Dezember 2011, Entscheidungsgründe 2.7; T 666/90 vom 28. Februar 1994, Entscheidungsgründe 2.1.1). Dies ist ausweislich des Protokolls indes nicht geschehen.
Unterbleibt eine solche Klarstellung trotz bestehender Notwendigkeit, so stellt auch dieses Unterlassen einen Verfahrensfehler dar (ebenso: T 740/00 vom 10. Oktober 2001, Entscheidungsgründe 4.6), weil unklar bleibt, welche Fassung des Patents der Patentinhaber zur Entscheidung stellt und dadurch Artikel 113 (2) EPÜ verletzt wird.
2.1.4 Die Einspruchsabteilung durfte keinesfalls eigenmächtig die Anträge zugrunde legen, deren Ersetzung der Patentinhaber ausdrücklich begehrt hatte. Weder aus der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung noch aus den Ausführungen des Patentinhabers und der Einsprechenden im Beschwerdeverfahren ergibt sich ein Anhaltspunkt für die protokollierte Annahme des Vorsitzenden, dass "der Haupt- und der Hilfsantrag als bestätigt gelten". Vielmehr ist sowohl dem (nicht berichtigten) Protokoll zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung als auch den Ausführungen der Einsprechenden und der schriftlichen Entscheidung der Einspruchsabteilung zu entnehmen, dass der Patentinhaber darauf bestanden hatte, neue Anträge (HiA1 10:20, HiA2 10:20) zu stellen.
2.2 Wesentlicher Verfahrensfehler
Die Zugrundelegung falscher Anträge stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, denn die Dispositionsfreiheit ist von grundlegender Bedeutung und ihre Missachtung beeinträchtigt das gesamte Verfahren (vgl. T 647/93 vom 6. April 1994, Entscheidungsgründe 2.6).
2.2.1 Dieser Verfahrensfehler wurde auch nicht dadurch geheilt, dass sich am Ende der angefochtenen Entscheidung Ausführungen finden, mit denen die Einspruchsabteilung die "Nichtzulassung" der Anträge begründet hat, denn diese Ausführungen ändern nichts daran, dass der Vorsitzende der Einspruchsabteilung sich in der mündlichen Verhandlung geweigert hat, die geänderten Anträge (HiA1 10:20, HiA2 10:20) des Patentinhabers zur Kenntnis zu nehmen und zu erörtern. Infolgedessen hat er auch den Vortrag des Patentinhabers unrechtmäßig beschränkt, was gegen Artikel 113 (1) EPÜ verstößt.
Nach Artikel 113 (1) EPÜ dürfen Entscheidungen des Europäischen Patentamtes nämlich nur auf Gründe gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Der Anspruch auf rechtliches Gehör besteht auch während der mündlichen Verhandlung und erfordert, dass die entscheidende Abteilung oder Kammer die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und diese im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage berücksichtigt soweit sie sich auf die gestellten Anträge beziehen und die Verfahrensökonomie nicht entgegen steht. Vorliegend hätte die Einspruchsabteilung dem Patentinhaber daher die Möglichkeit einräumen müssen, seine gestellten Anträge (HiA1 10:20, HiA2 10:20) zu erläutern.
Darüber hinaus ist aus dem Akteninhalt ersichtlich, dass der Einwand nach Artikel 123 (2) EPÜ gegen Anspruch 1 des Hauptantrags MV erstmals in der mündlichen Verhandlung erhoben und diskutiert worden ist, obwohl ein Antrag mit einem entsprechend geänderten Anspruch 1 (durch Aufnahme eines Entfernungsschritts zur Entfernung von Verunreinigungen, aber ohne einen Sammelschritt), bereits lange vor der mündlichen Verhandlung eingereicht worden war (siehe Anspruch 1 des Hilfsantrags vom 8. Oktober 2012). Vor diesem Hintergrund hätte der in Artikel 113 (1) EPÜ verankerte Grundsatz des rechtlichen Gehörs es in diesem Fall geboten, den Parteien Gelegenheit zur Äußerung zu geben und dem Patentinhaber zu ermöglichen, durch die Einreichung und Erläuterung geänderter Anträge auf den neuen Einwand zu reagieren. Eine Erörterung der vom Patentinhaber gestellten geänderten Anträge hätte daher vor der von der Einspruchsabteilung getroffenen Entscheidung über deren Zulassung in das Verfahren erfolgen müssen.
2.3 Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Wegen der festgestellten wesentlichen Verfahrensmängel ist der Beschwerde stattzugeben und es entspricht der Billigkeit, die Beschwerdegebühr nach Regel 103 (1) a) EPÜ zurückzuzahlen.
2.4 Zulassung der Anträge mit geänderten Anspruchssätzen in das Verfahren
2.4.1 Im Hinblick auf den fehlerhaften Verfahrensablauf im Einspruchsverfahren hat die Kammer im Rahmen des ihr nach Artikel 13 (1) VOBK zustehenden Ermessens zudem entschieden, die neuen, mit Schriftsatz vom 16. April 2015 eingereichten Anträge des Patentinhabers, die sich auf Verfahrensansprüche beschränken, in das Verfahren zuzulassen.
2.4.2 Aufgrund des verfahrensfehlerhaften Ablaufs der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ist eine Erörterung der vorgenommenen Änderungen im Einspruchsverfahren vereitelt worden und dadurch in das Beschwerdeverfahren verlagert worden.
3. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
Das Verfahren ist auf Grundlage dieser in das Verfahren zugelassenen Anträge fortzuführen. Da eine Erörterung und Prüfung der geänderten Ansprüche auf formale und materielle Erfordernisse hin bislang nicht erfolgt ist, wird das Verfahren zur weiteren Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen (Artikel 111 EPÜ, Artikel 11 VOBK).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen
zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens auf der Grundlage der Verfahrensansprüche gemäß den mit Schreiben vom 16. April 2015 eingereichten Anträgen (Hauptantrag, Hilfsanträge 1-3).
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.